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Abmahnung! Und nun?

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Academic year: 2022

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Abmahnung!

Und nun?

13 Alnatura – außen

hui, innen ... 18 Gleiches Geld für

gleiche Arbeit

16 Anpfiff! EM 2016

Die Zeitschrift für Betriebsräte in Deutschland 2 | 2016

13 Alnatura – außen

hui, innen ...? 18 Gleiches Geld für

gleiche Arbeit

16 Anpfiff! EM 2016

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2 2 | 2016 der betriebsrat

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Endlich ist er da, der Frühling. Traditionell ist es der Zeitpunkt, zu entrümpeln und sich mit einem Großreinemachen vom Winter zu verabschieden. Diesen Brauch gibt es schon lange: Die alten Römer kannten „februare“ (reinigen) schon ab Februar, in vielen anderen Regionen fand das Säuberungsritual ab April statt. In den Häusern wurde gefegt, gefeudelt und gewienert. Auch heute noch kennen viele das Bedürfnis, sich im Frühjahr vom Winterstaub zu befreien und alles frisch zu machen.

Den Schwung der Frühlingssonne sollten auch Betriebsräte nutzen und einmal kräf- tig auf den Putz hauen. Natürlich nur im übertragenen Sinne: Über den Jahreswech- sel sind vielleicht wichtige Projekte liegengeblieben? Oder es gibt Aufgaben, die auf die lange Bank geschoben wurden? Nicht zu vergessen die Betriebsvereinbarungen, die dringend aktualisiert werden müssten! Die Liste der Aufgaben ist mitunter lang.

Doch Vorsicht vor zu viel Tatendrang: auch beim Frühjahrsputz sollte man nicht alles auf einmal erledigen wollen. Setzen Sie sich zusammen und planen Sie Ihren persön- lichen Frühjahrsputz im Betriebsrat. Ziehen Sie Bilanz, stecken Sie sich neue Ziele und benennen Sie hierfür Verantwortliche. Sie werden sehen, es lohnt sich.

Viel frischen Wind durch den Frühjahrsputz wünscht

Ihr

Leiter des Instituts zur Fortbildung von Betriebsräten

Betriebsräte, haut auf

den (Frühjahrs)Putz!

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4 2 | 2016 der betriebsrat

Abmahung – und nun?

Wer vom Chef eine Abmahnung kassiert, sollte dies nicht auf die leichte Schulter nehmen.

Denn Abmahnungen sind der erste Schritt zur Kündigung. Was viele nicht wissen: Häufig werden Abmahnungen rechtswidrig erteilt.

Welches Verhalten überhaupt abgemahnt wer- den darf und wie Betroffene reagieren können,

erläutert unser Referent Daniel Feilmeier.

8

Impressum

Alnatura – außen hui, innen ...?

Erst vor wenigen Wochen hat die Bio-Supermarktkette Alnatura aus Südhessen seine 100. Filiale eröffnet, eine gute Gelegenheit für positive Schlagzeilen Doch es gibt tiefe Kratzer im Image: In einer Bremer Filiale soll die Gründung eines Betriebsrats verhindert worden sein.

Inhalt

14

Herausgeber

ifb Institut zur Fortbildung von Betriebsräten KG Prof.-Becker-Weg 16

82418 Seehausen am Staffelsee

Verantwortlich Hans Schneider (V.i.S.d.P.) Redaktion CB - Christine Bergmann-Oehmichen Mitwirkung an dieser Ausgabe

Renate Tobin (RT)

Kontakt redaktion-dbr@ifb.de Layout www.werbestudio-flenger.de Bildnachweis 3©Marek Vogel |

Fotolia.com: 1©contrastwerkstatt, ©Aaron Amat, 4©Aaron Amat, 5©Gina Sanders, 5+28+34+41©Kzenon, 6©Robert Kneschke, 7© julien tromeur, ©picsfive, 8© shutterstock 10©sakkmesterke, 14©flucas, 16©Mariusz Blach, 18©freshidea, 20©ibreakstock, 33©Marco2811, 34©leowolfert, 39©Paul Hill Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, Aufnahme in Onlinedienste und Internet sowie Vervielfältigung auf Datenträgern, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung des Herausgebers. Für die bereitgestellten Informationen kann trotz sorgfältiger Bearbeitung keine Gewähr übernommen werden.

Impressum

Mit einem Klick auf die Überschrift geht‘s zum Artikel

3 Betriebsräte, haut auf den (Frühjahrs)Putz!

4 Inhalt

6 kurz gemeldet

8 Abgemahnt – was tun?

Arbeitnehmer, nehmt eine Abmahnung nicht auf die leichte Schulter!

11 Compliance!

In Zeiten von VW-Skandal und Panama-Papers mehr denn je ein BR-Thema

12 Alnatura – außen hui, innen …?

Bio-Unternehmen will keinen Betriebsrat

14 Anpfiff!

Betriebsräte, denkt schon jetzt an die EM

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Inhalt

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Sicherheitsbestimmungen

Gesundheit und Sicherheit gehören einfach zu einem guten Arbeitsplatz. Doch wer haftet eigentlich, wenn die Vorschriften des Arbeits- schutzes nicht beachtet werden?

Gleiches Geld für gleiche Arbeit!

Für die gleiche Arbeit bekommen Beschäftigte auch das gleiche Geld. Ist doch logisch, oder? Leider nicht:

Im Schnitt verdienen Frauen rund 22 % weniger als Männer, besser bekannt als Gender Pay Gap. Ändern will dies das Gesetz für mehr Lohngerechtigkeit zwischen Frauen und Männern. Kaum ist der Ent- wurf da, hagelt es Kritik aus dem Arbeitgeberlager.

Dabei bietet es enorme Möglichkeiten – auch für die Betriebsräte, meint unsere Referentin Andrea Kraatz.

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17 Gleiches Geld für gleiche Arbeit!

Gender Pay Gap – Neue Möglich- keiten für den Betriebsrat

21 Rente? Nicht mit mir!

Schwerbehindertenvertretung einmal anders

22 Fristlose Kündigung ist unwirksam

Betriebsrat bleibt im Amt

23 Business Romantiker.

Von der Sehnsucht nach einem anderen Wirtschaftsleben

25 Aus zwei mach eins!

Beim Betriebsrat der DJH-Hauptgeschäftsstelle

28 Achtung Arbeitszeugnis!

Formulierungen und ihre Tücken

35 Ach wie gut, dass keiner weiß …

Keine Flucht aus dem Sozialplan bei Ausgliederungen

38 Recht aktuell

40 Sicherheitsbestimmungen!

Wer ist eigentlich für die Einhaltung des Arbeitsschutzes verantwortlich?

42 Mit Spaß und Begeisterung für Betriebsräte

Sabine Wolfgram blickt auf 20 Jahre zurück

44 Hotel-Ranking unserer Teilnehmer

Das sind unsere Besten!

45 Erwin Willing

47 101 Stichwörter

das Erfolgsbuch von Erwin Willing

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6 2 | 2016 der betriebsrat

kurz gemeldet

Weniger Kontrollen beim Mindestlohn

Die beim Zoll angesiedelte Finanzkon- trolle Schwarzarbeit (FKS) hat 2015 deutlich weniger Betriebe auf Einhal- tung des Mindestlohns kontrolliert als noch im Vorjahr. Waren es 2014 noch gut 63.000 Betriebe, überprüfte der FSK 2015 nur noch knapp 43.700 Be- triebe. Dies geht aus einer Antwort des Bundesfinanzministeriums auf eine Anfrage von Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag hervor. Besonders inte- ressant: In der Baubranche ist die Zahl der Kontrollen sogar um fast die Hälfte auf knapp 17 000 gesunken.

Bodensee

Lebendiger See 2016

Die internationale Umweltstiftung Global Nature Fund (GNF) und das Netzwerk Lebendige Seen Deutsch- land haben den Bodensee zum „Leben- digen See des Jahres 2016“ ernannt.

Der Bodensee sei für den Erhalt der Biologischen Vielfalt von herausragen- der Bedeutung. Der Bodenseeraum sei eine der begehrtesten Wohngegenden Deutschlands, laut bundesweiten Um- fragen fühlten sich die Menschen hier am wohlsten. Grund seien das klare Wasser, eine große Artenvielfalt und eine Landschaft wie aus dem Bilder- buch. Der See, der rund 4,5 Mio. Men- schen mit Trinkwasser versorgt, locke mit seinen Natur- und Kulturschätzen jährlich viele Mio. Touristen an.

Bundesbank holt Goldreserven zurück

Die Bundesbank holt immer mehr Goldbestände aus dem Ausland in die eigenen Tresore zurück. Hintergrund ist ein neues Lagerstättenkonzept. Bis- her wurden bereits 366 Tonnen Gold im Wert von rund 11,5 Mrd. € nach Frankfurt transportiert. Dort liegen nun etwas mehr als 1.400 Tonnen bzw.

