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Archiv "SPALA: Sicherheitsprofil von Antirheumatika bei Langzeitanwendung" (13.09.1990)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Erste Ergebnisse eines internationalen Projektes zur

Intensiverfassung unerwünschter

Ereignisse unter der Therapie mit

nichtsteroidalen Antirheumatika

SPALA

Sicherheitsprofil von Antirheumatika

bei Langzeitanwendung

PALA ist ein Projekt zur intensiven Erfassung von unerwünschten Ereignis- sen unter der Therapie mit nichtsteroidalen An- tirheumatika (NSAR). Es wird ange- strebt, zwischen April 1988 und Mai 1990 30 000 bis 40 000 Patienten in 16 deutschen, österreichischen und schweizerischen Rheumazentren zu.

dokumentieren. Eine Zwischenaus- wertung vom Oktober 1989 bezieht sich auf 13 702 stationäre und ambu- lante Patienten. Die am häufigsten verordneten Präparate waren Diclo- fenac, Indometacin, Acemetacin und Ibuprofen. Bei 2259 Patienten wur- den unerwünschte Ereignisse wäh- rend der Behandlung registriert.

Hinsichtlich der Verteilung uner- wünschter Ereignisse auf Organsy- steme dominierte bei allen Präpara- ten der Gastrointestinaltrakt. Dar- über hinaus fielen beim Vergleich der Wirkstoffe substanzspezifische Profile auf: Unter Diclofenac wurde gelegentlich ein Anstieg der soge- nannten Leberenzymspiegel im Plas- ma beobachtet. Unter Indometacin traten zentralnervöse Symptome häufiger auf als bei den anderen Prä- paraten.

Auch wenn die Profile aller NSAR qualitativ sehr ähnlich sind, erlaubt SPALA eine quantitative Differenzierung unerwünschter Er- eignisse. Außerdem wird durch SPA- LA die Grundlage geschaffen, in Zu- kunft die Behandlung mit den in der Verordnungspraxis außerordentlich bedeutsamen nichtsteroidalen Anti- rheumatika sicherer zu gestalten.

Nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) sind in den letzten Jahren wegen unerwünschter Arzneiwir- kungen immer wieder öffentlich kritisiert worden. Eine Untersu- chung an zirka 30 000 Patienten in

16 Rheumazentren mit dem Na- men „SPALA" zeigt, daß das Spektrum der unerwünschten Er- eignisse, die während der Be- handlung auftreten, für alle NSAR ähnlich ist. Jedes Präparat weist jedoch spezifische Besonderhei- ten auf, die beim Einsatz nichtste- roidaler Antirheumatika berück- sichtigt werden sollten.

Nichtsteroidale Antirheumatika gehören in der Klinik und Praxis zu den am häufigsten verordneten Prä- paraten. Allein von 1987 auf 1988 stiegen die in der Bundesrepublik Deutschland verordneten definier- ten Tagesdosen der NSAR von 346 auf 354 Millionen (1). Bei der Be- handlung chronischer, in der Regel nicht tödlich verlaufender rheuma- tischer Erkrankungen werden NSAR häufig über einen längeren Zeitraum angewendet. In Anbetracht ihrer weiten Verbreitung erstaunt es nicht, daß diese Wirkstoffe wegen unerwünschter Arzneimittelwirkun- gen (UAW) immer wieder in das Schußfeld der Kritik gerieten. So kam es in den vergangenen Jahren

wiederholt zu schweren Arzneimit- telzwischenfällen, in deren Folge Wirkstoffe wie Benoxaprofen, In- doprofen, Isoxicam, Oxyphenbuta- zon und Zomepirac zum Teil schon kurze Zeit nach ihrer Markteinfüh- rung aus dem Verkehr gezogen wer- den mußten. Bei der dadurch ausge- lösten öffentlichen Diskussion über das Nutzen/Risiko-Verhältnis dieser Medikamente zeigte sich, daß die Wirksamkeit der Präparate durch klinische Studien meistens ausrei- chend dokumentiert ist.

Auch die Mechanismen der Ne- benwirkungen sind im allgemeinen pharmakologisch gut erklärbar. Da- gegen besteht ein Mangel bei der Quantifizierung unerwünschter Re- aktionen, zumal der Gesamtver- brauch der einzelnen Präparate oft nur auf Schätzungen beruht. Des- halb mußten Entscheidungen über die Risiken einzelner NSAR nicht selten auf der Basis von Einzelbeob- achtungen gefällt werden.

