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DAS GROSSE FRESSEN

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Academic year: 2022

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Unabhängige Monatszeitschrift für die Zentralschweiz mit Kulturkalender N

O

6 Juni 2 01 8 CHF 9.– www .null 41.ch

DAS GROSSE FRESSEN

LUZERNER KULTURKÜCHEN IM TEST

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DISAPPEARING ACTS

17. MÄrz – 26. August 2018

Bruce

Nauman

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EDITORIAL

Immer wenn ich unsere Kolumne «Gefundenes Fressen» von Sylvan Müller gegenlese, rumort mein Magen. Ich meine, das ist ein gutes Zeichen. Er meint, es könnte auch sein, dass ich zu wenig zu essen bekomme. Um auf Nummer sicher zu gehen, habe ich mich ab Seite 10 gemeinsam mit der «041»-Redaktion – und Sylvan Müller – durch die Kulturküchen der Umgebung gefressen. Wir wollten wissen, ob die hiesigen Kulturschaffenden genug und Gutes zu essen kriegen.

Denn, wie wir aus dem Militär wissen (also ich nicht): Ohne Mampf kein Kampf. Damit Sie nicht nur das Magazin vollsabbern, haben wir die getesteten Kulturköchinnen und -köche nach Rezepten gefragt, die Sie einfach und schnell nachkochen können. Sie finden diese auf Seite 16. Gegen ein ganz bestimmtes Gericht hat unser Magen eine Intoleranz entwickelt: Jubiläen. Monat für Monat tischen uns Kommunikationsverantwortliche ihr fünftes, zehntes, zwanzigstes, eintausendzweihundertfünfzigstes oder drittes Jubiläum auf und finden, dass dies unbedingt mit einem Artikel berücksichtigt werden muss. Das finden wir nicht. Christov Rolla schreibt in seinem Essay ab Seite 18, was an Jubiläen nervt – und weshalb wir sie trotzdem brauchen. Zudem präsentieren wir Ihnen unseren persönlichen Trüffel des diesjährigen B-Sides Festival auf Seite 22: die Tin Shelter Crew. Wohl bekomms!

Ausserdem: Bei der Neubesetzung unserer Redaktionsleitung sind wir fündig geworden: Sophie Grossmann wird die Stelle am 1. Juni antreten.

Sie ist in der Zentralschweiz bestens vernetzt und mit ihrem abgeschlossenen Kulturpublizistik-Studium und ihren Erfahrungen in Print- und Online- redaktionen (u. a. bei «Vice», «Young Swiss Magazine») perfekt für diese Stelle qualifiziert. Herzlich willkommen, wir freuen uns!

Genügend Fleisch am Knochen?

Heinrich Weingartner, Redaktionsleiter ad interim

weingartner@kulturmagazin.ch

Bild: zvg von www

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PROGRAMME DER KULTURHÄUSER 40 Stattkino / LSO / Luzerner Theater 42 Kulturlandschaft

46 Neubad / Südpol 48 HSLU Musik

52 Haus für Kunst Uri / Kunstmuseum Luzern / Akku 54 Nidwaldner Museum / Museum Bellpark

56 Historisches Museum / Natur Museum / Kunsthaus Zug 58 Kunsthalle

KOLUMNEN

6 Doppelter Fokus: Gwerb’18 in Zug 8 Gefundenes Fressen: Erdbeeren das ganze

Jahr

9 Lechts und Rinks: Potenzielle Ausraster 20 Kulturtank: Kultur «managen»?

41 40 Jahre IG Kultur: Ja zur Vielfalt 62 Käptn Steffis Rätsel

63 041 – Das Freundebuch: Patrick Müller

SERVICE

29

Kunst. Ruth Levap malt Most

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Musik. Stephan Hodel vertont den Jet

33

Kino. Kaleo La Belle nimmt’s persönlich

36

Wort. Zwei Zentralschweizer Schinken

59

Kultursplitter. Tipps aus der ganzen

Schweiz

60

Ausschreibungen, Preise, Namen, Notizen

61

Leserbriefe

KULTURKALENDER

38 Kinderkulturkalender 39 Veranstaltungen 53 Ausstellungen

Titelbild: Matthias Jurt

INHALT

AB SEITE 10 ANGERICHTET

Was Luzerner Kulturhäuser auftischen:

der «041»-Gastrotest

Bilder: Sylvan Müller / Jodok Achermann

SEITE 22 AUSGESUCHT

Die Tin Shelter Crew, unser B-Sides-Geheimtipp

SEITE 18

ABGESTANDEN

Was an Jubiläen nervt – und weshalb

es sie trotzdem braucht

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SC HÖN G E SAGT

G U T E N TAG AU F G E L I S T E T

«Der nachhaltigste Event der Seerose ist deren Verschrottung.» Christof Hirtler, Seite 26

Leider fein – Gastrosünden, die wir lieben:

- Paprika Chips mit Gravy - Nature Chips mit Mascarpone - Dicke Eier mit Mayo

- Mayo mit dicken Eiern

- Hüttenkäse mit Sweet-and-Sour-Sauce - In ungeschnittenen Mozzarella beissen, weil man nicht warten kann

- Schlagrahm mit Schoggistreusel - Reis mit Speckwürfeli

- Popcorn mit geschmolzener Butter - «La Grande Bouffe»

- Spaghetti mit Ketchup und Maggi - Darvida mit Cantadou

- Alles Obige im Bett essen, dazu «La Grande Bouffe» schauen

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16. – 24 . Juni 20 18

Die Aktionswoche Asyl ermöglicht Kontakte zu Menschen aus vielen Herkunftsländern und mit verschiedensten kulturellen Hintergründen.

Zahlreiche Veranstalterinnen und Veranstalter in der Stadt Luzern laden ein zu Ausstellungen, sportlichen und spielerischen Aktivitäten, Filmen, Lesungen, Mittagstischen, Podiumsdiskussionen und vielem mehr.

Detailprogramm unter www.aasyl.ch

Bei Euch geht’s um die Wurst: Eine halbe Mil- lion wollt Ihr bis am 19. Juni für Euer High- End-Probenhaus beim Südpol fundraisen. Am 1.

Mai habt ihr dazu ein Video veröffentlicht: Kurt Aeschbacher, Götti des ambitiösen Projekts, hält eine halbverkohlte Bratwurst in die Kamera. Dazu rosa Hemd, das botoxerprobte Grinsen unwider- stehlich – also, wenn er das Probenhaus gut findet, finden wir aus «der Bevölkerung» das auch gut!

Am Schluss beisst Aeschbi herzhaft rein in die Bratwurst – es geit um d’Wurscht! Musikalisch mögt ihr Stil haben, bei stilvollen Metaphern hapert es noch. Und eine Drohne, die vom Grill aufwärts fliegt? Come on, das ist so 2016! Item:

Wieso genau braucht Ihr ein Probenhaus? Die Mietwohnungen, in der die armen Orchester- mitglieder laut Promo-Video nicht üben können, muten zynisch luxuriös an: freshe Küche, smar- tes Bad, Flügel im Gästezimmer, überbordend pink eingerichtetes Mädchenzimmer (Guten Tag,

Gender-Bewusstsein?). Ist das Euer Ernst? Zynisch ist auch die Message: Während sich die Luzerner Kulturszene ein halbes Jahr den Allerwertesten aufgerissen hat, um für 100 000 Franken einen Dokumentarfilm über die Steuerpolitik zu finan- zieren, wollt Ihr, liebe Luzerner Symphoniker, das Fünffache für euch selber.

Ist uns Wurst, 041 – Das Kulturmagazin

GUTEN TAG, LUZERNER SINFONIEORCHESTER

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D O P P E LT E R F O K U S

Die beiden Luzerner Fotografen Patrick Blank und Mischa Christen zeigen zwei Blicke auf einen Zentralschweizer Anlass, den «041 – Das Kulturmagazin» nicht besuchen würde.

Gwerb’18, Gewerbeausstellung im Gemeindesaal Steinhausen (Zug), 5. Mai 2018 Bild oben Mischa Christen, rechte Seite Patrick Blank

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Erdbeeren das ganze Jahr

G E F U N D E N E S F R E S S E N

Anfangs März und bei deutlichen Minus- graden schaltete der Grossverteiler sein In- serat: «Die Zeit ist reif: für Erdbeeren.» Nun, irgendwo ist die Zeit wohl immer reif für Erdbeeren. So reif, dass derselbe Grossverteiler einen Monat später dieselben Erdbeeren in der 500-g-Schale bereits zum Aktionspreis von einem Franken angeboten hat. Um den Geschmack dieser Beeren zu beschreiben, wäre «ein weiterer Aggregatszustand von Wasser» wahrscheinlich ziemlich zutref- fend gewesen. Dabei gäbe es sie noch, die Erdbeeren, die auch tatsächlich schmecken, wie sie heissen. Sie reifen halt einfach etwas später, anfangs Juni und zum Beispiel auf dem Biohof Oberzinggen in Hellbühl. Die Familie Joss baut eine äusserst aromatische Sorte an, sie heisst Annabelle und schmeckt intensiv und wunderbar nach Walderdbee- ren. Im Gegensatz zu den üblicherweise

erhältlichen, sind die aromatischen Beeren deutlich weicher und somit viel empfindlicher auf mechanische Einwirkung. Sie müssen sorgfältig gepflückt werden und schnell zum Kunden gelangen, der grossartige Geschmack geht zulasten der Lagerfähigkeit. So stand Bauernfamilie Joss eines Tages im Sommer vor einem riesigen Berg reifer Erdbeeren und alle Kunden weilten in den Ferien. Das Lager bereits voll mit Sirup und Konfi, begannen sie aus der Not, die süssen Früchte zu trocknen.

