Lineare Algebra f¨ur Lehramt
Sommersemester 2018
Dipl. Wirtsch.-Math. Marcel Marohn E-Mail: m.marohn@mail.de
Lineare Unabh¨ angigkeit, Basen und Unterr¨ aume
Ubersicht¨
Wir betrachten hier nur den euklidischen Vektorraum Rn ={x = (x1, . . . , xn)|xi ∈ R, i= 1, . . . , n}. Grafisch stellen wir die Elemente imR2 oder R3 meist als Pfeile (Vektoren) dar, auch wenn es sich nat¨urlich auch um Punktkoordinaten handelt. Auf Rn sind Addition x+y und die Skalarmultiplikationλ·xmitλ∈Rkomponentenweise erkl¨art.1 Geometrisch bewirkt eine Skalarmultiplikation eine Streckung (|λ| > 1) oder Stauchung (0 < |λ| < 1) des Vektors sowie im Falle λ < 0 eine Spiegelung des (Pfeil-)Vektors in Null, so dass er in die entgegengesetzte Richtung zeigt. Die Additionx+ybedeutet grafisch, dass man an den Pfeilx den Vektorpfeily anheftet und dann die 0 (den Ursprung) mit dem Pfeilende des an x angehefteten Pfeilsy verbindet.2
Lineare Unabh¨angigkeit
Wir nennen v1, . . . , vn ∈ Rn linear unab¨angig, wenn sich der Nullvektor 0 nur trivial aus v1, . . . , vn erzeugen l¨asst, das heißt also:
λ1v1+· · ·+λnvn
| {z }
(?)
= 0 mitλ1, . . . , λn∈R
hat keine andere L¨osung alsλ1=· · ·=λn= 0.
Beachte:
• Zwei Vektoren x, y ∈ Rn sind linear abh¨angig ⇔ x, y sind Vielfaches voneinander:
x=λy mit einemλ∈R.
• Sind bereits zwei Vektoren ausv1, . . . , vnlinear abh¨angig, so ist das Systemv1, . . . , vn linear abh¨angig. (Pr¨ufe also zuerst durch scharfes Hinsehen, ob zwei Vektoren Vielfa- che voneinander sind!)
• Sind im System v1, . . . , vn alle Vektoren paarweise linear unabh¨angig (also keiner Vielfaches von einem anderen), so heißt das nicht notwendig, dass v1, . . . , vn linear unabh¨angig sind! (Es heißt nur, dass man noch nicht auf linear abh¨angig schließen kann.)
Beispiel: Es seien drei Vektoren v1, v2, v3 ∈R3 gegeben, wobei je zwei linear unabh¨angig sind. Ist dann auch notwendig{v1, v2, v3} linear unabh¨angig?
Antwort: Nein. Betrachte dazu die drei Vektoren in der x −y−Ebene R2 ⊆ R3. Dort spannen je zwei linear unabh¨angige die Ebene auf, drei sind aber immer abh¨angig.3 Als Beispiel nehme manv1 =
1 0 0
, v2=
0 1 0
, v3 =
1 1 0
.
1Eine Multiplikation von zwei Vektoren gibt es in dieser Artnicht, aber wir f¨uhren einen gewissermaßen Ersatz ein (Skalarprodukt).
2Dabei ist die Rolle vonxundynat¨urlich auch vertauschbar.
3siehe Bemerkungen zu Basen.
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Dipl. Wirtsch.-Math. Marcel Marohn E-Mail: m.marohn@mail.de Wir nennen den Ausdruck (?) Linearkombination der Vektorenv1, . . . , vn. Dahinter steckt,
da v1, . . . , vn ∈ Rn sind, ein lineares Gleichungssystem f¨ur λ1, . . . , λn aus n Zeilen. Die Menge aller Vektoren, die von einer Menge von VektorenB :={v1, . . . , vn} erzeugt werden kann (also die Menge der Vektoren, die sich als Linearkombination (?) aus diesen Vektoren schreiben lassen) bezeichnet man als Lineare H¨ulle oder Span dieser Vektoren:4
span (B) = span{v1, . . . , vn}:=
(
w∈Rn
w=
n
X
i=1
λivi mit beliebigen λi ∈R, i= 1, . . . , n )
.
Unterr¨aume und Basen
Eine TeilmengeU ⊆Rn heißt Unterraum von Rn, falls U 6=∅sowie (U1) x+y∈U f¨ur alle x, y∈U,
(U2) λx∈U f¨ur alle x∈U, λ∈R (insbes.λ= 0 m¨oglich)
gelten. Wir nennen eine Menge B := {v1, . . . , vn} Erzeugendensystem von U, falls U = spanB gilt. Sind v1, . . . , vn zus¨atzlich noch linear unabh¨angig, so heißt B Basis von U.5 Die Anzahl der Elemente einer Basis von U heißt Dimension von U und wir schreiben dimU =n, fallsndiese Anzahl ist.