Erfassung unerwünschter Arzneimittelwirkungen nach Markteinführung (Post-Marketing

Surveillance, PMS)

Nach Abschluß der klinischen Prüfung ist die Information insbe- sondere über die unerwünschten Ei- genschaften neuer Medikamente keineswegs vollständig. Die durch die Bedingungen der klinischen Prü- fung definierte Zahl, Auswahl, Be- Dt. Ärztebl. 87, Heft 37, 13. September 1990 (41) A-2707

(2)

Tabelle 1: Instrumente der Erfassung unerwünschter Arzneiwirkungen Studientyp Kontroll- prospektiv Erfassung von

gruppe retrospektiv Risiken bis ja/nein

Bemerkungen

(Einschränkungen/Nachteile)

ja p

kontrollierte klinische Studien

>

1:1000 ausgewähltes Patientengut

Versuchsbedingungen nein

p

< 1:10 000

Kohortenstudien

1. Registrierte Freigabe (Registered release)

2. Rezeptgebundene Überwachung nein

(Prescription event monitoring) p bisher nur in England durch-

führbar 3. Intensive Überwachungssysteme

(Intensive drug monitoring) p selektiv, hohe Kosten, auf Klini- ken beschränkt

möglich

Datenqualität

(in der BRD: Datenschutz) nein

4. Arzneimittelgebrauchsstudien

(Drug utilization studies) p

nein r

5. Krankenregister z. B. Krebsregister

auch in Verbindung mit anderen Datenquellen: „Medical Record Linkage"

Fall-Kontroll Studien ja r

>

1:10 000 Schwierigkeit bei der Auswahl der Kontrollen, Vergleich von Häufigkeitsraten

nein r

Spontanberichtserfassung

Fallberichte nein r nur als Ausgangspunkt zu Hypo-

thesenformulierung geeignet unvollständige Information, kei- ne Inzidenzberechnung möglich

handlungsdauer und -modalitäten der Patienten unterscheiden sich meist stark vom praktischen Einsatz nach der Markteinführung, da in die- sen experimentellen Untersuchun- gen zahlreiche Variablen eliminiert werden, welche die Reaktion des Pa- tienten wesentlich beeinflussen kön- nen, wie zum Beispiel hohes Alter, Begleiterkrankungen und gleichzeiti- ge Verabreichung anderer Medika- mente.

Nach der Markteinführung kön- nen UAW auf verschiedene Weise erfaßt und identifiziert werden. Die Vor- und Nachteile der Spontanmel- desysteme, die in zahlreichen Län- dern eingerichtet wurden, sind be- kannt: Bei der Erkennung neuer und seltener UAW ist bei diesen kosten- günstigen Systemen die unvollständi- ge Zahl und die unbekannte Selek- tion und somit Repräsentativität der Meldungen zu berücksichtigen. Au- ßerdem können keine UAW-Fre- quenzen berechnet werden, da der

Arzneimittelverbrauch nicht be- kannt ist. Diesen Nachteil weisen auch intensivierte Spontanmeldesy- steme auf, bei denen die Ärzte gebe- ten werden, alle UAW im Zusam- menhang mit der Verabreichung ei- nes bestimmten Präparates zu mel- den. Die intensive Erfassung von UAW bleibt aus Kostengründen meist sehr selektiv und im Umfang gering.

Andere Methoden wie die über- wachte Freigabe („monitored relea- se") und als Weiterentwicklung die rezeptgebundene Überwachung von unerwünschten Ereignissen („pre- scription-event monitoring"), bei de- nen Patienten in den Apotheken über die Verschreibungen identifi- ziert und erfaßt werden, um die Aus- wertung auftretender UAW zu er- möglichen, sind der Struktur des bri- tischen Gesundheitswesens ange- paßt und aus gesetzlichen Gründen in anderen Ländern in dieser Form meist nicht anwendbar (Tabelle 1).

Anwendungsbeob- achtungen: Gesetzliche Grundlage, Definition und Ziel

In der Bundesrepublik Deutsch- land wurde im Februar 1987 in der Neufassung des Arzneimittelgeset- zes (AMG) neben den klinischen Prüfungen der Phasen I bis IV die

„Anwendungsbeobachtung" als neu- es Instrument zur Überwachung der Arzneimittelsicherheit geschaffen.