Durch den Verlust an Feuchtigkeit wurden die ohnehin vollaromatischen Früchte zu wahren Geschmacksbomben. Das hat ihnen, hübsch verpackt als Fruchtsnack, im ver- gangenen Jahr die Auszeichnung des Labels

«Bio Gourmet» von Bio Suisse eingebracht, und uns das Vergnügen, nun tatsächlich das ganze Jahr unbeschwert Erdbeeren geniessen zu können. Nun gibt’s aber erst einmal die

frischen: reif, saftig und süss wie fast verges- sene Erinnerungen. Weil die von Bauer Joss angebaute Sorte retardierend wächst, also immer wieder Blüten produziert, sind die Hellbühler Erdbeeren je nach Witterung bis in den späten Herbst erhältlich. Um beim Slogan des Grossverteilers zu bleiben: Wenn dann der erste Frost in den Wiesen des Littauerbergs klebt, ist die Zeit reif für die getrockneten Supererdbeeren. Oder für die Wandervögel als Proviant auch schon jetzt. Die Zeit ist reif.

Für Erdbeeren. Immer halt.

Text und Bild: Sylvan Müller

Die Erdbeeren vom Biohof Oberzinggen sind ab Juni am Luzerner Wochenmarkt am Stand vom Hof Wida- cher erhältlich, getrocknet, als Konfi und als Sirup im Online-Hofladen: www.biohofoberzinggen.ch

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Direktbetroffenen gemeldet. Zwar kann davon ausgegangen werden, dass die Befürchtungen nicht aus der Luft gegriffen sind, wenn so eine Meldung gemacht und überprüft wird.

Trotzdem ist es eine Gratwanderung: Welche Rolle spielen subjektive Wahrnehmungen und Sichtweisen der jeweiligen Behörden? Oder von Leuten, die so etwas melden? Wie kann ausgeschlossen werden, dass beispielsweise politische Haltungen oder von der Norm abweichende Lebensformen oder Verhaltens- weisen nicht per se als bedrohlich empfunden werden? Wann ist jemand einfach mal am falschen Ort laut geworden, weil ihm oder ihr die Sicherung durchgebrannt ist, ohne dass darum gleich eine latente oder tatsächliche Bedrohung vorhanden ist? Solche und weitere Fragen müssen bei der Auswertung des neuen Instrumentariums unter die Lupe genommen werden. Darum ist es gut, wenn der bürger- lichen Kantonsregierung diesbezüglich auf die Finger geschaut wird.

PS: Hatten Sie aus Überforderung oder Verzweif- lung auch schon eine unangebrachte Wutattacke an einem unangebrachten Ort, obschon Sie ein friedlicher Mensch sind? Ich auch.

L E C H T S U N D R I N K S

Text: Christine Weber, Illustration: Stefanie Sager

Potenzielle Ausraster

Das revidierte Polizeigesetz bringt linke Her- zen wieder mal kräftig zum Hakenschla- gen: Natürlich ist es gut, wenn gewalttätige Männer zum Beispiel bei häuslicher Gewalt bekannt sind und ein Rayonverbot bekom- men. Natürlich ist es sinnvoll, wenn es eine Handhabe gegen Stalker gibt und Behörden vor aggressiver Klientel geschützt sind. Damit das so ist, gibt es allerdings schon Gesetze und Massnahmen. Sie kommen zum Einsatz, wenn tatsächlich etwas vorgefallen ist, sich besagter Mensch effektiv bedrohlich und/

oder tätlich gegenüber anderen verhalten hat. Seit dem 2017 revidierten Polizeigesetz ist das anders: Personen können präventiv als «Gefährder» erfasst werden, noch bevor sie etwas Unrechtes getan haben. Davon verspricht man sich, eine Straf- und/oder Gewalttat zu verhindern, die vielleicht in Zukunft einmal passieren könnte. Vielleicht, hätte, sein und könnte. Es handelt sich also nicht um Tatsachen, sondern um Vermu- tungen und Spekulationen, was eine solche Person vielleicht einmal zu tun gedenkt.

Und das ist doch sehr schwammig für eine so krasse Einstufung, die bei einem allfällig späteren Kontakt mit der Polizei oder anderen Behörden bestimmt jahrelang als Etikett an einem klebt: ein bedrohlicher Mensch.

Wer einmal als «Gefährder» erfasst ist, muss nachher selber über sein Verhalten beweisen, dass er kein solcher ist. Sofern er oder sie überhaupt von dieser Einschätzung weiss:

Im Kanton Luzern wurden nämlich von den im ersten Jahr erfassten 352 Gefähr- dern gerade mal 111 darüber informiert.

Die anderen wissen nichts davon. Vielleicht gehören ja auch Sie oder ich dazu? Wer weiss.

Polizeikommandant Daniel Bussmann sagte gegenüber dem Online-Magazin Zentralplus sogar selber, dass unter den Meldungen nicht nur substanzielle, sondern auch diffuse und schlecht fassbare Fälle seien. Da stellt sich die Frage: Wer macht denn diese Meldungen und Einschätzungen überhaupt? In Luzern werden potenzielle «Gefährder» dem kanto- nalen Bedrohungsmanagement (KBM) von Institutionen, Behörden, Verwaltungen und

Seit einem Jahr werden potenziell gefährliche Menschen präventiv als «Gefährder» in einer Datenbank

erfasst. Das ist ein zweischneidiges Schwert.

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K U LT U R K ÜC H E N

Ohne Mampf kein Kampf

Was isst die Zentralschweizer Kulturszene?

Politisch nagt sie am Hungertuch, doch wie stärkt sie sich kulinarisch? Die «041»-Redaktion

isst sich durch die Luzerner Kulturküchen. Zum Dessert gibt es keinen Kulturkuchen, sondern ausgewählte Rezepte der Köchinnen und Köche.

Die Sammlung finden Sie auf Seite 16 und 17.

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K U LT U R K ÜC H E N

Vom Berg in die Stadt: Seit einem halben Jahr kocht Phillipp Kehrli im Treibhaus.

Zuvor stand er auf Pilatus Kulm hinter dem Herd.

Treibhaus-Mittagstisch

Am Nebentisch sitzen drei Schüler der nahe gelegenen Kanti Alpenquai und sind begeistert von der kalten Wassermelonen-Suppe, die an diesem Tag im Treibhaus zum Mittagsmenü serviert wird. Nein, meist hätten sie nicht genügend Zeit, um hierhin essen zu kommen, darum würde man auch eher Lehrerinnen und Lehrer sehen, die hätten genügend Zeit, erzählen sie. Prompt bekomme ich Gesellschaft an meinem Tisch in Gestalt zweier Mathematiklehrer aus demselben Institut. Sie treffen sich hier gelegentlich mit Lehrerkollegen zum «English-Lunch», in meiner Anwesenheit aber wird rücksichtsvoll deutsch gesprochen. Und sie versi- chern mit aller Vehemenz, sie hätten nicht mehr Zeit als die Schülerinnen und Schüler, schliesslich müssten sie nach dem Unterricht noch die ganze Schweinerei wieder in Ordnung bringen, geometrische Modelle versorgen und überhaupt. Die Bedienung ist schnell und freundlich und kein erschwerender Faktor unter knappen zeitlichen Voraussetzungen. Wir bestellen. Nach der Melonensuppe wird mir sowohl der Vegi- wie auch der Fleischgang serviert, also einmal Kartoffel-Gnocchi an Gorgonzola- Sauce mit gedünsteten Birnen und Maronen und die Hühnerbrust gefüllt mit Artischocken und Oliven, Tomatenrisotto und sautierten Zucchetti.

Natürlich könnte man kritteln, der Wassermelonen-Suppe hätte es an etwas Schärfe gefehlt, die Oliven-Artischocken-Füllung beim Huhn hätte mehr Struktur vertragen mögen und die Tomate im Risotto mehr Tiefe.

Nur bekommt man selten zu diesem Preis und in dieser entspannten Atmosphäre einen runderen Vegi-Gang serviert – sorgfältig gekocht und liebevoll angerichtet. Und auch der Mut, für 70 Menschen einen Risotto zuzubereiten, gehört gewürdigt. Dessen Konsistenz war perfekt, genauso wie der Garpunkt des Huhns. Schülerinnen und Studenten können im Treibhaus zu unschlagbaren Preisen essen: Sowohl mittags und neu auch freitag- und samstagabends gibt’s die Menüs für Studierende für 10 Schtutz, abends die Bier & Burger-Kombi (Fleisch- oder Vegi-Burger mit Rösti oder Süsskartoffeln und einem Kübel Bier) für Fr. 19.50.

Unaufgefordert vorweisen: Studierendenausweis (und ID ...?).

Sylvan Müller

Essen:

Wassermelonen-Kaltschale mit Basi- likum, Vegi: Kartoffel-Gnocchi an Gorgonzola- Sauce, gedünstete Birnen und Maronen, Fleisch:

Hühnerbrust gefüllt mit Artischocken und Oliven, Tomatenrisotto, sautierte Zucchetti

Preis:

Vegi Fr. 17.50 (Studis 10 Franken) Fleisch Fr. 19.50 (Studis 10 Franken)

Service:

Schnell, freundlich, spricht mich mit

«Sie» an, also jung

Publikum:

Kanti-Lehrpersonen (mit viel Zeit),

Kanti-Schülerinnen und Kanti-Schüler (keine

Zeit), Personal aus den angrenzenden Büros

Ambiente:

Bei schönem Wetter wie in einem

Biergarten und erst noch ohne Dirndl. Bestens!

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K U LT U R K ÜC H E N

Jazziger Sommergroove

«Das ist Jazz», urteilt mein Begleiter über die dudelige Musik, die den Raum wie ein Schwarm winziger Flugtiere mit Leben füllt. Muss so sein, wir testen hier die Jazzkantine. Draussen brennt die Sonne, es ist einer diese Frühlingstage, der sich wie ein Julikind aufführt.

Drinnen lässt man sich voll und ganz auf die Sommerstimmung ein: Der Kellner dreht verträumt seine Runden durchs Lokal, der Koch gibt sich alle Mühe, nicht ins Schwitzen zu geraten, der Gast mit der «Luzerner Zeitung» streicht sorgfältig die Seiten glatt, als wären sie sein Strandtuch. Zwei ältere Herren stecken die Köpfe so sehr zusammen, dass wir unschlüssig bleiben, ob sie über Grafiker lästern oder selber welche sind. Es dauert eine Weile, bis die Karte kommt, und dann noch eine, bis das Wasser da ist, schliesslich noch zwei oder drei, bis die Melonen-Kaltschale auf dem Tisch steht. Die ist alles andere als lahm: überraschend würzig und richtig gut.