41,5 % der Bestände. Bis Ende 2020 soll die Hälfte des deutschen Goldes in Frankfurt am Main lagern, die an- dere Hälfte in New York und London.

Nach Angabe der Bundesbank besitzt Deutschland mit annähernd 3.400 Tonnen nach den USA den zweitgröß- ten Goldschatz der Welt.

Intelligenz und Gehirngröße

wachsen stetig

Seit 100 Jahren werden Deutsche immer schlauer. Das zumindest behaupten Forscher der Technischen Uni- versität in Chemnitz. Sie wiesen nach, dass die Gehir- ne im vergangenen Jahrhundert stetig gewachsen sind:

bei Männern um 73,16 Gramm und bei Frauen um 52,27 Gramm. Damit einher gehe ein Anstieg des Intelligenz- quotienten, so die Forscher.

(7)

kurz gemeldet

kurz gemeldet

zurück zum Inhalt

Plastikfressende Bakterien entdeckt

Mit dieser Entdeckung könnte das Kunststoffrecycling ganz neue Wege gehen: Im Fachmagazin Science berichteten Forscher von der Entdeckung eines Bakteriums, welches PET-Kunststoffe binnen weniger Woche nahezu komplett zersetzt. Weltweit werden jährlich etwa bei 50 Mio. Tonnen PET produziert; das Material lässt sich jedoch bisher kaum biologisch abbauen und landet als sogenannter Mikroplastik in der Umwelt.

Sport statt fernsehen!

Wer als Kind zu viel vor dem Fernsehgerät sitzt, hat nach aktuellen Studien später bei Hirntests das Nach- sehen. Das haben Forscher aus Kalifornien in einer Langzeitstudie herausgefunden. Auch wenig Sport scheint der Studie zufolge für das Gehirn schlecht zu sein. Also: Lieber Sport statt fernsehen!

Vorerst keine Zuckersteuer

In Großbritannien wird es in Zukunft eine Steuer für Unternehmen geben, die zuckerhaltige Softdrinks her- stellen oder importieren. Die Abgabe soll dort rund 660 Mio. € einbringen, die in die Förderung des Grundschul- sports fließen sollen. Bundesernährungsminister Chris- tian Schmidt lehnt eine Steuer nach diesem Vorbild bei uns ab. Abgaben auf Lebensmittel, die in einer ausge- wogenen Ernährung nur in Maßen verzehrt werden sollten, seien nicht zielführend, sagte ein Ministeriums- sprecher.

Energieverbrauch 2015 leicht gestiegen

Der Energieverbrauch in Deutschland ist im vergan- genen Jahr um ein Prozent gestiegen. Zurückzuführen ist dies laut Angaben der Arbeitsgemeinschaft Ener- giebilanzen auf die vergleichsweise kühlere Witterung gegenüber dem Vorjahr. Grund sei auch die positive Konjunkturentwicklung sowie der Bevölkerungszu- wachs.

Allergie-App zeigt Pollenbelastung

Mit fortschreitendem Frühling haben Allergiker wieder arg zu kämpfen. Sie können sich mit der Smartphone-App „Hus- teblume“ die Pollenbelastung vorhersagen lassen. Das Pro- gramm der Techniker Krankenkasse zeigt nicht nur die Dich- te bestimmter Pollen in der Luft an, sondern errechnet auch, wie stark der eigene Körper darauf reagiert. Hierzu müssen Nutzer fünf Tage lang ihre Symptome und gegebenenfalls eingenommene Medikamente in der App erfassen. Die All- ergie-App lässt sich kostenlos her-

unterladen; für Smartphones mit

Android-Betriebssystem im Goo- g l e Play Store und mit iOS-Betriebs-

system im Apple App Store.

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8 2 | 2016 der betriebsrat

Abmahnung – und nun?

Arbeitnehmer, nehmt eine Abmahnung nicht auf die leichte Schulter!

Wer vom Chef eine Abmahnung kassiert, sollte dies nicht auf die leichte Schulter nehmen.

Denn Abmahnungen sind der erste Schritt zur Kündigung. Was viele nicht wissen: Häufig werden Abmahnungen rechtswidrig erteilt. Welches Verhalten überhaupt abgemahnt werden darf und wie Betroffene reagieren können, erläutert unser Referent Daniel Feilmeier.

Was ist überhaupt eine Abmahnung? Juristen formulieren es so: Eine Abmahnung liegt vor, wenn der Arbeitgeber ein Fehlverhalten des Arbeitnehmers beanstandet und damit den Hinweis verbindet, dass im Wiederholungsfalle das Arbeitsverhältnis gefährdet sei (Hinweis-, Beanstandungs- und Warnfunktion). Mit der Abmahnung soll der Arbeitnehmer also auf ein Fehlverhalten hingewiesen und vor Konsequen- zen für das Arbeitsverhältnis gewarnt werden.

Aufgrund des Verhältnismäßigkeitsgrundsat- zes darf nämlich eine Kündigung in der Regel nur dann ausgesprochen werden, wenn dem Arbeitnehmer vorher Gelegenheit gegeben wurde, sein Verhalten zu ändern (vgl. auch

§ 314 Abs. 2 S. 1 BGB).

Wer kann eine Abmahnung aussprechen?

Zur Abmahnung berechtigt sind alle Vorgesetz- ten, die befugt sind, dem Arbeitnehmer Wei-

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… das hat Konsequenzen! Abgemahnt – und nun?

sungen zu erteilen. Das ist wichtig zu wissen, denn immer wieder gehen Arbeitnehmer vor der irrigen Annahme aus, dass Abmahnungen nur von den Personen erteilt werden können, die auch kündigen dürfen.

Wann ist die Abmahnung wirksam?

• Schriftlich oder mündlich

Anders als eine Kündigung muss die Abmah- nung nicht unbedingt schriftlich erfolgen, sondern kann auch mündlich gegenüber dem Arbeitnehmer ausgesprochen werden. In der Praxis ist es aber meistens so, dass Abmah- nungen aus Beweisgründen schriftlich erteilt werden.

• Eindeutig und bestimmt formuliert Nicht jeder Tadel gegenüber dem Arbeitnehmer ist gleich eine Abmahnung. Die Warnfunktion erfordert, dass Abmahnungen eindeutig und bestimmt zu formulieren sind. Dem Arbeitneh- mer muss die arbeitsvertragliche Pflichtverlet- zung präzise vor Augen geführt werden. Erfolgt die Abmahnung etwa wegen Unpünktlichkeit, ist dies nach Tag und Stunde zu konkretisieren.

Beispiel: „Am Montag, dem 21.03.2016, sind Sie um 8.47 Uhr zur Arbeit erschienen. Nach dem Arbeitsvertrag ist Ihr Arbeitsbeginn um 8.00 Uhr.“ Pauschale Vorwürfe („unpünktlich“) ge- nügen nicht.

• Keine Fristen, keine Anhörung

Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, den Ar- beitnehmer vor Ausspruch der Abmahnung anzuhören. Auch Fristen bestehen für den Aus- spruch einer Abmahnung nicht. Zahlreiche Ab- mahnungen wegen gleichartiger Pflichtverlet-

Der Rechtsanwalt Daniel Feilmeier referiert beim ifb unter anderem zu den Themen Arbeitsrecht und Betriebsverfassungsrecht.

zungen, denen keine weiteren Konsequenzen folgen, können die Warnfunktion der Abmah- nung abschwächen. In diesem Fall bedarf es vor Ausspruch der Kündigung eines besonders eindringlichen zusätzlichen Warnhinweises an den Arbeitnehmer.

Abmahnung „verbraucht“ Kündigungs- grund

Mit der Abmahnung verzichtet der Arbeitgeber in der Regel zugleich auf den Ausspruch der Kündigung aus den gleichen Gründen. Die Ab- mahnung „verbraucht“ das Fehlverhalten des Arbeitnehmers, so dass eine Kündigung erst auf ein wiederholtes (gleichartiges) Fehlverhal- ten gestützt werden kann.

Immer wieder hört man das Gerücht, dass es drei Abmahnungen braucht, bevor man gekün- digt werden kann. Das stimmt so nicht. Grund- sätzlich ist vor Ausspruch einer Kündigung keine bestimmte Anzahl von Abmahnungen erforderlich.

Beteiligung des Betriebsrats

Die Abmahnung unterliegt nicht der Mitbe- stimmung des Betriebsrats. Auch kann der Be- triebsrat vom Arbeitgeber keine Abschrift der Abmahnung verlangen. Im Rahmen des Anhö- rungsverfahrens vor Ausspruch einer späteren verhaltensbedingten Kündigung (vgl. § 102 BetrVG) hat der Arbeitgeber den Betriebsrat jedoch über erfolgte Abmahnungen und die Re- aktionen des zu kündigenden Arbeitnehmers hierauf zu unterrichten.

