Von Johannes Lindner, Berlin
Wer sich mit der Türkei der Jahre 1917 bis 1925 beschäftigt und
hierbei die Maliyedaten ab 1334 (1918) mittels der Wüstenfeld-
Mahler'schen Vergleichungs-Tabellen^ in christliche Daten um¬
formt, der erhält für die Monate Kanun-i sani (Januar) und §ubat
(Februar) stets ein Jahr zu wenig, denn dort ist für die Jahresan¬
fänge durchweg der 1. März angegeben, obwohl seit 1334 (1918)
die Maliyejahre jeweils am 1. Januar beginnen.
Den meisten Benutzern der Maliye-Tabelle wird diese Unstim¬
migkeit nicht aufgefallen sein, da sie für die Monate März bis
Dezember stets die richtigen Jahreszahlen erhalten. Sollte aber
jemand eine Einjahresdifferenz bei den Monaten Januar oder Fe¬
bruar festgestellt haben, so hat er vermutlich nicht die Richtigkeit
der Tabelle angezweifelt, sondern dem Datenschreiber oder ir¬
gendwelchen anderen Umständen die Schuld zugeschrieben.
Auf die Differenz bei den Jahresanfängen wurde ich anläßlich
einer Arbeit über die Datierung der ersten Münzen der Türki¬
schen Republik (1340 und 1341) aufmerksam,^ als ich das die
Ermächtigung zur Prägung dieser Münzen betreffende Gesetz^ in
den Düstur aufsuchte. Dort ist als Datum des Gesetzes angege¬
ben:
6 recep 1342 ve J2 ?ubat 1340.
Das linke Datum ist das muslimische Datum, rechts daneben
steht das analoge Maliyedatum. Das dem muslimischen Datum
entsprechende christliche Datum ist der „12. Februar 1924", je¬
doch fmdet man hierfür auf Seite 36 der Wüstenfeld-Mahler'schen
' Wüstenfeld-Mahler'sche Vergleichungs-Tabellen, neu bearbeitet von Bertold Spuler, 3. Auflage, Wiesbaden 1961, Seite 36.
^ Johannes Lindner : Die Datierung der ersten Münzen der Türkischen Republik (1340 und 1341), in: money-trend Nr.6/1993, Seiten 18-19.
' Düstur, 3. Terdp, Band 5, Istanbul 1931, Seiten 622-623.
Die türldschen Finanz-(Maliye-)Jahre ab 1917 57
Vergleichungs-Tabellen das Maliyejahr „1339"! - Welche Jahres¬
zahl ist hier nun richtig? Die des Gesetzes oder die aus der Ver¬
gleichungstabelle ?
Für mich war der Fall deshalb von Bedeutung, weil ich schon
vor mehreren Jahren für den Taschenrechner SHARP PC 1248
ein Programm geschrieben und veröffentlicht hatte," mit dem man
jedes muslimische Datum in das entsprechende christliche Datum
(oder umgekehrt) innerhalb von 2 Sekunden umformen kann,
und das ich später auch für Maliyedaten erweitert hatte. Da in
diesem Rechenprogramm alle Maliyejahre ab 1088 gemäß der
Darstellung der Maliyedaten auf Seite 36 und den Anmerkungen
auf Seiten 36 und 3* der Wüstenfeld-Mahler'schen Vergleichungs-
Tabellen mit dem I.März beginnen, stand ich vor dem Problem,
im Falle eines Fehlers in den Vergleichungstabellen das Rechen¬
programm berichtigen und die bisherigen Anwender benachrich¬
tigen zu müssen.
Davon ausgehend, daß wohl ausnahmsweise auch ein Geset¬
zesdatum falsch sein könnte, nicht aber die Daten aller Gesetze,
habe ich in den Düstur die Datenfolge der Gesetze ab 1916 un¬
tersucht. Hierbei ergaben sich folgende „Schlüsseldaten", durch
welche sich die Wüstenfeld-Mahler'schen Vergleichungs-Tabellen
hinsichtlich der Maliyedaten ab 1918 als unrichtig erweisen:
a) Düstur, Tertip 2, Band 9 (1916/1917),
Inhaltsverzeichnis Seite is
(238) (158) (1917) 1332 1335
$ubat 15 Cemaziyelewel 6
239 159
Mart 1333
1 ' 7
Hier wird eindeutig die Einführung der „gregorianischen" Ka¬
lenderverbesserung ab 1. März 1333 bestätigt; auf Mittwoch, den
15. Februar 1332 folgt unter Auslassung der Zählung von 13 Ta¬
gen direkt Donnerstag, der 1. März 1333.