Hiervon erhofften sich alle Beteilig- ten des Gesundheitswesens eine in- tensivere und wissenschaftlich orien- tierte Erfassung unerwünschter Arz- neimittelwirkungen. Bei näherer Be- trachtung der gesetzlichen Rahmen- bedingungen, die unter anderem durch die Bestimmungen des AMG und durch das Datenschutzgesetz ge- geben sind, ist der Spielraum für die wissenschaftlich sinnvolle und zu- gleich gesetzeskonforme Durchfüh- A-2708 (42) Dt. Ärztebl. 87, Heft 37, 13. September 1990

(3)

30 NSAR-Patienten: n = 4813 Durchschnittsalter: 50 Jahre UE-Patienten: n = 598 Durchschnittsalter: 52 Jahre

NSAR-Patienten: n = 8889 Durchschnittsalter: 58 Jahre UE-Patienten: n = 1661 Durchschnittsalter: 61 Jahre

I NSAR-Patienten I7:2 1 UE-Patienten oha

30

20

10

10

20

männlich

Alter (Jahre)

weiblich

<20 21-30 31-40 41-50 51-60 61-70 71-80 81-90

UE-Patienten (n = 2259)

rung einer Anwendungsbeobachtung gering. Dadurch könenn pharmako- epidemiologische Untersuchungen mit wissenschaftlichen Fragestellun- gen nicht in der gleichen Form wie in anderen Ländern, namentlich Eng- land, Kanada, Neuseeland und den USA, durchgeführt werden. Insbe- sondere dürfen durch die Anwen- dungsbeobachtung keine diagnosti- schen oder therapeutischen Maß- nahmen induziert werden.

Ob sich die vom Gesetzgeber an- geordnete Änderung durchsetzen wird und die Anwendungsbeobach- tungen die marketingorientierten

„seeding trials", die in erster Linie der Verbreitung neuer Präparate dienen, ersetzen werden, kann nach den wenigen bisher publizierten Un- tersuchungen noch nicht beurteilt werden.

Das SPALA-Projekt als Beispiel einer

Anwendungsbeobachtung

Die Ziele von SPALA umfassen die Erkennung, Quantifizierung und Bewertung unerwünschter Ereignis- se (UE) im Verlauf der Behandlung mit NSAR sowie die Untersuchung von Arzneimittelinteraktionen mit gleichzeitig verordneten Präparaten.

Als UE wird jede klinisch relevante Verschlechterung des Zustandes ei- nes Patienten, ob sie in einem Zu- sammenhang mit der Verabreichung eines Arzneimittels gesehen wird oder nicht, definiert, ferner jede Verschlimmerung von Symptomen und jedes Erscheinen von Unregel- mäßigkeiten im klinischen Bild oder bei den Laborwerten, die vom Arzt als klinisch relevant betrachtet wer- den und die zeitlich (während oder folgend), jedoch nicht unbedingt ur- sächlich in Zusammenhang mit der

Abbildung 1: Altersverteilung der Patienten Arzneimittelgabe stehen. Im Gegen- satz zu dem Begriff „unerwünschte Arzneimittelwirkung" (UAW) wird also bei der Bezeichnung „uner- wünschtes Ereignis" zunächst keine Kausalität mit der eingenommenen Medikation unterstellt.

Zusätzlich werden im Rahmen von SPALA schwere Ereignisse, die zum Tode führen oder eine Klinik- einweisung erfordern, sowie das Uberschreiten definierter Häufun- gen von UE dem Projektleiter sofort angezeigt. Da alle Wirkstoffe ihrem Verordnungsanteil entsprechend er- faßt werden, stehen am Ende der Er- hebung UE-Profile der einzelnen Substanzen, die gemeinsame Cha- rakteristika erkennen lassen und in- dividuelle Eigenschaften quantitativ beschreiben.

Der Projektplan wurde bereits in ausführlicher Form publiziert (2, 3), einige wesentliche Punkte des Er- fassungssystems sollen jedoch noch einmal erwähnt werden: SPALA ist ein intensives Beobachtungssystem

(„intensive drug monitoring") zur Erfassung von unerwünschten Ereig- nissen bei allen in den Beobach- tungszentren mit NSAR behandel- ten Patienten. Durch die Beobach- tung wird kein Einfluß auf therapeu- tische und diagnostische Maßnah- men des behandelnden Arztes ge- nommen.

