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Archiv "Strahlendosis und Strahlenrisiko: Begrenzung auf das Annehmbare" (30.11.1989)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Strahlendosis

und Strahlenrisiko:

Begrenzung

auf das Annehmbare

Unbestritten ist der Nutzen ionisierender Strahlung und ra- dioaktiver Stoffe in der Medizin, sofern die Anwendung indi- ziert ist und fachlich kompetent erfolgt Nicht für jedermann einsichtig ist der Nutzen dieser Strahlung, wenn sie zum Bei- spiel auf uns als Begleiterscheinung der Energiegewinnung durch Kernspaltung einwirkt. Da ionisierende Strahlung auf jegliche Materie wirkt, und damit auch auf biologische, und diese Wirkung auch ein Schaden sein kann, müssen wir uns vor der Strahlung schützen.

Alexander Kaul

ufgabe des Strahlen- schutzes ist es, die aus dem Umgang mit ioni- sierenden Strahlen und radioaktiven Stoffen re- sultierende Strahlenexposition des Menschen — die Strahlendosis — so- weit wie möglich so zu begrenzen, daß das damit verbundene Risiko möglichst klein ist. Die Umsetzung dieser Forderung an den Strahlen- schutz wirft drei Fragen auf: C) Wie ist die aus einer Strahlenquelle re- sultierende Dosis zu begrenzen?

C) Welches ist das mit einer Strah- lenexposition verbundene Strah- lenrisiko? 0 Wie hoch ist dieses Ri- siko, ist es akzeptabel, und welche Kriterien bestimmen dessen Akzep- tabilität?

Die Beantwortung der ersten Frage wird davon abhängen, ob die Quelle der Strahlung begrenzbar oder ob die Quelle außer Kontrolle geraten ist, so daß nicht mehr Maß- nahmen an der Quelle ergriffen wer- den können, sondern Maßnahmen für das Verhalten des Menschen in der Umgebung der Quelle zu ergrei- fen sind. Die Beantwortung der zweiten Frage setzt voraus, daß wir die Wirkung der Strahlung auf die Gesundheit des Menschen quantita-

tiv verknüpfen können mit der im Menschen aufgrund der Einwirkung der Strahlung verbundenen absor- bierten Energie, das heißt der Dosis.

Die Beantwortung der dritten Frage ist gegenüber den beiden ersten am schwierigsten, weil es nicht nur na- turwissenschaftliche Kriterien sind, die die Akzeptabilität eines unver- meidlichen Risikos, des sogenannten Restrisikos, bestimmen, sondern auch oder vor allem sozialwissen- schaftliche und politische Kriterien.

Im folgenden wird versucht, die Konzepte der Begrenzung des Strah- lenrisikos — gekennzeichnet durch Grenzwerte und Richtwerte der Do- sis — vorzustellen und den gegenwär- tigen Stand des Wissens um die Quantifizierung des Strahlenrisikos zusammenfassend zu beschreiben.

Diese Grenzwerte oder Richtwerte der Dosis werden als naturwissen- schaftlich begründetes Maß für die Akzeptabilität des Risikos gewählt, und es werden exemplarisch deren Beträge in Relation zur Höhe der Strahleneinwirkung natürlichen Ur- sprungs oder zu spontanen gesund- heitlichen Risiken bewertet.

Bundesamt für Strahlenschutz Salzgitter-Lebenstedt

1. Dosisbegrenzung durch Grenzwerte

Es ist Aufgabe des Strahlen- schutzes, durch Schutzmaßnahmen dafür Sorge zu tragen, daß das mit der Strahlenanwendung verbundene Strahlenrisiko so klein bleibt, wie dies möglich ist. Dies ist die Formu- lierung eines Strahlenschutzgrund- satzes, der sinngemäß in nationalen Rechtsnormen verankert, durch die Internationale Strahlenschutzkom- mission ICRP 1954 (1) erstmals in- ternational empfohlen wurde und zunächst noch davon ausging, daß

„alle Arten von Strahlenexposition auf den niedrigst möglichen Wert zu reduzieren" seien. In der 1959 (2) verabschiedeten Empfehlung heißt es dagegen: „Die Kommission emp- fiehlt, daß alle Dosen so niedrig wie praktisch durchführbar gehalten werden, und daß jede unnötige Ex- position vermieden wird." In der 1977 verabschiedeten ICRP-Publika- tion 26 (3) ist dieser Begriff erneut einer Änderung unterzogen worden.

Hier heißt es nun:

■ „Es darf keine Tätigkeit ge- stattet werden, deren Einführung nicht zu einem positiven Nettonut- zen führt;

Dt. Ärztebl. 86, Heft 48, 30. November 1989 (59) A-3709

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■ alle Strahlenexpositionen müssen so niedrig gehalten werden, wie es unter Berücksichtigung wirt- schaftlicher und sozialer Faktoren vernünftigerweise erreichbar ist;

■ die Aquivalentdosis von Ein- zelpersonen darf die von der Kom- mission für die jeweiligen Bedingun- gen empfohlenen Grenzwerte nicht überschreiten."