Als sei hier Sommer auf Capri und nicht Totehosetag in Luzern.

Auch die Warterei auf das Hauptgericht lohnt sich. Meine Linguine aglio, olio e peperoncino sind zwar mit nur wenig scharf und ich denke ein bisschen wehmütig an die legendären Ölseeli, die hier früher integraler Bestandteil aller Teigwarengerichte waren. Heute ist alles vernünftig: die geschöpfte Menge, der Einsatz von Knobli und auch mit dem Fett übertreibt es keiner. Mein Begleiter hat die Spinat-Riccotta-Ravioli an Thaigemüsesauce mit Poulet bestellt, das Tagesmenü. Mir klang das zu sehr nach anstrengender Fusionsküche.

Doch das Gericht sieht extrem hübsch aus und soll so lecker wie schön gewesen sein. Dann gibt’s noch einen Espresso obendrauf und zum Abschied ein paar halbgare Witze vom Pächter Domi Meyer himself. Satt und zufrieden laufen wir zurück, kommen fast schon beschwingt im Büro an. Als ob wir zwei Tage aufs Meer geschaut hätten und nicht bloss eine Stunde in der Jazzy auf den Kellner, den Koch und ihre Gäste.

Anna Chudozilov

Essen:

Melonen-Kaltschale, dann Linguine aglio, olio e peperoncino, dazu ein grosses Mineral, hinterher einen Espresso

Preis:

Total 31 Franken (Das Menü kostet Fr. 19.50, Tagesteller gibt’s für Fr. 16.50, Studis zahlen Fr. 14.50.)

Service:

Total gemütlich unterwegs (kann man so oder so finden)

Publikum:

Am Mittwochmittag vor Auffahrt kaum vorhanden

Ambiente:

Sommerlich-saumselig, obwohl doch erst Mai war

Essen (zweiter Besuch): Vegi-Gschnätzlets

ungarische Art mit Peperoni, geräuchertem Paprika und frischen Kräutern auf cremiger, feinkörniger Polenta mit Rosmarin und Dörrap- rikose, Joghurttopping und Brunnenkresse-Mix, dazu 3 dl Mineral

Preis:

15 Franken, Mineral Fr. 3.50

Service:

Selbstbedienung, daher sehr gut

Publikum:

Durchmischt, Geschäftsetage Radio 3fach, viele Studis sitzen auf der Wiese nebenan

Ambiente:

Heiss, mit einem coolen Anflug von Sehen-und-Gesehenwerden

«Easy-aufgetürmt-Bea-Style»

Die Kundschaft des Plan B Catering von Bea Guggisberg liest sich wie ein Index der Zentralschweizer Kulturinstitutionen. Guggisberg ist Anlaufstelle Nummer eins für hiesige Kulturcaterings. Bei der Volière von Radio 3fach auf dem Inseli serviert sie mittags von April bis September, jeweils bei schönem Wetter, ein vegetarisches oder veganes Menü. Ihre Küche: gesund, ausgefallen, nachhaltig, stets mit einem orientalischen Touch. «Ond, wie hesch s’Müesli gfonde?», fragt meine Begleitung. «Easy-aufgetürmt-Bea-Style halt», antwortet ihr meine Sitznachbarin am nächsten Tag. Ja, ich musste zweimal hin. Es ist schwierig, zu essen und sich gleichzeitig darauf zu konzentrieren, wie das Essen schmeckt und wie man das in Worten ausdrücken soll. Vielleicht auch, weil Guggisbergs Menüs an der Volière so subtil daherkommen? Perfekt für eine Sommerbeiz. Im Hintergrund hört man die Musik nicht wirklich, aber man hört sie doch, was beim Essen etwas nervt. Abstellen oder voll aufdrehen, alles dazwischen ist so blöd unverbindlich. Zurück zum Essen: «Ein aufgetürmtes Müesli» trifft es gut. Zahlreiche Zutaten, gemischt und geschichtet, mit der üblichen Kressedeko obendrauf. Das Vegi-Gschnätzlete ist ein Traum und vermag auch die hartnäckigsten Fleischesserinnen und Fleischesser zu täuschen. Geschmackstechnisch extrem vielfältig, kann man selber entscheiden, was man mit was mischen möchte.

Die Polenta ist etwas trocken, was aber nicht weiter stört, weil sie in Kombination mit der Gschnätzleten-Sauce die perfekte Konsistenz bekommt. Es folgt ein scharfer Nachgeschmack während der nächsten halben Stunde, der auffällt und gefällt. Und zum Schluss noch dies:

Alles ist schön kaufest, damit es knackt und befriedigt.

Heinrich Weingartner

Bea Guggisberg versucht bei Plan B immer nur so viel zu kochen, wie auch gegessen wird.

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K U LT U R K ÜC H E N

Neubad-Küchenchef Patrick Schwehm gehört schon zum festen Inventar des Neubads Luzern.

Kulinarisches Märchen

Das Mittagessen im Neubad ist nicht nur kulinarisch, sondern auch soziologisch und literarisch eine Wohltat und sehr zu empfehlen.

Die Küche konzentriert sich auf ein Vegi- und ein Fleisch-Menü am Mittag und bereitet dieses mit lokalen Zutaten zu. Das schmeckt und sieht gut aus. Das Portemonnaie ist ein bisschen gefordert, aber das lohnt sich durchaus. Schon nur die in Schwarz und Weiss gehaltene und übersichtliche Karte ist ein Erlebnis, das sich zeitweilen wie ein Nahrungsmittel-Märchen liest. «Chutney», ja, das weckt noch Assoziationen. Aber was ist «Raita»? «Fregola Sarda»? «Hanf-Pilz- Kugeln»? «Randen-Meerrettich-Aiola»? «Zitronen-Kräuter-Gremo- lata»? «Galgant-Chili-Sauce»? (Eine dieser Menü-Komponenten ist übrigens erfunden.) Aber das Werweissen macht Spass und festigt die Vorfreude. So verspielt wie auf der Karte geht es auch unter den Tischen zu und her. Es ist eine intensive Lebenserfahrung, dieses Mittagessen. Da schaut einer nicht richtig und schlägt sich an der Wand den Kopf an, die andere fällt über die eigenen Füsse, der Dritte lässt sich ungern was sagen und bockt, es gibt Streit, man fällt sich weinend in die Arme oder schreit nach Mama. Ziemlich so geht doch Leben! Dazu läuft aus den Boxen französische Popmusik, «Joe Le Taxi» von Vanessa Paradis. Es kann losgehen: Der Menüsalat ist farbig, die Sauce schmeckt selbstgemacht und Ruchbrot dazu ist ein formidabler Evergreen. Die Curry-Gemüse-Frittata als Hauptspeise überzeugt durch Grösse und Konsistenz, Mais und Erbsen geben dem salzigen Gericht eine bestechende Süsse. Der Spinat bleibt mehrheitlich ungewürzt und das ist gut so, man kann ihn nämlich in die Gurken-Raita tunken. Unter dieser versteckt sich übrigens geschickt eine Rande, gelungener Überraschungseffekt!

Hier kocht jemand, der sich mit Gemüse auskennt und weiss, wie man es drapieren muss. Das merkt man auch dem Rest der Karte an. Nachhaltigkeit scheint weder bei den Menüs noch bei den Getränken ein Fremdwort zu sein. Das Neubad-Bistro gehört auf den kulinarischen Radar von Liebhaberinnen und Liebhabern, die Unbekanntes und Unvorhergesehenes genauso zu schätzen wissen wie einfallsreiche Menüs.

Nina Laky

Michaela Muheim arbeitet seit Sommer 2017 im Meyer. Ursprünglich stammt sie aus dem Kanton Uri und wuchs im Kanton Schwyz auf.

Essen:

Menüsalat, Curry-Gemüse-Frittata mit Spinat und Gurken-Raita

Preis: Fr. 27.50. Menü Fr. 19.50 (vegetarisch),

Fr. 21.50 (Fleisch), inklusive Salat oder Suppe plus Café crème (4 Franken) und 3 dl Mineral (4 Franken)

Service:

Bedienung am Tisch, Essen und Getränke kommen schnell und sind genau- so schnell wieder abgeräumt. Freundlich und unkompliziert

Publikum:

Homeoffice-Menschen (Autorin), Mütter mit Kindern (Väter werden wohl nicht nur an diesem Mittag vermisst …), Zeitungsleserin- nen und Zeitungsleser

Ambiente:

Kreativ, freundschaftlich, wissbegie- rig, generationenübergreifend gesprächig

Wie zu Hause, einfach besser

Die Meyer Kulturbeiz trägt die Kultur im Namen. Doch warum ist gerade das Meyer eine Kulturbeiz? Auf den ersten Blick wegen des Interieurs: Die Wände sind über und über behängt mit Kunst aus dem Epizentrum der Luzerner Kulturszene: Tschutti-Bildli, Fotomontagen, Konzertbilder und wechselnde Ausstellungen bilden eine bunte Kunst-Collage. Auf den zweiten Blick wegen der regelmässigen Kulturveranstaltungen: Pro Monat finden rund drei Konzerte im Meyer statt. Doch der dritte Blick ist wohl der wichtigste: «Stille deine legalen Süchte mit lokalen Mitteln.» steht auf der Homepage.

Was das heisst? Sämtliche Produkte kommen aus der Region: Das Gemüse aus Rothenburg, das Fleisch aus Zell, die Glace aus Sempach. Die Köchin Michaela Muheim macht aus diesen Zutaten bodenständig- leckeres Essen – am Tag unserer Degustation eine Gemüsequiche mit Quark-Dip. Klingt simpel, doch die Details machen’s aus. Der Boden ist unschlagbar knusprig, der Blätterteig luftig, der Salat zur Vorspeise wird in einer Schüssel und mit Croutons garniert serviert – wie zu Hause, einfach besser. Besonders fein war der weiche, kleine Schoggi-Pancake zum Dessert. Und für Extra-Restaurantfeeling sorgen liebevolle Garnituren wie getrocknete Blütenblätter. Herkunftstransparenz und Esskultur werden grossgeschrieben, doch von Gastgeberin Fiona Meyer und ihrem Team angenehm unaufgeregt und undogmatisch gelebt. Ab 16 Uhr darf man im Meyer übrigens rauchen.

