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Das grosse Fressen

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Academic year: 2022

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ARS MEDICI 2 2010

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Welch düstere Zeiten stehen uns bevor, welch zivi - lisatorische Erblast drückt uns nieder! Nach der Vergreisung wird unsere feine, fitnessgestählte und gern gefrässige Gesellschaft nun auch noch von einer zunehmenden Verfettung heimgesucht.

Die Molligen und die Dicken, unter ihnen zuneh- mend Kinder und Jugendliche, machen sich immer breiter, sie dringen wie Invasoren in ehe- mals dünner besiedelte Gebiete ein. Traut man einigen Statistiken, bilden Übergewichtige und Fettleibige heute schon die Majorität. Doch fühlen sie sich alles andere als mächtig. Sie ächzen nicht (nur) unter der Last der Pfunde, schwerer wiegt oft die psychische Last der Ausgrenzung, der Stigmatisierung, die sie erfahren. Dicke sind für

manche eine Provokation, sie sprechen dem Schlankheitsideal, das uns tagtäglich eingetrich- tert wird, Hohn. Dicksein, das steht offen oder un- ausgesprochen für unersättlich, faul, unflexibel, träge, ausser Form, undiszipliniert – und krank.

So erfahren es viele Übergewichtige, Diät um Diät erleichtern da nicht.

Dass sich die stets um die Volksgesundheit be- sorgten Präventivmediziner frühzeitig ihr Stück vom «Problemkuchen Übergewicht» gesichert haben, liegt in der Natur der Sache. Gemeinsam mit Ernährungsmedizinern und Kollegen anderer Disziplinen warnen sie seit einiger Zeit vehement vor den gesundheitlichen Folgen des Übergewichts und blasen verstärkt zum gesundheitspädagogi- schen Gegenangriff gegen den kalorischen Over- kill, neuerdings auch in Schulen. Es bedarf kaum der Erwähnung, dass die Nahrungsmittelindus- trie längst auf den Gesundheitszug aufgesprun- gen ist (oder ihm gar auf die Schienen verholfen hat). Sie füllt die Regale bis zum Überdruss mit diätetischen Lebensmitteln und hält nebenbei eine beruhigende Botschaft bereit: Keine Sorge,

Enthaltsamkeit wird nicht verlangt, das grosse Fressen geht weiter – light! Kalorische Askese bleibt eine Funktion des freudigen Konsums.

Doch wofür das Ganze? Inzwischen zeigt sich immer deutlicher, dass Übergewicht zu Unrecht unter einen allgemeinen gesundheitlichen Risiko-

verdacht geraten ist. Vielmehr schält sich allmäh- lich heraus, dass (nach BMI-Normierung) zumin- dest leicht Übergewichtige sogar länger und ge- sünder leben als «Idealgewichtige». Und selbst Adipöse sind nicht automatisch krank. Es wäre an der Zeit, das zur Kenntnis zu nehmen – vor allem von (Gesundheits-)Politikern, die von Risi- koprämien für Übergewichtige schwadronieren.

Nein, nicht alles, was man uns im Namen von Gesundheit und Gerechtigkeit auftischt, ist be- kömmlich. Aber auch Ärzte, die Abspeckpro- gramme durchführen und propagieren, sind auf- gefordert, beizeiten verlässliche Belege zu liefern, dass diese Aktivitäten langfristig erfolgreich sind.

Nur so können sie widerlegen, was der deutsche Ernährungsmediziner Gunter Frank ihnen vor- wirft, dass nämlich Diätprogramme grundsätz- lich zum Scheitern verurteilt sind und dass sie letztlich nur Psychoterror für jene bedeuten, die daran teilnehmen (Seite 54).

Uwe Beise

E d i t o r i a l

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