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Archiv "Deutsche Ärzte im „Nach-Konzentrationslager Bergen-Belsen 1945-1951/52“" (07.03.1991)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Deutsche Ärzte im

„Nach-Konzentrationslager Bergen-Belsen 1945-1951/52"

von Lima auf, wurden zunächst je- doch für in Peru gängige Durchfall- erkrankungen gehalten und die Pa- tienten daraufhin wieder nach Hause geschickt. „Als wir uns über die Krankheit im klaren waren, fehlte es uns an allem, an Serum, an Salz, an den grundlegendsten Dingen", er- zählt ein Arzt in Chimbote. „Sofort tauchte auch ein weiteres Problem auf: Die meisten Patienten hatten kein Geld, um die Medikamente zu bezahlen." Die Behandlung der Krankheit kostet auf den Tag umge- rechnet etwa 200 Dollar — ein Ver- mögen in einem Land, in dem die große Mehrheit der Bevölkerung keine Sozialversicherung kennt und höchstens ein paar Dutzend Dollar im Monat verdient. Im Krankenhaus wurde deshalb beschlossen, die The- rapie kostenfrei vorzunehmen. Die Armen haben nicht einmal das Geld, das Trinkwasser zehn Minuten lang abzukochen, wie von den Behörden empfohlen. Das dafür benötigte Ke- rosin kostet mehr als ein Dollar je Galone — und das ist für die meisten zu viel.

Angst vor Fischen

Außer über Trinkwasser, das häufig Fäkalspuren aufweist, scheint der Krankheitserreger durch infi- zierte Fische und Meeresfrüchte ver- breitet zu werden. Die Folge: Aus Angst vor einer Ansteckung bleiben die Strände im sommerlichen Peru leer. Der Fischereiindustrie, einer der wichtigsten Devisenquellen des Landes, drohen gewaltige Umsatz- verluste. Die Fischer haben Angst um ihren Arbeitsplatz. Um den voll- ständigen Zusammenbruch eines Wirtschaftszweigs zu verhindern, von dem zehntausende Menschen leben, hat die Regierung eine Kampagne gestartet, in der darauf hingewiesen wird, daß gekochter Fisch gefahrlos verzehrt werden kann. Fischer ließen sich unterdessen dabei filmen, wie sie in frischgefangene Fische bissen.

Alles vergeblich: Die Fischgeschäfte machen dicht, und das aus rohen Fi- schen zubereitete Nationalgericht

„Cebiche" wird nicht mehr serviert, weder in den Restaurants noch zu Hause. Fernando Barrantes/afp

Im Süden der Lüneburger Hei- de, in der Nähe der Stadt Bergen und des Dorfes Belsen, liegt ein gro- ßer Truppenübungsplatz, außerdem ein Kasernenbereich und ein Laza- rett. Nahe dem Kasernenbereich er- streckte sich (1941) ein Barackenla- ger, das zunächst mit belgischen und französischen, seit August 1941 mit zahlreichen russischen Kriegsgefan- genen belegt wurde.

Am 4. Februar 1943 veranlaßte Himmler auf Anregung der Rechts- abteilung des Auswärtigen Amts, daß etwa 10 000 Juden zum Aus- tausch gegen im Ausland internierte Deutsche in einem „Sonderlager"

bereitzustellen seien. Die Kenn- zeichnung als „Zivilinterniertenlager Bergen-Belsen" mußte auf Grund einschlägiger Bestimmungen der Genfer Konvention am 29. Juni 1943 in „Aufenthaltslager" geändert wer- den.

Einmalig im NS-Staat

Diese „Sonderlager", „Aufent- haltslager" oder „Austauschlager" — je nach Bezeichnung — war nach Struktur, Organisation und Zweck- bestimmung einmalig und grundsätz- lich von allen anderen nationalsozia- listischen Vernichtungs-, Konzentra- tions- und Arbeitslagern unterschie- den. Es war aufgeteilt in „Häftlings- lager" (Kranke und Arbeitsunfähi-

ge), das „Neutralenlager" (mehrere hundert Juden mit neutralen Staats- angehörigkeiten), das „Ungarnlager"

(1683 Juden), das „Sternlager" (4000 Austauschjuden) und das „Zeltla- ger" (8000 Frauen).