Die EG-Richtlinie zum Gesund- heitsschutz gegen die Gefahren ioni- sierender Strahlungen (4) schließt sich in Artikel 6 diesen Strahlen- schutzgrundsätzen der ICRP an und leitet ab, daß bei der Begrenzung der aus kontrollierbaren Strahlenexposi- tionen herrührenden Dosen von den folgenden Grundsätzen auszugehen ist: Rechtfertigung der Strahlenan- wendung, Reduzierung des Scha- dens auf ein vernünftigerweise er- reichbares Maß und Dosisbegren- zung durch Grenzwerte.

Bereits in der Ersten Strahlen- schutzverordnung (StrlSchV) vom 24. Juni 1960 (5) sind für die Bundes- republik Deutschland diese Strah- lenschutzgrundsätze festgelegt wor- den, indem es hieß, daß die Strahlen- exposition von Personen und strah- lenempfindlichen Sachgütern Dritter oder der Allgemeinheit auch unter- halb der in der Verordnung festge- setzten Dosisgrenzwerte so gering wie möglich gehalten werden muß.

In § 28 Abs. 1 der geltenden Strahlenschutzverordnung vom 13.

Oktober 1976 (6) sowie in der Neu- fassung vom 30. Juni 1989 (7) werden diese Strahlenschutzgrundsätze wie- derholt: „Wer eine Tätigkeit nach

§ 1 dieser Verordnung ausübt oder plant, ist verpflichtet,

1. jede unnötige Strahlenexposi- tion oder Kontamination von Perso- nen, Sachgütern oder der Umwelt zu vermeiden,

2. jede Strahlenexposition oder Kontamination von Personen, Sach- gütern oder der Umwelt unter Be- achtung des Standes von Wissen- schaft und Technik und unter Be- rücksichtigung des Einzelfalles auch unterhalb der in dieser Verordnung festgesetzten Grenzwerte so gering wie möglich zu halten."

Es sei darauf hingewiesen, daß nach den Intentionen des deutschen Verordnungsgebers nicht die Mini-

mierung der Strahlenexposition um jeden Preis verlangt wird, sondern daß dieses Gebot gemäß Satz 2 des Absatzes 1 § 28 unter „Beachtung des Standes von Wissenschaft und Technik und unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles" gilt.

Dem Grundsatz „so niedrig wie mög- lich" wird daher nicht durch eine Mi- nimierung der Strahlenexposition ohne Rücksicht auf den Umfang der erforderlichen technischen und wirt- schaftlichen Mittel, sondern durch eine Minimierung unter Berücksich- tigung des Verfassungs-Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit von Mittel und Zweck entsprochen.

Dosisbegrenzung durch Grenz- werte sehen Strahlenschutzverord- nung und Röntgenverordnung unter anderem für beruflich Strahlenexpo- nierte vor, zum Schutz der Bevölke- rung oder in § 41 StrlSchV auch für Probanden, denen radioaktive Stoffe zum Zwecke der medizinischen For- schung verabfolgt werden sollen.

Wenngleich nicht durch Grenzwerte eingeschränkt, ist die Anwendung von Röntgenstrahlen und radioakti- ven Stoffen am Menschen in Aus- übung der Heilkunde nicht von dem Grundsatz des „so gering wie mög- lich" ausgenommen Sie ist vielmehr dadurch bestimmt, daß die Erkennt- nisse von Wissenschaft und Technik eingehalten und ausschließlich sol- che Risiken einer Diagnose oder Therapie hingenommen werden, die angesichts des Leidens des Patienten notwendig und mit Rücksicht auf den zu erwartenden Nutzen der Dia- gnose oder Therapie zu vertreten sind.

2. Dosisbegrenzung durch Richtwerte

Grenzwerte sind Planungswerte, das heißt, es müssen der Umgang mit Quellen ionisierender Strahlung so geplant oder Anlagen zur Erzeugung von ionisierender Strahlung bezie- hungsweise kerntechnische Anlagen so ausgelegt sein, daß hieraus bei be- stimmungsgemäßem Betrieb oder im Störfall die in der Strahlenschutzver- ordnung angegebenen Dosisgrenz- werte nicht überschritten werden.

Gerät eine Strahlenquelle außer

Kontrolle, das heißt, kann unfallbe- dingt die aus der Quelle austretende Strahlung nicht mehr durch Schutz- maßnahmen an der Quelle begrenzt werden, dann sind Maßnahmen zu ergreifen, um die gesundheitlichen Auswirkungen der Strahlung auf den Menschen unter Berücksichtigung der mit der Durchführung der Maß- nahmen verbundenen Folgen für den Menschen zu beschränken. Diesem Anliegen des Strahlenschutzes die- nen die folgenden 1984 von der ICRP formulierten Prinzipien der Dosisbegrenzung (8):

■ Schwerwiegende nichtstocha- stische Strahlenwirkungen sollen durch das Ergreifen von Strahlen- schutzmaßnahmen vermieden wer- den;

■ das Risiko durch stochasti- sche Strahlenwirkungen soll durch Schutzmaßnahmen so weit vermin- dert werden, daß für den Betroffe- nen ein positiver Nettonutzen bleibt;

■ die Inzidenz stochastischer Strahlenwirkungen in einer Bevölke- rung soll so weit, wie vernünftiger- weise möglich, durch Verminderung der Kollektivdosis in Grenzen gehal- ten werden.

