Research Collection
Doctoral Thesis
Die Elemente und Methoden der Perspektive in anschaulicher Darstellung
Author(s):
Gull, Erhard Publication Date:
1921
Permanent Link:
https://doi.org/10.3929/ethz-a-000103819
Rights / License:
In Copyright - Non-Commercial Use Permitted
This page was generated automatically upon download from the ETH Zurich Research Collection. For more information please consult the Terms of use.
ETH Library
Die Elemente
und Methoden der Perspektive
in anschaulicher Darstellung
'. Vt-n der' "-
"
Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich
'
• zur Erlangung der
Würde eines Doktors der technischen Wissenschaften genehmigte '
Promotionsarbeit
Nr. 269 vorgelegt von
Erhard Gull, diplomierter Architekt
aus Zürich
Referent: Herr Prof. Dr.G. La sius
Korreferent: HerrProf. J. J. Graf
i - . „
• ...
\ - ; • , ".- ' '
März 1921
Verlag der Wagner'schen Universitätsbuchhandlung Innsbruck
Leer
-Vide
-Empty
i
/
Vorwort
. Die perspektivischen Konstruktionen ermöglichen uns, räum¬
liche Vorstellungen darzustellen,- abzuklären und Dritten verstand- - Jich zu.machen. ,.
Die Perspektive soll auch unser Raumvorstellungsvermögen • ausbilden. .
l •'•*.
S.'Il- dieser bedeutsame Zweck erfüllt werden, so darf eine Perspektive-Lehre nicht nur mathematisch behandelt oder, auf. abstrakte Beschreibung und schematische Regeln auf- ; gebaut werden, vielmehr sollte sie durch anschaulich dar-
gestellte Figuren inleichtfaßlicfrerFolgeunsere, Vorstellungskraft' 'erziehen und, so zu einem
klaren' Verständnis der
Perspektiv-Oesetze
bei¬tragen, '-
Die vorliegende Perspektive-Lehre ist der_ Lösung dieser Aufgabe gewidmet Sie soll in
kurzer Fassung zu praktischem Können führen.
Es ist mir eine angenehme Pflicht, den Herren Prof. Dr.
G, Lasius und Prof. j. J. Graf, den hochgeehrten erfahrenen
Lehrern der Perspektive und des künstlerischen Zeichnens an
der-Eidgen. Technischen Hochschule in Zürich für ihre ein--
gehende Durchsicht, ihre wertvollen Anregungen sowie ihre- geschätzte Beurteilung meinen wärmsten Dank auszusprechen. ; .' %
Zürich, März 1921. Der Verfasser.
1
/
Leer
-Vide
-Empty
Inhaltsverzeichnis.
Eine möglichst lückenlose Entwicklung und Darstellung der Elementarbegriffe müssen das Gerippe bilden.
Erst sukzessive ergeben sich dann die Methoden als An¬
wendungen der bis dahin behandelten Elemente.
Der Leser wird dabei weniger versucht, sich, wie es häufig geschieht auf das Studium einer einzelnen Methode und ihrer routinierten Anwendung zu verlegen, vielmehr' wird er unver¬
merkt zur klaren Vorstellung und damit Beherrschung der ganzen
Materie gelangen.
Im Hauptteil (Kap. IV) ist der Nachdruck auf den klaren
Begriff der Bildebene, der Sehstrahlebenen und der Fluchtpunkte gelegt. Der
Teilpunkt
ist deutlich als einfache Anwendung des Fluchtpunktes paralleler Teilungslinien, die Schattenkonstruktion als Anwendung des Fluchtpunktes parallel ansteigender oderabfallendei Geraden gekennzeichnet.
Daran schließt sich eine kurze Erläuterung der Schatten bei künstlichem Licht, der Decken-, Panorama- und Theater-Perspek¬
tive sowie derSpiegelbilder.
Die rein geometr. Hilfskonstruktionen, die eigentlich mit dem
Verständnis der Perspektive nichts 2u tun haben, sollen im letzten Kapitel behandelt werden, da sie die Anwendung der Perspektive erleichtern und insofern zu einer vollständigen Perspektivlehre gehören.