An dem Projekt nehmen 16 Rheumazentren teil, neun in Deutschland, vier in Osterreich und drei in der Schweiz. Entsprechend der landesüblichen Versorgung überwiegt in der Schweiz die Zahl der ambulanten Patienten, in Deutschland und Österreich die Zahl der stationären Patienten. Das für die Erfassung der Daten notwen- dige medizinische Personal und Ge- rät wird den Beobachtungszentren zur Verfügung gestellt. Die Erfas- sung der Daten erfolgt auf drei ver- schiedenen Fragebögen mit folgen- den Informationen: Fragebogen 1:

ausführliche Angaben zur Anamnese mit Begleiterkrankungen und bishe-

ambulant stationär

NSAR-Patienten

(n = 13702) :41 15,2° 71,6%

Abbildung 2: Status der Patienten

Dt. Ärztebl. 87, Heft 37, 13. September 1990 (45) A-2711

(4)

stationär (n = 10037) ambulant (n . 3963)

4,4%

entzündliche rheumatische degenerative rheumatische

Erkrankungen Erkrankungen

andere rheumatische

Erkrankungen

1-1

andere Erkrankungen

Abbildung 4: Dauer der NSAR-Verschreibungen

1,4%

0,8%

0,6%

3,4%

2,1%

1,9%

Andere NSAR: Tiaprofensäure

Piroxicam 4,4% Mefenaminsäure

Ketoprofen • 3,4% Flurbiprofen Tenoxicam 3,1% Diverse andere NSAR

Naproxen 2,7% Pirprofen

Acetylsalicylsäure 2,5% Etofenamat

(./Einige UE beziehen sich auf mehr eis eine NSAR-Verschreibung Gesamtzahl der UE-bezogenen

NSAR-Verschreibungen: 4322 Gesamtzahl der UE: 3498 (1

Ibuprofen 9,3%

Gesamtzahl der NSAR- Verschreibungen: 16815 Gesamtzahl der NSAR-Patienten: 13702

Ibuprofen 9,9%

Abbildung 5: Verteilung der gesamten (links) und der UE-bezogenen (rechts) Verschrei- bungen auf einzelne Wirkstoffe

Abbildung 3: Diagnosen

riger Behandlung; Fragebogen 2:

laufende Medikation mit Indika- tionsstellung; Fragebogen 3: Berich- te zu den auftretenden unerwünsch- ten Ereignissen während oder bis zu sechs Wochen nach Behandlung.

Die Beobachtungsdauer umfaßt den Zeitraum der Behandlung mit NSAR. Die Eingabe der Daten von den Fragebögen in einen Computer erfolgt zentral in eine Datenbank in Frankfurt. Der Projektleiter in Er- langen hat über ein Terminal ständi- gen Zugriff zu den eingegebenen Daten, um die Erhebung zu überwa- chen. Das Projekt wird von einem firmenunabhängigen gemeinnützi- gen Verein am Pharmakologischen Institut der Universität Erlangen ge- tragen, dem die Leiter der teilneh- menden Beobachtungszentren ange- hören. Der Trägerverein wird durch ein Kuratorium beraten, dem erfah- rene Vertreter der klinischen Phar- makologie, der Rheumatologie, der medizinischen Statistik sowie ein Vertreter der Arzneimittelkommissi- on der deutschen Ärzteschaft (Ak- dÄ) angehören. Für die Beurteilung schwerer Arzneimittelreaktionen steht ein Gremium von Experten der

13 702 Patienten, wovon zirka zwei Drittel Frauen waren, erhielten 16 815 NSAR-Verschreibungen.

Dies entspricht einem Durchschnitt von 1,2 NSAR-Verschreibungen pro Patient. Von 2259 Patienten wurden unerwünschte Ereignisse gemeldet (UE-Patienten). Insgesamt wurden 3498 unerwünschte Ereignisse be- richtet, also ca. 1,5 pro UE-Patient.

Da bei einigen dieser Patienten mehr als ein NSAR mit demselben UE in Verbindung gebracht wurde, stehen den 3498 Ereignissen 4322 zugeordnete NSAR-Verschreibun- gen gegenüber. Durchschnittlich ent- fiel ein unerwünschtes Ereignis auf 4,8 NSAR-Verschreibungen. Dabei zeigte sich ein Unterschied zwischen den Geschlechtern: Während bei Männern durchschnittlich auf 6,8 NSAR-Verschreibungen ein UE auf- trat, wurde bei Frauen bereits auf 4,1 Verschreibungen ein UE beobachtet.

Die weiteren Patientendaten sind in Tabelle 2 zusammengefaßt.

Die Altersverteilung der NSAR- und der UE-Patienten nach Ge- schlecht ist in Abbildung 1 darge- stellt. Es zeigt sich, daß die Alters- verteilung der beiden Geschlechter deutlich verschieden ist. Zusätzlich fällt das höhere Durchschnittsalter der UE-Patienten im Vergleich zu dem aller mit NSAR behandelten am häufigsten betroffenen Fachge-

biete, nämlich der Gastroenterolo- gie, Dermatologie, Hämatologie und Nephrologie zur Verfügung.