Katharina Thalmann

Essen: Eine Schüssel Salat, Gemüsequiche, Pancake, Wasser-für-Wasser-Wasser und einen Café crème

Preis: 25 Franken (Das Vegimenü kostet 18 Franken, das Fleischmenü 20 Franken.) Service: Bedienung am Tisch, sehr aufmerksam, ungezwungen und zuvorkommend. Der Café konnte problemlos draussen getrunken wurden.

Publikum: Diverse Musikstudierende, ein paar Geschäftsleute aus der Tribschenstadt. Danièle kommt mit der Gitarre vorbei.

Ambiente: Ungezwungen und niederschwellig.

Sitzt man draussen, ist es durch den Verkehr auf der Langensandbrücke eher laut.

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K U LT U R K ÜC H E N

Business-Feeling

Im Bistro des Kunstmuseums lässt sich ein gemütlicher oder auch produktiver Tag verbringen. Dieses Bistro ist in dieser Hinsicht ein Alleskönner! Diskurse über Galeristen, Lesen von Lektüren mit Blick aufs dunkelblaue Wasser … aber auch die Altersvorsorge lässt sich dort gut regeln. Unter dem Publikum finden sich nämlich auch Vermögensberaterinnen und Vermögensberater sowie deren Kundschaft. Dicke, weisse Ordner liegen auf und man fragt sich gegenseitig, ob sich eine Pensionierung in der Schweiz überhaupt finanzieren lässt. Das Gespräch nebenan lässt allerdings sanfte Hitzewallungen bei der Autorin aufkommen. «Vorsorge?! Kapitaleinlagen?!»

– es könnten aber auch die Getränke sein: eine geschmacksintensive Kombination aus Ingwer und Koffein. Da die an der Bar ausgestellten Beispiele von Ingwertee (der schon lange nicht mehr dampft) und Caffè freddo (ein halbes Glas braune Suppe) leider nicht gerade zum Probieren einladen, entschied sich der Gast für eine Limo und einen Kaffee. Sympathisch: Der Kaffeerahm kommt im Kännchen und nicht im Plastikbecher daher. Aber leider ungünstig: Die Schrift auf den Empfehlungs- zettelchen an der Bar lassen sich kaum entziffern. Dass es sich bei der Limo um eine Apfel-Ingwer-Mischung aus dem Wallis handelt, die mit regionalen Früchten hergestellt wird, ist erst der Etikette der Flasche zu entnehmen. Ein paar Stockwerke weiter unten befindet sich das World Café, in dem die Welt heute ziemlich klein scheint: Viele der Gäste kennen sich, sie winken sich und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern fleissig zu. Das Angebot am Mittag kann für Vegetarier eher enttäuschend ausfallen; von sechs Mittagsmenüs sind zwei vegetarisch. An diesem Tag kann man wählen zwischen einer Lasagne mit Pesto und Rucola (Fr. 16.60) und einer Grünkernpfanne mit grünen Bohnen, Mais und Zucchetti (Fr. 16.90).

Dazu gäbe es diverse Salate (Fr. 13.90), Wraps (Fr. 10.50), Quiche (9 Franken) oder eine Tagessuppe (Fr. 8.50). Da die Tintenfisch-Zubereitung eine kleine Wissenschaft ist (in Italien werden zum Beispiel Weinkorken im Garfond mitgekocht, damit das Fleisch zarter wird, die Griechen hingegen schlagen aus demselben Grund die Tiere vor dem Kochen gegen Steine), entscheidet sich die Autorin für diesen. Das kleine Menü mit Reis ist ästhetisch nichts Besonderes, allerdings schmeckt der Pulpo (aus Spanien) sehr zart und intensiv. Schade verliert sich der Fisch in einer farblosen Sauce, in der der Koriander anscheinend mitgekocht wurde. Frische Kräuter hätten dem Gericht nicht nur geschmacklich gut getan, sondern auch dessen Farbkonzept.

Weisser Reis ist weisser Reis und war ganz in Ordnung. An der Theke arbeitete der Service schnell und effektiv. Ideal für einen kurzen, zentralen Business-Lunch.

Nina Laky

Essen:

Frisch zubereitete Canapés (Thon, Ei, Sellerie, Spargel, Salami, Schinken), hausge- machte Glace (Becher für 5 Franken), Cookies

Preis:

Für Kaffee und Opaline-Apfel-Ingwer- Limo Fr. 10.50

Service:

Bestellung an der Bar, rascher Service, aber eher schlecht gelaunt, Tisch wird bedient und abgeräumt

Publikum:

Managerinnen, Galeristen, Kunst- museums-Besucherinnen, Wanderer und Schiff- fahrerinnen, Menschen mit Hüten, die picknicken

Ambiente:

Kultiviert und leistungsorientiert

Bastian Mantey, Executive Chef vom World Café, bei der Ausgabe an der Salattheke. Hungrige Gäste können Salate und Snacks auch mitnehmen.

Essen: Pulpo in Tamarinden-Zitronengras-Sauce

mit Kefen, Shitakepilzen, Stangensellerie, Korian- der mit Basmatireis

Preis: Fr. 16.50 (kleine Portion)

Service: Selbstbedienung, Geschirr wird abge-

räumt, locker und ruhebewahrend

Publikum:

Aktuelle und vergangene Arbeitskol- legen machen Mittag, Familien auf Wanderun- gen, Touristen

Ambiente:

Kantinen-Stimmung, gut für schnelle

und effektive Mittagspause

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K U LT U R K ÜC H E N

Heiss und nice

Beliefert von der Abwärme des Spitals Wolhusen herrscht im Tropenhaus ein Klima wie am Amazonas. Die entsprechende Flora gedeiht im riesigen Gewächshaus prächtig und liefert mitunter Zutaten für das hauseigene Restaurant Mahoi. Der Empfang ist herzlich, der Weg vom Vorraum an den Tisch in der Halle wird zum Ferienstart im Kleinformat: Ein Platz inmitten des Regenwalds, Wasser plätschert hinter Bäumen und Lianen, es zwitschern die Vögel, T-Shirt-Temperaturen – genauso muss es in den Tropen sein, denkt sich einer, der noch nie am Äquator war. An diesem Mittwochmittag ist nur ein halbes Dutzend der Tische belegt. Neben mir wuchert eine Kardamonstaude, ein Schmetterling fliegt vorbei. Die beiden Gänge (Salat und Suppe werden gemeinsam serviert) folgen in angenehmem Tempo und schmecken. Herausgestochen ist die Suppe, die überdies genau die richtige Temperatur hatte. Mittags würden einfachere Menüs angeboten, meint Küchenchef Andreas Halter, der seit dem Start des Tropenhauses vor acht Jahren dabei ist. Abends aber drehe das siebenköpfige Küchenteam auf und liefere aufwendige Mehrgänger. Ich stelle mir vor, wie ein Ausflug ins Tropenhaus während einer mehrwöchigen Nebelphase im November die klimatische Erholung vor der Wetterdepression bietet.

Wie alle Ferien hat auch dieser Besuch ein Ende, nach einer Weile wird es «tüppig». Ich verzichte deshalb auf den Kaffee.

Mario Stübi

Schnitzelpolizei im Südpol

Es ist Zeit. Zeit für die Schnitzelpolizei. Seit Antritt des Oberösterreichers Rainer Macherhammer, seines Zeichens Chefkoch im Südpol, wirbt das dortige Bistro mit dessen gutbürgerlicher Küche. Der Kaiser unter den Kulinarikschmankerln: Rainers Schweinsschnitzel Wiener Art.

Diese Deklaration ist zentral in Österreich, gilt doch nur ein Schnitzel mit Kalbfleisch als Wiener Schnitzel; nach Wiener Art heisst hingegen, dass im gleichen Hergang das günstigere Schweinefleisch verarbeitet wird. Die Südpol-Titulierung geht demnach in Ordnung: Ab ins Bistro!

Im Vorfeld wurde zwecks Foodwaste-Vermeidung um Anmeldung gebeten – eine Bestätigung kam aber trotz Nachfragen nicht zurück.

Ob sich wohl alle Essenden in der Shedhalle angemeldet haben? Wohl kaum, so pumpenvoll, wie die ist. Vor dem Tresen hat sich bereits eine amtliche Schlange gebildet, die schnell schrumpft: Wer im Südpol nämlich bestellt, erhält einen Pager, der reagiert, sobald das Essen – wahlweise Variante Fleisch oder Vegi – bereit ist. Deshalb nimmt auch nur eine Person Bestellungen entgegen und schenkt Getränke aus. Da meine Begleitung Mühe mit dem Gurken-Kartoffel-Salat hat, fragt man nach einer Alternative; die gibt’s jedoch ausnahmsweise nicht aufgrund der hohen Anzahl Gäste und dem damit verbundenen unflexiblen, weil genauestens getakteten Workflow. Dann also ran ans grosszügige Suppen- und Salatbuffet mit Brot und allerlei Pimp-your- salad-Programm à Nüssen, Kernen, Saucen und vielem mehr. Lediglich eine Alternative zum Olivenbrot wäre wünschenswert gewesen; die Früchte sind nicht jedermanns Sache. Alsbald surrt auch schon der Pager – nach gerade mal 20 Minuten stehen zwei Prachtstücke an Schnitzel bereit. Macherhammer macht’s, wie es sich gehört: Fleisch dünn klopfen, in Mehl, verquirltem Ei und Semmelbrösel wenden und im heissen Öl (oder Butterschmalz) ausbacken. Das Menü ist ein Gustostückerl – als Sohn einer gebürtigen Österreicherin ist man sich gute Schnitzel gewöhnt und hat Ansprüche. Die erfüllt Macherhammer bestens, zumal auch sein Kartoffelsalat sehr gut schmeckt. Lediglich die Panade löst sich auffallend schnell bei unseren Schnitzeln und die Preiselbeermarmelade ist nicht klassisch körnig, sondern zu geleeartig.