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10 2 | 2016 der betriebsrat

… das hat Konsequenzen! Abgemahnt – und nun?

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Auf eine Abmahnung reagieren

Ist eine Abmahnung in der Welt, sollte sich der Arbeitnehmer genau überlegen, wie er hierauf reagiert. Zunächst ist es wichtig, das Folgen- de zu wissen: Der Arbeitnehmer ist nicht ver- pflichtet, gegen eine aus seiner Sicht unberech- tigte Abmahnung vorzugehen.

• Nichts unternehmen

Unternimmt der Arbeitnehmer nichts gegen eine Abmahnung, kann der Arbeitgeber nicht davon ausgehen, der Arbeitnehmer räume die erhobenen Vorwürfe ein. Im Einzelfall kann es taktisch sogar ratsam sein, die Angelegenheit auf sich beruhen zu lassen. Denn so muss der Arbeitgeber in einem etwaigen späteren Kündi- gungsschutzverfahren eventuell nicht nur das Vorliegen des Kündigungsgrundes (§ 1 Abs. 2 S. 4 KSchG), sondern auch das Vorliegen der abgemahnten Pflichtverletzung beweisen. Dies kann nach längerer Zeit dann für den Arbeitge- ber schwierig werden, wenn er die Pflichtver- letzung nicht aktenmäßig erfasst hat.

• Gegendarstellung

Ist der Arbeitnehmer der Auffassung, unbe- rechtigt abgemahnt worden zu sein, kann er

dem Arbeitgeber eine Gegendarstellung zulei- ten. Diese hat der Arbeitgeber auf Verlangen des Arbeitnehmers der Personalakte beizufü- gen, vgl. § 83 Abs. 2 BetrVG. Aber Achtung: Bei der Formulierung einer Gegendarstellung ist besondere Sorgfalt geboten. Der Arbeitnehmer sollte hier keinesfalls eine Entschuldigung ver- fassen und damit das Fehlverhalten eingeste- hen, noch emotional veranlasste Beleidigungen des Arbeitgebers oder anderer Personen einflie- ßen lassen.

• Anspruch auf Entfernung

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeits- gerichts kann der Arbeitnehmer auch die Ent- fernung einer zu Unrecht erteilten Abmahnung aus der Personalakte verlangen. Der Entfer- nungsanspruch besteht, wenn die Abmahnung formell nicht ordnungsgemäß zustande gekom- men ist, unrichtige Tatsachenbehauptungen enthält, auf einer unzutreffenden rechtlichen Bewertung des Verhaltens des Arbeitnehmers beruht oder kein schutzwürdiges Interesse des Arbeitgebers am Verbleib der Abmahnung in der Personalakte mehr besteht. Obschon keine Regelfrist existiert, wird letzteres in der Regel angenommen, wenn der abgemahnte Vorfall mehr als zwei Jahre zurückliegt. Kommt der Ar- beitgeber einer Aufforderung, die Abmahnung aus der Personalakte zu entfernen, nicht nach, trägt er in einem sich anschließenden Prozess die Darlegungs- und Beweislast für die in der Abmahnung aufgestellten Tatsachenbehaup- tungen.

Ganz wichtig: Ruhe bewahren

Egal, welchen Weg man nach dem Erhalt einer Abmahnung einschlägt: In jedem Fall sollte ein abgemahnter Arbeitnehmer zunächst Ruhe be- wahren. Unüberlegte „Schnellschüsse“ können mehr schaden als nutzen. Im Zweifel sollte man seinen Betriebsrat aufsuchen und sich erforder- lichenfalls anwaltlich beraten lassen.

Ganz wichtig: Ruhe bewahren und sich informieren!

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Compliance!

In Zeiten von VW-Skandal und Panama-Papers mehr denn je ein BR-Thema

Eben beherrschte noch der VW-Skandal die Schlagzeilen, jetzt übertreffen die Panama-Papers alles.

Korruption, Steuerhinterziehung, Geldwäsche: die Liste der involvierten Firmen ist lang, die Aufarbeitung wird Jahre dauern. Eins haben alle diese Affären gemeinsam: Sie schaden dem Ruf eines Unternehmens gewaltig. Um dem entgegenzutreten, werden sich wohl viele Firmen dem Thema Compliance zuwenden.

Betriebsräte sollten sich wappnen, die Arbeitnehmerrechte stehen auf dem Spiel!

Das Wort Compliance heißt übersetzt so viel wie „regelkonfor- mes Verhalten“. Es geht also um Regeln, die das Unternehmen für seine Mitarbeiter aufstellen will. Vor rund 15 Jahren noch weitestgehend unbekannt, lässt sich das Thema heute – auch wegen der zahlreicher Skandale – in den meisten Unterneh- men weder vermeiden noch aufhalten. Wer also bislang beim Wort Compliance nur müde mit den Schultern zuckt, dem sei gesagt: Unbedingt weiterlesen.

Damit hab ich nix zu tun?

Häufig will sich der Arbeitgeber am Betriebsrat vorbeischum- meln, denn „das geht den Betriebsrat ja nix an …“ Betriebs- räte, das stimmt nicht. Allerdings ist schon die Unterschei- dung nicht einfach. Selbst Fachleute brauchen zuweilen einen geübten Blick, um zu erkennen, welche der Regeln nun mitbe- stimmungspflichtig sind.

Unterschreib mal!?

Will der Arbeitgeber Compliance-Regeln einführen, sind schnell seitenlange Werke im Spiel, die fast keiner mehr durchschaut – Betriebsräte aber möglichst heute noch abni-

cken sollen. Vorsicht, nicht vorschnell handeln! Im schlimms- ten Fall könnten mit einem vorschnellen Einverständnis die Rechte von Arbeitnehmern und Betriebsräten eingeschränkt werden.

Heißes Eisen

Compliance ist ein heißes Eisen und hochaktuell. Denn nimmt der Kontrollwahn im Betrieb überhand, ist dies schlecht für die Mitbestimmung und die Mitarbeitermotivation.

Machen Sie sich fit im Thema, denn das darf nicht passieren!

Ihre

Sonja Saffer

Sonja Saffer ist Betriebsrats- vorsitzende beim ifb. Als Juristin hat sie die Fachtagung Compliance organisiert, weil ihr das Thema sehr am Herzen liegt

Jetzt anmelden!

Informationen zur ifb-Fachtagung

„Compliance und betriebliche Mit- bestimmung“ finden sich unter:

www.ifb.de/compliance2016

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12 2 | 2016 der betriebsrat

– außen hui, innen …?

Bio-Unternehmen will keinen Betriebsrat

Bio: ja, Betriebsrat: nein – für Interessenver- treter scheint es in der grünen Welt des Götz Rehn keinen Platz zu geben. Denn nach Anga- ben der Tageszeitung „taz“ hat Alnatura nur in einer seiner Filialen einen Betriebsrat. Und nicht nur das: Medienberichten zufolge hat das Unternehmen Ende letzten Jahres in der Filiale in Bremen sogar die Wahl einen Betriebsrats verhindert.

Taktische Spielchen

„Die Wahl wurde durch taktische Spielchen ver- hindert“, sagte Kai Wargalla, die bei Alnatura arbeitet und seit Anfang des Jahres neue Lan- deschefin der Grünen in Bremen ist, gegenüber der taz.

Folgendes war passiert: Im Oktober 2015 lu- den mehrere Arbeitnehmer der Filiale zu einer Betriebsversammlung ein mit dem Ziel, die Voraussetzungen für eine Betriebsratswahl zu schaffen. Es konnte jedoch kein Wahlvorstand

Erst vor wenigen Wochen hat die Bio-Supermarktkette Alnatura aus Südhessen seine 100. Filiale eröffnet, eine gute Gelegenheit für positive Schlagzeilen Doch es gibt tiefe Kratzer im Image: In einer Bremer Filiale soll die Gründung eines Betriebsrats verhindert worden sein.

Besonders die Alnatura Kolleginnen und Kollegen stehen im Mittelpunkt jedes unserer Märkte“, schrieb Alnatura Gründer Götz Rehn 2016.

Betriebsräte sind dabei wohl nicht vorgesehen.

© Alnatura

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Allnatura - Bio-Unternehmen will keinen Betriebsrat

gewählt werden, denn keiner der Bewerber erhielt die gesetzlich erforderliche Stimmen- mehrheit. Hintergrund sei gewesen, dass die Filialleitung während einer Pause habe kurz- fristig drei weitere Kandidaten aufgestellt habe.

Doch die Mitarbeiter nahmen nicht hin: Fünf von ihnen leiteten beim Arbeitsgericht Bremen ein Beschlussverfahren ein. Mit Erfolg: Das Ar- beitsgericht Bremen-Bremerhaven setzte einen Wahlvorstand zur Durchführung einer Betriebs- ratswahl ein. Das Gericht war zu dem Ergebnis gekommen, dass eine ordnungsgemäße Einla- dung zu der Betriebsversammlung vorlag. Auch die übrigen Voraussetzungen für die gerichtli- che Einsetzung eines Wahlvorstandes waren erfüllt, insbesondere konnten bei der Durchfüh- rung des Wahlverfahrens keine formellen Feh- ler festgestellt werden.

