A1826 Deutsches ÄrzteblattJg. 105Heft 365. September 2008
P O L I T I K
A
utoren medizinischer Lexika sei ein Besuch der Kinderuni Medizin der Mannheimer Uniklinik sehr empfohlen, denn auch dieses Jahr wurde deutlich, dass es einiger Änderungen in den einschlägigen Werken bedarf. Unter „Blutdruck“stünde dann beispielsweise: „den hat meine Oma“, und EKG ist ein- fach, „wenn man viele Stöpsel auf dem Bauch hat“. Bereits eine halbe Stunde vor Vorlesungsbeginn wu- seln etliche Kinder zwischen acht und zwölf Jahren durch den Hörsaal auf der Suche nach dem besten Platz neben dem besten Freund. Begrüßt wird jedes Kind persönlich von Dr.
Oliver Jandewerth – für die Kinder einfach „Dr. Olli“. Jandewerth ist Anästhesist und übernimmt bei die- ser Veranstaltung die Rolle des Mo- derators und ärztlichen Koordina- tors. Ziel der Kinderuni ist es, den kleinen Studenten ein Gefühl für ihren eigenen Körper zu vermitteln und zu zeigen, was er braucht, wie er funktioniert und wie man ihn schützen sollte. Außerdem wollen die Macher der Kinderuni den klei- nen Studenten helfen, besser mit
den Krankheiten der Eltern, Großel- tern oder der Geschwister umgehen zu können.
Seit dem Start der Kinderuni in Mannheim vor drei Jahren ist der Andrang ungebrochen groß. Des- halb gab es dieses Jahr ein Novum:
Alle Vorlesungen wurden zweimal angeboten, sodass ungefähr 1 200 Kinder teilnehmen konnten. Die Vorlesungen tragen spannende Ti- tel: Priv.-Doz. Dr. Alexandra Claus fragt sich beispielsweise, „Warum Ritter Rüstungen trugen“. Anhand des Bilds eines Ritters erklärt sie, wie wichtig es ist, den eigenen Kör- per zu schützen, heutzutage vor al- lem beim Sport, denn wie die Kin- der ganz richtig feststellen: „Ritter gibt es nicht mehr.“ Als Überra- schung hat sie einen ehemaligen Profieishockeyspieler eingeladen, der sich in seiner ganzen Montur präsentiert. Prof. Dr. Grietje Beck versucht mit ihrer Vorlesung
„Schreckgespenst Krankenhaus?“, den Kindern die Angst vor einem Klinikaufenthalt zu nehmen. Mithil- fe eines selbst gedrehten Films führt sie durch die Klinik und erklärt, was
ein „Schockraum“ ist und was „sta- tionäre Behandlung“ bedeutet. Die Kinder sind aufmerksam dabei, und bei jeder Frage schnellen etliche Finger in die Höhe. „Das ist pure Neugier, Unbefangenheit, da ist kei- ne Scheu, auch mal eine merkwür- dige, ausgefallene Frage zu stellen“, schwärmt Jandewerth.
Die Kinder kommen auch mit Sorgen und Ängsten
Doch nach drei Jahren Kinderuni weiß das Team um Jandewerth, dass die Kinder neben aller Neugier auch mit Sorgen und Ängsten kommen.Sie berichten von erlebten Sport- unfällen und fragen: „Was hätte da noch alles passieren können?“ Den Preis für die schönste Frage vergibt Claus an das Mädchen, das wissen will, ob man die Zunge abschneiden muss, wenn sie am Eis festklebt.
Auf einen solchen Gedanken sei sie selbst nie gekommen, und es über- rasche sie, was Kindern alles in den Sinn komme.
Mit der Organisation der Kinder- uni beginnt das Team der Uniklinik Mannheim bereits im Herbst des Vorjahres. Jandewerth kümmert sich um die Referenten und die Themen.
In den drei Jahren habe er noch kei- ne einzige Absage bekommen, viel- mehr musste er schon Referenten ablehnen, da die Tagesordnung der Kinderuni bereits prall gefüllt war.
Die Kinderuni ist ein Geben und Nehmen: Während die Kleinen ihren Wissensdurst stillen, nehmen die Dozenten viel für ihren alltäglichen Umgang mit kleinen Patienten mit und lernen ihr Fach noch einmal aus einem ganz anderen Blickwinkel kennen. Apropos, wer hat eigentlich das Krankenhaus erfunden? I Berit Griebenow
KINDERUNI MEDIZIN
„Muss man die Zunge abschneiden, wenn sie am Eis festklebt?“
Fragen über Fragen und Medizin zum Anfassen: Die Kinderuni Medizin
am Mannheimer Uniklinikum schafft es, Naturwissenschaft und Spaß zu verbinden.
Medizin zum An- fassen:Die Fragen der kleinen Studie- renden überraschen Priv.-Doz. Dr. med.
Alexandra Claus im- mer wieder.
Foto:Manfred Rinderspacher