Hospitalismus
Gestern habe ich in einem gro- ßen Pariser Krankenhaus einen Kollegen in der Abteilung für Chirurgie des Verdauungsappa- rates besucht. Dort traf ich im hellglänzend lackierten Gang, in dem Wagen mit Wäsche und Verbandsmaterial herumstan- den, einen gemeinsamen und sichtlich aufgeregten Freund, der mir zurief: „Ah, Du bist auch da. Du kommst gerade recht.
Kannst Du mir vielleicht sagen, wo sie Loulou hingesteckt ha- ben? Man hat mir gesagt, daß er in der Reanimation wäre und daß man dort hingehen und ihn se- hen könnte. Eine Person pro Tag. Fünf Minuten, und nicht mehr. Mit einer Maske, einem Kittel, Stiefeln und Handschu- hen wegen der Ansteckungsge- fahr. Ich komme gerade daher.
Er ist aber nicht dort."
„Er ist nicht mehr dort. Er ist in Zimmer 707, ein Dreibettzimmer, letzte Tür rechts." — „Nicht zu glauben! Warum haben sie ihn so bald verlegt?" — „Weil es wie- der geht. Ich habe mit der Schwester gesprochen, es geht im anscheinend nicht schlecht."
— „Nicht schlecht! Nicht schlecht! Du glaubst gar nicht,
was das für ein ganz gemeines Dingsda ist, ein Darmverschluß.
Und dann, ein Dreibettzimmer, das ist kein Zimmer, das ist ein Saal, das ist ein Altenhospiz.
Was haben die zwei anderen?" —
„Ich weiß nicht recht. Ich glaube, daß es ein Ulkus und ein künst- licher Anus ist." — „Das ist schrecklich! Das muß den Armen sehr bedrücken. Und dann, wenn ich hineingehe, wird es ein Gedränge geben, das wird ihn fertigmachen." — „Aber nein, ge- he hin, es wird ihn sehr freuen.
Es ist nur die Frau dort von dem alten Herrn am Fenster." — „Ich garantiere Dir, daß es nicht gut
ist, wenn ich hingehe. Das ist nicht vorsichtig. Ich hätte ihn gern in der Reanimation be- sucht, wo ich meine Vorsichts- maßnahmen treffen kann. Einge- hüllt vom Kopf bis zu den Fü- ßen." — „Man soll nicht übertrei- ben. Wenn Du ihn nicht auf den Mund küßt, besteht immerhin wenig Gefahr, daß er etwas be- kommt ..." — „Nicht er, sicher- lich, aber ich. Schließlich weiß Du sehr gut, daß es nichts Schlimmeres und nichts Gefähr- licheres für die Gesundheit gibt, als einen Besuch im Kranken- haus."
Claude Sarraute, „Le Monde"(gn)
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362 (100) Heft 6 vorn 6. Februar 1985 82. Jahrgang Ausgabe A