Maßnahmen bei Unfällen größe- ren Ausmaßes, wie zum Beispiel von kerntechnischen Anlagen, sind das Aufsuchen von Kellerräumen, die Jodprophylaxe, die Evakuierung, Einschränkungen im Verzehr oder das Verbot des In-den-Verkehr- Bringens von bestimmten Lebens- mitteln oder gar die Umsiedlung. Da die Mehrzahl dieser Maßnahmen auch mit einem daraus resultieren- den gesundheitlichen Risiko verbun- den ist und mit dieser Maßnahme so- ziale Folgen einhergehen können, ist es nicht sinnvoll, einen einzigen Do- siswert als Entscheidungskriterium festzulegen, oberhalb dessen eine bestimmte Maßnahme zwingend durchzuführen ist. Vielmehr ist ein Dosisintervall vorzugeben, innerhalb dessen, basierend auf dem Prinzip des Abwägens vom Nutzen und Schaden einer Maßnahme, Strahlen- schutzmaßnahmen durchgeführt werden.

Bei Unterschreiten einer unte- ren Grenze — des sogenannten unte- ren Eingreifrichtwertes der Dosis — ist die Durchführung einer Strahlen-

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schutzmaßnahme aus gesundheit- licher Sicht, aber auch unter Berück- sichtigung der mit der Maßnahme verbundenen Kosten und sozialen Folgen nicht indiziert. Bei Über- schreiten der oberen Grenze - des oberen Eingreifrichtwertes der Dosis - sind Strahlenschutzmaßnahmen aus gesundheitlicher Sicht und unab- hängig von Kosten und sozialen Fol- gen unabdingbar. Auf diesen Ein- greifrichtwerten der Dosis basieren zum Beispiel diejenigen für die spe- zifische Aktivität von Lebensmitteln, wie sie nach dem Unfall im Kern- kraftwerk Tschernobyl von der Kom- mission der Europäischen Gemein- schaften erlassen wurden (9) und fälschlicherweise als „Grenzwerte"

bezeichnet werden. Dies gilt auch für die „Dosiswerte" und „Kontamina- tionswerte", die gemäß § 6 des Strah- lenschutzvorsorgegesetzes der Bun- desrepublik Deutschland (10) für

„Ereignisse mit nicht unerheblichen radiologischen Auswirkungen" vor- zusehen sind und von der Strahlen- schutzkommission SSK dem Bundes- minister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit empfohlen wurden (11).

3. Strahlendosis - Strahlenwirkungen

Bei dem Versuch der Quantifi- zierung des strahlenbedingten Risi- kos ist zu unterscheiden zwischen ge- netischen und somatischen Strahlen- wirkungen. Die genetischen Wirkun- gen sind Effekte stochastischer Na- tur, das heißt, sie werden in einer strahlenexponierten Population nach dem Zufallsprinzip induziert und durch Gen- beziehungsweise Chro- mosomenmutationen hervorgerufen.

Dieses Zufallsprinzip der biologi- schen Strahlenwirkung gilt auch für einen Teil der strahlenbedingten so- matischen Effekte, durch maligne Zelltransformation ausgelöst, wobei lediglich eine oder nur sehr wenige der strahlenexponierten Zellen des menschlichen Körpers betroffen sind.

Somatische Effekte können aber auch die Folge des strahlenbedingten Un- tergangs vieler Körperzellen sein mit dem Ergebnis, daß sich schwere Stö- rungen derjenigen Funktionen des

Organismus einstellen, für die diese Zellen jeweils verantwortlich sind.

Das heißt: diese Wirkungen sind nichtstochastischer Natur.

3.1 Genetische Strahlenwirkungen:

Dominante und rezessive ver- erbbare Wirkungen sind Folge von strahlenbedingten Gen- oder Chro- mosomenmutationen, wobei sich letztere durch Verlust oder Erhö- hung der Chromosomenzahl oder als strukturelle Aberration, als verän- derter Aufbau einzelner Chomoso- me mit Verlust oder Vermehrung von Chromosomenteilen, auszeich- nen. Strahleninduzierte Verände- rungen des genetischen Materials auf subzellulärer Ebene sind zu un- terscheiden von den klinischen Wir- kungen, die durch solche Verände- rungen hervorgerufen werden und sich als vererbbare Krankheiten ma- nifestieren. Die Tragweite solcher Erkrankungen reicht von leichten Anomalien bis hin zu schweren Lei- den, etwa Mongolismus. Keine die- ser strahleninduzierten Erkrankun- gen läßt sich von den „natürlichen", spontan auftretenden unterscheiden.