Seite I. Bedeutung und Zweck der Perspektive 7
II. Geschichtliches zur Perspektive . .8
III. Beobachtung der Perspektive-Gesetze in der Natur . 9 IV. Wie entsteht die Perspektive auf dem Zeichenblatt? ïo-61
Klarlegung der Grundbegriffe.
1. Begriff der Perspektive oder Zentralproje\tlon 10
2. Wie entsteht das persp. Bild eines Raumpunktes und wie
das Bild eines Körpers: : ... 12
a) auf der vertikalen Bildebene 12
b> au! dem Zeichenblatt 13'
(Durchstossmethode ohne Fluchtpunkt) ,.
3. Die Wahl des Standpunktes und der Bildebene . . . 14-18
a) Standpunkt w 14
b) Hauptsehrichtung 17
c) Spur derBildebene - , 17
4. Die Massvertikale
' 18
5. Die Breitenlageder Vertikalen des Körpers auf dem Bilde 18
6. Der Fluchtpunktbegriff 19-25
^a) der allgemeine Begrifl . .• 19
b) die Fluchtpunkte von Horizontalen 20 (Durchstossmethode mit 2 Fluchtpunkten
c) Wegverfahren .... '....".. . . . . . . ,. 21
d) Schniüverfahren 22
e) Massvertikale in der Yerti alebene einer gewählten Flucht 23 (Durchstossmethode mit 1 Fluchtpunkt)
7. Fluchtpunkt spezieller Richtungen . . ... 25-5/
^a) Äugpunkt -25
^bl Distanzpunkt . , 25
c) Diagonalpunkt i . . ... 26
^d) Teilpunkt (Fluchtpunkt der Teilungslinienl 26-36 DerDistanzpunktalsTeilpunkt (Distanzpunktmethode)
Mehrere Teilpunkte,entsprechendden verschiedenen Rich¬
tungen (Allgemeines Teilpunktverfahren) Persp. Grundriss ,
Der Äugpunkt als Teilpunkt
e) GeradenFluchtpunkt von ansteigenden oder abfallenden paralellen 36-40 f) VerschiedeneLagen von Ehenen.und_ihrer Fluchtspurert40-44 g) Perspektivische Schattenlehre (Natürliche Beleuchtung) 44-56
Lichtstrahlenfluchtpunkt '
Versch. Stellungen der Sonne
Schatten auf versch. Ebenen und krumme Flächen
8. Schatten bei künstlicher Beleuchtung 57 9. Decken-, Panorama und Theaterperspektive 58
10. Spiegelbilder . . . 59
V. Geometr. Hilfskonstruktionen
. 61-77
1. Kreiskonstruktionen . 61
2. Leibungstiefe von Bogen 64
Wölbungslinien von Kreuzgewölben'
•v 3. Messen und Teilen ohne Teilpunkte 65 4 Vermeiden unzugänglicher Distanz und Teilpunkte 69 5. Ermittlung der Fluchtrichtungen bei unzugänglichen Flucht¬
punkten 71
6 Profile, Kehrprofile, Drehprofile, konzentr. Kreise 75
NB.Bei einigen Figuren*urde derStandpunktabsichtlichzunahe der Bildtafel angenommen,
um aufdem gegebenenFormat alle Hilfspunkte darstellen zukönnen
'
I. Bedeutung
u.Zweck der Perspektive.
Die Perspektive ist im Studium, sowie auch m der Praxis
des Architekten eine überaus nützliche, ja ganz unentbehrliche Hilfswissenschaft.
Zur naturähnlichen Wiedergabe auf eine^Fläche ist die per¬
spektivische Zeichnung,die Grundlage.
.Schattierung
und Farben- gebung spielen erst eine sekundäre Rolle. Jedes naturgetreueAbbild irgend"eines Objektes ist eine Perspektive.
Vitruv schon sagte, „daß die Architekten der Perspektive unbedingt bedürfen, weil sie lehre, den verschiedenen Teilen der Gebäude angemessene Verhältnisse zu geben, ohne bei der Ausführung furchten zu müssen, daß sie etwas an ihrer mut¬
maßlichen Schönheit verlieren würden."