Aber das sind Details, die gerade in Anbetracht des sehr fairen Preises kaum stören. Und wenn schliesslich Servicechef Robert Leirer mit dem breitesten Österreicher Akzent «Hat’s geschmeckt?» fragt, wähnt man sich in der Heimat des Herzens: Dankscheen, Bussi und servus pfiat di!

Stoph Ruckli

Der Schnitzelking Rainer Macherhammer am Brutzeln.

Essen: Grosszügiges Salatbuffet oder Suppe,

Rainers Schweinsschnitzel Wiener Art und Kartoffelsalat mit Gurken, dazu 3 dl Wasser für Wasser

Preis: Fr. 19.50, Wasser 1 Franken Service: an der Theke etwas unflexibel, im

Servierbereich hingegen ausgezeichnet

Publikum:

Durchmischt, von Handwerkern über Kulturschaffende bis Büroteams

Ambiente: Viel Platz in der Shedhalle, sehr ruhig

und angenehm

Tropenhaus-Küchenchef Andreas Halter schneidet Süsskartoffeln, um daraus Chips herzustellen.

Essen:

Salat vom Biohof Widacher Malters mit Guaven- vinaigrette und einer Karottensuppe mit Mango und Basmatireis, Pouletgeschnetzeltes an einer hausgemach- ten Süss-Sauer-Sauce mit Jasminreis und Broccoli

Preis:

27 Franken (günstigere Alternative: Pastagericht für 18 Franken), 1 dl Seetaler Pinot Noir für Fr. 8.60, Karaffe Wasser für Wasser für 2 Franken

Service:

Nach Lehrbuch, freundlich und zuvorkommend

Publikum:

Ältere Ausflügler, Angestellte vom nahen Spital

Ambiente/Atmosphäre:

Ungewohnt sommerlich und

ferienhaft, nach einer Weile etwas drückend aufgrund der

Feuchtigkeit

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Das Kochmagazin

Die Köchinnen und Köche unseres Tests präsentieren ihre Lieblingsrezepte. Einfach für Sie zum Nachkochen. Einige schonen das Portemonnaie, alle verwöhnen den Gaumen. Für Veganerinnen oder Veganer nicht geeignet. Sorry.

Die Bohnen über Nacht in einem mit Wasser gefüllten Topf einlegen. Am darauffolgenden Tag das Wasser abgiessen, die Zwiebeln und Knoblauchzehen in kleine Stücke und den Speck in kleine Würfel schneiden. In einer Pfanne das Öl erhitzen und die Zwiebeln sowie den Knoblauch darin anschwitzen. Den Speck und die Bohnen beigeben und ebenfalls anschwitzen. Im Anschluss Pelati, Poulet-Fond, Essig sowie Thymian und Majoran beigeben und das Ganze mit Salz, Pfeffer und Paprika abschmecken. Den Eintopf während ca. 60 Minuten auf kleiner Stufe köcheln lassen und im An- schluss beispielsweise mit (selbstgemachten) Bandnudeln servieren.

Mahlzeit!, Rainer Macherhammer (Südpol)

Jazzy-Panino

Zutaten:

1 Ciabatta-Brot 1 Ananas

Chili 1 Pouletbrust

Kräuter 1 Avocado (weich)

Rahmkäse

Kräuter fein hacken, Avocado schälen und grob schneiden. Alles in eine Schale geben, Olivenöl dazu und mit Gabel zerdrücken, dann mit Pfeffer und Salz abschmecken. Ananas in Würfel schneiden und mit wenig Chili in der Pfanne anziehen. 70 g Zucker dazu und das Ganze karamellisieren, mit Weisswein ablöschen und mit Salz, Pfeffer und Curry würzen. Köcheln lassen, bis es sämig wird. Poulet anbraten und mit Salz und Pfeffer würzen. Ciabatta aufschneiden und das Poulet halbieren. Ciabatta mit Avocadocreme bestreichen, Poulet drauflegen und Ananas-Chili-Chutney auf das Poulet geben. Dann eine Scheibe Rahmkäse oben drauf und fünf bis sieben Minuten bei 150 Grad in den Ofen.

En Guete!, Domi Meyer (Jazzkantine)

Fregola Sarda mit grünem Spargel, Frühlingszwiebeln, Radieschen und frischen Kräutern

Fregola Sarda mit ca. 3 Liter Wasser (gesalzt) sieben bis neun Minuten al dente kochen, mit kaltem Wasser gut abschre- cken (abkühlen). Ein bisschen Olivenöl darüber, damit die Pasta nicht klebt. Den grünen Spargel nur wenig schälen und drei Minuten blanchieren und mit kaltem Wasser abkühlen. Peperoni in kleine Würfel schneiden. Frühlingszwiebel in kleine Ringe schneiden. Zitrone mit einer Raffel reiben, Zitronensaft pressen. Peterli hacken. Spargel in mundgerechte Stücke schneiden. Alles zusammenbauen. Eine grosse Pfanne bei mittlerer Hitze mit Olivenöl erhitzen. Peperoniwürfel andüns- ten. Frühlingszwiebeln dazugeben. Spargel dazugeben. Mit der Fregola Sarda vermischen. Zitronenreste, Zitronensaft, Salz, Pfeffer, frische Kräuter dazu. Auf warmen Tellern servieren, mit Basilikum austarieren und mit einem Schuss Olivenöl beträufeln.

Ein super Gericht für einen schönen Tag, Patrick Schwehm (Neubad)

Bohneneintopf mit Speck

Zutaten (für 4 Personen):

400 g getrocknete Bohnen (2 Sorten nach Belieben) 4 Knoblauchzehen 2 Zwiebeln 200 g Speck (am Stück)

1 Dose Pelati 400 ml Poulet-Fond

2 EL Essig 4 EL Öl

Thymian, Majoran Salz, Pfeffer, Paprika

Zutaten (für 4 Personen):

500 g Fregola Sarda

(am besten aus dem Tessiner Laden in der Neustadt) 1 kg grüner Spargel 2 Bund Frühlingszwiebeln

1 rote Peperoni 1 Zitrone (Bio) 1 Bund Peterli

Olivenöl, Salz, Pfeffer

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Gemüsequiche

Für die Füllung:

1 Zwiebel, gewürfelt

1 Zehe Knoblauch, kleingeschnitten 500g Gemüse, was das Herz begehrt

(oder der Kühlschrank hergibt) Für den Guss:

1 dl Rahm 1 dl Milch

3 Eier 100 g Reibkäse

Salz, Pfeffer, Muskatnuss

Die gewürfelten Zwiebeln vorsichtig in Öl andünsten. Den Knoblauch und das klein geschnittene Gemüse dazugeben und kurz mit anschwitzen. Mit Salz und Pfeffer abschmecken. Wenn das Gemüse auskühlt, hat man Zeit, um den Blätterteig auf das Blech mit Backpapier zu legen. Nicht vergessen, den Blätterteig mit einer Gabel einzustechen. Nun nimmt man ein weiteres Backpapier, legt es auf den Teig, beschwert ihn (am besten mit Kichererbsen) und backe dies zehn Minuten im auf 180 Grad vorgeheizten Ofen.

Für den Guss alle Zutaten gut mischen. Zum Schluss kommt das glasierte Gemüse auf den vorgebackenen Blätterteig und wird mit dem Guss übergossen. Ab in den Ofen damit! Nach ca. 20 Minuten bei 180 Grad hat man eine herrlich- goldbraune Gemüsequiche mit Kleinigkeiten, die man zu Hause hatte. Dazu vielleicht eine frische Quarksauce und Salat?

Liebe Grüsse aus der Meyer-Küche, Michaela Muheim

Giersch-Focaccia

Zutaten:

190 ml lauwarmes Wasser 250 g Weissmehl

4 EL Olivenöl 1 TL Salz

1 Prise Zucker 1/2 Hefe

1 Handvoll Giersch (nur die jungen Blätter), findet man gratis in jedem Park/Wiese/Nachbarsgarten Fleur de Sel

Den Backofen auf 180 Grad vorheizen. Zwiebeln und Knoblauch schälen und in Spalten schneiden. Paprikaschoten waschen, schälen, entkernen. Zucchini und Aubergine waschen. Das Gemüse in ca. 2 cm grosse Würfel schneiden. In einer grossen Pfanne 2 EL Olivenöl erhitzen, Zwiebeln und Knoblauchzehen darin glasig braten, das Gemüse und den Kreuzkümmel dazugeben und kurz anbraten. Alles in eine grosse, ofenfeste Form geben und die gewaschenen, ganzen Cherrytomaten, den grob gehackten Rosmarin und Thymian, Salz und Pfeffer dazugeben und alles vermengen. Alles im Ofen bei 180 Grad ca. 20 bis 40 Minuten schmoren (das Gemüse darf noch Biss haben). Ratatouille aus dem Ofen nehmen, grob gehackten Basilikum untermischen, mit Salz und Pfeffer abschmecken und mit einem Klecks Sauerrahm und dem frischen Giersch-Focaccia servieren.

Genüsslichen Appetit!, Bea, Plan B

Hefe mit dem Zucker im Wasser auflösen und 2 EL Olivenöl dazugeben. Die Salz-Mehl-Mischung mit der Flüssigkeit vermengen und die Masse mit dem kleingehackten Giersch während 10 Minuten zu einem glatten Teig kneten. Den Teig nach dem Gehenlassen auf einem mit 1 EL Olivenöl bestrichenen Blech auslegen (ca. 2 cm dick)‚ mit 1 EL Olivenöl einreiben, mit Fleur de Sel bestreuen und 30 Minuten bei 175 Grad backen.

