Kapitel 2
Funktion einer Ver¨ anderlichen
2.1 Zum Begriff
Im Experiment wird oft eine Meßgr¨oße (z. B. die Konzentration K) in Abh¨angigkeit von einer anderen Gr¨oße (z. B. der Zeit t) gemessen. Dies ergibt eine Zuordnungsvorschrift oder Funktion:
Die Konzentration K wird als Funktion der Zeit t erfasst K =K(t)
t wird als Ver¨anderliche oder Variable bezeichnet.
Wir behandeln zun¨achst reelle Funktionen mit einer reellen Ver¨anderlichen.
Definition 2.1 Eine reelle Funktion (Abbildung) ist eine Vorschrift, durch die jedem Element x∈D⊂ in eindeutiger Weise eine reelle Zahl f(x) zugeordnet wird.
f : x#→f(x) Wir lesen: x wird abgebildet auff(x).
Die Menge Dist der Definitionsbereich von f,
die Menge W :={y ∈ , y =f(x) mitx∈D} ist der Wertebereich von f. Der Begriff Abbildung ist synonym mit dem Begriff Funktion.
Beispiel 2.1
x#→f(x) D W x+ 1
x2 +0
√x +0 +0
y W
x P(x, y)
D x y
Abbildung 2.1:karthesisches Koordinatensystem Graphische Darstellung
Kartesisches Koordinatensystem in der Ebene:
Der Graph einer Funktion f ist die Menge aller Punkte P(x, y) mit x∈D und y=f(x).
Beispiele:
1. lineare Funktion
f(x) =ax+b x, a, b∈ a, bbeliebig aber fest f¨ur allea = 0 ergibt sich eine konstante Funktion.
b
x y
−b/a
f(x)=b
Abbildung 2.2: lineare Funktionen
2. quadratische Funktion Normalparabel:
f(x) =x2
allgemein:
f(x) = ax2+bx+c (a̸= 0) y = a
!
x2+ 2b 2ax+
"
b 2a
#2
−
"
b 2a
#2$ +c
= a(x−x0)2+y0 mit x0=− b
2a, y0=−b2 4a +c d.h. Parabel mit Scheitel in (x0, y0).
x y=1/2 x2 y=x2 y=2x2
y=−x2 y
Abbildung 2.3:quadratische Funktionen
3. Betragsfunktion
x y
Abbildung 2.4:Betragsfunktion f(x) =|x|=
% x : x≥ 0
−x : x <0
D= , W = +0
Die Funktion besitzt eine Spitze beix= 0.
4. Vorzeichenfunktion
1
x
−1 y
Abbildung 2.5: Vorzeichenfunktion
sgn(x) : x#→
⎧
⎨
⎩
−1 x <0 0 x= 0 1 x >0 D= , W ={−1,0,1}
Die Funktion besitzt eine Sprungstelle bei x= 0.
5. Hyperbel
x y
Abbildung 2.6: Hyperbelfunktion f(x) = 1
x
D=W = \{0}
x >0 : f(1) = 1, f(x→ ∞) = 0, f(x→0) = ∞ x <0 : f(−1) =−1, f(x→ ∞) = 0, f(x→0) = −∞
Die Funktion besitzt eine Polstelle beix= 0.
2.2 Eigenschaften von Funktionen
1. Symmetrieverhalten
Es gibt zwei Arten von Symmetrien:
(a) Achsensymmetrie
Die Funktionen sind symmetrisch zury-Achse:
y
x
y
x
Abbildung 2.7: Achsensymmetrie (linker Plot) Punktsymmetrie (rechter Plot)
f(−x) =f(x)
Solche Funktionen nennen wir geradeFunktionen. Beispiele daf¨ur sind f(x) = x2und f(x) =|x|.