Leonardo Da Vinci sagt in seinem Werke über die Mal¬
kunst: „Der Schüler muß zuerst die Perspektive lernen damit
er jedem Gegenstand das richtige Maß zuerteilen kann
Diejenigen, welche sich der Praxis ohne Wissenschaft hingeben- gleichen Schiffern, die sich ohne Steuerruder und Kompaß aufs
Meer hinaus wagen. Ohne die Theorie kann man es in der" Kunst nicht weit bringen."
Was Leonardo vom Maler sagt, gilt in noch höherem Maße
vom Architekten!
Der Architekt muß Räume schaffen. Zu deren Darstellung eignet sich besser als die gewöhnlichen geometrischen Zeich¬
nungen: die Perspektive.
Die Perspektive ermöglicht, es, einen Körper, den wir uns
, raumlich vorstellen, oder den wir im Grund- und Aufriß ent¬
worfen haben, von einem gewählten Standpunkt aus mit einem Auge betrachtet, auf der Bildtafel so zu zeichnen, \Vie erdem Be¬
schauervonjenem StandpunktausinWirklichkeit erscheinen würde.
Aber auch bei der Ausarbeitung seiner Pläne ist es gewiß
für den Architekten ein großer Zeitgewinn und erspart ihm
manchen Aerger, wenn er sich vorher auf dem Papier ab¬
klären, abändern 'und detaillieren, dem Bauherrn und Handwerker Verständlich machen kann, was nachher in kostspieligem Ma terial Wirklichkeit werden soll. ^
Die Perspektive ermöglicht auch, umgekehrt, aus dem photo¬
graphischen Bilde eines Gegenstandes, dessen Grund- und Aufriß
zu rekonstruieren.
Es sind aber nicht erst die sich in der Praxis zeigenden Vor-' teile, welche die Perspektive für uns so wichtig machen, sondern
auch die Tatsache, daß bei anschaulicher Darstellung ihres Lehr¬
ganges wir kein kurzweiligeres Mittel kennen, das für unsern
Beruf so grundlegende Rau mvorstellungsv ermögen zu
f örde rn.
II. Geschichtliches
zurPerspektive.
Perspektivische Versuche sind in ältester Zeit schon nach¬
weisbar. Die Griechen schon malten ihre Theaterscenerien mehr oder weniger perspektivisch richtig.
Vitruv berichtet von einer Theaterdekoration in der Stadt Thracie, welche durch ihr Relief, durch ihre scheinbaren Vor-
spriinge, angenehm ins Auge falle.
Plinius ruft: „Bewundeiungswürdiges Streben"der Kunst —
es gewagt zu haben, einen- hervorspringenden Körper auf einer ebenen Fläche gleichsam verkörpert darzustellen."
Zur Zeit der Völkerwanderung und beim allgemeinen Ver¬
fall der Wissenschaft im Mittelalter scheint" die Perspektive für lange Zeit vergessen oder doch nur unvollkommen geübt worden
zu sein.
'Aber das 15. Jahrhundert begann wieder aufzubauen. Vitruvs und Euclid's Elemente der Geometrie wurden wieder hervorgeholt
und darin die Grundsätze der Perspektive wieder aufgefunden oder neu entdeckt. ,
Piero della Francesca, Maler und Mathematiker, entwickelte als Erster einen Lehrgang, indem er zeigte, daß auf einer durch¬
sichtigen Bildebene zwischen Beschauer und Gegenstand durch die Sehstrahlen projiziert ein ähnliches Bild des Gegenstandes entsteht.
(
- Dürrer erfand dann ein Instrument, welches den Grundsatz Piero'.s durch den Augenschein beweisen sollte.
Im 16. Jahrhundert wurden die bis dahin-.vervollkommne'ten Lehrsätze in verschiedenen gedruckten Werken publiziert, zjB.
1540 von Leon Battista Alberti und 1585 von Vignola.
1600 fand Guido Ubaldo den allgemeinen Grundsatz des Fluchtpunktes von Horizontalen. Im Verlaufe des 17. Jahrhunderts
wurde dieser Grundsatz dann auch auf geneigte Linien ange¬
wendet.