Damit kann in der Bremer Filiale ein Betriebsrat gewählt werden. Wir sind gespannt! CB

Alnatura in Zahlen

Alnatura betreibt aktuell 100 Märkte in 45 Städten; zudem werden verschiedene Lebensmittel unter der Eigenmarke bei Handelspartnern im In- und Ausland verkauft. Das Unterneh- men hat mehr als 2.500 Mitarbeiter und erwirtschaftete Ge- schäftsjahr 2014/15 einen Umsatz von 760 Mio €.

Gestartet war Alnatura-Gründer und Geschäftsführer Götz Rehn 1987 in Mannheim mit dem ersten Bio-Supermarkt Deutschlands. „Besonders die Alnatura Kolleginnen und Kol- legen stehen im Mittelpunkt jedes unserer Märkte“, schrieb er im März 2016 anlässlich der Eröffnung der 100. Alnatura-Filia- le. Betriebsräte sind dabei wohl nicht vorgesehen.

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© Alnatura

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14 2 | 2016 der betriebsrat

Anpfiff!

Im Juni ist wieder die Zeit für Fußballfieber. Schon jetzt sollten Betriebsräte das Thema auf ihre Agenda setzen, um für die Kollegen in Sachen Fußball möglichst

viel zu erreichen.

Betriebsräte, denkt schon jetzt an die EM

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Anpfiff! Betriebsräte, denkt schon jetzt an die EM

Für alle fußballbegeisterten Arbeitnehmer, die nur tagsüber arbeiten, die gute Nachricht vorweg: Vie- le Spiele werden um 18 bzw. 21 Uhr angepfiffen.

Doch es gibt auch Spiele, die bereits um 15 Uhr starten; zudem gehen sehr viele Kollegen keinem

„9 bis 17 Uhr“-Job nach. Und vielleicht endet ein tolles Spiel ja auch zu spät, um zur Frühschicht ausgeruht zu sein? Hier ein paar Tipps, damit kein Fußballfan die Röhre schauen muss.

Flexible Arbeitszeit während der EM

Nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG hat der Betriebsrat beim Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie

Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage mit- zubestimmen. Betriebsräte kön- nen daher für die Zeit der EM Regelungen zu flexiblen Arbeits- zeiten bzw. Ausnahmen von der

normalen Verteilung der Arbeitszeit vom Arbeitge- ber verlangen.

Vielleicht hilft eine Umverteilung, denn es gibt es ja auch Kollegen, die gar nicht an den Spielen inte- ressiert sind? Wichtig ist nur, das Thema nicht auf die lange Bank zu schieben – muss eine Einigungs- stelle her, wird die Zeit mehr als knapp.

Urlaub: Frühzeitig einreichen!

Wichtig ist es auch, die Kollegen frühzeitig an die Beantragung von Urlaub während der EM zu erin- nern. Denn nach dem Bundesurlaubsgesetz (BUr- lG) sind die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers bei der zeitlichen Festlegung des Urlaubs zu be- rücksichtigen. Auch einzelne Urlaubstage können beantragt werden. Zwar regelt das Bundesurlaubs- gesetz, dass der Arbeitgeber den Urlaub nur zu- sammenhängend zu gewähren hat (vgl. § 7 Abs. 2 BurlG). Dies gilt aber nur für den gesetzlichen Min- desturlaub von 24 Werktagen; die meisten Arbeit- nehmer haben mehr Urlaubstage zur Verfügung.

Der Arbeitgeber kann den Urlaubswunsch dann

Betriebsräte können

für die EM flexible

Arbeitszeiten verlangen.

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16 2 | 2016 der betriebsrat

Anpfiff! Betriebsräte, denkt schon jetzt an die EM

eventuell Sonderregelungen für die Zeit der EM mit dem Arbeitgeber auszuhandeln. Vielleicht lassen sich beispielsweise Sonder-Pausenzei- ten während der Spiele vereinbaren? Denn lei- der besteht kein Anspruch darauf, die Spiele während der Arbeitszeit im Fernsehen oder im Internet zu verfolgen.

Radio hören ist in der Regel in Ordnung; das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass es grundsätzlich kein generelles Radioverbot geben darf, wenn Arbeitnehmer ihre Arbeit konzentriert, zügig und fehlerfrei verrichten (1 ABR 75/83). Anders kann es bei Kundenkon- takt oder wegen Rücksichtnahme auf Kollegen aussehen (Stichwort: Großraumbüro). Auf je- den Fall ist das Radiohören eine Frage der Ord- nung im Betrieb nach § 87 Abs. 1 BetrVG, der Betriebsrat kann also mitbestimmen. CB ablehnen, wenn wichtige betrieblich Gründe

dagegen sprechen. Vielleicht ist schon die hal- be Belegschaft auf dem Weg nach Frankreich?

Wichtig: Der Betriebsrat hat bei der Aufstellung allgemeiner Urlaubsgrundsätze und eines Ur- laubsplans sowie der zeitlichen Lage des Urlaubs für einzelne Arbeitnehmer, wenn zwischen dem Arbeitgeber und den beteiligten Arbeit- nehmern kein Einverständnis erzielt wird, nach

§ 87 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG mitzubestimmen.

Ist der Urlaub berechtigt abgelehnt, sollten Arbeitnehmer unter keinen Umständen eigen- mächtig der Arbeit fern bleiben. Denn dies kann nach einer Entscheidung des Bundesar- beitsgerichts (2 AZR 154/93) sogar zu einer fristlosen Kündigung führen.

EM im Betrieb?

Ob auf dem Handy, im Radio, per Internet oder auf dem Fernseher: Natürlich ist es auch in der Firma möglich, der EM zu folgen. Aber dürfen Arbeitnehmer das?

Zunächst mal ist es auch hier am Betriebsrat,

Fazit: Frühzeitig regeln!

Der Betriebsrat sollte frühzeitig Regelungen für die kurze Zeit der Fußball-EM mit dem Arbeitgeber treffen. Denn sind die Spiele erst angepfiffen, ist es meist zu spät für einvernehmliche, arbeitneh- merfreundliche Regelungen.

EM 2016

Vier Wochen lang geht es rund

Ab 10. Juni 2016 beginnt die Europameisterschaft in Frankreich mit dem Eröffnungsspiel des Gastge- ber-Landes. Bei der Feier zum Start wird David Guetta auftreten.

Gespielt wird sodann in sechs Vierergruppen mit je vier Teams. Deutschland ist in Gruppe C und muss erstmals am Sonntag, dem 12. Juni 2016, gegen die Ukraine antreten. Anpfiff ist um 21 Uhr.

Die Finalphase beginnt am 25. Juni mit dem Achtel- finale. Das Finalspiel findet am Sonntag, dem 10. Juli 2016, statt.

Gender Pay Gap – Neue Möglichkeiten für den Betriebsrat

Gleiches Geld für gleiche Arbeit!

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Gender Pay Gap – Neue Möglichkeiten für den Betriebsrat

Gleiches Geld für gleiche Arbeit!

Ein Rauschen geht derzeit durch den arbeits- rechtlichen Blätterwald – „Gender Pay Gap“

ist in aller Munde. Hierunter versteht man die geschlechtsbedingte Gehaltslücke zwischen Frauen und Männern. 22 % soll sie betragen.

Bis zum 19.03. des jeweiligen Jahres arbeiten Frauen demnach umsonst, bis sie den gleichen Verdienst wie Männer erwirtschaften. Um hie- rauf aufmerksam zu machen, hat das Familien- ministerium den 19.03. zum „Equal Pay Day“

ausgerufen. Umfrageergebnisse bestätigen ei- nen breiten gesellschaftlichen Konsens, dass diese Ungerechtigkeit zu schließen ist.

Für die gleiche Arbeit bekommen Beschäftigte auch das gleiche Geld. Ist doch logisch, oder? Leider nicht: Im Schnitt verdienen Frauen rund 22 % weniger als Männer, besser bekannt als Gender Pay Gap. Ändern will dies das Gesetz für mehr Lohngerechtigkeit zwischen Frauen und Männern. Kaum ist der Entwurf da, hagelt es Kritik aus dem Arbeitgeberlager. Dabei bietet es enorme Möglichkeiten – auch für die Betriebsräte, meint unsere Referentin Andrea Kraatz.

Andrea Kraatz ist Fachanwältin für Arbeitsrecht in der Kanzlei artejura in Berlin. Ihr Schwerpunkt liegt in der Beratung von Betriebsräten.

Woher kommt die Lohnlücke?