Erste

Zwischenergebnisse

Bis zum 30. September 1989 wa- ren 20 135 Patienten durch einge- sandte Anamnesebögen erfaßt. Eine Zwischenauswertung vom Oktober 1989 umfaßt alle vollständig eingege- benen Daten der zu diesem Zeit- punkt abgeschlossenen Fälle. Diese

Dt. Ärztebl. 87, Heft 37, 13. September 1990 (47) A-2713

(5)

Tabelle 2: Patientendaten

männlich weiblich Gesamt Zahl der Patienten mit mindestens

einer NSAR-Verschreibung (NSAR- Patienten)

Zahl und prozentualer Anteil der NSAR-Patienten mit mindestens einem unerwünschten Ereignis (UE-Patienten)

4813

598 (12,4%)

8 889

1 661 (18,7%)

13 702

2 259 (16,5%)

Zahl der Diagnosen bei NSAR-Pa- tienten

Zahl der NSAR-Verschreibungen Zahl der unerwünschten Ereignisse

9 067 10 856 2 624

14 000 16 815 3 498 4933

5959 874 Durchschnitt der

NSAR-Verschreibungen pro NSAR-Patient

durchschnittliche Zahl unerwünschter Ereignisse pro UE-Patient

durchschnittliche Zahl von NSAR-Verschreibungen pro UE

1,2

1,5

6,8

1,2

1,6

4,1

1,2

1,5

4,8 Patienten auf. Eine exakte Analyse

der Grundkrankheiten am Ende der Untersuchung wird wahrscheinlich weitere Ergebnisse liefern.

Fast drei Viertel der beobachte- ten Patienten befanden sich in sta- tionärer Behandlung. Bei diesen war der Anteil von UE-Patienten höher als bei ambulanten Patienten (Abbil- dung 2). Zur Analyse der Krank- heitsdiagnosen, für die ein NSAR verordnet wurde, erfolgte zunächst eine grobe Einteilung in „entzündli- che rheumatische Erkrankungen",

„degenerative rheumatische Erkran- kungen", „sonstige rheumatische Er- krankungen" und „andere Erkran- kungen". Bei der in Abbildung 3 dar- gestellten Aufschlüsselung ist zu er- kennen, daß in der beobachteten Po- pulation die entzündlichen rheuma- tischen Krankheiten deutlich über- wiegen. Dies steht im Gegensatz zum Gesamtverbrauch an NSAR, bei dem die Verordnungen für degene- rative Erkrankungen dominieren.

Auch hinsichtlich der Behandlungs- dauer im Rahmen des SPALA-Pro- jekts ist die beobachtete Gruppe nicht repräsentativ für den üblichen Kreis der mit NSAR behandelten Patienten. Bei 34,7 Prozent der Ver- schreibungen betrug die registrierte Behandlungsdauer drei bis sechs Wochen (Abbildung 4). Der Grund liegt wohl im Ausscheiden der statio- nären Patienten aus der Beobach- tung beim Verlassen der Kliniken.

Die Verschreibungen betrafen 89 verschiedene NSAR, deren Ge- brauch jedoch länder- und klinikspe- zifisch sehr stark variierte, was bei späteren Auswertungen größerer Pa- tientenzahlen berücksichtigt werden

muß. Am häufigsten (41,1 Prozent) wurden Präparate mit dem Wirkstoff Diclofenac verordnet, wovon über 90 Prozent auf verschiedene Voltaren®- Zubereitungen entfielen. Mit 11,4 Prozent beziehungsweise 11,3 Pro- zent folgten Indometacin- und Ace- metacin-haltige Präparate. Auf Zu- bereitungen mit Ibuprofen entfielen 9,9 Prozent der Verschreibungen.

In Abbildung 5 sind die Ver- schreibungsanteile einzelner Wirk- stoffe den Anteilen der Verschrei- bungen, nach denen ein uner- wünschtes Ereignis beobachtet wur- de (n = 4322), gegenübergestellt.

