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numstritten ist die Bedeutung der medizinischen Dokumentation für das Gesundheitswesen, unumstrit- ten ist auch, dass man zur Optimierung von Qualität, Transparenz und Ver- gütung in der Gesundheitsversorgung auch künftig nicht auf sie verzichten kann. „Die Medizinische Dokumenta- tion ist das Basiswerkzeug des Gesund- heitswesens“, lautete denn auch das Credo Christian Lebers bei einem Symposium des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland (ZI)*. Denn nur die Dokumentati- on, so der Oberregierungsrat im Bundesministerium für Gesund- heit und Soziale Sicherung, ermög- liche eine realitätsgerechte Abbil- dung der Morbidität und des Lei- stungsgeschehens.Zweifel vieler Teilnehmer am un- mittelbaren Nutzen der medizini- schen Dokumentation blieben zwar nicht aus. Dem Vorwurf, aus den ge- sammelten Daten entständen Daten- friedhöfe, die keiner brauche und die zu erfassen nur Geld koste, wurde jedoch widersprochen: „Wir brauchen zwar keine Totalerfassung, um Sicher- heit zu erlangen, aber es ist besser, Da- ten aus dem Prozessgeschehen abzulei- ten und zu kodieren, als sie untergehen zu lassen“, wandte beispielsweise Prof.
Dr. med. Wolfgang Giere ein. Zudem stehe außer Frage, dass eine fundierte Dokumentation die ärztliche Tätigkeit erleichtere, so der ehemalige Leiter des Zentrums der Medizinischen Informa- tik an der Universität Frankfurt/Main.
Es seien allerdings noch einige Punkte optimierbar: So schlug Giere vor, einen
– der Krankenhausleitung direkt unter- stellten – „Chief Information Officer“
einzusetzen, um die derzeitige Kodie- rung zu zentralisieren. Darüber hinaus hält er es für sinnvoll, die primäre Do- kumentation strikt von der sekundären, also der Klassifikation, zu trennen.
Auch sollte verhindert werden, dass Softwaresysteme eingesetzt werden, die
weder problemorientiert sind, noch Klartext schreiben.
Auf die Notwendigkeit einer moder- nen Praxis-EDV verwies auch Leber.
Dies machten „die rasche Entwicklung der Medizinischen Dokumentation und die gestiegenen Anforderungen des Ge- setzgebers deutlich“. In den vergangenen Jahren habe sich eine Menge getan: 1992 wurde die ICD-Verschlüsselung für Krankenhäuser und Ärzte eingeführt, acht Jahre später folgte der ICD-10-SGB V mit mehr als 12 000 Kodes. Gab es bis 2003 noch unterschiedliche Kodierungs- versionen für Krankenhäuser und Arzt- praxen, werden die Diagnosen seit 2004
einheitlich verschlüsselt. Die Vorteile dieser Entwicklung seien offensichtlich:
Nicht nur die Qualität ärztlicher Leistun- gen sei gestiegen, sondern durch die Ein- führung der Diagnosis Related Groups (DRGs) gebe es auch mehr Transparenz in der Vergütung.
Die elektronische Dokumentation sei nicht nur eine Gedächtnisstütze für den Arzt und sinnvoll für Praxisnachfolger, Wissenschaftler, Krankenkassen und Pharmaunternehmen, urteilte Dr. jur.
Thilo Weichert, Datenschutzbeauftrag- ter des Landes Schleswig-Holstein beim Landeszentrum für den Datenschutz, Kiel. Sie sei zudem wichtig, um Behand- lungsfehler nachzuweisen. „Die Einwil- ligung des Patienten muss aber Voraus- setzung sein“, so Weichert. Um patien- tengerecht vorzugehen, müssten beim Aufbau der elektronischen Dokumenta- tion Gütesiegel eingeführt und Vorab- kontrollen durchgeführt werden.
Um die medizinische Dokumentation für die Epidemiologie fruchtbar zu ma- chen, sei es erstrebenswert, gezielt auf bestimmte Fragestellungen bezogen zu dokumentieren, schlug Dr. rer.
nat. Iris Zöllner vor. Der Vizepräsi- dentin der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biome- trie und Epidemiologie zufolge wird zwar viel und detailliert dokumentiert.
„Für epidemiologische Fragen sind die meist abrechnungsorientierten Daten jedoch mitunter nicht auswertbar“, so Zöllner. Zudem seien die Dokumenta- tionen oftmals zu uneinheitlich, um die Daten in der Praxis zu nutzen.
Anders als in Deutschland werde die medizinische Dokumentation in Öster- reich nicht für die epidemiologische For- schung verwandt, erklärte Prof. Dr. techn.
Karl Peter Pfeiffer von der Medizini- schen Universität Innsbruck. Im Übri- gen sei sie jedoch weit fortgeschritten:
Bereits seit 1989 wird in Österreich ko- diert, seit acht Jahren arbeiten die Kran- kenhäuser mit diagnosebasierten Fall- pauschalen. Darüber hinaus werden die gesammelten Daten überwiegend ge- nutzt. „Der Gesetzgeber gibt nicht nur vor, welcher Datensatz erhoben werden soll, sondern macht die Medizinische Dokumentation auch zur Chefsache und legt fest, dass in jedem Krankenhaus ein Datenqualitätsbeauftragter arbeiten muss“, so Pfeiffer. Martina Merten P O L I T I K
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A726 Deutsches ÄrzteblattJg. 102Heft 1118. März 2005
* Anlässlich des 65. Geburtstages von Dr. med. Bernd Graub- ner wurden im Rahmen des Symposiums seine Arbeiten auf dem Gebiet der Klassifikation und Verschlüsselung von Krankheiten und medizinischen Prozessen im ZI gewürdigt.