1693 veröffentlichte Andrea Pozzo sein reich illustriertes Werk über die Perspektive, „worinnen gezeigt wird, wie man aufs allergeschwindeste und leichteste alles was zur Architektur gehört,
in Perspektive bringen solle."
1715 erschien eine Theoiie der Perspektive von Tavlor, worin
alles bis dahin Bekannte entwickelt ist.
Nach und nach wurden diese Theorien noch erweitert und eine Menge abgekürzter und sehr nützlicher Methoden gefunden.
— 9 —
III. Beobachtung der Perspektivgesetze
in der Natur.
Von den bebuchteten Gegenständen reflektieren Licht¬
strahlen. Diejenigen, die unsere Augen treffen, nennen wir Seh¬
strahlen. Sic projizieren auf der"Augennetz'haut ein naturgetreues sogenann es perspektivisches Bild des beleuchteten Gegenstandes.
Unsere Augen sind also gewohnt, die uns umgebenden Gegenstände perspektivisch zu sehen. Darum befriedigen ein geschultes Auge nur diejenigen Bilder, in welchen den üesetzen des Sehens Rechnung getragen ist.
Solche Gesetze kann der aufmerksame Beobachter in der
.Natur schon erkennen, und sich dadurch für das spätere Kon- struktieren auf dem Papier das Verständnis erleichtern.
Im Folgenden sind einige dieser Beobachtungen angedeutet:
1. Das Sehen mit einem Auge umfaßt nur ein beschränktes Gesichtsfeld, die Sebétrahlen schließen einen Kegel ein, dessen
Axe die Sehrichtung ist und dessen "Basis* einem Sehwinkel
von höchstens 50° entspricht.
2. Eine wagrechte Ebene, durch das beobachtende Auge gedacht, nennen wir die Horizont-Ebene. Alle Punkte, die in
.dieser Höhe liegen, werden sich auf dem Bilde in einer wag- r'echten Linie darstellen, die wir den Horizont nennen.
In einer Photographie wird aus dieser Horizontlinie auf die Höhe des Beobachteis od. desApparatesgeschlossenwerdenkönnen.
3. Wagrechte Linien .unter oder über der Horizontalebene konvergieren oder fliehen nach dem Horizont und haben in diesem
ihren sog. Fluchtpunkt.
- Alle parallel zur Horizontalebene .liegenden parallelen
Ebenen fliehen '— steigen oder fallen nach dem Horizont —
haben im Horizont ihre Fluchtspur — das Bild ihrer unendlich
fernen Begrenzung (Meereshorizont, Saaldecke, Acker).
4. Alio unter sich parallelen Linien im Raum scheinen in einem Punkt zusammenzulaufen, haben denselben Fluchtpunkt.
Auf langer gerader horizontaler Strecke einer Bahnlinie scheinen für das Auge die normal gerichteten Schienen oder die Telegraphenleitungen in einem Punkte zusammenzulaufen, dem Punkte, der auf dem Bilde der Projektion des Auges entspricht.
5. Dasselbe gilt für geneigte Parallellinien, die ihren Flucht¬
punkt, entweder unter oder über dem Horizonte haben.
0. Die senkrechten Hauskanten von Gebäuden erscheinen senkrecht und parallel
7. Gegenstände gleicher Größe, z. B.. Menschen scheinen mit der Entfernung vom Auge kleiner zu werden, was sich aus
dem Zusammenlaufen paralleler Linien (Fußfinie und Kopflinie)
nach ihrem Fluchtpunkt erklärt.
IV. Wie entsteht die Perspektive auf
dem Zeichenblatt?
Klarlegurig
derGrundbegriffe.
1.
Begriff
derPerspektive
oderZentralprojektion.
, Perspektive: Von Lateinisch Perspicere = hindurch¬
sehen. Wenn wir uns zwischen dem Beobachter und dem Gegen¬
stand in der Natur eine vertikale,' durchsichtige Ebene als Bild¬
tafel denken, entsteht auf derselben durch die'Sehstrahlen pro¬
jiziert, ein perspektivisches Abbild des Gegenstandes (s'ehe Dar¬
stellung Fig. 4). , ,
Für die perspektivische Darstellung auf einer Bildtafel setzen wir das Sehen mit einem Auge bei festbleibender Richtung vor¬
aus,' weil das zu gewinnende Bild aus einem Punkte konstruiert wird. Es muß daher — streng genommen —' ein so erzeugtes
Bild auch (wieder'aus einem Punkte und unter gleichen Be¬
dingungen, wie es entstand, betrachtet werden.