Zahlreiche Fachbeiträge beschäftigen sich mit der Frage, wie eine Lohnlücke in zweistelliger Höhe überhaupt zustande kommen kann. Das Bundesfamilienministerium geht von einer strukturellen Diskriminierung von Frauen bei der Entgeltfindung aus und hat im Dezember 2015 einen ersten Lösungsansatz präsentiert:

Den Entwurf zu einem Gesetz für mehr Lohnge- rechtigkeit zwischen Frauen und Männern.

Viele Arbeitgeber schreiben sich seitdem die Finger wund gegen das Gesetzesvorhaben und beklagen den gesetzlichen Eingriff in den Lohn-

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18 2 | 2016 der betriebsrat

findungsprozess. Ihr Argument: Es finde kei- ne systematische Benachteiligung von Frauen statt, sondern vielmehr beruhe die Lohnlücke auf den unterschiedlichen Erwerbsbiografien der Geschlechter. Die Frage, welche berufliche Karriere verfolgt wird, ob beispielsweise in Teil- zeit gearbeitet oder Elternzeit genommen wer- de, treffe jeder Arbeitnehmer schließlich selbst und sei deshalb auch für die damit gegebenen- falls verbundenen Gehaltseinbußen verant- wortlich (vgl. Institut der deutschen Wirtschaft Köln; Dr. Schmidt/Dr. Stettes: Stellungnahme vom 11.12.2015 „Mehr Lohngleichheit durch Gesetz?“). Die Lobby-Maschinerie läuft gerade sichtlich auf Hochtouren.

Was der Gesetzgeber vorhat:

• Individueller Auskunftsanspruch der Beschäftigten

Unabhängig von der Betriebsgröße sollen künf- tig alle Arbeitnehmer einen individuellen Aus-

Gleiches Geld für gleiche Arbeit!

kunftsanspruch gegenüber dem Arbeitgeber darüber haben, wie die Höhe des individuellen Entgelts festgelegt wurde und was vergleich- bare Arbeitnehmer des anderen Geschlechts (Vergleichsgruppe muss mindestens fünf Be- schäftigte umfassen) im Mittel verdienen. Ein ähnlicher Anspruch ergibt sich derzeit bereits aus § 82 Abs. 2 BetrVG. Eine Sanktion für eine Verletzung dieses Auskunftsanspruches findet sich bislang nicht. Schmerzhaft für Arbeitge- ber wird daher künftig insbesondere sein, dass sie verpflichtet sind, binnen eines Monats die Anfrage zu beantworten – und das vollständig und wahrheitsgemäß. Tun sie dies nicht, wird eine geschlechtsbedingte Benachteiligung ver- mutet. Hier bestünde dann die Möglichkeit, auf Schadenersatz und Schmerzensgeld nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) zu klagen.

Aktuell müsste die Arbeitnehmerin noch in mühsamer Kleinarbeit durch Befragen der Kol-

Das Entgeltgleichheitsgesetz soll ab Ende 2016 die

Lohnlücke zwischen Frauen

und Männern schließen.

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Gleiches Geld für gleiche Arbeit!

legen herausfinden, was diese so verdienen, um eine Benachteiligung zu belegen. Was viele nicht wissen: Arbeitsvertragliche Regelungen, die das Sprechen über die eigene Gehaltshöhe verbieten, sind nach der Rechtsprechung auch jetzt schon unwirksam (vgl. LAG Mecklen- burg-Vorpommern, Urteil vom 21.10.2009 - Az.

2 Sa 237/09). Künftig soll dies ausdrücklich ge- setzlich geregelt werden.

In Stellenausschreibungen soll zudem künftig das verdienbare Mindestentgelt zu finden sein.

• Pflicht von Unternehmen zur Über- prüfung und Herstellung der Ent- geltgleichheit

Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftig- ten sollen künftig über eine Zertifizierung sicherstellen, dass die Verfahren zur Arbeits- bewertung und die Entgeltregelungen das Gleichbehandlungsgebot berücksichtigen. Die Zertifizierung des Bewertungsverfahrens soll durch die Antidiskriminierungsstelle des Bun- des erfolgen.

Wird bei der Überprüfung eine Benachteiligung festgestellt, ist diese durch eine Anpassung nach oben zu beseitigen.

Betriebsräte, es ist Zeit!

Für Betriebsräte ist es an der Zeit, sich mit der Frage zu beschäftigen, ob und wie sich das The- ma Lohngerechtigkeit auf ihre Arbeit auswirkt und welche (neuen) Aufgaben auf die Gremien zukommen. Möglicherweise wird es zur Klar- stellung der Gleichbehandlung von Mann und Frau künftig nicht mehr ausreichen, mit einer

Fußnote die Gender-Klausel (z.B. „Soweit in dieser Vereinbarung von „Arbeitnehmern“ ge- sprochen wird, gilt diese Bezeichnung sowohl für männliche als auch für weibliche Beschäf- tigte.“) in Betriebsvereinbarungen aufzuneh- men.

Durch das Gesetz könnte eine wichtige Stärkung der Betriebsratsrechte einhergehen: Bislang ha- ben Betriebsräte in erster Linie im Rahmen von

§ 99 BetrVG bei der Ein- bzw. Umgruppierung ein Vetorecht. In der Praxis begnügen sich viele Gremien aber damit, einer als falsch empfun- denen Eingruppierung die Zustimmung zu ver- weigern und dann den oder die Beschäftigten auf den Individualklageweg zu verweisen. Viele Arbeitnehmer(innen) verzichten aber auf eine gerichtliche Durchsetzung ihrer Ansprüche;

insbesondere dann, wenn sie nur befristet be- schäftigt oder noch in der Probezeit sind.

Und wie geht es weiter mit dem Entgeltgleichheitsgesetz?

Ziel des Familienministeriums ist ein Inkrafttreten des Gesetzes Ende 2016.

Das Gesetz soll vier Jahre nach Inkrafttreten und an- schließend alle drei Jahre überprüft werden, um Vor- schläge zur Weiterentwicklung und Anpassung gesetz- licher Regelungen zu formulieren.

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20 2 | 2016 der betriebsrat Gleiches Geld für gleiche Arbeit!

Auch aktuell hat der Betriebsrat aber schon die Möglichkeit, gemäß § 101 BetrVG den Arbeitge- ber zu zwingen, das Zustimmungsersetzungs- verfahren zur Eingruppierung vor dem Arbeits- gericht durchzuführen. Damit verbunden wäre

eine Feststellung der korrekten Ge- haltsgruppe. Dies setzt aber voraus, dass der Arbeitgeber eine Ein- oder Umgruppierung anstrebt. Künftig soll dem Betriebsrat deswegen ein echtes Initiativrecht zur Überprü- fung und Anpassung von Eingruppie- rungen eingeräumt werden.

Spannend wird zukünftig zudem die Möglichkeit des Betriebsrats sein, den Arbeit- geber nach § 23 BetrVG zur ordnungsgemäßen Entgeltfindung zu zwingen. Dies wird vor allem in nicht tarifgebundenen Unternehmen mit be- trieblichen Entlohnungsgrundsätzen – unab- hängig von der Gender-Frage – behilflich sein, ein gerechteres Lohnsystem einzuführen. Miss- lich ist hier aber der im Gesetzentwurf vorgese- hene vergleichsweise hohe Schwellenwert von 500 Beschäftigten im Unternehmen. Dies ist wenig zielführend, da der größte Teil der Frau- en in den kleinen und mittelständischen Unter-

nehmen beschäftigt wird – und dort finden sich regelmäßig auch die größten geschlechtsspezi- fischen Gehaltsunterschiede. Gewerkschaften und der Deutsche Juristinnen-Bund verlangen daher eine Verpflichtung auch für kleinere Un- ternehmen.

Eher kosmetischer Natur dürfte die künftige Verpflichtung sein, auf Betriebsversammlun- gen über die Entgeltgleichheit zu berichten und die Betriebsratsaufgaben auf die Umsetzung des Entgeltgleichheitsgebotes zu erweitern.

Derartige Regelungen finden sich bereits jetzt in § 80 Abs. 1 Nr. 2a, 2b BetrVG (Durchsetzung der Gleichstellung und Vereinbarkeit von Beruf und Familie), sowie § 45 BetrVG (Themen der Betriebsversammlung). Ohne echte Mitbestim- mung bringt die reine Aufgabenzuweisung er- fahrungsgemäß eher wenig.

Fazit

Sollte sich die Arbeitgeber-Lobby nicht durchsetzen und es bei dem bislang bekannten Gesetzesvor- haben bleiben, dürften sich die Möglichkeiten des Betriebsrats, auf die Entgeltfindung künftig einzuwirken, erheblich verbes- sern; nicht nur zur Durchsetzung der Entgeltgleichheit, sondern auch zur Herstellung einer allge- meinen Lohngerechtigkeit.

Es bleibt abzuwarten, wie der als Tiger losgesprungene Geset- zesentwurf letztendlich landet – hoffentlich nicht als Bettvorleger.

