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Archiv "Kastration in Deutschland" (17.01.1991)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Kastration in Deutschland

E

ine Publikation über Kastration in Deutschland wird bei vielen ambivalente Emotionen provozieren.

Dies gilt vor allem für den deutschen Leser, denn in der Tat ist in der Bun- desrepublik der Eingriff keineswegs unumstritten. Er erinnert fatal an die brutale Bekämpfung von Sexualde- linquenten in der NS-Zeit von 1933 bis 1945. Wer Sexualität als aktivie- renden und beglückenden menschli- chen Daseinsaspekt versteht, wird primär aversiv auf die Vorstellung ei- ner operativen Desexualisierung rea- gieren. Negative Assoziationen lie- gen besonders nahe, wenn man an psychisch kranke Sexualstraftäter denkt, die mit der Kastration als Preis für die Wiedererlangung ihrer Freiheit bezahlen sollen. Dies kann als Rückfall in mittelalterliche Kör- perstrafen angesehen werden oder als inhumane Barbarei im Namen der Gerechtigkeit. Ist es nicht höchst unsensibel, wenn ausgerechnet in Deutschland noch Kastrationen vor- genommen werden, dem Land mit der zwangsweisen Sterilisation, dem rassistischen Sozialdarwinismus und dem Genozid in großen Teilen Euro- pas?

In den elf Jahren von 1934 bis 1945 wurden in Deutschland etwa 3000 Sexualstraftäter im Alter ab 21 Jahren gegen ihren Willen orchiek- tomiert. Dieser NS-Kastrationspara- graph wurde vom Alliierten Kon- trollrat sofort aufgehoben. Ab 1970 regelt ein Spezialgesetz außerhalb des Strafrechts die freiwillige Kastra- tion: Aus (extrem selten) medizini- schen und fast immer strafrechtlich- kriminalpräventiven Gründen kön- nen Sexualstraftäter — jetzt im Ge- gensatz zur NS-Zeit auch unter Ein- schluß homosexueller Kontakte mit 14- bis 17jährigen — einen Antrag beim zuständigen Kastrationsaus- schuß stellen, der aus einem Juristen und zwei Ärzten besteht. Jedes Bun- desland hat einen solchen Kastrati- onsausschuß bei der entsprechenden Ärztekammer.

Ungefähr 25 Prozent der in der Bundesrepublik zwischen 1970 und 1980 ausgeführten Kastrationen bei

Sexualdelinquenten entfallen auf die Ärztekammerbezirke Westfalen-Lip- pe und Schleswig-Holstein. Insge- samt wurden hier zwischen 1970 und 1980 104 Kastrationen durchgeführt.

Darüber hinaus lagen 53 Anträge auf Kastration vor, die nur in 17 Fällen von der Gutachterstelle nicht geneh- migt, aber zum größten Teil schon vor Entscheidung der Kommission (n = 30) und in sechs Fällen nach Genehmigung von den Antragstel- lern zurückgezogen wurden.

Ausgangskollektive einer kata- mnestischen Studie waren somit:

> 104 kastrierte Antragsteller (73 Prozent Pädophile, 22 Prozent sexuelle Aggressionstäter, drei Pro- zent Exhibitionisten, ein Prozent Homosexuelle, ein Prozent Nicht- Straffällige) und

D 53 nicht kastrierte Antrag- steller

aus den Jahren 1970-1980. Mittels persönlicher Explorationen, Drittbe- fragungen, Einsicht in Akten (nach vorher eingeholtem Einverständnis) und Strafregisterauszügen wurde versucht, Aufschluß zu gewinnen über die Sozial- und Legalbewäh- rung der beiden Untersuchungskol- lektive sowie für die kastrierten An- tragsteller über die postoperative Sexualität und psychosoziale Befind- lichkeit.

Postoperative Sexualität

Bei allen Probanden reduzierten sich das sexuelle Interesse und die Aktivität, die erotischen Phantasien und die spontanen oder stimulierten Erektionen. Bei den meisten (75 Prozent) nahm auch die Zahl der Kohabitationen und der Ejakulatio- nen innerhalb von sechs Monaten nach dem Eingriff deutlich ab. Etwa 25 Prozent aller Männer waren noch nach drei Jahren, und rund 20 Pro- zent noch nach fünf Jahren kohabi- tationsfähig. Die Zunahme eines neuen Bedürfnisses nach Hautzärt- lichkeit und allgemeiner, nicht geni- talzentrierter Körpersexualität (Pet- ting) ohne den koitalen Abschluß war für viele ein neuartiges, aber nicht unangenehmes Gefühl.