Bisher gibt es keine direkten Er- kenntnisse über strahleninduzierte vererbbare Wirkungen am Men- schen, auch nicht bei den Nachkom- men der Atombombenopfer von Hi- roshima und Nagasaki. Nach den Schätzwerten des Wissenschaft- lichen Komitees der Vereinten Na- tionen über die Wirkungen atomarer Strahlung UNSCEAR 1986 (12) für genetisch bedingte Erkrankungen, angegeben als Zahl der genetisch an- omalen Kinder in der ersten Genera- tion beziehungsweise im genetischen Gleichgewicht nach Strahlenexposi- tion von 0,01 Gy locker ionisierender Strahlung bei kleiner Dosisleistung, dürfte diese Keimdrüsendosis rech- nerisch zu einer Erhöhung der sponta- nen Inzidenz genetischer Erkrankun- gen in der ersten Generation umweni- ger als zwei pro Tausend führen.

3.2 Somatische Strahlenwirkun- gen: Stochastische Effekte:

Somatische Strahlenwirkungen als Folge stochastischer Effekte sind Leukämie und maligne Tumoren. Da man noch ein unvollkommenes Bild

über den biologischen Vorgang der Tumorinduktion hat und damit auch noch ungeklärt ist, welche Rolle der ionisierenden Strahlung bei der Tu- morgenese zukommt, ist man ge- zwungen, das strahlenbedingte Tu- morrisiko lediglich phänomenolo- gisch und deskriptiv zu erforschen.

Hierfür wird man wahrscheinlich auch weiterhin Daten vom Men- schen verwenden müssen, da die Ex- trapolierbarkeit der Fülle vorliegen- der tierexperimenteller Ergebnisse auf den Menschen mit dem Ziel ei- ner quantitativen Schätzung des Strahlenrisikos auf der mangelnden Kenntnis des Mechanismus der Tu- morinduktion nicht möglich ist. Es handelt sich hierbei um Kollektive, die aus medizinischen oder beruf- lichen Gründen einer erhöhten Teil- körperexposition - mehrmalig kurz- zeitig oder chronisch -, vor allem aber als Folge des Einsatzes der Atombomben in Hiroshima und Na- gasaki einer zum Teil hohen Ganz- körperexposition einmalig kurzzeitig ausgesetzt waren. Trotz der zum Teil eingeschränkten Aussagekraft epide- miologischer Untersuchungen, zum Beispiel durch

■ vergleichsweise hohe einma- lige akute oder fraktionierte Strah- lendosisleistung,

■ unsichere Dosisangaben oder bei interner Strahlenexposition man- gelhaft bekannte Dosisverteilungen,

■ kurze Beobachtungszeiträu- me der Kollektive im Vergleich zu den Latenzzeiten der Tumoren und deren Schwankungsbreiten,

■ kleine Kollektive Strahlenex- ponierter und dadurch bedingte Ein- schränkung der Signifikanz der Er- gebnisse,

■ sowie zum Teil durch nur be- dingt geeignete Kontrollgruppen hat UNSCEAR 1988 (13), ausgehend von einer gründlichen Analyse der vorliegenden Daten, den Versuch unternommen, Schätzwerte über die Tumorinduktion pro Dosiseinheit abzuleiten. Die Ergebnisse dieser Schätzungen lassen sich wie folgt zu- sammenfassen:

1. Die Zahl der tödlichen Mali- gnome, die durch locker ionisierende Strahlung im Bereich von bis zu 1 Gy induziert werden, könnte in der Grö- ßenordnung von 10-2 bis 10-1 ([5 - A-3712 (62) Dt. Ärztebl. 86, Heft 48, 30. November 1989

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10] x 10-2) pro Sv liegen, die ent- sprechende Zahl, die sich für den be- deutend niedrigeren Dosisbereich der beruflichen, umweltbedingten oder diagnostischen Strahlenexposi- tionen ergibt, dürfte dagegen we- sentlich kleiner sein (Faktor etwa 3);

2. das Risiko der Induktion nichttödlicher Krebserkrankungen liegt wahrscheinlich in derselben Größenordnung;

3. doppelt so hohe Werte könn- ten sich für Krebserkrankungen er- geben, die durch Strahlenexposition des Feten in utero induziert werden.

Biophysikalische Analysen zyto- logischer und zytogenetischer Strah- lenwirkungen deuten darauf hin, daß die biologischen Strahlenwirkungen sogenannter locker ionisierender Strahlung im Bereich niedriger Do- sisleistung formal durch eine soge- nannte linearquadratische Dosis- Wirkungs-Beziehung beschrieben werden können. Dies besagt, daß es keine Dosisschwelle gibt, unterhalb der kein Effekt auftritt, und daß bei kleinen Strahlendosen die strahlen- bedingten Effekte proportional zur Dosis („linear") zunehmen. Bei hö- heren Dosen steigen sie mit dem Quadrat der Dosis an. Im Strahlen- schutz hat man sich darauf geeinigt, aus Sicherheitsgründen grundsätz- lich eine lineare Dosis-Wirkungs-Be- ziehung anzusetzen, um das Risiko kleiner Strahlendosen zu schätzen.