Zum „Austausch"

kam es nicht

Die „Austauschqualifikation"

liest sich zynisch wie ein Warenkata- log. „Angeboten" wurden unter an- derem Juden der Palästina-Liste, Ju- den mit Gefälligkeitspässen, Juden der Doppelstaatenliste, Angestellte des Judenrates, Spezialisten (zum Beispiel Diamantschleifer) sowie Ju- den mit Kriegsauszeichnungen aus dem Ersten Weltkrieg. Der „Aus- tausch", praktisch also ein Men- schenhandel, funktionierte jedoch nicht, wenn auch einige Transporte auf abenteuerlichen Wegen ihr Ziel erreichten.

Die Verlegung transportfähiger Häftlinge aus frontnahen Konzentra- tions- und Arbeitslagern nach Ber- gen-Belsen führte im Winter 1944/45 zu einer völligen Überfüllung des La- gers (60 000 Menschen) und durch den Ausbruch einer Ruhr-, Typhus-, Fleckfieberepidemie zu einem rasant fortschreitenden Massensterben.

Am 15. April 1945 befreiten engli- sche Truppen das Lager. Die Über- lebenden wurden im vormaligen Ka- sernenbereich („Lager II") unterge- Das Konzentrationslager Bergen-Belsen sollte dem Austausch von Juden aus besetzten Ländern gegen internierte deutsche Bürger dienen. Es wurden jedoch nur wenige Juden ausgetauscht, dagegen stieg die Zahl der in Bergen-Belsen lebenden Häftlinge auf 60 000 Insassen. Wegen ei- ner Fleckfieberepidemie nahm im April 1945 die Lagerleitung Verbin- dung zu den englischen Truppen auf, denen sich wenig später ein grau- enhaftes Bild bot (50 000 Tote). Der Autor des Artikels ist einer der Ärzte, die für die medizinische Versorgung der Überlebenden verpflichtet wur- den. Sein Bericht könnte eine Anregung für Medizinhistoriker sein, dieses bisher kaum beachtete Thema wissenschaftlich aufzuarbeiten. DÄ

A-738 (38) Dt. Ärztebl. 88, Heft 10, 7. März 1991

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bracht, die Kranken im sogenannten Rundhaus. Bis Ende Juni 1945 star- ben 13 000 Menschen. Die Gesamt- zahl der Opfer (1943-1945) betrug rund 50 000 Personen, die in 14 Mas- sengräbern im Bereich der Gedenk- stätte Belsen bestattet wurden.

Der genannte Bereich war ein- gezäunt; Deutsche hatten keinen Zutritt. Die Verwaltung oblag der

„Control Commission of Germany", die soziale Versorgung der „United Nations Relief and Rehabilitation Administration" (UNRRA) und in- ternationalen jüdischen Hilfsorgani- sationen.

Es wurden wieder jüdische Kinder geboren...

Nachdem UNRRA-Ärzte umge- hend in ihre Heimatländer zurück- kehrten, wurden schon 1945 von der

„Requisition for Labour for the Bri- tish Military Authority" zwölf deut- sche Ärzte und Krankenschwestern zu Dienstleistungen verpflichtet.

Zwei Ärzte arbeiteten in Ambulan- zen, zehn — sämtlich mit Facharzt- qualifikationen — im unversehrten und gut ausgestatteten Lazarett.

Das „Nach-Konzentrationsla- ger" entwickelte sich in den nächsten sechs Jahren auf ungewöhnliche Weise. Es wurde nicht aufgelöst, sondern es sammelte überlebende Juden aus allen Staaten des Ostens, die nach Israel oder in die USA aus- wandern wollten. Die Emigration wurde jedoch erst allmählich mög- lich nach Erlöschen des englischen Palästina-Mandats und Gründung des unabhängigen Staates Israel durch den Nationalrat der Juden am 15. Mai 1948.

In kurzer Zeit war das Lager mit Tausenden von Juden überfüllt, und die deutschen Ärzte sahen sich vor eine schwierige Aufgabe gestellt:

Auch die Gesunden waren krank.

Die Zuwanderer kamen aus den un- terschiedlichsten Sprach- und Kul- turräumen. Es waren fast nur Einzel- personen, die seit Jahren an der ma- teriellen und seelischen Existenz- grenze lebten. Dennoch blieben sie bei aller persönlichen Einsamkeit fest eingebunden in die jüdische

Glaubens-, Lebens- und Schicksals- gemeinschaft.