Plan-B-Ofen-Ratatouille

Zutaten:

1 Zwiebel 1 Knoblauch 1 Chilischote

500 g Aubergine, Zucchetti, Peperoni 200 g Cherrytomaten

1 TL Kreuzkümmel, Salz und Pfeffer 1 Handvoll Thymian, Rosmarin und

Basilikum 1 Kübeli Sauerrahm

KKL Steak Tartar

Zutaten:

150 g Schweizer Rinderfilet, so fein wie möglich geschnitten (am besten bei der Metzgerei machen lassen) 19 g Olivenöl (Orica ATG)

1 Eigelb

20 g Schalotten, fein gewürfelt 3 g Cayenne-Pfeffer 3 g frischer Limettensaft 12 g Salz

8 g schwarzer Pfeffer aus der Mühle 15 g Kapern

15 g Cornichons

4 Stück Toast oder leicht getoastetes Brot

Indische Linsensuppe

Zutaten (für 4 Personen):

500 g Tomaten gewürfelt aus der Dose 100 g rote Linsen

20 g Butter 3,5 dl Gemüsebouillon

2 dl Kokosmilch 1 Knoblauchzehen 1 Zwiebel 1 EL Zitronensaft

1 EL Garam Marsala Gewürzmischung 1 KL gemahlener Kreuzkümmel 1 Espressolöffel Kurkuma 1/2 Espressolöffel Chilipulver

frisch gehackten Koriander 4 EL Joghurt Nature

Salz

Alle Zutaten bis und mit Pfeffer mit einer Gabel vermengen. Kapern und Cornichons nach Belieben hinzugeben oder als Garnitur verwenden. Brot zum Servieren dazureichen.

En Guete, Bastian Mantey

Hacken Sie die Zwiebel und den Knoblauch fein und dünsten Sie beides für zwei Minuten in der Butter an. Geben Sie die Gewürze dazu und rösten Sie alles für eine Minute an, damit sich die Aromen voll entfalten. Mixen Sie die Tomaten kurz mit einem Stabmixer auf. Geben Sie dann die Tomaten, die roten Linsen, den Zitronensaft, die Gemüsebouillon und die Kokosmilch dazu und bringen Sie das Ganze zum Kochen. Reduzieren Sie die Hitze und lassen Sie die Dal-Suppe eine halbe Stunde köcheln, bis die Linsen weich sind. Schmecken Sie die Suppe mit Salz ab und garnieren Sie sie mit dem Joghurt und dem gehackten Koriander. Zu der Suppe passt indisches Naan-Brot sehr gut.

Herzliche Grüsse aus der Tropenhaus-Küche, Andreas Halter

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Illustration: Sarah Elena Müller

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J U B I L Ä E N

Ich leite seit vielen Jahren einen Kirchenchor. Es ist ein sehr lieber Chor. Letztes Jahr beschloss er, ein Jubiläum zu feiern. Vermutlich hatten ihm die Feierlichkeiten zum 75-jährigen Bestehen seiner Kirche so gut gefallen, dass er auch wieder mal ein bisschen Party machen wollte.

Das Problem war allerdings, dass wir das Alter des Chors – und damit die Höhe des zu begehenden Ju- biläums – nicht genau bestimmen konnten. Je nach Betrachtungsweise und historischer Akkuratesse kamen verschiedene Gründungsjahre infrage. Weil ich das ehrliche Ungefähre der leutseligen, aber vorgeblichen Exaktheit vorziehe, den Festgelüsten meiner Sängerinnen aber nicht im Wege stehen wollte, schlug ich dem Chor vor, das Jubiläumskonzert unter den Titel «Etwa 80 Jahre Johanneschor» zu stellen. Der Chor fand das charmant, und mir gefiel das leicht Selbstironische daran. Schliess- lich sind die anderen beiden Krienser Kirchenchöre weitaus älter, da kann man als reformiertes Nesthäkchen eh nicht mit dem Alter auftrumpfen. Und so gern ich meinen Chor habe: Sonderlich spektakulär ist seine Geschichte nicht. Man blicke in die Chor- und sonstige Vereinslandschaft hinaus: Die Anekdoten, Originale und Ausflüge gleichen sich in unspektakulärster Weise. Dass es bei uns aber gewisse Gründungsjahrwirrnisse gibt,

schien mir nicht vollkommen uninteressant. Daraus liess sich ein bisschen Seemannsgarn für das grosse, inexakte Jubiläum spinnen.

Ausser uns fand das allerdings niemand so richtig witzig. Oder jedenfalls lang nicht so lustig wie wir.

Wir grübelten im Vorstand, woran das liegen mochte.

Humorlosigkeit schlossen wir aus, und den gefürchteten Chorneid hielten wir für äusserst unwahrscheinlich.

Wir waren ja nicht an einem Eidgenössischen. Viel- mehr vermuteten wir, dass der Mensch offenbar tief drinnen ein anständiges Jubiläum will. Also ein rundes.

Kein schmürzeliges, kein unrundes und zuallerletzt ein ungefähres Jubiläum.

Es ist nämlich so:

Der Mensch ist bei Jubiläen auf konkrete Zahlen kon- ditioniert. 5 Jahre und der Prosecco entkorkt sich von selber. 10 Jahre: Die Hüpfburg für die Kinder ist ga- rantiert. 25 Jahre? Für die Feldmusik ist ein Auftritt Ehrensache und der Gemeinderat ist fast vollzählig anwesend. Zum 30-Jährigen bringt ein Regierungsrat eine Grussbotschaft. Zum 50-Jährigen kommt er freiwillig und eröffnet obendrein eine Sonderausstellung in der

Jubiläen sind ein Graus. Und kein Grund, mit einem Artikel berücksichtigt zu werden.

Das findet unsere Redaktion, die mit gefühlten 150 Jubiläen monatlich überschüttet wird. Grund genug, in der 326. Jubiläumsausgabe von «041 – Das Kulturmagazin»

dem Jubiläum einen Artikel zu widmen. Bestellt hatten wir eine Polemik, Christov Rolla* lieferte eine Festrede. Grmpf.

letzten Zum

Mal:

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Regionalbibliothek. Spätestens beim 75-Jährigen werden die ersten Nationalräte gesichtet und die Schulkinder haben ein Lied einstudiert. Ab 100 Jahren darf man mit einem bundesrätlichen Besuch rechnen und ab 500 Jahren endlich mit überregionaler Berichterstattung, einem Freilichtspiel oder gar einem Musical.

Ab 750 Jahren wird es dann wieder würdevoller: An die Stelle der Festschrift treten eine wissenschaftliche Einordnung und einige beflissen nickende, tendenziell ergraute Haarschöpfe.

Ob in der Schweiz noch höhere Jubiläen gefeiert werden, weiss ich nicht. Ich bezweifle es. Erstens muss man da erst recht auf der Suche nach dem exakten Da- tum den angefeuchteten Daumen in den Wind halten, und zweitens: Was will man da auch feiern? 2000 Jahre kulturelle Unterlegenheit gegenüber den Römern? 20 000 Jahre Einführung des Faustkeils westlich der Reuss?

Jubiläen sind also äusserst populär. Allerdings mutet deren Rundheit zuweilen etwas zufällig an. Ich persön- lich finde es zum Beispiel wenig schlüssig, warum 25 als rund gilt, 16 hingegen nicht. Ober warum ein 40.

Jubiläum festwürdiger ist als das 35ste. Aber wenn man mit Jubiläen wie «5 Jahre Auto Moto Hunkeler», «15 Jahre Chinderhüeti Hofdere» und «45 Jahre Gartencenter Grüter» aufgewachsen ist, denkt man irgendwann nicht mehr darüber nach, sondern feiert einfach mit.

Für ein zünftiges Jubiläum ist zu beachten, dass es gross genug sein sollte – andernfalls könnte sich das eine oder andere Stirnrunzeln ereignen. Denn ausser Eintagsfliegen, Bierideen und Medienhypes wird ja fast alles ein paar Jahre alt. Darum sind Jubiläen unter zehn Jahren nur selten erstaunlich und fast immer auch ein bisschen egal. Ich meine, ich gönne es jeder neuen Beiz, Band und Marke von Herzen, wenn sie das erste Jahr überlebt hat. Ob aber das zwei- und das dreijährige Bestehen auch so gross angekündigt werden müssen? Wenn ich von solchen Jubiläen lese, werde ich unabsichtlich immer grad misstrauisch. Warum in Gottes Namen feiern die denn ihr Zweijähriges?

Wenn es besonders, erstaunlich, bewundernswert ist, dass sie zwei Jahre überlebt haben – warum ist es dann besonders, erstaunlich, bewundernswert? Was wird uns da verschwiegen? Juhui, wir werden drei Jahre alt, obwohl unsere Küche nicht den geringsten hygienischen Standards entspricht, aber keiner hat’s gemerkt? Hurra, uns gibt es schon vier Jahre, obwohl wir nicht einmal mehr an offenen Bühnen spielen dürfen? Noch herziger (oder eher: vollends bizarr) dünkt mich, wenn man schon nach einem Jahr etwas wie «est. 2015» unter sein Logo schreibt. Kann man natürlich machen; aber ich vertraue dann lieber auf das Bier einer Brauerei, die schon 1685 established wurde und das Biermachen

folglich länger geübt hat. Oder einer Seifenmanufaktur, die ihr Gründungsjahr erst nach 100 Jahren (und dann zu Recht mit Stolz) auf das Seifenpapier zu drucken begonnen hat. Daher als Faustregel: Immer zuerst mal ein paar Jahre bestehen. Oder besser noch Jahrzehnte.

Man verstehe mich richtig:

Sollen alle feiern, wie sie lustig sind, aus jedwedem Anlass, zu jedwedem Jubiläum. Auch ich könnte mich jeden Tag umarmen! Bloss, was die indirekte Erwar- tungshaltung, dass einem dann alle voller Bewunde- rung auf die Schultern klopfen, betrifft: Da würde der einen Jubilarin oder dem anderen Jubilar etwas mehr Würde und Bescheidenheit vielleicht nicht schlecht zu Gesichte stehen.

Ansonsten: Lasst uns feiern! Anlässe gibt es genug!

Denn der Mensch hat einen tiefen Hang zum Feiern, und wenn es keinen Grund gibt, erfindet er halt einen.