■* Johannes Lindner: Transformation von Daten der muslimischen in die christli¬
che Zeitrechnung und umgekehrt mit programmierbaren elektronischen Taschenrech¬
nern, in: Die Welt des Islams Nr. 29 (1989) S. 30-40.
b) Düstur, Tertip 2, Band 10 (1917/1918),
Inhaltsverzeichnis Seite C
(1917) 1333 1336
52 35 Kanun-i evvel 31 Rebiyülewel 16
(1918) 1334
Kanun-i sani 3 - 19
Der Jahresanfang des Maliyejahres 1334 (1918) ist der 1. Januar
und nicht mehr der 1. März. Das Maliyejahr 1333 ist also ein
Rumpf-Maliyejahr.
c) Düstur, Tertip 3, Band 7.1 (1925/1926),
Inhaltsverzeichnis Seite J
326 97 1341 Kanun-i evvel 31
327 98 1926 Kanun-i sani 4
Der 31. Dezember 1341 (1925) ist der letzte Tag der Maliyeda-
tierung, vom 1. Januar 1926 an gilt die christliche (internationale)
Jahreszählung. (Ihre Einführung war am 26. Dezember 1925 von
der Großen Nationalversammlung beschlossen worden.')
Da nun dem Vernehmen nach mit einer Neuauflage der seit
längerer Zeit vergriffenen Wüstenfeld-Mahler'schen Vergleichungs-
Tabellen nicht zu rechnen sein dürfte, wird abschließend eine
berichtigte Tabelle gegeben, die bei Bedarf mühelos Icopiert und
als Deckblatt in Seite 36 der vorhandenen Vergleichungstabellen
rechts unten eingeklebt werden kann:
' Stanford J. Shaw: History of the Ottoman Empire and Modern Turkey. Cam¬
bridge University Press, 1977, Volume II Seiten 385, 434, 422.
Die türkisclien Finanz-(Maliye-)Jahre ab 1917 59
1916 I 2227 I 1332 | 9 | 5 | 1334
Ab 1. März 1333: Gregorian. Kalenderreform
(Auf 15. Februar 1332 folgt 1. März 1333).
1. März / Mart Higra-
Greg Sei Mal Datum
1917 2228 1333 7 5 1335
Ab 1334: Neuer Jahresbeginn 1. Januar.
1. Jan./Kan.-i sani _[ Higra-
Greg Sei Mal Da tum
1918 2229 1334 18 3 1 336 +
1919 2230 1335 28 3 1337
1920 2231 1336 9 4 1338+
1921 2232 1337 20 4 1339
1922 2233 1338 2 5 1340
1923 2234 1339 13 5 1341 +
1924 2235 1340 23 5 1342
1925 2236 1341 5 6 1343
Ab 1. Januar 1926: Christliche Jahreszahlen (Westeuropäische (internat.) Zeitrechnung).
Passend zu den Wüstenfeld-Mahler'schen Vergleichungs-Tabel¬
len sind auch die Seleukidenjahre angegeben, obwohl für sie die
„Gregorianische" Kalenderreform nicht gilt. Das dem 1. März
1917 (1333) entsprechende Seleukidendatum ist also der 16. Fe¬
bruar 2228, und zu dem 1. Januar 1918 (1334) gehört der 19.
Dezember 2229. Bei den Seleukidenjahren bzw. -daten der Tabel¬
le sind also ab 1. März 1917 stets jeweils 13 Tage von den „gre¬
gorianischen" Daten abzuziehen.
By Jamal Malik, Heidelberg/Bonn
Introduction
The end of the last century was marked by the development of
a new institutional infrastructure among representatives of
Muslim cultures in the Middle East as well as in South Asia. In
the wake of colonial rule, the ancient regime, a religious elite,
so-to-speak, and newly emerging groups of Muslim intellectuals
gradually established forums for religious scholars. Their cultural
articulations were, however, very much determined by the British
rule to which they were exposed. Hence their forums displayed
new values beyond those perpetuated by traditional society and
disseminated by its teachings. While the traditional syllabus pro¬
moted rational sciences {ma'qülät), these reformers - as they un¬
derstood themselves - advocated traditional quranic sciences
{manqülät), thereby going back to the roots of their religion. Sim¬
ilarly, their propagation of a trans-regional network was aimed at
reinforcing the concept of an Islamic umma. By referring to the
Nadwat al-'Ulamd, "Council of Religious Scholars", one of the
leading Islamic institutions during that period, I will attempt to
elaborate upon the institution-building process in an urban
colonial society. From a social-historical perspective, I will dis¬
cuss the various groups involved and their motives as well as the
new normative approach of the prime movers of the Nadwa dur¬
ing its formative phase.
' I am thankful for the suggestions made by Profs. Marc Gaborieau, Gail
MiNAULT and Francis Robinson as well as by the participants of the 3rd Interna¬
tional Conference: Intellectual Culture in Modern and Contemporary Islamic Histo¬
ry, Bonn, Dec. 5-8, 1990, on earlier drafts of this paper. I am also grateful for the generous financial support of the Deutsche Forschungsgemeinschaft that made possible the research from which this article is drawn.