Dieses Vorgehen dürfte zu einer Obergrenze des möglichen Risikos führen mit der Folge, daß das tatsäch- liche Risiko deutlich geringer ist.

3.3 Somatische Strahlenwirkun- gen: Nichtstochastische Effekte:

Nichtstochastische Wirkungen sind dadurch charakterisiert, daß sich ihr Schweregrad proportional zur Dosis verhält. Bei Ganzkörperex- position tritt der Frühschaden in Form sogenannter Strahlensyndro- me auf, wobei das hämopoetische, das gastrointestinale und das zere- brale Syndrom hierfür typische klini- sche Erscheinungsformen darstellen, die darauf schließen lassen, in wel- cher Größenordnung die Dosis bei der Exposition gelegen hat. Bei Teil- körperexposition manifestieren sich Frühwirkungen in Form von Gewe- beschädigungen, wobei insbesondere

die regenerationsfähigen Gewebe wie Knochenmark, Haut, gastrointe- stinales Epithel, Testes und Augen- linse sowie andere strahlenempfind- liche Gewebe wie Ovarien, Lunge, Niere sowie das Zentralnervensy- stem betroffen sind.

Nach den Ergebnissen systema- tischer Untersuchungen der vorlie- genden Daten vom Menschen und von anderen Säugern über die inter- ne und externe Strahlenexposition einzelner Organe und Gewebe sind nichtstochastische Wirkungen auf Gewebe im allgemeinen durch nicht- lineare Dosis-Wirkungs-Beziehun- gen gekennzeichnet, wobei die Wir- kung erst dann eintritt, wenn eine Mindestdosis überschritten wird.

Diese Mindestdosis nennt man Schwellendosis. Schwellendosen lie- gen, abhängig vom betrachteten Ef- fekt, im Bereich von 0,5 bis 10 Gy.

Eine spezielle Kategorie bilden die nichtstochastischen Wirkungen, die durch Strahlenexposition von Säugern in utero induziert werden.

Die Wirkungen, die durch Strahlen- exposition im Mutterleib hervorgeru- fen werden, nehmen insofern eine Sonderstellung ein, als die Gewebe- funktionen im fetalen beziehungs- weise embryonalen Organismus noch nicht festgelegt sind und sich die Or- gane in fortlaufender Differenzie- rung und im Wachstum befinden.

Den tödlichen Wirkungen, den Miß- bildungen und den Wachstumsstö- rungen wird üblicherweise die größte Bedeutung unter den manifesten Wirkungen beigemessen. Hierbei sind die letalen Wirkungen in utero kennzeichnend für eine Strahlenex- position vor der Nidation; Mißbil- dungen entstehen als Folge der Strahlenexposition des Embryos während der Hauptphase der Orga- nogenese; zu Wachstumsstörungen kommt es durch Strahlenexposition während der fetalen Entwicklungs- phase.

Am besten dokumentiert sind Untersuchungsreihen, die sich auf Strahlenexposition während des zweiten oder dritten Schwanger- schaftstrimenon beziehen, obgleich die Phasen der höchsten Strahlen- empfindlichkeit beim Menschen, ab- hängig vom Effekt, in die Zeit der 8.

bis 15. und der 15. bis 25. Woche

nach der Befruchtung fallen, UN- SCEAR hat unter Berücksichtigung aller vorliegenden Daten eine Risi- koschätzung für eine Reihe strahlen- induzierter Wirkungen bei Exposi- tion in utero vorgenommen, zum Beispiel Letalität und Induktion von Mißbildungen, geistige Retardie- rung, Tumoren und Leukämie.

Unter einer Reihe qualifizieren- der Annahmen läßt sich für niedrige Dosen sagen, daß das Gesamtrisiko dieser Schädigungen, bezogen auf Lebendgeborene, nicht höher ist als 0,002 bei 0,01 Gy. Im Vergleich dazu liegt die natürliche Inzidenz von Miß- bildungen bei Neugeborenen von nichtstrahlenexponierten Schwange- ren in der Größenordnung von 0,06, das heißt beim 30fachen.

4. Grenzwerte, Richtwerte

4.1 Berufliche Strahlenexposition:

Die gegenwärtige Strahlen- schutzverordnung (6) und die Neu- fassung vom 30. Juni 1989 (7) sehen als Obergrenze der jährlichen Dosis für beruflich Strahlenexponierte der Kategorie A 50 mSv vor, allerdings zukünftig mit der Maßgabe, daß die Summe der in allen Kalenderjahren ermittelten effektiven Dosen den Wert 400 mSv nicht überschreitet (7). Auf eine 40jährige Lebensar- beitszeit bezogen heißt dies, die Strahlenschutzmaßnahmen langfri- stig so einzurichten, daß die jährliche Dosis eines beruflich Strahlenexpo- nierten den Richtwert von 10 mSv nicht überschreitet.