Unter Diclofenac wurden 1766 UE

registriert, was 40,9 Prozent aller UE entspricht. Den 1922 Indometacin- Verschreibungen (11, 4 Prozent aller Verschreibungen) standen 636 UE (14,7 Prozent aller UE) gegenüber, bei 1868 Acemetacin-Verschreibun- gen (11,3 Prozent aller Verschrei- bungen) wurden 557 UE (12,9 Pro- zent aller UE) beobachtet. Die dem Ibuprofen (403 UE-Berichte bezie- hungsweise 9,3 Prozent aller UE) fol- genden Wirkstoffe wurden wegen der geringen Zahl der Meldungen bei der Zwischenauswertung noch nicht berücksichtigt.

Für die vier genannten, am häu- figsten verschriebenen Wirkstoffe Tabelle 3: Häufigkeiten unerwünschter Ereignisse (UNerschreibungen)

Diclofenac Indometacin Acemetacin Ibuprofen

Gastrointestinaltrakt 10,1% 12,4%© 14,4% 9,4%

Haut 2,8% 2,6% 3,3% 3,2%

Zentrales und peripheres Nervensystem 2,0% 6,6% 2,6% 2,8%

Hepatobiliäres System 2,3% 1,7% 1,3% 0,8%

Allgemeinsymptome 2,0% 1,8% 2,3% 1,5%

Anzahl der Verschreibungen 6935 (100%) 1922 (100%) 1868 (100%) 1677 (100%) A-2716 (50) Dt. Ärztebl. 87, Heft 37, 13. September 1990

(6)

NSAR gesamt:

n = 4322 (100%)

Dic ofenac:

n = 1766 (100%)

Indometacin:

n = 636 (100%)

Acemetacin:

n = 557 (100 A) Ibuprofen:

n = 403 (100 A)

10 20 30 40 50 60

20 30 40 50 60

deutsche Bezeichnung Gastrointestinaltrakt Zentrales und peripheres Nervensystem Haut und Hautanhangs- gebilde

Leber und Gallengangs- system

allgemeine körperliche Beschwerden Niere und ableitende Harnwege Atemwegssystem Alle übrigen Erkrankungen

10 20

WHO-Code Gastrointestinal system Central and peripheral nervous system Skin and appendages Liver and biliary system Body as a whole- general disorders Urinary system Respiratory system

40 50 60

GIT Haut ZNS allgemein Leber Niere Atmung diverse

GIT Haut ZNS allgemein Leber Niere Atmung diverse

Abkürzungen GIT ZNS Haut Leber allgemein Niere Atmung diverse

GIT Haut ZNS allgemein Leber Niere Atmung diverse

3 3

10 20

GIT Haut ZNS allgemein Leber Niere 3

Atmung E diverse

0 10 20 30 40 50 60

GIT Haut ZNS allgemein Leber Niere Atmung diverse

30 40 50 60

Abbildung 6: Verteilung der UE auf Organsysteme

% von n = 697 Fällen

77]

0 20 40 60 80

Acemetacin

ndometacin

J

% von n = 239 Fällen

80 40 60

20

subjektive Beschwerden Blutverlust Erbrechen Diarrhoe andere objektive Beschwerden

20 40 60 BO 20 40 60 80

subjektive Beschwerden Blutverlust Erbrechen

Diarrhoe andere objektive Beschwerden

% von n = 158 Fällen von n = 270 Fällen

subjektive Beschwerden Blutverlust Erbrechen

Diarrhoe andere objektive Beschwerden

Diclofenac

subjektive Beschwerden Blutverlust Erbrechen Diarrhoe andere objektive Beschwerden

Ibuprofen

Abbildung 7: Verteilung der gastrointestinalen UE sowie für alle NSAR insgesamt wur- de eine Verteilung der UE auf die betroffenen Organsysteme vorge- nommen (Abbildung 6.). Bei dieser Art der Darstellung wird die Summe aller UE-Berichte für einen be- stimmten Wirkstoff jeweils gleich 100 Prozent gesetzt.

Unter Diclofenac wurden 157 Ereignisse, die das hepatobiliäre Sy- stem betrafen, registriert. 122 der Berichte betrafen Aktivitätsanstiege der Transaminasen und der alkali- schen Phosphatase. Diese Befunde wurden nicht systematisch erhoben, da eine solche Erfassung von Labor- werten der Definition der Anwen- dungsbeobachtung widersprechen würde. Deshalb sollte bei der gerin- gen Fallzahl eine weitere Analyse zunächst außer Betracht bleiben.