Postoperative Sexualdelinquenz Die Gegenüberstellung der in- ternational üblichen Rückfallquote in Prozent für die beiden Kollektive ergibt das bemerkenswert deutliche Resultat:

Bei den kastrierten Probanden ein Prozent (aufgrund von verurteilten Sexualdelikten) beziehungsweise drei Prozent (inklusive der katamne- stisch erfaßten Sexualdelikte) sexu- elle und 25 Prozent außersexuelle Rückfalltäter; bei den nichtkastrier- ten Probanden dagegen 23 Prozent, beziehungsweise 46 Prozent sexuell und 43 außersexuell rückfällig ge- wordene Straftäter.

Faßt man die sexuellen und au- ßersexuellen Delikte zusammen, so stehen 25 Prozent überhaupt wieder rückfällig gewordene kastrierte Pro- banden 75 Prozent Rückfälligen bei der Gruppe der Nicht-Kastrierten gegenüber.

Ein spezieller Rückfallindex für den Freiheitsentzug nach Antrag- stellung gibt das Gewicht der Strafta- ten und auch das Ausmaß des staatli- chen Eingriffes in die Lebensgestal- tung der Täter besser wieder. Hier- bei wird die tatsächlich in Freiheit verbrachte Zeit mit den durch Strafe und Unterbringung wegen der Rück- fälle ausgeworfenen Freiheitsentzü- gen ins Verhältnis gesetzt. Danach mußten die nichtkastrierten Sexual- straftäter einen zehnfach höheren Anteil des Katamnesezeitraumes im Freiheitsentzug verbringen als die kastrierten Sexualstraftäter.

Ethische Aspekte

Die Sexualwissenschaft hat zu Recht ihre Vorbehalte gegenüber der Kastration von Sexualstraftätern zum Ausdruck gebracht und histo- risch und anthropologisch, endokri- nologisch und psychoanalytisch wie auch empirisch begründete Antithe- sen aufgestellt. Die aufgezeigten Er- gebnisse entkräften nicht nur die empirischen Einwände, sondern ver- schieben die weiterhin notwendigen Kontroversen in den ethischen Be- reich. Es geht jetzt nicht mehr um die abstrakte Frage, ob man für oder gegen Entmannung ist, sondern man muß auch die Verantwortung für un- befriedigende Lösungen überneh- men, wenn konkrete Hinweise vor-

A-130 (74) Dt. Ärztebl. 88, Heft 3, 17. Januar 1991

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liegen, daß sie dem dauernden Wohl des Patienten in seiner biopsychoso- zialen Gesamtheit dienen können.

Von der Kritik wird nicht nur der viktimologische Aspekt häufig vernachlässigt, sondern auch der tä- terbezogene Aspekt, daß mißglückte Sexualität eine Quelle von Frustrati- on, Leid und Fremdbestimmung sein kann, die persönliche Freiheit aber

Endosonographie, Ultraschall und Computer-Tomographie (CT) wurden prospektiv bei 52 Patienten mit extrahepatischer Cholestase durchgeführt. 35 Patienten wiesen extrahepatische biliäre Obstruktio- nen auf (21 mit, 14 ohne Tumor); 17 Patienten mit vor kurzer Zeit aufge- tretener Gallensteinwanderung im Gallengang zeigten zum Untersu- chungszeitpunkt keine extrahepati- schen Obstruktionen. Eine endgülti- ge Diagnose wurde durch Operation (39 Patienten), transendoskopische Sphinkterdurchtrennung (elf Patien- ten) oder ERCP (zwei Patienten) ge- stellt.

Die Endosonographie stellte sich bei der positiven Diagnose einer Obstruktion als signifikant sensitiver dar als der Ultraschall oder die CT (100 Prozent gegenüber 80 und 83

Das Krankheitsbild des Diabe- tes vom Typ II zeigt eine Störung der Insulinsekretion bei gleichzeitiger Insulinresistenz der peripheren Ge- webe. Der größte Teil der Glukose wird von der Skelettmuskulatur auf- genommen und entweder zu CO 2

und H2O oxidiert oder durch nicht oxidative Prozesse zu Laktat und Glykogen verstoffwechselt. Messun- gen an Präparaten von Skelettmus- kel-Biopsien ergaben indirekte Hin- weise darauf, daß der größte Teil der dort metabolisierten Glukose über nicht oxidative Prozesse zu Glykogen verarbeitet wird. Bei Patienten mit

die Basis für eine individuelle Le- bensgestaltung ist. wla/bir

Wille, R. und K. M. Beier, Castration in Germany. Annals of Sex Research 2 (1989) 103-133.

Prof. Dr. med. Dr. jur. R. Wille, Dr. med.