Geburtstag, Hochzeit und Beförderung sind ja nur die offensichtlichsten Feieranlässe. Aber was da nicht alles gefeiert wird: vom Feierabendbier zum Wichteln, vom Après-Schi zum ersten Schultag, von der siegreichen Schlacht zur erfolgreichen Hausbesetzung und vom Begrüssungsumtrunk zum Liichemöhli – Wir sind keine Nation, wir sind eine Festgemeinde. Und ein Segen für das Festzeltverleihgewerbe. Man könnte meinen, der Mensch lebe unter dem Motto: «Man soll die Feste feiern, wie sie fallen. Und wenn sie nicht von selber fallen, dann schubsen wir sie um!» Ich bin sicher: Stellte man irgendwo einen Biertisch auf, es ginge nicht lange, bis ein paar Leute da sässen, Luftballone aufbliesen, Bratwürste brutzelten und sich einen Jubiläumsanlass ausdächten.

Warum ist das so? Vielleicht, weil der Mensch generell so eine Frohnatur ist? Vielleicht, weil die allgemeine Wurstigkeit des Lebens sonst nicht auszuhalten ist? Oder weil wir tief innen wissen, dass wir alle einmal sterben müssen und uns daher so gerne mit Bier, einer Tombola und Chips auf Plastiktellern trösten? Ich weiss nicht, ob Horaz sein «Carpe diem» in diesem Sinn ausgelegt haben wollte. Aber vielleicht ist er ja ebenfalls gerade mit Seneca auf Wolke sieben am Aperölen.

Es fällt auf, dass bei Jubiläen ausschliesslich Jahre

gefeiert werden. Andere Zeiteinheiten existieren beim

erwachsenen Menschen so gut wie gar nicht. Wie an-

ders war es doch in der Blüte der Jugend! Ich feierte

beispielsweise das Jubiläum meines ersten geglückten

Beischlafs jede Viertelstunde (und freute mich mit jedem

Atemzug). Ich zündete jeden Tag eine Kerze an für den

ersten Kuss mit der ersten grossen Liebe. Ich wollte

jede Woche den Gedenktag des ersten Nachtbadens

im Baldeggersee abhalten. Warum Jahre warten? Ein

J U B I L Ä E N

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Jahr war unfassbar lang. – Aber ja: Man wird älter, die grossen Lebensereignisse und Erstmaligkeiten dünnen nach und nach aus, das Gedächtnis wird etappenhafter, die Begeisterungsbereitschaft fauler. Vielleicht liegt das Jubilieren nach Jahren auch darin begründet. Ich muss mich mittlerweile jedenfalls anstrengen, um mich über- haupt noch an das Jahr, geschweige denn das genaue Datum meiner Entjungferung zu erinnern. Das macht aber nichts. Einerseits ist ja das erste Mal nicht in jedem Fall das erinnerungswürdigste. Und andererseits geht mit dem Älterwerden ein gewisser Zugewinn an Vernunft einher. Wenn ich mein erstes Mal bis heute noch jedes Jahr feiern würde, mit einem geselligen Umtrunk und einer grossen Festrede, dann fände das meine jetzige Freundin glaub suboptimal für den weiteren Verlauf der Festivitäten.

Freilich:

Im obigen Beispiel feierte ich (erstmalige) Ereignisse; beim landläufigen Jubiläum wird aber primär die Dauer eines Bestehens gefeiert: Das zu Grunde liegende Ereignis, die Gründung, der Ursprung schwingt eher so mit. Und just diese Dauer wird wohl der Grund für das Jahr als Jubiliereinheit sein: Ein langes Bestehen lässt sich in Jahren schlichtweg eleganter ausdrücken.

Abschliessend stellt sich nur noch die Frage, wa- rum es fast immer die Dauer ist, die gefeiert wird, und nicht eine andere Kategorie. Man könnte ja auch die hundertste Predigt, das tausendste verkaufte Auto, das fünftausendste vermietete Festzelt, das millionste Like feiern. Aber da wird es auch schon offensichtlich:

Jubilierende wissen in der Regel recht gut, wo der feine Grat zwischen Festfreude und Prahlsucht verläuft, und noch besser wissen es die Festgäste. Würde die örtliche Filiale der Versicherung die zweitausendste verkaufte Police mit einem Volksfest feiern, käme man sich als Zaungast, Klatschvieh, gleichermassen eingeladen wie exkludiert und irgendwie benutzt vor. Feiert sie aber das 20-Jährige, dann fühlt man sich gut aufgehoben, abgesichert – und mitgemeint. Schliesslich haben diese 20 Jahre weitaus mehr mit einem zu tun als zweitausend verkaufte Policen. Man hatte ja, zumal als Kundschaft, Anteil daran.

Alles in allem ist die Dauer von allen Jubiläums- gründen nicht nur der am wenigsten eitle, sondern auch ein unbestechlicher und unbezweifelbarer Wert: Wer jubiliert, hat überlebt. Nicht mehr, nicht weniger – und das ist nicht selten schon viel.

Gewiss, 60 Jahre Regionalbibliothek kann auch bedeuten: 60 Jahre klebrige Literatur in einem dunklen, wenig frequentierten und muffig riechenden Raum.

Aber 60 Jahre Regionalbibliothek bedeutet eben in erster Linie: 60 Jahre Regionalbibliothek. 60 Jahre Bücher, 60 Jahre Lesen, 60 Jahre heimelige Öffnungszeiten.

Und vor allem sagt es, tröstlich und schön: Es gibt uns noch. Wir leben! Und ihr, die ihr mit uns feiert, ebenfalls.

Und darum: Lasst uns feiern, so lange wir leben.

Sie lebe hoch, die Regionalbibliothek; sie lebe hoch, die zweijährige Beiz. Und die dreijährige Band. Und das vierjährige Bier! Mögen alle hochleben, die hochgelebt gelassen werden wollen!

(Und ich stosse jetzt auf 10688 erfolgreich abgegebene Zeichen an. Prost!)

Jubiläen, die uns in diesem Quartal erreichten:

5 Jahre Edition Bücherlese 10 Jahre Zirkusschule Tortellini

10 Jahre Theaterpavillon 20 Jahre Der gesunde Menschenversand

20 Jahre Radio 3fach 20 Jahre Modul AG 20 Jahre Jodlergruppe Schlierätal 20 Jahre Wirtschaftsmittelschule Luzern

20 Jahre Kick’n’Rush 25 Jahre Jungzüchterverein Uri 25 Jahre berufliche Integration bei der Caritas 30 Jahre Verein Freunde des Kollegiums St. Fidelis

30 Jahre Hirschmatt Buchhandlung Luzern 50 Jahre Galerie Kriens

50 Jahre Pfadi Sarnen 50 Jahre Stiftung Brändi

50 Jahre Kunstbulletin 75 Jahre Trachtengruppe Kerns

75 Jahre LSD 100 Jahre Rast Kaffee Ebikon

100 Jahre Studentenverbindung Rusana der Kantonalen Mittelschule Uri

100 Jahre Kirchenchor Spiringen

* Christov Rolla ist Theatermusiker, Chorleiter und schreibt regelmässig für «041 – Das Kulturmagazin».

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Das B-Sides Festival führt als erstes Festival der Schweiz die Keychange-Initiative ein und garan- tiert dadurch ein gendergerechtes Line-up mit mindestens 50 Prozent Frauen. Ausgerechnet dann thematisiert «041 – Das Kulturmagazin» eine rein männlich besetzte Band, die dort auftreten wird.

Warum das sein muss, erklärt der nachfolgende Text: Bühne frei für Christian Winiker, Gregory

«Greg» Schärer, Florian «Flo» Respondek und Simon Gautsch alias Tin Shelter Crew!

Von Stoph Ruckli, Bild: Jodok Achermann

Rock, der. Relikt aus alten Musikzeiten. Retro bis zum Gehtnichtmehr. 2017 in den US-Charts vom Thron gestossen: R’n’B und Hip-Hop haben neu das Zepter in der Hand. Und doch hält sich dieser Stil wacker. So auch in Luzern, einst bekannt als «Rock-City» und heute eher «Rap- Refugium». Doch genau in der Ära Rock-City sind vier Musiker gross geworden, die sich für Hypes und Strömungen herzlich wenig interessieren und verlauten lassen: «Wir sind vier Burschen vom Lande, die beschlossen haben, zusammen Rockmusik zu machen. Wer Genaueres wissen will, soll an ein Konzert kommen.» Soeben vorgestellt hat sich die Tin Shelter Crew, und die ist nicht irgendeine Luzerner Truppe. Nein, die Tin Shelter Crew ist die aktuelle Zentralschwei- zer Rockband der Stunde, eine Supergroup in mehreren Belangen, ein Package, das es in sich hat. Entstanden an einer Jamsession, gestählt durch unzählige Gigs von der Hundsverlochete bis zum Barkonzert, ready to rumble mit Attitüde und Statement.

Naiv und abgeklärt

Was diese Gruppe ausmacht, ist ein seltsames Paradoxon: Die Luzerner leben klassische Ge- danken, Einstellungen und Herangehenswei- sen. Das Credo: «Wir machen Musik, die wir lieben – jeder Schritt soll dabei zu seiner Zeit kommen.» Dies in einer Ära, wo Bands ihre Mitglieder austauschen wie ein Smartphone und Managements Musikformationen in so kurzer Zeit wie nur möglich hochdrücken und international verkaufen wollen? «Wir pfeifen auf die Mechanismen der Musikindustrie», meint Christian Winiker und konkretisiert: «Bei fast allen Bands werden viel zu früh Schritte wie Album, Crowdfunding und so weiter unter- nommen – was dann aber oftmals trotzdem nicht klappt. Früher waren es 70% Musik und 30% Management, heute ist’s umgekehrt – wo bleibt denn da noch der Spass?» Der 36-jährige Gitarrist und Sänger redet aus Erfahrung, finden sich doch in seiner Auftrags-Vita mit Namen wie Eliana Burki, Henrik Belden oder Christy

Rockende Rampensäue:

Dammi

nonemol!

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T I N S H E LT E R C R E W

Doran gewichtige Vertreterinnen und Vertreter der hiesigen Musikszene. Greg Schärer fügt an:

«Ehrlicherweise hat jeder von uns, so naiv es klingt, die romantische Vorstellung, dass, wenn die Musik gut ist, sie auch ihren Weg macht.»