Die nach Verabreichung von Idometacin beobachteten ZNS-Sym- ptome (127 Fälle), vorwiegend Schwindel und Kopfschmerz, sind in der Literatur bereits gut dokumen- tiert. Unter Acemetacin, einem Pro- drug von Indometacin, waren diese Symptome mit 49 Fällen bei fast glei- cher Verordnungshäufigkeit deutlich seltener. Für Ibuprofen waren die Verordnungs- und UE-Anteile noch recht gering, außerdem sind hier die verschiedenen Dosierungsbereiche für die Indikation als Analgetikum beziehungsweise als Antiphlogisti- kum noch zu differenzieren. Insge- samt war das UE-Profil dem anderer

Pruritus als unerwünschte Ereignisse genannt. Bei der weiteren Differen- zierung der den GI-Trakt betreffen- den Ereignisse zeigt sich, daß mit zir- ka 70 Prozent vom Patienten berich- tete subjektive Ereignisse dominie- ren. Gastrointestinale Blutverluste wurden insgesamt sehr selten beob- achtet. Jeder fünfte dieser Berichte bezieht sich auf Emesis oder Diar- rhoe (Abbildung 7).

Bezieht man die Zahl der uner- wünschten Ereignisse in einzelnen Organsystemen auf die Verschrei- bungen der Präparate, so erhält man für die genannten vier Wirkstoffe die UE-Frequenzen in diesen Organsy- stemen. Beim Gastrointestinaltrakt erkennt man deutliche Differenzen zwischen 9,4 Prozent (Ibuprofen) und 14,4 Prozent (Acemetacin), für die jedoch bei der Gesamtauswer- tung die Konfidenzbereiche zu be- rücksichtigen sind.

Für die Haut bewegen sich die

UE

-

Frequenzen zwischen 2,6 Prozent

(Indometacin) und 3,3 Prozent (Ace- metacin). Beim ZNS erkennt man die bereits beschriebenen UE-Häu- fungen unter Indometacin (6,6 Pro- NSAR ähnlich. Für die Organsy-

stemverteilung der UE aller Präpara- te gilt, daß der Gastrointestinaltrakt weitaus am häufigsten betroffen war, gefolgt von der Haut und dem Zen- tralnervensystem. Beim Organsy- stem Haut wurden in den meisten Fällen Arzneimittelexantheme und

Dt. Ärztebl. 87, Heft 37, 13. September 1990 (53) A-2717

(7)

zent) und beim hepatobiliären Sy- stem unter Diclofenac (2,3 Prozent).

Die Werte sind in der Tabelle 3 zu- sammengestellt.

Zusammenfassend kann für die vier am häufigsten verschriebenen Präparate eine gute Konsistenz der Daten mit bereits publizierten Re- sultaten festgestellt werden. Dies be- stätigt die Eignung von SPALA für die Erstellung von UE-Profilen, die nach Abschluß des Projekts und beim Vorliegen größerer Verschrei- bungszahlen auch für weitere NSAR zu aussagekräftigen Risikoabschät- zungen führen werden. Es ist zu er- warten, daß SPALA für häufig ver- ordnete nichtsteroidale Antirheuma- tika vergleichende Daten liefert und die UE während der Therapie defi- niert und quantifiziert. Insbesondere werden Hinweise auf die Verteilung der Häufigkeiten von unerwünsch- ten Ereignissen und ihren Zusam- menhängen mit demographischen Patientendaten erwartet.

Für neue Präparate kann diese Methode eine sinnvolle Kontrolle der Arzneimittelsicherheit während der Initialphase nach der Marktein- führung darstellen. Durch einen er- weiterten Kenntnisstand über die zu erwartende Häufigkeit von uner- wünschten Ereignissen wird der be- handelnde Arzt in die Lage versetzt, bei der Verordnung von Antirheu- matika zukünftig problembewußter vorzugehen.

Es ist allerdings zu berücksichti- gen, daß alle Patienten nach Ereig- nissen im Zusammenhang mit der Therapie befragt werden. Da jeder gelegentlich auch ohne Arzneimittel- therapie Magen-Darm-Beschwer- den, Kopfschmerz, Schwindel usw.

oder Hautveränderungen an sich be- obachtet, muß von einem erhebli- chen „Hintergrundgeräusch" solcher Beschwerden ausgegangen werden, das von den wirklich durch NSAR bedingten in dieser Studie nicht prinzipiell abgegrenzt werden kann.

Von besonderer Bedeutung sind da- her die „substanztypischen" Ereig- nisse (ZNS, Magen-Darm, Leber), bei denen sich ein Wirkstoff deutlich von allen anderen unterscheidet. Ei- ne gründliche Untersuchung dieser Aspekte wird der Endanalyse vorbe- halten bleiben.