Denken wir uns nun für jedes unserer Augen ein solches Bild, so wurden diese etwas verschieden ausfallen. Werden die¬
selben nun von beiden Augen in der richtigen Entfernung betrachtet, so lassen sie sich als ein einziges Bild zur Deckung bringen und geben einen sehr lebendigen Eindruck der drei ver¬
schiedenen Dimensionen. — Das* stereoskopische Sehen.
Die Perspektive, wie der Architekt und Maler sie braucht,
setzt einen- Standpunkt des Beschauers in endlicher Ferne vor¬
aus, während die Parallelprojektion ein unendlich fernes ,Auge voraussetzt, wobei eine Verkürzung, der Seiten nicht mehr eintritt.
FÎ2 1 rig
- 11 —
Die vorstehende Skizze zeigt ein Haus, wie es in Erschei¬
nung tritt von nahe gesehen (Zentralprojektion, Fig. 1), ander¬
seits mit der Voraussetzung eines unendlich fernen Standpunktes (Fig. 2) [IJaralIelprojektion]. <
Die Parallelprojektion, ,wenn sie auch kein naturliches Bild bietet, hat den Vorteil, daß die Dimensionen nach drei ver¬
schiedenen Maßstaben direkt abgelesen werden können," sie eignet, sich daher vortrefflich fur die Darstellung komplizierter
Einzelteilen von Maschinen usw.
2. Wie entsteht das persp. Bild eines
Raumpunktes
und wie das Bild eines
Körpers.
a) Auf der vertikalen Bildebene ergibt sich die Zentralprojektion eines Raumpunktes nach der'geometrischen Projektionslehre, indem man durch seinen Sehstrahl eine Ver¬
tikalebene legt, wodurch auf der Bildebene eine vertikale Schnitt¬
spur entsteht. Diese fixiert aur dem Sehstrahl dessen Durch-
stosspunkt: das perspektivische Bild des Raumpunktes.
f-^Sära^ /
i i
r
~~~A
'/
...^A \
Fig 3Das perspektivische Bild eines Würfels ergibt sich auf der vertikalen Bildebene durch die Zentralprojektion seiner einzelnen Eckpunkte u'nd die folgerichtige Verbindung derselben. .
Fig.4
Beim Photographieren entsteht das zentralperspek¬
tivische Bild durch die chemische Einwirkung der Lichtstrahlen auf die lichtempfindliche Platte.
— 13 —
b) Auf dem Zeichenblatt entsteht das perspektivische
Bild nicht durch die Sehstrahlen direkt, sondern durch deren Projektionen im Grund- und Aufriß des Körpers, wie die nach¬
folgenden Figuren zeigen.
Fig
Auf der Bildebenespur des Grundrisses erhalten wir die
Anfangspunkte für die Vertikalkoordinaten.
Auf der vertikalen Bildebenespur einer zur Bildebene und
zur Grundebene normal stehenden Hilfsebene (Seitenriß) erhalten
wir die Anfangspunkte für die Horizontalkoordinaten.
Zeichnet man die rechtwinkligen,Bildebenespuren als Koordi¬
natenachsen auf das Zeichenblatt und koordiniert man ent¬
sprechende Punkte derselben, so ergibt sich das perspektivische
Bild des Objektes. , -
(Durchschnittsmethode ohne Fluchtpunkte).
tFuNDRI&î
PEÄbPEKTlvE.
rig 6
Besitzt aber das abzubildende Objekt, wie es bei Bauu erken der Fall ist, horizontale Kanten, so wird uns die! Kenntnis des Fluchtpunlctb,egriffes rascher und genauer zum Ziele führen.'