4.2 Klinische Forschung:

Die aus der Anwendung von ra- dioaktiven Stoffen an Probanden im Rahmen der klinischen Forschung mit radioaktiven Arzneimitteln oder von Studien über den Metabolismus von mit radioaktiven Stoffen mar- kierten Arzneimitteln resultierende Dosis darf gemäß StrlSchV (6, 7) ein Zehntel des Grenzwertes der Jahres- dosis für beruflich Strahlenexponier- te nicht überschreiten, das sind 5 mSv. Mit Ausnahme der klinischen Prüfung von mit radioaktiven Stoffen markierten Arzneimitteln darf im Einzelfall eine Überschreitung die-

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ses Grenzwertes bis zum 10fachen zugelassen werden, wenn eine klini- sche Prüfung von radioaktiven Arz- neimitteln am Probanden gleichzei- tig seiner Untersuchung oder Be- handlung dient.

4.3 Betrieb kerntechnischer Anlagen:

Die technische Auslegung und der Betrieb von kerntechnischen An- lagen oder Einrichtungen sind so zu planen, daß die durch die Ableitung radioaktiver Stoffe aus diesen Anla- gen bedingte Strahlenexposition des Menschen jeweils höchstens 0,3 mSv, im Falle der Schilddrüse über Er- nährungsketten insgesamt höchstens 0,9 mSv beträgt.

Außer für den bestimmungsge- mäßen Betrieb konkretisiert die Strahlenschutzverordnung (6, 7) die nach dem Stand von Wissenschaft und Technik erforderliche Vorsorge in Bezug auf Störfälle, das heißt auf Ereignisabläufe, bei deren Eintreten der Betrieb einer Anlage aus sicher- heitstechnischen Gründen nicht fort- geführt werden kann. Danach dürfen der Planung baulicher und sonstiger technischer Schutzmaßnahmen ge- gen Störfälle in oder an einem Kern- kraftwerk mit Druckwasserreaktor als Körperdosis in der Umgebung der Anlage im ungünstigsten Störfall höchstens 50 mSv, als Schilddrüsen- dosis höchstens 150 mSv zugrunde- gelegt werden.

4.4 Kontamination von Lebensmitteln:

Als unterer Eingreifrichtwert der sogenannten effektiven Äquivalent- dosis für Einschränkungen oder Ver- bote im Handel mit Lebensmitteln empfehlen der Grundnormenaus- schuß der EG gemäß § 31 der EURA- TOM-Grundnormen (14), die Inter- nationale Atomenergiebehörde (15), die WHO (16), die Food and Agricul- ture Organization der Vereinten Na- tionen (17) sowie die Internationale Strahlenschutzkommission (8) 5 mSv.

Diesen Wert hat ebenfalls die Strah- lenschutzkommission (11) dem Bun- desminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit als Dosiswert zur Begrenzung der spezifischen Akti- vität von Lebensmitteln gemäß § 6 Strahlenschutzvorsorgegesetz emp- fohlen.

5. Strahlenrisiken

5.1 Größe der Risiken:

Das im Strahlenschutz ange- wandte Risikokonzept, wonach für stochastische Strahlenschäden grundsätzlich keine Schwellendosis und für die Wahrscheinlichkeit ihres Auftretens eine lineare Dosis-Wir- kungs-Beziehung angenommen wer- den, geht davon aus, daß Dosisgrenz- werte nicht als Obergrenze eines er- laubten, sondern als Untergrenze ei- nes nicht mehr akzeptierbaren Do- sisbereichs anzusehen sind. Das heißt, Dosisgrenzwerte sind nicht als Grenze zwischen Sicherheit und Ge- fahr zu verstehen. Sie haben viel- mehr den Sinn, die Strahlenexposi- tion einzelner oder von Bevölke- rungsgruppen und das damit ver- knüpfte Strahlenrisiko auf ein zu- mutbares Maß zu beschränken. Die- se Aussage gilt auch für Eingreif- richtwerte der Dosis, allerdings mit der Einschränkung, daß diese Werte den Dosisbereich nach unten be- grenzen, unterhalb dessen Maßnah- men zu ergreifen aus radiologischer Sicht nicht gerechtfertigt erscheint.