(b) Punktsymmetrie
Diese Funktionen sind punktsymmetrisch zum Nullpunkt N = (0,0).
f(−x) =−f(x)
Punktsymmetrische Funktionen nennen wirungeradeFunktionen. Als Beispiel kennen wir f(x) = sgn(x) und f(x) = 1/x.
2. Periodizt¨at
f(x± p) =f(x)
Die Funktion f wiederholt sich periodisch mit der Periode p.
Als Beispiel betrachten wir sin(x± 2π) = sinx.
p y
x
Abbildung 2.8: periodische Funktion
3. Monotonie
Sei a < b∈ : Dann heißt f
• monoton wachsend, wenn f(a)≤f(b)
• streng monoton wachsend, wenn f(a)< f(b)
• monoton fallend, wenn f(a)≥ f(b)
• streng monoton fallend, wenn f(a)> f(b) f¨ur jeweils alle a < b.
monoton fallend x y
x y
x y
x y
monoton wachsend streng monoton wachsend
streng monoton fallend
Abbildung 2.9: monotone Funktion
4. Nullstellen
f(x0) = 0 ↔ x0ist Nullstelle von f.
Nullstellen sind Schnitt- oder Ber¨uhrpunkte von f mit der x-Achse.
x y
Abbildung 2.10: Nullstellen einer Funktion
5. Extremstellen
Sei x∈[x0−ϵ, x0+ϵ] mit ϵ>0.
y
Maximum
Minimum x
Abbildung 2.11: Extremstellen einer Funktion f(x0)< f(x)→ x0ist (lokales) Minimum von f.
f(x0)> f(x)→ x0ist (lokales) Maximum von f.
Gelten die Bedingungen nicht nur f¨ur (kleine) Umgebungen, sondern f¨ur allex∈D, so spricht man von globalen Extrema.
2.3 Darstellung von Funktionen
Funktionen k¨onnen dargestellt werden durch
• Wertetabelle
• graph. Darstellung
• analytische Darstellung
Funktionen werden analytisch explizitoder impliziertdargestellt:
1. explizite Darstellung
y=f(x) Die Funktion ist nach y aufgel¨ost.
2. implizierte Darstellung
F(x, y) = 0 z. B. F(x, y) =y−f(x) = 0.
Aber: Es gibt Gleichungen F(x, y) = 0, die nicht auf eine Funktion reduziert werden k¨onnen:
Beispiel 2.2
F(x, y) = x2−y2= 0
→y = ±x
d.h. f¨ur jedes x̸= 0 haben wirzwei L¨osungen. Dies beschreibt keine Funktion.
Beispiel 2.3
F(x, y) = x2+y2−1 = 0
→y = ±√
1−x2 |x|≤1
Es gibt also zwei L¨osungen f¨ur jedes x (außer x=±1), deshalb beschreibt die Gleichung keine Funktion. Allgemein wird dieser Gleichungstyp durch Pythagoras (x2+y2= r2) beschrieben.
y=x y
x y=−x
Abbildung 2.12: y=±x
x
r y
x y
Abbildung 2.13:x2+y2=r2
2.4 Rechnen mit Funktionen
Zu den Funktionen f : D → und g : D → (mit gleichem D) k¨onnen folgende, elementare Verkn¨upfungen definiert werden:
Summe f +g Differenz f −g Produkt f ·g
“a-fache” a·f (a ∈ ) Spezialfall des Produnktes Quozient f /g f¨ur alle x∈ mit g(x)̸= 0
Wir k¨onnen also mit Funktionen ¨ahnlich wie mit reellen Zahlen rechnen, es gelten auch die analogen Rechenregeln, z. B.:
f +g =g+f Addition f ·g =g·f Kommutativgesetz der
Multiplikation
(f +g) +h=f+ (g+h) Addition
(f g)h=f(gh) Assoziationsgesetz der
Multiplikation
Aber: Es gibt auch Verkn¨upfungen von Funktionen, f¨ur die wir kein Analogen bei den Zahlen finden.