Literatur

1. Schwabe, U.; Paffrath, D.: Arzneiverord- nungsreport '89, Gustav Fischer, Stuttgart — New York 1989

2. The Design of SPALA (Safety Profile of An- tirheumatics in Long-Term Administration).

Eur. J. Clin. Pharmacol. 34 (1988) 529 3. Sicherheitsprofil von Antirheumatika bei

Langzeitanwendung (SPALA). Münch. med.

Wschr. 34 (1989) 103

SPALA wurde durch eine Schenkung der F.

Hoffmann-La Roche AG (Basel) ermög- licht, Die Datenverarbeitung erfolgt im Auf- trag der Firma PMS, London, einer Toch- tergesellschaft von IMS International.

Projektplanung:

R. Lanz, H. Fenner, Basel;

M. Kurowski, K. Brune, Erlangen Projektleiter:

M. Kurowski, Erlangen Beobachtungszentren:

Deutschland: U. Botzenhardt, Bremen; D. Jentsch/E. Keck/K.

Miehlke, Wiesbaden; G. Josen- hans, Bad Bramstedt; E.-M. Lem- mel, Baden-Baden; H. Menninger, Bad Abbach; M. Schattenkirch- ner, München; H. Sörensen, Ber- lin; T. Stratz, Bad Säckingen; H.

Zeidler, Hannover

Österreich: R. Eberl/A. Dunky, Wien; G. Kolarz, Baden; 0. Sche- rak, Baden; N. Thumb, Baden Schweiz: P. Mennet, Rheinfelden;

W. Müller Basel; F. J. Wagenhäu- ser/M. Felder, Zürich

Kuratorium: E. Weber, Heidel- berg; K. Brune, Erlangen; M.

Franke, Baden-Baden; H. Kewitz, Berlin; K. H. Kimbel, Köln; R.

Repges, Aachen

Experten: M. Schneider, Erlangen (Gastroenterologie); T. Ruzicka, München (Dermatologie); J.

Mann, Nürnberg (Nephrologie);

W. Heit, Ulm (Hämatologie) Dateneingabe und -verarbeitung:

G. Kiep, K. Szendey, Frankfurt

Korrespondenzanschrift:

Privatdozent Dr. rer. nat.

Dr. med. habil. Michael Kurowski Verein zur Langzeituntersuchung von Arzneimittelwirkungen auf dem Gebiet der Rheumatologie e. V.

% Institut für Pharmakologie und Toxikologie

Universitätsstraße 22 8520 Erlangen

FÜR SIE REFERIERT

Nicht

ungewöhnlich:

Akute Pankreatitis bei normalen

Amylasewerten

Eine Erhöhung der Serumamy- lase- und -lipasewerte weist bei vie- len Patienten mit akutem Abdomen auf eine Bauchspeicheldrüsenent- zündung hin. Dabei korreliert jedoch keineswegs die Höhe der Enzymwer- te mit der Schwere des Krankheits- bildes und dem Ausmaß der Paren- chymnekrosen.

Die Autoren untersuchten pro- spektiv bei 318 Patienten insgesamt 352 Pankreatitisschübe. Die Diagno- se war bei allen Patienten mit Aus- nahme von vier Fällen computerto- mographisch gesichert worden. Bei insgesamt 67 Patienten (19 Prozent) fanden sich normale Serumamylase- werte, zumeist handelte es sich um eine alkoholinduzierte Pankreatitis.

Die meisten Patienten mit einer Normoamylasämie wiesen einen re- lativ blanden Verlauf der Pankreati- tis auf. Nur in 68 Prozent war bei diesen Patienten die Lipase erhöht.

Durch die Kombination von Serum- amylase und -lipase wurden aber im- merhin 94 Prozent der Patienten korrekt diagnostiziert. Die zusätzli- che Durchführung einer Peritoneal- lavage mit Bestimmung der Amyla- sekonzentration im Dialysat brachte keine höhere diagnostische Aussage- kraft. Möglicherweise ist bei einigen Patienten zum Zeitpunkt der Dia- gnosestellung die primär erhöhte Se- rumamylase bereits wieder auf Normwerte abgefallen.

Clavien, P.-A., J. Robert, P. Meyer et al.:

Acute Pancreatitis and Normoamylasemia.

Not an Uncommon Combination. Ann Surg 210: 614-620, 1989.

University of Toronto, Department of Surgery, Room 1225, 600 University Ave- nue, Toronto M5G 1X5, Canada.

A-2718 (54) Dt. Ärztebl. 87, Heft 37, 13. September 1990

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