Nimmt man als Betrag für das mittlere strahlenbedingte Krebsleta- litätsrisiko, und damit für den Risi- kokoeffizienten, den pessimistischen Wert von 5 Prozent pro Gy, das heißt für locker ionisierende Strahlung 5 Prozent pro Sv an, dann ergeben sich für die oben genannten Grenz- und Eingreifrichtwerte der Dosis rechne- risch folgende Werte des Risikos:

■ Beruflich Strahlenexponierte:

maximal jährlich 2,5 x 10 -3, gemit- telt über die Lebensarbeitszeit jähr- lich 5 x 10 -4;

■ Probanden bei der medizini- schen Strahlenanwendung: einmalig 2,5 x 10 -4, ausnahmsweise 10fach höher, wenn die klinische Prüfung von radioaktiven Arzneimitteln gleichzeitig der Untersuchung oder Behandlung des Probanden dient;

■ Allgemeine Bevölkerung aus der Emission radioaktiver Stoffe aus kerntechnischen Anlagen in bestim- mungsgemäßem Betrieb: maximal jährlich 1,5 x 10 -5 ;

■ Bevölkerung in der Umge- bung einer kerntechnischen Anlage unter Störfallbedingungen: einmalig höchstens 2,5 x 10 -3;

■ Bevölkerung, als Folge des Verzehrs kontaminierter Lebensmit- tel: 2,5 x 10 -4.

5.2 Akzeptabilität der Risiken:

Will man die Akzeptabilität von Grenzwerten oder des Eingreifricht- wertes der Dosis mit den oben geschil- derten Risikoüberlegungen quantita- tivbegründen, dann bietet sich hierfür der Vergleich der den Grenz- oder Richtwerten entsprechenden Werte der Dosis mit der Höhe der natür- lichen Strahlenexposition an, oder man vergleicht die hypothetischen Risiken aus der zusätzlichen Strah- lenexposition mit den berufsbeding- ten oder spontanen gesundheitlichen Risiken in den einzelnen betrachte- ten Populationen:

■ Das durchschnittliche jähr- liche Mortalitätsrisiko aller Industrie- zweige der Bundesrepublik Deutsch- land, ausgedrückt als Zahl jährlicher tödlich verlaufender Arbeitsunfälle, liegt bei etwa 10 -4. Da der Median- wert der jährlichen Dosis beruflich Strahlenexponierter mit Dosen über der Nachweisgrenze unter 8 mSv liegt und 50 Prozent der über 200 000 beruflich Strahlenexponier- ten überhaupt keine nachweisbare Dosis erhalten (18), ist das hypothe- tische Strahlenkrebsrisiko des beruf- lich Strahlenexponierten von glei- cher Größenordnung wie das mittle- re reale Mortalitätsrisiko von Arbeit- nehmern anderer Industriezweige.

■ Die einmalige zusätzliche Strahlendosis von 5 mSv von Proban- den der medizinischen Forschung liegt im Bereich der in der Bundesre- publik Deutschland beobachtbaren Schwankungsbreite der natürlichen jährlichen Strahlenexposition von im

Mittel 2,4 mSv (1 bis 5 mSv).

■ Die Obergrenze von 0,3 mSv pro Jahr der effektiven Dosis für die Ableitung radioaktiver Stoffe aus kerntechnischen Anlagen jeweils für den Luft- und Abwasserpfad liegt im Bereich der Streubreite der natür- lichen Strahlenexposition. Lebens- lang, das heißt 70 Jahre verabfolgt, ergibt sich ein hypothetisches Strah- lenkrebsmortalitätsrisiko von höch- stens 0,2 Prozent, das heißt 1 Pro- zent des spontanen Krebsmortali- tätsrisikos von im Mittel 20 Prozent.

■ Das aus einem Störfall für die Bevölkerung in der Umgebung einer A-3714 (66) Dt. Ärztebl. 86, Heft 48, 30. November 1989

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F IR SIE REFERIERT

kerntechnischen Anlage resultieren- de rechnerische Strahlenkrebsrisiko von höchstens 2,5 x 10 -3 erhöht einmalig das spontane Krebsmortali- tätsrisiko um 0,2 Prozent, das heißt von im Mittel 20 Prozent auf 20,2 Prozent.

■ Aus dem Verzehr kontami- nierter Lebensmittel als Folge eines kerntechnischen Unfalls mit spezifi- schen Aktivitäten entsprechend ei- nem Eingreifrichtwert der Dosis von 5 mSv und damit im Schwankungs- bereich der jährlichen natürlichen Strahlenexposition erhöht sich das spontane Krebsmortalitätsrisiko rechnerisch von im Mittel 20 Prozent auf 20,02 Prozent.

Diese Überlegungen machen deutlich, daß die mit den Grenzwer- ten oder Eingreifrichtwerten der Do- sis verbundenen hypothetischen Strahlenkrebsmortalitätsrisiken in der Größenordnung vergleichbarer Risiken (berufliche Strahlenexposi- tion) oder weit unterhalb der ent- sprechenden spontanen Krebsmorta- litätsrisiken liegen (maximal 1 Pro- zent), so daß sie unter Berücksichti- gung des Nutzens der Strahlenan-

Hilfsverbot bei

Suizidversuch nicht

Die in der Schweiz existierende

„EXIT-Vereinigung" bietet eine In- formationsschrift an, die auch eine sogenannte Freitoderklärung ent- hält. Diese hat der Suizidwillige aus- zufüllen, er verbietet darin jeden Versuch der Lebensrettung. Aus- drücklich werden alle, die dennoch Hilfe spenden oder das Leben des Suizidanten retten, darauf hingewie- sen, daß sie alle Folgen dieser Ret- tung wie zum Beispiel Schadenser- satzansprüche, zivilrechtliche An- sprüche und Behandlungskosten selbst zu tragen haben.