Gewerkschaften und der Deutsche Juristinnen- Bund verlangen eine Verpflichtung auch für kleinere Unternehmen.

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Schwerbehindertenvertretung einmal anders

Rente? Nicht mit mir!

Seit dem 01.04.2015 ist Holger Wohlfarth offiziell Rentner. Trotzdem arbeitet er noch vier bis fünf Stunden in der Woche in seiner alten Firma, der Dachser Logistik. „Ich bin seit 2007 Mitglied im Betriebsrat und kümmere mich zudem um die Belange der schwerbehinderten Kollegen“, er- zählt er. „Kurz vor meinem Renteneintritt kam mein Chef auf mich zu und fragte, ob ich nicht bleiben wolle. Er meinte wohl, er hätte so viele Seminare in mich investiert“, sagt er lachend.

„Aber sein Angebot, mich weiter zu beschäfti- gen, habe ich sehr gerne angenommen.“

Seitdem radelt er immer mittwochs die sieben Kilometer bis zur Firma. An den anderen Tage zuhause war es zuerst komisch, sagt er. „Mehr- mals dachte ich, ich hätte verschlafen, bis mir wieder einfiel: Moment, Du bist ja in Rente! Auch in der Firma musste ich auch erst umdenken.“

Und das hat funktioniert. „Jetzt kann ich mich ganz auf meine Aufgaben als Betriebsrat und

Vertreter der schwerbehinderten Kollegen kon- zentrieren. Mein Vertrag läuft erstmal bis zum 31.12.2018“, erzählt er.

Weiterbildung ganz vorn

Besonders wichtig ist Holger Wohlfarth auch im (Un)Ruhestand das Thema Weiterbildung.

„Ich kann nur jedem raten, die Weiterbildungs- angebote wahrzunehmen. Es sind komplexe Themen,“ sagt er, und ergänzt: „Zuweilen sollte man auch mal die SBV-Grundlagen wiederholen, denn es ändert sich laufend etwas.“

Auch Holger Wohlfarth bleibt am Ball. In diesem Jahr wird er ein Psychologie-Seminar besuchen.

Und wo? „Natürlich beim ifb“, grinst er. „Bei Euch war bisher jedes Seminar top. Das Angebot ist hervorragend“.

Wir sagen „Danke!“ und wünschen bei so viel Motivation weiterhin beste Gesundheit und eine gelungene Arbeit als Interessenvertreter!

Holger Wohlfarth feiert seinen Ruhestand – und trotzdem radelt der 66-Jährige noch einmal in der Woche zu seiner alten Firma, um sich um die Belange der schwerbehin- derten Kollegen zu kümmern. Warum? „Weil es mir Spaß macht“, sagt er.

Zur Person: Holger Wohlfarth

Angefangen hat Holger Wohlfarth, am 15.04.1975 am Standort Lüneburg als Ma- schinenführer. Lange Zeit war er zum Schluss für die Dachser Logistik in der End- und Qualitätskontrolle zuständig. „Ich habe immer am gleichen Standort gearbeitet, bin in dieser Zeit aber fünf Mal verkauft worden“, scherzt er. Tatsäch- lich waren Lünebest, Nestle´, Glücksklee und Dirks am Standort tätig, bis 2007 Dachser das Außenlager übernahm. Im gleichen Jahr wurde Holger Wohlfarth Mitglied des 7-köpfigen Betriebsrats und Vertreter der SBV.

Bei aller Motivation für die Firma und die Kollegen freut er sich natürlich auch über seinen Ruhestand. „Langweilig wird mir auch zuhause nicht, ich lese und koche gerne.“, berichtet er.

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Betriebsrat bleibt im Amt

22 2 | 2016 der betriebsrat

Fristlose Kündigung ist unwirksam

Betriebsrat bleibt im Amt

Zum Nachlesen:

150.000 € Abfindung – Betriebs- ratsvorsitzender lehnt ab dbr 1/2016, Seite 11

Am Vorabend der Entscheidung war Halit Efetürk bei „Kerstin Griese trifft … Guntram Schneider“ in Wülfrath undschil- derte dort seinen Fall. Griese und Schneider bezeichneten die Kündigung als inakzeptabel und zeigten sich mit Efetürk solidarisch.

Alles richtig gemacht: Halit Efetürk, der gekündigte Betriebsratsvorsitzende

beim Automobilzulieferer Georg Fischer, bleibt weiterhin im Amt und im

Unternehmen. Das Arbeitsgericht Düsseldorf wies die Anträge der Arbeitgeberin

ab und entschied im Sinne des Betriebsratsvorsitzenden. Auch die Zahlung

einer Abfindung von 150.000 € hatte Halit Efetürk im Vorfeld in der

Güteverhandlung zu keinem Vergleich locken können

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Betriebsrat bleibt im Amt

Business

Romantiker.

Von der Sehnsucht nach einem anderen Wirtschaftsleben

Tim Leberecht:

Business-Romantiker.

Von der Sehnsucht nach einem anderen Wirtschaftsleben.

Droemer HC 2015, ISBN: 978-3-426-27632-7 Preis: 19,99 €

Zu bestellen bei www.ifb-medien.de

„Business“ und „Romantik“? Die beiden Begriffe im Titel des Buchs von Tim Leberecht wirken zunächst einmal wie ein unauflöslicher Widerspruch. Kann und darf Business überhaupt romantisch sein? Gehen „Zahlen, Daten, Fakten“

und „Idealismus, Träumerei und Leidenschaft“ in dieser Zeit bei diesem globalen Wettbewerbsdruck überhaupt zu- sammen? Und wenn es je denkbar und möglich wäre, ist

„Romantik“ auch etwas für das Unternehmen, in dem ich aktuell arbeite?

Der 1972 in Esslingen am Neckar geborene Tim Leberecht ist inzwischen in San Francisco als Marketingleiter bei NBBJ tätig und ist Mitglied im Value Council des Weltwirt- schaftsforums. Tim Leberecht beschäftigte sich in seinem Buch mit den zentralen Fragestellungen, wie es möglich ist,

zurück zum Inhalt

eorg Fischer hatte seinem freigestellten Betriebsratsvorsitzenden fristlos gekün- digt. Angeblich hatte dieser eigenmächtig einen zweitägigen Urlaub angetreten, obwohl dies zu- vor ausdrücklich abgelehnt worden sei. Das Un- ternehmen wollte fristlos kündigen. Nachdem der Betriebsrat seine Zustimmung verweigerte, beantragte die Arbeitgeberin die Ersetzung der Zustimmung vor dem Arbeitsgericht, hilfswei- se den Ausschluss aus dem Betriebsrat. Ohne Erfolg.

Das Arbeitsgericht wies beide Anträge der Arbeitgeberin ab. Zwar sei der eigenmächtige Urlaubsantritt grundsätzlich eine Pflichtver- letzung. Allerdings kamen die Richter zu der Ansicht, dass die erforderliche Interessenab- wägung hier ausnahmsweise zu Gunsten des Vorsitzenden ausfallen müsse. So sei der Vorsit- zende seit 15 Jahren ohne Abmahnung bei der Arbeitgeberin beschäftigt. Zudem gebe es hin- sichtlich einer außerordentlichen Kündigung besonders hohe Anforderungen, da der Vorfall mit der besonders geschützten Betriebsratstä- tigkeit zusammenhänge.

Auch der hilfsweise geltend gemachte Aus- schluss des Vorsitzenden aus dem Betriebsrat scheitere daran, dass die dargelegten Pflicht- verletzungen, beispielsweise Koppelungsge- schäfte, jeweils vom gesamten Betriebsratsgre- mium beschlossen worden waren.

Arbeitsgericht Düsseldorf, Beschluss vom 10. März 2016, 10 BV 253/15

G

Lesetipp von Anne Schweppenhäußer Anne Schweppenhäußer ist Diplom- Psychologin, Trainerin und Coach. Beim ifb referiert sie unter anderem zu den Themen Konfliktmanagement, Teambildung und zur betrieblichen Gesundheitsförderung.

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24 2 | 2016 der betriebsrat Der Businessromantiker.

im Job wirkliche Erfüllung zu finden und sich

„wirklich lebendig“ zu fühlen.

Regeln der Business-Romantiker

Tim Leberecht formuliert folgende neun Regeln der Business-Romantiker

1. Finde das Große im Kleinen 2. Sei ein Fremder

3. Gib mehr, als du nimmst 4. Leide (ein bisschen) 5. Hüte das Geheimnis 6. Trenne dich

„Business-Romantiker (w/m) zur Verstärkung unseres Teams gesucht“

„Der Business-Romantiker setzt auf die Strategie Hoffnung. Es ist Humanist und erzählt uns eine zusam- menhängende Geschichte, die uns die immer komplexere und stärker fragmentierte Arbeitswelt und die Konversationen der Märkte verstehen lässt.