3. Die Wahl des
Standpunktes,
zur Bildebene.Es braucht dazu einer Vorbereitungsfigur, welche den Grund¬
riß des Objektes enthält.
a) DerStandpunkt. Das Auge des Beschauers erscheint im Grundriß identisch mit'dessen Standpunkt. DerStandpunkt des
Beschauers wird bei der Perspektivkonstruktion immer zuerst festgelegt und zwar ymmer so- weit weg vom Objekt, daß die Sehstrahlen nach den äußersten Punkten der vorgesehenen Bild- aU)Sdehnung keinen größeren Winkel als 50° einschließan, weil wir ja schon in dV Natur beobachtet haben, daß der Sehkegel
unseres Gesichtsfeldes mit einem Blick diese Größe nie über¬
schreitet. •
,
F..: 6E,,c^ELn i~ ^T )
.ïSXî^r
Wenn wir den Standpunkt zum Objekt festhalten, bleibt
die Eischeinung des Bildes stets dieselbe, gleichgültig, ob che Bildebene dem Standpunkt parallel näher oder ferner gerückt wird; das Bild bleibt geometrisch ein ähnliches, es ändert sich nur der Maßstab im Bilde, entsprechend der.veränderten Distanz.
Ist daher der Winkel am Auge nicht größer wie 50", so wird alles, was im Bildrahmei> eingeschlossen sich darstellt, auch das
im nächsten Vordergrunde liegende, einen richtigen Eindruck machen; dagegen würde dies nicht der Fall sein, wenn man den
Standpunkt in Bezug auf das Objekt näher rücken wollte; da¬
durch würde sich der Sehwinkel Vergrößern, weil dies das Auge
aber nicht zuläßt, übersieht es nur ein kleineres Sehfeld'inner¬
halb des Rafim'ens, der außerhalb liegende Teil erscheint dem
Auge. verzerrt und der Gesamteindruck ist ungünstig.
Man pflegt dann zu sagen: Die Distanz ist zu kurz — ja sie
\vurde zu kurz, weil der Sehwinkel zu groß angenommen und nicht beachtet wurde, daß die Distanz durch die Bildgröße
bestimmt wird.
- Sehe ich durch ein Fenster hinaus in die Landschaft und trete ich so weit zurück, daß ich die Oeffnung ganz mit meinam
Blick einschließe, so wird alles Eingerahmte dem Auge faßbar,
15
alles Eingerahmte ist ,a'ber .dann das Objekt, das nächst wie
das entfernt liegende. Trete ich näher an die Oeffnung, so über-
'sehe ich ein größeres, Stück Landschaft,• und wollte ich ver¬
suchen, das nun mit dem gleichen Rahmen zu fassen, so würde
eben der Sehwinkel größer wie 50° sein -müssen und damit die Verzerrung eintreten, die sich besonders an den naheliegenden Gegenständen zeigen würde. Schlagend illustriert wird dies durch photographische-Bilder, die mit Weitwinkelapparat aufgenommen wurden, die stets «inen ungünstigen Eindruck hervorrufen.
Die Figuren 8 und 9 zeigen den Einfluß einer zu kurzen
und einer richtigen Distanz auf die Bildwirkung. Die ge¬
strichelten- Kreise entsprechen^ in beiden Figuren einem Seh¬
winkel von" 60°.
a)ZU K.URZE. DIST/VNZ. " D.^RJCHTIôeOISTAl-dZ.
Fig 8 Fig 'i
Daß jedes Bild, das eine räumliche Anschauung vermitteln soll, streng genommen nur mit einem Auge aus der Entfernung
betrachtet werden muß, für die es entworfen wurde, fordert das perspektivische Gesetz. Trotzdem wird dies wenig beachtet, weil
wir uns von klein auf durch viele bildliche . Darstellungen,
ohne tlarüber nachzudenken, an ein oberflächliches. Betrachten gewöhnt haben. Man denke nur an die Bilder, die unsere Woh-
nugen schmücken, oder acht» darauf, wie in Unseren Aus¬
stellungen, ja selbst in den Gallerien die Bilder aufgehängt sind,
so daß sie nicht richtig gesehen werden können; es überwiegen
andere Gesichtspunkte, hübsche Verteilung an der Wand usw.