Die jüdischen Patienten akzep- tierten die Arzte vorbehaltlos. Ver- ständigungsschwierigkeiten gab es nicht. Es wurde jiddisch gesprochen und koscher gegessen. Die Arzte wurden zu Beschneidungen und Hochzeiten eingeladen, und nur sel- ten stellte jemand die heute so aktu- elle religionsphilosophische Frage:

Wo war Gott, als er das Elend seines Volkes nicht sehen wollte oder sein Antlitz vor Entsetzen abwandte?

Es ist unmöglich, die geleistete Arbeit der deutschen Arzte auch nur andeutungsweise zu beschreiben.

Vielen Kranken konnte das Leben erhalten werden, vielen die chroni- schen, jahrelang unbehandelten Lei- den gelindert werden. Neben der üb- lichen Krankenhausroutine gab es immer wieder ungewöhnliche Ge- schehnisse, zum Beispiel den Lüne- burger Prozeß oder die Landung der

Zahlreiche junge Ärzte in den neuen Bundesländern verlieren we- gen fehlender finanzieller Regelun- gen ihre Arbeitsplätze und können damit ihre Weiterbildung nicht be- enden. Darauf hat der Marburger Bund, die Gewerkschaft der ange- stellten und beamteten Ärzte, hinge- wiesen.

Nach den Regelungen im Gebiet der ehemaligen DDR hätten viele Ärzte sogenannte Ausbildungsver- träge mit poliklinischen Einrichtun- gen abgeschlossen. Für wesentliche Teile ihrer Ausbildung zum Facharzt (nach neuem Recht: Weiterbildung) wurden sie jedoch an Krankenhäuser delegiert, ohne dort in den Stellen- plänen geführt zu werden. Nun ist ihre Weiterbildung bedroht. Die Krankenhäuser wollen beziehungs- weise können die Kosten ebenso- wenig übernehmen wie die Poli- kliniken. In deren Abschlagszahlun- gen ist kein Betrag für die Arzte in der Weiterbildung enthalten. Denn die Weiterbildung fällt nach den Grundsätzen der alten Länder der

drei Exodus-Schiffe in Hamburg. Es gibt aber auch Glückliches zu berich- ten: In dem Hospital wurden wieder jüdische Kinder geboren. Bei der Geburt des hundertsten Kindes ha- ben Ärzte, Schwestern und Eltern ein kleines bescheidenes Fest gefei- ert.

Die Ärzte hatten indessen für die damalige Zeit auch große Vortei- le: sofort Zugang zur anglo-amerika- nischen medizinischen Literatur, op- timierte Medikamente, ausreichend Penicillin und ab 1946 sogar Strepto- mycin und — genug zu essen.

Die deutschen Arzte haben die Hilflosen, die ganz Alten und die chronisch Kranken betreut, die nur noch den Wunsch hatten, im Land ihrer Väter zu sterben.

Anschrift des Verfassers:

Dr. med. Friedrich J. Basjomann Wilhelmstraße 14

W-8400 Regensburg

Bundesrepublik nicht in den Bereich der ambulanten ärztlichen Versor- gung.

In einem Schreiben an das Bun- desgesundheitsministerium fordert der Marburger Bund, in Aussicht ge- stellte staatliche Mittel für die Arzte in der Weiterbildung nun umgehend zur Verfügung zu stellen. Diese For- derung hat auch die Bundesärzte- kammer bereits erhoben. Nach Aus- kunft von Dr. Uwe K. Preusker, Pres- sesprecher des Marburger Bundes, sei das Ministerium zwar bereit ge- wesen, Geld zur Verfügung zu stel- len. Nach seinen Informationen ha- be das Finanzministerium die Bewil- ligung jedoch abgelehnt. Inoffiziell wird die Summe von 150 Millionen DM genannt. Nach Preuskers Schät- zungen könnten damit die Stellen für betroffene Ärzte „für eine ganze Zeit, wohl mindestens ein Jahr" gesi- chert werden. Wird kein Geld zur Verfügung gestellt, dann fällt nach den Worten Preuskers der Nach- wuchs an Gebietsärzten für mehrere Jahre aus. EB/th

Der Nachwuchs an Gebietsärzten könnte ausfallen

A-740 (40) Dt. Ärztebl. 88, Heft 10, 7. März 1991

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