Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 111|
Heft 50|
12. Dezember 2014 A 2237D
er Lange Graben ist Halls steiniger Laufsteg von der Unter- in die gemütliche Oberstadt.Fünf Minuten Fußweg und man steht im Mittelalter. Sterne aus ge- brochenem Spiegelmosaik reflek- tieren alte Hausfassaden und zau- bern eine weihnachtliche Atmo- sphäre in die Gassen. Turbulent wird es in der Altstadt mit ihren mehr als 300 ensemblegeschützten Häusern nur dann, wenn das Fern- sehen dort Szenen für einen „Tat- ort“ oder „Bergdoktor“ dreht. Zur Filmkulisse wurde der historische Stadtkern jedoch erst, als ab 1970 die Altstadt saniert und restauriert wurde. Heute überzeugt das heim- geholte Mittelalterflair nicht nur Regisseure, Architekten und Touris- ten. Experten erkannten der Klein- stadt schon vor 30 Jahren den ers- ten österreichischen Staatspreis für Denkmalschutz zu.
Mit einem Potpourri adventlich kolorierter Zugaben stellt sich eine festliche Stimmung fast von selber ein: Man nehme zwei Dutzend Zah- len, eine Handvoll Farbscheiben und ein paar Beamer und mit An- bruch der Dunkelheit leuchten auf
Hauswänden, Zinnen und Dächern 24 Ziffern. Gefärbt in Rot, Blau, Gelb, Rosa und Violett summiert sich die projizierte Zahlenparade zu Ös- terreichs größtem Adventskalender.
Acht Gassen streben hinauf auf den Stadtplatz zur Pfarrkirche. Hin- ter dem Kirchturm rahmt das Kar- wendelgebirge das alte Zentrum ein. „Scho amol a echtes ,Zirberl‘
probiert?“ Samtweich fließt der harzige Brand die Kehle hinun- ter, während Schneeflocken auf die kalte Nase rieseln. Das besondere
„Tröpferl“ von den Zapfen des Zir- benbaums ist ebenso eine regionale Spezialität wie das „Kiachl“ (Krap- fen) mit Sauerkraut und Preiselbee- ren oder die deftige Graupensuppe mit Bauchfleisch.
Hall bewirbt sich 2015 um
den Titel „Weltkulturerbe“In der Schlossergasse 11 quietschen die Geigen. Mit sieben Jahren be- gann Meister Arnold Posch die Gei- ge zu streichen. Heute baut, repa- riert und verleiht er in seiner Werk- statt Instrumente und spricht mit Gästen über sein Handwerk, Musik, Tiroler Traditionen und Geschichte.
Für ihre Vergangenheit will sich die ehemalige wohlhabende Salinen- stadt nun mit dem Titel „Weltkul- turerbe“ adeln lassen. Die in Hall noch praktizierten Handwerksküns- te, die Altstadt und das einst die ganze Welt prägende Münzwesen sollen die Juroren im kommenden Jahr überzeugen.
Gegenüber dem alten Zentrum befindet sich in der Burg Hasegg die Wiege des Talers und des heuti- gen Dollars. Von Ende des 15. Jahr- hunderts bis 1809 wurden in Hall rund 17 Millionen Maria-Theresia- Taler produziert. Der eitle Erzher- zog Ferdinand II. nutzte die Geld- stücke als PR-Plattform, um sich mit allerlei modischem Schnick- schnack von seiner vermeintlich besten Seite zu zeigen. Absoluter Renner bei den Superreichen war eine prächtige Silbermünze. Im- merhin hatte dieser erste repräsen- tative Taler der Welt den Material- wert der Mitgift für eine Tochter aus höherem Hause. Aus dem süd- amerikanischen Namen „Talares“
leitete sich später „Dolares“ ab. Ei- ne Entwicklung, die Touristikbro- schüren schreiben lässt, in Hall sei der Dollar erfunden worden.
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Manfred Lädtke
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Information: www.hall-wattens.at Tirols originells-ter Adventskalen- der leuchtet in Hall.
Der Ort am Fuß des Karwendelgebirges ist auch bekannt für seine „Kiachl“ – entweder süß mit Puderzucker oder herzhaft mit Sauerkraut.
Fotos: Manfred Lädtke
HALL IN TIROL