Dr. phil. K. M. Beier, Sexualmedizinische Forschungs- und Beratungsstelle an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Arnold-Heller-Straße 12,2300 Kiel.

Prozent jeweils). Die Endosonogra- phie war ebenfalls signifikant genau- er als der Ultraschall oder die CT (97 Prozent gegenüber 49 und 66 Pro- zent) bei der Diagnose der Obstruk- tionsursache und effektiver bei der Festlegung der lokoregionalen Ver- breitung einer tumorösen Obstrukti- on (75 Prozent gegenüber 38 und 62 Prozent). Die Autoren kommen zu der Schlußfolgerung, daß die Endo- sonographie gegenüber dem Ultra- schall und der CT bei der Diagnose und dem Staging von biliären Ob- struktionen überlegen war. Lng

Amouyal, P. et al: Endosonography: Pro- mising Method for Diagnosis of Extrahe- patic Cholestasis, Lancet II, (1989) 1195-1198

Dr. Paul Amouyal, Service d'Hepatoga- stroenterologie, Höpital Beaujon, 92118 Clichy Cedex, Frankreich

Typ-Il-Diabetes und Insulinresistenz liegt wahrscheinlich eine erniedrigte insulin abhängige Glykogensynthese in der Skelettmuskulatur vor.

Die Schwankungen der Glyko- genkonzentration in Muskelbiopsie- Präparaten sind naturgemäß sehr ge- ring. Daher ließen sie sich in vivo bis- her nur unvollständig bestimmen. In- direkte Hinweise ergaben sich je- doch schon aus mehreren Studien.

So konnten Young et al. (1) zeigen, daß es bei klinisch Gesunden mit gleichzeitiger Insulinresistenz zu ei- ner im Vergleich zur Kontrollgrup- pe erniedrigten Glykogensynthese

kommt, nachgewiesen an radioaktiv markierter Glukose. Des weiteren scheint es eine positive Korrelation zwischen insulinabhängigem, nicht oxidativen Glukosemetabolismus und der Glykogensynthese-Aktivität der Skelettmuskulatur zu geben (2).

Mit einer neuen Methode, der Kernspin-Spektroskopie (NMR) mit

l3C konnten Shulman et al. (3) nun erstmals den muskulären Glykogen- stoffwechsel in vivo detailliert unter- suchen. Die Autoren konnten nach- weisen, daß der größte Teil der insu- linabhängig verstoffwechselten Glu- kose zur Synthese von Glykogen ver- wendet wird. Bei Patienten mit Dia- betes II fanden die Autoren eine um die Hälfte reduzierte Glykogensyn- these und eine um etwa um 60 Pro- zent reduzierte Aufnahme von Glu- kose durch die Skelettmuskulatur.

Darüber hinaus beobachtete man bei diesen Diabetikern einen verzöger- ten Start der muskulären Glykogen- synthese. Der molekulare Defekt, der beim Typ-Il-Diabetiker die Gly- kogensynthese reduziert, konnte in dieser Studie allerdings noch nicht gefunden werden. Es ist jedoch wahrscheinlich, daß der beschriebe- ne Defekt in der insulinabhängigen Glykogensynthese eine wesentliche Rolle in der Pathogenese des Typ-II- Diabetes spielt. sht

Bogardus, D., S. Lillioja: Where All the Glucose Doesn't Go in Non-Insulin-De- pendent Diabetes Mellitus. N. Engl. J.

Med. 322 (1990) 262-263

(1) Young, A. A., C. Bogardus, D. Wolfe- Lopez, D. M. Mott: Muscle glycogen syn- thesis and disposition of infused glucose in humans with reduced rates of insulin-me- diated carbo-hydrate storage. Diabetes 37 (1988) 303-308

(2) Bogardus, C., S. Lillija, K. Stone, D.

Mott: Correlation between muscle glyco- gen synthesis activity and in vivo insulin ac- tion in man. J. Clin. Invest. 73 (1984) 1185-1190

(3) Shulman, G. I., D. L. Rothman, T. Jue, P. Stein, R. A. De Fronzo, R. G. Shulman:

Quantitation of muscle glycogen synthesis in normal subjects and subjects with non- insulin-dependent diabetes by 13C nuclear magnetic resonance spectroscopy. N. Engl.

J. Med. 322 (1989) 223-228

National Institute of Diabetes and Digesti- ve and Kidney Disease, Phoenix, AZ 85016, USA

Endosonographie zur Diagnose der extrahepatischen Cholestase

Diabetes II:

Glykogensynthese reduziert

A-132 (76) Dt. Ärztebl. 88, Heft 3, 17. Januar 1991

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