Die Autoren beschreiben kasui- stisch die Rettung einer Suizidantin, welche, zunächst sogar gegen ihren Willen, psychiatrisch stationär be- handelt wurde, sich dann aber anhal- tend und deutlich von ihrem Suizid- versuch distanzierte. Auch für diese

wendung - auch wenn dieser an- scheinend nicht jedem einzelnen zu- gute kommt - aus naturwissenschaft- licher Sicht zu vertreten wären. Die Realität macht jedoch deutlich, daß Bürger und Politiker sich in ihrer Einschätzung des Risikos durch Strahlung nicht ausschließlich von dieser strahlenbiologisch begründe- ten Bewertung des strahlenbeding- ten Risikos leiten lassen. Ethische und soziale Faktoren bestimmen in gleichem Maße die Akzeptabilität des Strahlenrisikos, wie dies im übri- gen auch für alle Risiken in unserer Industriegesellschaft gilt.

Herrn Professor Dr. Alfred Schraub zum 80. Geburtstag am 14. Dezember 1989 ge- widmet.

Die Zahlen in Klammem beziehen sich auf das Literaturverzeichnis im Sonder- druck, anzufordem über den Verfasser.

Anschrift des Verfassers:

Prof. Dr. phil. nat.

Alexander Kaul

Präsident des Bundesamtes für Strahlenschutz

Albert-Schweitzer-Straße 18 3320 Salzgitter 1

relevant

Patienten gilt, was in vielen Veröf- fentlichungen zu diesem Thema nachgewiesen wurde, nämlich daß über 90 Prozent der Patienten nach Suizidversuch noch nach Jahren bis Jahrzehnten am Leben sind, selbst unter Einbeziehung der psychisch Kranken im engeren Sinne. Bei den Patienten, die, wie die Autoren for- mulieren, nach einem Suizidversuch

„eine ambulante oder klinische Be- handlung ihrer Suizidalität körper- lich wieder hergestellt abgeschlossen haben, kommt ein dauernder Ster- benswunsch praktisch nicht vor", nimmt man die terminal körperlich Schwerstkranken aus.

Auch der sogenannte „Bilanz- suizid" ist insgesamt sehr selten:

„Die Auslösung des Suizids durch ei- ne an sich vorübergehende Ver- zweiflung oder eine depressive Phase

(ist) . . . unabhängig von der Diagno- se unvergleichlich viel häufiger . . .".

Daß rechtzeitige therapeutische Hil- fe den Suizid auch auf Dauer verhin- dert hätte, gilt selbst für Patienten mit fortschreitenden körperlichen Krankheiten.

Unter (nach Schweizerischem Recht) forensischen Aspekten könn- te man der EXIT-Vereinigung Fahr- lässigkeit vorwerfen. Und zwar dann, wenn sich die Rettung eines Suizida- len durch die Freitod-Verfügung derart verzögert, daß ein bleibender Schaden resultiert. Eine straf- oder gar zivilrechtliche Verfolgung des Helfers eines Suizidanten ist jedoch ausgeschlossen, da die Folgen eines Suizids in jedem Falle durch die Sui- zidhandlung und nicht durch die Rettung entstehen.

Bei diesen Überlegungen braucht die Urteilsfähigkeit des Sui- zidanten, selbst des im engeren Sin- ne psychisch Kranken, nicht verneint zu werden. Denn „die Freiheit zum Suizid ist die Realität des Suizidalen, die Freiheit zur Hilfe diejenige der anderen Menschen".

Unter ethischen Gesichtspunk- ten birgt die Freitoderklärung mit ih- rem Hilfeverbot die besondere Ge- fahr, daß sich die Suizidwilligen zum Suizid sogar gezwungen fühlen.

Die Durchsetzbarkeit schrift- licher Verfügungen endet an dem besonderen Rechtsgut Leben, da

„der empirisch regelhaften Reversi- bilität des Suizidwillens die mit nichts zu vergleichende Irreversibili- tät des Suizids gegenüber(steht)".

Die Autoren fassen zusammen, daß trotz etwaiger Freitodverfügun- gen Suizidanten geholfen werden muß. Demjenigen, der seine Freiheit zum Suizid nutzen will, ist in jedem Falle Respekt zu schulden, „aber nicht in der Weise, daß wir den Ver- zweifelten verlassen, sondern in der Weise, daß wir seine Lebenschancen respektieren". ru

Ernst, K., H. Kistler: Die Pflicht zur Le- bensrettung trotz EXIT-Freitoderklärung.

Schweiz. Ärzteztg 70 (1989) 253-256 Prof. Dr. med. Klaus Ernst, Psychiatrische Universitäts-Klinik Zürich, Lenggstr. 31, Zürich/Schweiz

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