Komposition (Verkettung):
(f ◦g) =f(g(x)) Wir lesen “f nach g”, d.h. g wird in f eingesetzt.
D(f ◦g) ={x∈ , mitg(x)∈D(f)}.
Beispiel 2.4 Sei f(x) = √xmit dem Definitionsbereich D(f) = +0 und g(x) = 1−x2mit dem Definitionsbereich D(g) = .
Dann erhalten wir
(f ◦g)(x) =f(g(x)) =√
1−x2 mit dem Definitionsbereich D(f◦g) = [−1,1].
F¨ur (g◦f) hingegen ergibt sich
(g◦f)(x) = 1−√
x2= 1−|x| mit D(g◦f) = +0. Daraus folgt: (g◦f)(x) = 1−x.
Die Reihenfolge der Verkettung ist also wesentlich, das Kommutativgesetz gilt nicht:
f ◦g ̸=g◦f
2.5 Umkehrfunktion
Ausgangsfragestellung: Ich messe Konzentration K als Funktion der Zeit t K =f(t)
Umkehrfragestellung: Zu welcher Zeit t erhalte ich die Konzentration K?
t =g(K)
Allgemein gilt: Indem die Gleichung nach xaufgel¨ost wird, erhalten wir dieUmkehrfunk- tion:
Funktion y=f(x) → Umkehrfunktion x=g(y)
Graphisch kann man entweder die Koordinatenachsen umbenennen oder die Funktion an der Geraden f(x) =y=x spiegeln.
Beispiel 2.5 Lineare Funktion:
y=f(x) =ax+b mit (a̸= 0) Die Umkehrfunktion ist ebenfalls eine lineare Funktion:
x=g(y) = y−b a = 1
ay− b a Beispiel 2.6 Quadratische Funktion:
y=f(x) =x2 Die Umkehrgleichung ist jetzt keine Funktion:
x=±√y
Der Funktionswert y=a wird durch zwei verschiedene x erzeugt.
y=x2 a
x y
Abbildung 2.14: y=x2
a =f(x=√
a) =f(x=−√ a)
Man sagt auch: Das Bildy =a wird durch zwei verschiedene Urbilder x=±√
a erzeugt.
Die Umkehrung ist also nicht eindeutig.
Abhilfe:
Einschr¨ankung des Definitionsbereichs D, z. B.
f(x) = x2 mit D= +0 → x= g(y) = +√y D= −0 → x= g(−y) = −√y
Definition 2.2 1. Eine Funktionf heißt ein-eindeutig, wenn es zu jedem y∈W nur ein x∈D gibt mit y=f(x).
2. Streng monotone Funktionen sind ein-eindeutig.
3. Ein-eindeutige Funktionen sind immer umkehrbar, d.h. es existiert eine Umkehr- funktion
g : y→x=g(y) (2.1)
wobei y=f(x).
4. Die Umkehrfunktion von f wird oft mit f−1 bezeichnet (nicht zu Verwechseln mit 1/f).
Es gilt
(f−1)−1 =f
d.h. die Umkehrung der Umkehrfunktion ist wieder die urspr¨ungliche Funktion.
Graphische Interpretation Beispiel 2.7 Identit¨atsfunktion
y=I(x) =x ↔ x=I−1(y) =y Beispiel 2.8
y = f(x) = 2x x = f−1(y) = 1
2y
Die Graphen der Funktionen f und f−1 liegen spiegelbildlich bez¨uglich der Graphen von
f−1 y=x
x
y f
Abbildung 2.15: f(x) und f−1(x) im Koordinatensystem x =y.
Beispiel 2.9
y = f(x) =x2 x = f−1(y) =
% √y f¨ur x≥ 0
−√y x <0
f−1 y
x f
Abbildung 2.16: f(x) und f−1(x) im Koordinatensystem
Satz 2.1 Ist die Funktionf streng monoton wachsend (fallend), so ist auchf−1(x) streng monoton wachsend (fallend).