Der Business-Romantiker wird seinen Schwerpunkt nicht auf Unternehmensgewinn und Return on Inves- tment legen, sondern wird die im Business verborgen liegenden Schätze heben und so für einen Return on Community sorgen.

Der Business-Romantiker erdenkt, gestaltet und realisiert „Akte der Sinngebung“, die ein nostalgisches Vertrauen in die Wirtschaft als wirkmächtigste Form menschlichen Handelns wiederherstellen und es den Menschen inner- und außerhalb des Unternehmens erlauben, die Marke und ihr Arbeitsumfeld in einer Art und Weise zu erleben, die sie beglückt, die Sinn stiftet und Spaß macht“ (Leberecht, 2015, S. 89ff).

Anmerkung: Und dann geht es in typischer Stellenausschreibungsmanier mit den Aufgaben und den Qualifika- tionen des gesuchten Business-Romantikers weiter …

7. Überquere den Ozean

8. Nimm den langen Weg nach Hause 9. Stehe alleine, am Rande, ganz still

Wer diese neun Regeln beherzigt, bewirkt, dass Unternehmen charismatischer und menschli- cher werden, sich eine anregende und lebendi- ge Kultur entwickelt, welche die Kunden lang- fristig bindet, so der Autor.

Tim Leberecht hat vor einiger Zeit folgende Stellenanzeige im Business-Netzwerk XING eingestellt (vgl. Leberecht, 2015, S. 89):

Und der Autor hat tatsächlich ernstzunehmende Bewerbungen für diese Stellenausschreibung bekommen, die eine durchaus stark verbreitete Sehnsucht nach einem anderen, sinnstiftenden Wirtschaftsleben vermuten lassen.

Antworten finden

Und hier weiterführende und entscheidende Fragen:

Æ Inwieweit passt diese Stellenausschreibung auf Amt und Funktion eines Betriebsrats in einem Unternehmen?

Æ Sind Betriebsräte diese von Tim Leberecht beschriebene Art von Romantiker?

Æ Sind Betriebsräte diejenigen in hiesigen Unternehmen, die einen „Return on Com- munity“ und sinnvolle und gesundheitsför- derliche Arbeitszusammenhänge für die Be- schäftigten anstreben?

Vielleicht finden Sie ja erste Antworten auf die- se Fragen, wenn Sie im Buch blättern. Denkan- stöße liefert das Werk auf jeden Fall. Reinschau- en lohnt sich!

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Dieser Betriebsrat ist wirklich erstaunlich: Statt der mir angekündigten fünf Mitglieder erwar- ten mich in der DJH-Hauptgeschäftsstelle sie- ben Personen am runden Tisch. Das Geheimnis ist schnell geklärt: zwei Ersatzmitglieder sind permanent in den BR-Alltag eingebunden. Wa- rum? Ganz einfach, erläutert Knut Dinter, der seit 21 Jahren Mitglied im DJH-Betriebsrat ist:

So können Ausfälle im Betriebsrat mit gutem und aktuellem Wissensstand durch die Ersatz- mitglieder aufgefangen werden. „Außerdem brauchen wir ihre Erfahrung“, ergänzt er.

Zusammenführung und ihre Folgen

Denn im Unternehmen ist das passiert, was in vielen Unternehmen im Gange ist: Durch die Zusammenführung von zwei Betrieben – mit je- weils einem eigenen Betriebsrat – schlugen die Wellen hoch in Detmold. 17 Jahre lang wurden in der DJH Mitgliederservice GmbH Aufgaben wie IT und Logistik erledigt; im Hauptverband unter anderem Marketing und Verbandsarbeit. 2014 erfolgte dann die Verschmelzung zur DJH-Haupt- geschäftsstelle. Statt zwei Betriebsratsgremien mit 3 bzw. 5 Mitgliedern musste ein neues, fünf- köpfiges Gremium gewählt werden.

Aus zwei mach eins!

Beim Betriebsrat der DJH-Hauptgeschäftsstelle

Aus zwei mach eins – der Betriebsrat der Hauptgeschäftsstelle des Deutschen Jugendherbergswerks (DJH) in Detmold hat das erfahren, was in vielen Unternehmen im Gange ist: Den Zusammenschluss

von zwei Betrieben. Über 17 Jahre lang gab es zwei Betriebsratsgremien in zwei eigenständigen Betrieben. 2014 erfolgte die Verschmelzung:

Die einstige GmbH wurde aufgelöst, fortan hatte die Dachorganisation

des DJH 67 Mitarbeiter.

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26 2 | 2016 der betriebsrat

Aus zwei mach eins! Beim Betriebsrat der DJH-Hauptgeschäftsstelle

Das fünfköpfige Gremium sowie zwei Ersatzmitglieder der DJH-Hauptgeschäftsstelle sind für 67 Mitarbeiter zuständig.

Wir haben uns Vertrauen erarbeitet.

Der neue Betriebsrat stand vor einem Berg Arbeit: Unterschiedliche Gehaltsmodelle, un-

terschiedliche Arbeitsweisen und unterschiedliche Ideen prallten aufeinander. Außerdem waren die Mitarbeiter in den ersten Monaten noch an unterschiedlichen Stand- orten tätig; erst seit der Einweihung eines Er- weiterungsbaus im Herbst 2015 sind alle Mitar- beiter unter einem Dach vereint.

Vertrauen erarbeitet

Ein Blick in die Runde verrät: Das Betriebs- ratsteam hat die ersten Hürden gut gemeistert – sowohl innerhalb des Gremiums als auch ge-

genüber den Kollegen. „Wir haben uns Vertrau- en erarbeitet“, meint Ursula Weß. Sie hat 2006, in ihrer ersten Amtszeit, direkt den Vorsitz des damaligen Betriebsrats übernommen und wur- de innerhalb des „neuen“ Betriebsrats bestä- tigt. „Ich habe den Vorsitz damals gerne über- nommen, und mache es heute noch gerne“, sagt sie. In vier Jahren geht sie in den Ruhestand, es wird also zumindest ihre letzte komplette Amtszeit sein.

Auch ihre Kollegin Marion Kleemann-Köpp ist froh darüber, dass die kritische Übergangspha- se vorbei ist: „2014 dachte ich: das muss an- ders werden. Und es ist anders geworden. Zum Glück!“

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Aus zwei mach eins! Beim Betriebsrat der DJH-Hauptgeschäftsstelle

Kündigungen und Co. …

Dabei war die Überleitung nicht immer leicht:

Der Arbeitgeber sprach neun Kündigungen aus. „Es ist immer schwierig für den Betriebs- rat, wenn Kollegen entlassen werden sollen“, erinnert sich Jürgen Reineke. Er hat vor 14 Jah- ren in der GmbH angefangen und war dort auch im BR. Aktuell ist er eines der Ersatzmitglieder des Gremiums. „Wir mussten für unsere Rech- te kämpfen“, ergänzt sein Kollege Jens Schulze.

Für ihn ist es die erste Amtszeit als Betriebsrat.

„Die Wellen sind hoch geschlagen“ erinnert sich auch Martina Koring. „Auch persönlich war es eine schwierige Zeit“.

Endlich Wege nach vorn

Dass diese Zeit das Gremium auch emotional stark gefordert hat, lag auch am schwierigen Verhältnis mit einer damaligen Geschäftsfüh- rerin. Statt vertrauensvoll zusammenzuarbei- ten, habe sie den Betriebsrat vorführen wollen.

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DJH: Mehr als nur Klassenfahrten

Das Deutsche Jugendherbergswerk verfügt über 500 Ju- gendherbergen in allen Teilen Deutschlands. Hier sind nicht nur Schulklassen willkommen, auch für Familien und Einzelreisende gibt es Angebote. Jährlich übernachten mehr als 10 Mio. Menschen in den Häusern des DJH. Der Hauptverband mit Sitz in Detmold ist der zentrale Dienst- leister für die 14 selbstständigen Landesverbände.

Sie brach weitere Gespräche einfach ab. Zum Glück erhielt der Betriebsrat eine enorme Zu- stimmung durch die Beschäftigten. „Wir haben uns nicht aufhetzen lassen“, erinnert sich Knut Dinter. Schlussendlich musste die Geschäfts- führerin gehen – und eine neue, positive Ver- handlungskultur hielt Einzug. „Wir haben Wege nach vorn genommen und einen großen Knoten durchschlagen“, sagt Ursula Weß.

Inzwischen sind die ersten Vereinbarungen un- terschrieben, das Thema Gehalt ist erstmal ge- schafft – auch wenn es nicht leicht war mit den Anpassungen, erinnert sich Heike Beckmann, Ersatzmitglied des Gremiums. „Aber wir haben doch alle ein gemeinsames Ziel: die Geschäfts- stelle voranzubringen“.

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28 2 | 2016 der betriebsrat

Achtung

Arbeitszeugnis!

