[74] Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 106⏐⏐Heft 9⏐⏐27. Februar 2009
B E R U F
A
uf berufliches Fehlverhalten bei angestellten Ärzten oder beim medizinischen Personal müs- sen Vorgesetzte und Praxisinhaber reagieren. Es gilt die Interessen von Patienten und Mitarbeitern zu wah- ren sowie haftungsrechtliche Risi- ken abzusichern. Eine formelle Ab- mahnung ist dann oft das einzige Mittel, um die Einhaltung der beruf- lichen Regeln nachhaltig sicherzu- stellen. Erscheint die Trennung von einem Mitarbeiter unvermeidlich, ist die Abmahnung darüber hinaus (fast) immer auch Voraussetzung für die Wirksamkeit einer verhaltensbe- dingten Kündigung.Vor Ausspruch einer Kündigung aus Gründen, die im Verhalten des Arbeitnehmers liegen, ist in den meisten Fällen eine Abmahnung auszusprechen. Dieser in der Recht- sprechung zum Kündigungsschutz entwickelte Grundsatz hat einen doppelten Sinn: Die Abmahnung soll dem Arbeitnehmer seinen Ver- stoß gegen die arbeitsvertraglichen Pflichten vor Augen führen („Be- anstandungsfunktion“) und ihm gleichzeitig aufzeigen, dass er im Wiederholungsfall mit arbeitsrecht- lichen Konsequenzen, insbesondere mit einer Kündigung, rechnen muss („Warnfunktion“). Nach dem Be- rufsbildungsgesetz ist der Arbeitge- ber bei verhaltens- oder leistungsbe- dingten Kündigungen von Auszu- bildenden sogar rechtlich zum Aus- spruch einer vorausgehenden Ab- mahnung verpflichtet.
In Vorbereitung einer verhaltens- bedingten Kündigung können, je nach Schwere der Pflichtverletzung, eine oder mehrere Abmahnungen erforderlich sein. Wiederholt der Abmahnungsempfänger dennoch das beanstandete Verhalten, ist eine Kündigung aufgrund der neuerli- chen, also fortgesetzten Pflichtver-
letzung zulässig. Doch muss sich genau das bereits beanstandete Fehl- verhalten wiederholen.
Stellt sich im Kündigungsrechts- streit heraus, dass eine Abmahnung, obwohl erforderlich, nicht ausge- sprochen wurde, ist die Kündigung bereits aus diesem Grund unwirk- sam. Denn die Kündigung soll nur das letzte Mittel zur Lösung eines Konflikts zwischen den Arbeits- vertragspartnern darstellen. Nur in Ausnahmefällen darf auf eine Ab- mahnung verzichtet werden, wenn sie etwa von vornherein zwecklos erscheinen muss, so zum Beispiel
bei einer durch Wort und Tat un- termauerter Leistungsverweigerung oder beim sprichwörtlichen Dieb- stahl „goldener Löffel“.
In der Abmahnung muss die Pflichtverletzung des Arbeitneh- mers so genau wie möglich be- schrieben werden. Nur so kann der Mitarbeiter klar erkennen, was an seinem Verhalten beanstandet wird und was er in Zukunft zu unterlassen hat. Diesem inhaltlichen Bestimmt- heitserfordernis genügen pauschale Formulierungen wie „schlechte Ar- beitsleistungen“ oder „Unzuverläs- sigkeit“ nicht.
Eine wirksame Abmahnung soll- te folgende Bestandteile enthalten:
> die konkrete Feststellung des beanstandeten Verhaltens
> die Rüge der Pflichtverletzung
> die Aufforderung zu künftigem vertragsgetreuem Verhalten und
> die eindeutige Ankündigung ar- beitsrechtlicher Konsequenzen im Wiederholungsfall.
Abmahnungen sind nicht formbe- dürftig und können daher schriftlich, aber auch mündlich ausgesprochen werden. Zur Beweissicherung sollte der Arbeitgeber jedoch immer eine schriftliche Abmahnung erteilen.
Die Anhörung des Arbeitnehmers noch vor Ausspruch einer Abmah- nung ist nur dann Voraussetzung für deren Wirksamkeit, wenn beson- dere Regelungen dies vorsehen. Für den öffentlichen Dienst war bisher in § 13 BAT geregelt, dass der An- gestellte über Beschwerden und Be- hauptungen tatsächlicher Art, die für ihn ungünstig sind, vor Aufnah- me in die Personalakten gehört wer- den muss. Soweit nun der Tarifver- trag für den öffentlichen Dienst (TVöD) gilt, hat sich die Rechtslage geändert: Hiernach muss der Be- schäftigte vor der Abmahnung nicht mehr zwingend gehört werden.
Im Tarifvertrag für Ärzte an Uni- versitätskliniken (TV-Ärzte) ist je- doch eine besondere Regelung ent- halten, die die vorherige Anhörung eines Arztes vor Aus- spruch der Abmahnung vorschreibt. Die Äuße- rung des Arztes zur Ab- mahnung ist dann zusam- men mit dieser in die Personalakte zu nehmen.
Eine entsprechende Vorschrift gibt es für das ärztliche Personal an kom- munalen Krankenhäusern (TV-Ärz- te/VKA) dagegen nicht. Hier müs- sen die Ärzte vor einer Abmahnung also nicht gehört werden.
Der arbeitsrechtlichen Abmah- nung kommt in der Praxis wegen ih- rer Dokumentations- und Warnfunk- tion sowie als strategischer Schritt zur Vorbereitung einer Kündigung eine große Bedeutung zu. Gleich- wohl werden hier häufig Fehler ge- macht, weil das Fehlverhalten nicht exakt und detailliert beschrieben wird oder eine Androhung der ar- beitsvertraglichen Konsequenzen bei weiterem Fehlverhalten fehlt. Daher sollte darauf geachtet werden, dass die inhaltlichen Erfordernisse erfüllt sind. Genügt eine Abmahnung die- sen Anforderungen nicht, kann der Arbeitnehmer die Entfernung aus der Personalakte verlangen und dies auch gerichtlich durchsetzen. I RAin Annika Adams, Köln
DIE ABMAHNUNG