Beachte zu Unterr¨aumen:
1. F¨ur jeden Unterraum gilt: 0∈U (immer zuerst pr¨ufen!).
2. U ={0} ist ein trivialer Unterraum.
3. Alle Unterr¨aume im R2 sind Geraden durch den Ursprung oder{0}.
4. Alle Unterr¨aume im R3 sind Ebenen/Geraden durch den Ursprung oder{0}.
So k¨onnen beispielsweise U1 = {(x, y) ∈ R2|y = x2} und U2 = {(x, y) ∈ R2|y = 3x+ 4}
keine Unterr¨aume vonR2sein, jedochU3 ={(x, y)∈R2|y = 3x}ist ein Unterraum von R2.
Beachte zu Basen:
1. IstB:= {v1, . . . , vn} eine Basis von U, so hat f¨ur jedes u∈U das Gleichungssystem u=λ1v1+. . . λnvngenau eine L¨osung.
2. Alle Basen von U haben gleiche L¨ange, bestehen also aus gleich vielen Vektoren.
(Damit ist dimU insbesondere eindeutig.)
3. Jede Basis vonU ist unverk¨urzbar (minimal), d.h. entfernt man einen Vektor, so hat man kein Erzeugendensystem vonU mehr.
4. Jede Basis von U ist maximal linear unabh¨angig, d.h. hat die Basis n Elemente und damit dimU =n, so sind in U mehr als nVektorenimmer linear abh¨angig.
4Dabei setzt man span (∅) ={0}.
5Insbesondere gelten die Begriffe also auch allgemein f¨urU =Rn.
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Dipl. Wirtsch.-Math. Marcel Marohn E-Mail: m.marohn@mail.de 5. Steinitz’scher Austauschsatz: IstB:={v1, . . . , vn}eine Basis von U, dann kann man
einen Vektorvj aus der Basis mit einem ausv1, . . . , vn erzeugten Vektor w=
n
X
i=1
λivi, λi ∈R, i= 1, . . . , n
austauschen (und erh¨alt wieder eine Basis), wenn λj 6= 0 ist (alsovj wirklich bei der Linearkombination benutzt worden ist). Insbesondere gilt: man kannjedenVektor aus der Basis gegen
w=
n
X
i=1
vi
austauschen (da λi = 1 f¨ur jedesiist).
Die Standardbasis desRnbesteht aus den Vektoren, die in genau einer Komponente eine 1 haben und sonst nur Nullen. Die Standardbasis inR3 ist somit
e1=
1 0 0
, e2 =
0 1 0
, e3 =
0 0 1
und daher dimR3 = 3. Folglich sind mehr als drei Vektoren immer linear abh¨angig im R3(nicht inR4,R5, . . .!) und insbesondere niemals eine Basis desR3. Allgemein gilt der Zu- sammenhang also f¨ur jedenRn: dimRn=nundn+ 1 Vektoren sind immer linear abh¨angig inRn+1.
Dimensionsformel und affine Untervektorr¨aume
F¨ur beliebige Unterr¨aumeU1, U2 desRn gilt:
dim(U1+U2) = dimU1+ dimU2−dim(U1∩U2).
Dabei istU1+U2:={u∈Rn|u=u1+u2 mitu1∈U1, u2∈U2}.
Einaffiner Untervektorraum des Rn ist
x0+U :={x0+x|x∈U}
mit U Untervektorraum von Rn und x0 ∈ Rn (St¨utzvektor oder Verschiebungsvektor).
Die eindimensionalen affinen Unterr¨aume des Rn sind beliebige Geraden und die zweidi- mensionalen beliebige Ebenen. Beachte: Ein Untervektorraum ist immer auch ein affiner Untervektorraum (w¨ahle x0 = 0). Umgekehrt ist aber nicht jeder affine Untervektorraum ein Untervektorraum (warum?).
Skalarprodukt und Komplement¨are Unterr¨aume
Seien x, y∈Rn. Dann definieren wir das Skalarprodukt als hx, yi:=
n
X
i=1
xi·yi.
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Dipl. Wirtsch.-Math. Marcel Marohn E-Mail: m.marohn@mail.de Insbesondere stehen x, y senkrecht aufeinander (x ⊥ y), wenn hx, yi = 0 ist. Sei A ⊆Rn.
Dann nennen wir den Unterraum der zu allen Vektoren ausAsenkrecht stehenden Vektoren A⊥ das orthogonales Komplement zu A:
A⊥:={x∈Rn|hx, ai= 0 ∀a∈A} ⊆Rn. Dieser ist Unterraum des Rn. Es gilt f¨urU Unterraum desRn
dimU⊥=n−dimU,
also muss man, um U⊥ zu beschreiben, nur dimU⊥ linear unabh¨angige Vektoren finden, die zu einer beliebigen Basis von U senkrecht stehen (man muss also nicht wirklich alle Vektoren ausUbetrachten). Die gefundenen Vektoren bilden dann eine Basis vonU⊥bilden.
Dieser Zusammenhang ergibt sich aus der Eigenschaft derorthogonalen Projektion xU ∈U eines Vektors x ∈ Rn auf einen Unterraum U von Rn: es existiert immer eine eindeutige Zerlegung
x=xU+x⊥ mit einemx⊥∈U⊥. Insbesondere erhalten wir:
span (U∪U⊥) =Rn und
U⊥ ⊥
=U.
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