Kleine Bilder hängen so tief, daß sie nur in der Hockestellung
zu sehen wären und dergl.
Fassen wir kurz zusammen, was für die Gewinnung eines guten' perspektivischen Bildes notwendig ist.
Die Ausführung ist abhängig von der Größe, dem Fomat
des Bildes und der Rahmengröße. Die Bildfläche muß von der Grundflache ei(nes Kegels, dessen Spitze im Auge gedacht ist,
und hier einen Winkel von max. 50" faßt, also 25" zur Achse, eingeshlossen werden.-
Die Achse als Sehstrahl trifft den Horizont in der Mittel¬
linie der Bildflache als Ha'uptpunkt A, der Abstand der Kegel¬
spitze von der Grundfläche gibt die Distanz (Fig. 10 u. 11).
1, 2, 3 4 = Rahmen A ,-= Augpunkt
AB = Radius des Qru idkreises eines Kegel von 50", dal-er AO = Distanz.
Die beiden Zwickelflächen bei 1 u. 2 fallen ausserhalb, wjts aber selten stören wird.
A
• < v
\ 1 /
\ 1 '
\ ép'/
i
/ s
ÏD-
Fl . 10
Für ein Hochformat würde sich die Lösung in gleicher Weise finden:
•~~-\
,.-" \ ~V^
V
K
• -> -
-jjh-
/
>N '
,/
\ i
f i
/ /
! f
* *
! 1 y
\ slo*1
^
'
- i ' __
-"
Flg. U
— 17 —
Das Formathängt zum Teil auchvon derLage des Horizontes im Bilde ab. Wenn mit dem Abstände von 27 cm, als der minimal bequemen Sehweite des normalen Auges, ein Rahmen bestimmt
werden soll, so wird dieser etwa der Größe des Octavbuch-
formates 16/22 cm entsprechen. Kleinere Bildflächen, wie z. B.
Visitenkartenformat, lassen sich nur richtig mit Hilfe eines passenden Vergrößerungsglases betiachten, gewinnen aber dann,
eben weil sie gezwungen vom richtigen Gesichtspunkt aus' be¬
trachtet werden, außerordentlich an Wirkung.
Wählt man jedoch ein größeres Bildformat, so'ist die Grenze
bis zum Maximum lediglich abhängig vom deutlichen Erkennen des Dargestellten, sowie \on der Möglichkeit, den geeigneten' Standpunkt einzunehmen.
,
In einem Panorama entspräche der Radius der Zylinderwand
der Distanz, und der Standpunkt läge auf einer zentral zugäng¬
lichen Plattform, so daB die Augenhöhe der Beobachter sich in''der Horizonthohe befände.
b) DieHauptsehricrftung muß natürlich immer gegen die Mitte des Objektes resp. des Körpergrundrisses gehen. Die
senkrechte Projektion des Auges d. h. der Augpunkt soll in
der Mitte der Bildbreite liegen, weil dieser Standpunkt vom Be¬
schauer in Wirklichkeit unwillkürlich eingenommen wird, da nur
so die Grundrißfläche des Sehstrahlenkegels auf der Bildtafel gleichmäßig ausgefüllt wird.
Läge z. B. der Augpunkt seitlich am Bildrande, so \\;ürde nur
die Hälfte der Sehkegelfläche ausgenützt, wir sehen eigentlich
am Objekte vorbei. ' '
c) Die Spur der Bildebene ist im Grundriß immer
senkrecht zur Hauptsehrichtung, weil ja die Bildebene selbst
immer senkrecht zu ihr gedacht ist. Die Durchschnittslinie der Bildebene mit der Grundfläche wird in der Perspektiv-ZeichnUng
als Grundlinie bezeichnet.