Der vielbeschäftigte E-Bassist und Enkel des Künstlers Hans Schärer hat selbst das Gymnasium geschmissen, um fortan voll auf die Karte Musik setzen zu können, was in zahlreichen Bands und Projekten wie beispielsweise den Morlocks oder beim Jugendmusical Verona 3000 bisher bestens gelingt.

Riffspektakel und Polyrhythmen

Und genau dieser Wille, schlicht eigene Musik ohne den Erfolgsgedanken machen zu wollen, verkörpert das Statement dieser Band. Die aus- gebildeten Profimusiker spielen hochvirtuose Rockmusik, packen sämtliche Elemente aus der Musikwelt rein, die ihnen gerade in den Sinn kommen. Da treffen krachende Riffspektakel auf trickreiche Polyrhythmen und ungerade Taktar- ten wechseln sich mit herzhaften Choralparts ab. Hierbei funktioniert die Tin Shelter Crew ohne Frontmann; jeder ist ein eigenständiges Mitglied: «Wir hatten alle die Nase voll von diesen klassischen Rollenverteilungen in Bands.» Gleich drei Sänger sorgen deshalb für die unterschied- lichsten Stilnoten, und das macht Laune, auch für Musikfans. «Uns wurde vorgeworfen, dass mit drei Sängern eine Bandidentität fehlt, was ich aber nicht als Nachteil empfinde. Ein breiter Stil sorgt für Vielseitigkeit, Auswahl, Überra- schung – das gefällt mir», erklärt Schärer jenen Aspekt. Neben den Stimmen Flo Respondeks und Christian Winikers fällt jene von Simon Gautsch auf. Der Luzerner machte sich als Trommler der Sons of Morpheus einen Namen und tourte mit ihnen durch Europa und die USA. Doch erst Respondek entdeckte per Zufall die Rockröhre des begnadeten Schlagzeugers, der ausserdem Beatboxing beherrscht. Und noch während alle diese Faktoren in den Basler Alterna Studios zu einer EP gebündelt werden, besticht die Tin Shelter Crew schon jetzt an einem Ort wie keine zweite Luzerner Band: auf der Bühne.

70er-Groove

«Entertainment gehört zum Rock. Zuhörerinnen und Zuhörer kommen nicht an einen Gig, weil sie die Songs eins zu eins wie auf Platte hören wollen», betont Flo Respondek. Der gebürtige Bayer, aufgewachsen im Seetaler Hochdorf, weiss, wovon er spricht: Seine schweisstriefenden Energieexplosionen waren ein Markenzeichen,

die man an Konzerten von The Bucket oder The Paces in voller Pracht erleben konnte. «Wir sind glücklicherweise so fit an den Instrumenten, dass wir das Songmaterial auch anders wieder- geben können. Rockmusik war schon immer ein Live-Erlebnis, und das sorgt für ihre Zeitlo- sigkeit», ergänzt er. Und genau dieses bietet die Tin Shelter Crew: Im Stile der 70er gibt’s gut und gerne ordentlich Gitarrensoli, Drumexzesse und Basslicks, vorgetragen von vier Rampensäuen.

Doch was nützt das, wenn überall verlautbart wird, dass Rock tot sei?

Revoluzzer versus Bürgertum

«Meiner Meinung nach ist Rock nicht tot. Er findet höchstens nicht mehr so breiten Anklang wie vor zehn, fünfzehn Jahren», meint Respondek und Winiker ergänzt: «Früher war Rock Revoluzzer- Musik, heute hat er einen bürgerlichen Touch be- kommen. Wenn so ein Douchebag wie Köppel an den Swiss Music Awards mit einem Krokus-Shirt auftaucht, wirkt das sicher imageschädigend», sagt er und fährt fort: «Man muss sich heute auf jeden Fall wieder mehr überlegen als nur ein klassisches Gitarrensolo, um die Zuhörerschaft fesseln zu können.» Für Experimente solcher Art bietet das B-Sides Festival, wo die Tin Shelter Crew ihren ersten grossen Auftritt hat, die beste Bühne. Booker Marcel Bieri erlebte die Band zuvor am hiesigen KommDoch Festival und war derart beeindruckt von deren Live-Qualitäten, dass er sie ins Line-up der diesjährigen Ausgabe nahm. «Das ist wie ein Lohn. Es war schon immer mein Wunsch, mal auf dem Hausberg zu spielen», meint Drummer Gautsch. Und auch in diesem vergleichsweise sanften Zitat dringt da immer wieder eine Haltung, ein Statement durch, mit Elementen, die vielen Formationen heute fehlen: Charakter, Stolz, Geduld und vor allem Furchtlosigkeit. Oder um es von Respondek zusammenfassen zu lassen: «Ich möchte und werde einfach irgendwann sagen können: Dammi nonemol, sind wir alle stolz drauf, dass wir das so durchgezogen haben!» Und sollte es zu dem Zeitpunkt mit der Rockmusik nicht geklappt haben, steht auch schon ein Reserveplan bereit:

«Wenn wieder alle Gitarrenmusik machen, gehen wir dann vielleicht zu den Computern über.

Sozusagen ein Anti-Zyklus-Konzept. Dann kriegt man Tablets und so sicher auch günstiger.»

B-Sides Festival, FR 15. Juni, 20.15 Uhr, Bohemi-

ans-Welcome-Bühne, Sonnenberg, Luzern

EP-Release-Party (Support: Geons & Edward

Bloom), SA 7. Juli, 22 Uhr, Sedel, Luzern

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D ie Kulturproduktion, deren Ver- mittlung und der entsprechende Absatz sind in den letzten 30 Jahren exponentiell gewachsen und haben in der Folge den Zentralschweizer Kulturbetrieb gravierend und nachhaltig verändert.

Einher ging mit dieser Entwicklung – gezwungenermassen – auch eine stetige, unaufhaltsame Professionalisierung sowie eine gewisse Kommerzialisierung des Kul- turbetriebs. Dieser Ehe ist ein Kind namens

«Kulturmanagement» entsprungen:

«Als Kulturmanagement bezeichnet man alle Steuerungen zur Erstellung und Sicherung von Leistungen in arbeitsteiligen Kulturbetrieben, die sich in einer komplexen und veränderbaren Umwelt abspielen und die auf Austauschbeziehungen zwischen Anbie- terinnen und Nutzern ausgerichtet sind.»

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Dieses Kind ist heute erwachsen; Kultur- management hat sich etabliert und ist kaum mehr wegzudenken.

«Managen» kommt von planen, leiten, lancieren, geschäftlich betreuen. Aber will Kultur geleitet oder geschäftlich betreut wer- den – ist das in sich nicht verkehrt, ein heftiger Widerspruch gar? Für ein noch so kleines Kulturprojekt, für einen noch so bescheidenen Unterstützungs- oder Förderbeitrag muss mittlerweile ein hoch ausgefeiltes Konzept mit dem entsprechendem «Businessplan» und nach Abschluss des Projekts ein «Reporting»

vorgelegt werden. Kulturbürokratie pur. Wer das jedoch nicht leisten kann, geht mit Ga- rantie leer aus (und vermutlich irgendeinmal unter). Und mit leerem Geldbeutel lässt sich auch in der Kultur wenig ausrichten und es lässt sich kaum überleben. Es geht also vor allem um Geld – oft um viel Geld. Immer mehr wollen ein Stück vom gleich gross bleibenden Kulturkuchen abschneiden. Wer im Kultur- betrieb also bestehen und reüssieren will, so scheint es, kommt am Kulturmanagement – dieses wird vornehmlich an Hochschulen und Universitäten gelehrt – tatsächlich nicht mehr vorbei.

Weniger Management ist mehr

Professionelles und treuhänderisches Kultur- management in allen Ehren: Kulturprojekte ohne ein bis ins letzte Detail durchdachtes und geschliffenes Konzept, professionelles Management, Bürokratie und Businesspläne können besonders innovativ, erfrischend

«anders», berührend und ebenso erfolgreich sein. Kulturprojekte, für welche «einfache»

Räume und eine bescheidene Infrastruktur zur Verfügung gestellt werden. Räume, in denen mit Lust und Freude experimentiert werden darf. Wir erinnern uns an das ABL- Kulturprojekt in der «Himmelrich»-Zwi- schennutzung von 2016. Oder: Als in der Stube der «Phrontistery» in Luzern Inni-K einen 1000 Jahre alten, gälischen Song vor-

trägt – einfach unvergesslich. Oder wenn die Lobby des Bed & Breakfast «Bettstatt» in Luzern für einen Abend zu einem irischen Pub mit authentischer Live-Musik verwandelt wird und man sich in Dublin wähnt.

Kopflos überraschend

Sollte, dürfte nicht öfters der Kopf abgeschaltet werden, gerne auch einmal vermeintlich

«kopflos» gehandelt, Businesspläne, starre Konzepte, Kulturbürokratie und Controlling gegen Mut und Vertrauen in die Kreativität von Kunst- und Kulturschaffenden einge- tauscht werden?

Belohnt werden Mut und Vertrauen dann mit unvergesslichen und inspirierenden Kul- turmomenten – mit einer lebendigen, freieren und oft überraschenderen anstatt bis ins letzte Detail gemanagten und «verkopften» Kultur.

Und: Mutiert Kulturmanagement so al- lenfalls eines Tages zu «(Kultur)Raumma- nagement»? Dies wäre eine neue, spezifische Disziplin von Kulturmanagement, das ganz bewusst und konsequent asketisch managt.

Mit weniger Management für mehr Kultur?

Philipp Seiler K U LT U R TA N K

Kultur «managen»?

Am Kulturmanagement scheiden sich bis heute die Geister: Die einen sehen die Kultur bevormundet durch eine Schar von geldverschlingenden Managerinnen und Managern, die anderen sehen im Kul- turmanagement die Grundlage jedes langfristig erfolgreichen Kulturbetriebs.

1 Privates Interview

2 Werner Heinrichs, Armin Klein: Kulturmanagement von A–Z.

600 Begriffe für Studium und Beruf. DTV, München 2001, S. 193.

«In unseren ‹Kulturhäusern› sitzen höchst ausgebildete Kulturmanager und Konsorten. Ohne Hochschulabschluss geht’s scheinbar nicht mehr.»

PATRIC GEHRIG

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