4. Die Massvertikale.
Da es zum Auftragen der Höhenmaße immer vorteilhaft ist,
eine Vertikale des darzustellenden Körpers schon unverkürzt in der Bildebene zu haben, legt man am besten die Bildebene an eine Kante des Körpers, so daß also die Spur der Bildebene durch
eine Ecke des Grundrisses -geht. (Fig. 12). Andernfalls muß
man eine Vertikalebene des Korpers bis in die Bildebene ver¬
längern um durch den Schnitt dieser Ebene mit der Bildebene eine Vertikalspur (Maßvertikale)' zu erhalten, auf welcher die
"Höhen im Maßstabe des Aufrisses unverkürzt abgetragen \\erden
•können und zwar vorteilhaft immer vom Horizont aus gemessen Im Grundriß müßte man also eine Seite oder Richtung des Grundrisses bis zum Schnitt mit der Bildebenenspur verlängern,
um in jenem Punkte (Anfangsort a) dann die gesuchte Maß\er- tikale zu erhalten.
Fig J3 #
5. Die
Breitenlage
der Vertikalen desKörpers,
d. h. die Verkürzung der Seitenflächen finden wir auf dem Bilde durch den Schnitt der Sehstrahlenprojektionen mit der BiKl- ebenenspur.
V
— 19 —
6. Der
Fluchtpunktbegriff.
Die Bilder der parallelen Geraden z. B'. in der Richtung
- 1 und II (Figur 13) werden wir mit Hilfe der Flucht¬
punkte Fi und F2 jener Richtungen finden. Es gilt über diesen wichtigen Begriff völlig klar zu werden.
a) Der àllgem. Begriff: Wir haben schon in der Natur beobachtet, daß parallele Linien sich- in der Ferne zu treffen scheinen, gegen einen sogenannten Fluchtpunkt zusammenlaufen (gerade. Eisenbahn- und Telegraphenlinien). Diese Erscheinung beruht auf der scheinbaren Abnahme der Größe der Gegen¬
stände und ihrer Zwischenräume, je weiter sie sich von uns
entfernen, ' ,
»
Die folgende Figur zeigt, wie "die verschiedenen.Senkrechten zwischen zwei horizontalen Parallelen auf die Bildebene pro¬
jiziert, umso kurzer erscheinen, je weiter sie vom Auge abrücken.
Fig 14
Mit der Entfernung der Senkrechten schrumpft ihr Sehwinkel und darum das .Bild der Senkrechten immer mehr zusammen.
Der Abstand (1—1, 2—2, 3—3) der parallelen Horizontalen erscheint auf der Bildebene schließlich 'gleich Null, im Bilde
scheinen sich die Parallelen, zu treffen, dort ist deren Flucht¬
punkt.
Das perspekthische Bild eines beliebigen Raumpunktes ergab
sich als Durchstoßpunkt des nach jenem Punkte gehenden Seh-
-strahles mit der Bildebene (Darstellung Fig. 3). Denkt man sich
den unendlich fernen Punkt einer Fluchtrichtung mit dem Auge verbunden, so kann dies nur durch eine Parallele zur Flucht¬
richtung geschehen, wie die Figur 15 erklärt.
Je weiter weg man auf der Geraden B—C Punkte wählt,
umsomehr nähern sich deren Sehstrahlen (projizierende Strahlen)
einer Parallelen zu B—C. ' i
Der zu B—C parallele Strahl durchs Auge ist also-identisch mit dem Sehstrahl nach dem Verschwindungspunkte (unendlich
fernen Punkte) der Geraden B—C.
Fig 15 . •
Um also im Grundriß die Breitenlage des Fluchtpunktes einer Richtung zu finden, muß man durch den Fußpunkt des Auges
eine Parallele zu der betreffenden Richtung ziehen, wo diese
die Spur der Bildebene schneidet, erhält man den gesuchten '-Punkt.
Raumlich dargestellt, ergibt sich folgendes Bild.
Flg lb'
Wo der zur Fluchtrichtung parallele Sehstrahl die Bildebene schneidet, ist der Fluchtpunkt jener Richtung, d. h. das Bild ihres unendlich -fernen Punktes. Die Blilder der parallelen Ge¬
raden sind durch ihre Spurpunkte und ihren Fluchtpunkt be¬
stimmt.
b) Die Fluchtpunkte von Horizontalen sind auf dem Horizont, weil- dieser die Fluchtspur aller horizontalen Ebenen ist, d. h. die Schnittlinie — einer zu allen Horizontal¬
ebenen parallelen Ebene durch das Auge — mit der Bildebene
ist der Horizont.
\