Formulierungen und ihre Tücken

(29)

Achtung Arbeitszeugnis!

Haben Sie sich schon einmal bei einem Arbeitgeber beworben und sind trotz passender Qualifikation abgelehnt worden? Vielleicht liegt das an Ihrem Arbeitszeugnis. Denn mit bestimmten Geheimzeichen, Formulierungen und rhetorischen Tricks werden zuweilen negative Inhalte transportiert – ohne dass man es auf den ersten Blick merkt. Unsere Referentin Inga Bösel klärt auf, worauf man beim Arbeitszeugnis achten muss.

Arbeitgeber sind verpflichtet, Arbeitszeugnis- se klar und verständlich zu formulieren. Sie dürfen zudem keine Merkmale oder Formulie- rungen enthalten, die den Zweck haben, eine andere Aussage über den Arbeitnehmer zu tref- fen. So steht es im Gesetz (vgl. § 109 GewO).

Zur „Umgehung“ der Vorschrift hat sich jedoch eine eigene Zeugnissprache etabliert, und zwar mit zahlreichen Geheimcodes. Diese klingen auf den ersten Blick zwar sehr positiv, bedeu- ten aber zum Teil das genaue Gegenteil – und vermasseln Ihnen unter Umständen die Suche nach einem neuen Job. Deshalb müssen Sie da- rauf achten, im Arbeitszeugnis „zwischen den Zeilen“ zu lesen.

Die Tätigkeitsbeschreibung

Kernstück des Arbeitszeugnisses ist die Be- schreibung Ihrer ausgeübten Tätigkeiten. Nur durch eine ausführliche und konkrete Auf- gabenbeschreibung wird ein zukünftiger Ar- beitgeber einschätzen können, ob Sie die ge- wünschten und erforderlichen Qualifikationen für die Stelle mitbringen.

Ihr ehemaliger Chef kann die Aufgabenbe- schreibung in Form von Aufzählungspunkten oder als Fließtext ins Arbeitszeugnis einbauen.

Der Bewertung bzw. der Benotung der aufge- zählten Aufgaben sollten Sie nun besonders hohe Aufmerksamkeit schenken. In vielen Ar- beitszeugnissen findet man hier nämlich ver- klausulierte Schulnoten wieder. Diese erkennt man meist an der Formulierung „stets“ oder

„zur vollsten“ beziehungsweise „zur vollen Zu- friedenheit“. Nach diesen Formeln funktioniert der klassische Notencode:

Herr Karl erledigte alle Aufgaben …

Note 1 stets zu unserer vollsten Zufriedenheit.

Note 2 stets zu unserer vollen Zufriedenheit.

Note 3 zu unserer vollen Zufriedenheit.

Note 4 zu unserer Zufriedenheit.

Note 5 im Großen und Ganzen zu unserer Zufriedenheit.

Note 6 hat sich bemüht.

Inga Bösel ist Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht in der Kanzlei Althoff und Partner.

Für das ifb referiert sie zu arbeits- und betriebsverfassungsrechtli- chen Themen.

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30 2 | 2016 der betriebsrat Achtung Arbeitszeugnis!

Das steht im Zeugnis Das ist tatsächlich gemeint

„Die Leistungen von Herr Karl haben in jeder Hin-

sicht unsere volle Anerkennung gefunden.“ u Sehr gut, Note 1!

„Herr Karl zeigte stets ein sehr hohes Maß an Eige- ninitiative und Leistungsbereitschaft.“ u

Herr Karl hat mehr als nur seinen Job gemacht.

Sehr gut, Note 1.

„Herr Karl erledigte seine Aufgaben stets selbst-

ständig mit äußerster Sorgfalt und Genauigkeit.“ u Sehr gut, Note 1!

„Herr Karl war im höchsten Maße zuverlässig.“ u Sehr gut, Note 1!

„Herr Karl erledigte seine Aufgaben stets zu unse-

rer vollsten Zufriedenheit.“ u Sehr gut, Note 1!

„Herr Karl hat unseren Erwartungen in jeder Hin-

sicht und bester Weise entsprochen.“ u Gut, Note 2!

„Wir waren mit den Leistungen von Herrn Karl

immer sehr zufrieden.“ u Gut, Note 2!

Nach so vielen negativen Beispielen schauen wir uns doch auch mal ein paar positive Beispiele an:

Blick hinter die Kulissen

Na, beeindruckt? Abwarten, es kommt noch dicker! Schauen wir uns doch weitere aktuelle Leistungsbewertungen im Arbeitszeugnis an und was sie wirklich bedeuten:

Das steht im Zeugnis Das ist tatsächlich gemeint

„Herr Karl erfüllte die ihm übertragenen Aufgaben zu

unserer vollen Zufriedenheit.“ u

Klingt erstmal gut, bedeutet aber die Note 2. Für eine Note 1 hätte „stets zu unserer vollsten Zufriedenheit“

im Arbeitszeugnis stehen müssen.

„Herr Karl hat alle Arbeiten ordnungsgemäß

erledigt.“ u

Herr Karl war ein Arbeitnehmer ohne jegliche Eigen- initiative.

„Herr Karl war wegen seiner Pünktlichkeit, Loyalität und Ehrlichkeit stets ein gutes Vorbild.“ u

Durch die Betonung von solchen Selbstverständlichkei- ten wird zum Ausdruck gebracht, dass die Arbeitsleis- tungen und der Arbeitserfolg nicht so besonders waren.

„Herr Karl hat sich im Rahmen seiner Fähigkeiten

eingesetzt“. u

Herr Karl hat zwar getan was er konnte, das war jedoch nicht ganz so viel.

„Die gezeigten Leistungen bewegten sich durchaus

im Rahmen seiner Fähigkeiten“ u

Die Fähigkeiten waren sehr bescheiden. Note: ungenü- gend!

„Herr Karl war mit Interesse bei der Sache“ u Herr Karl hat sich zwar sich angestrengt, aber nichts geleistet.

„Herr Karl verfügt über Fachwissen und gesundes

Selbstvertrauen.“ u Herr Karl ist selbstverliebt und anstrengend.

„Herr Karl war bei Kunden schnell beliebt.“ u Verhandeln kann Herr Karl überhaupt nicht.

„Herr Karl war tüchtig und in der Lage, seine Meinung

zu vertreten.“ u Herr Karl konnte keinerlei Kritik vertragen.

(31)

Achtung Arbeitszeugnis!

Die Beurteilung des Sozialverhaltens

Nach der Beschreibung Ihrer Tätigkeit und deren Beurteilung sollte Ihr Arbeitgeber auch Ihr an den Tag gelegtes Sozialverhalten im Betrieb im Arbeitszeugnis bewerten. Sie wollen Ihr Arbeitszeugnis diesbezüglich entschlüsseln? Das bedeuten die Beurteilungen zum Sozialverhalten wirklich:

Das steht im Zeugnis Das ist tatsächlich gemeint

„Herr Karl war ein anspruchsvoller und kritischer

Mitarbeiter.“ u Er war ein notorischer Querulant.

„Herr Karl zeigte eine erfrischende Art im Umgang

mit Kollegen und Vorgesetzten.“ u Er ist frech und hat keine Manieren.

„Herr Karl war ein umgänglicher Kollege.“ u Anstrengender Dampfplauderer. Die meisten Kollegen sind in Deckung gegangen, wenn er um die Ecke kam.

„Herr Karl trat innerhalb und außerhalb des Betrie-

bes für die Interessen der Arbeitnehmer ein.“ u Hinweis auf eine gewerkschaftliche Betätigung

„Herr Karl trug durch seine Geselligkeit zur Verbes-

serung des Betriebsklimas bei“ u

„Die ´Betriebsnudel´, eventuell auch dem Alkohol nicht abgeneigt.

„Im Kollegenkreis galt er als toleranter Mitarbeiter.“ u Für Vorgesetzte war er ein schwerer Brocken.

„Herr Karl bewies für die Belange der Mitarbeiter

Einfühlungsvermögen.“ u

Herr Karl suchte während der Arbeitszeit nach sexuel- len Kontakten zu den Mitarbeitern.

„Herr Karl trat engagiert für die Interessen der

Kollegen ein.“ u Herr Karl war Mitglied im Betriebsrat.

Nach so vielen negativen Formulierungen Lust auf ein positives Beurteilungsbeispiel? Aber gerne!

Das steht im Zeugnis Das ist tatsächlich gemeint

„Sein Verhalten gegenüber Vorgesetzten und Mitar-

beitern war stets vorbildlich.“ u

Dies entspricht der Note 1! Aber bitte auf die Reihenfolge achten: Erst die Chefs, dann die Kollegen. Ansonsten war er beim Chef ein Querulant!

Beurteilungen zum Führungsstil

Scheidet eine Führungskraft freiwillig oder unfreiwillig aus einem Unternehmen aus, dann ist die Beschreibung von Führungsstil und Führungsleistung im Arbeitszeugnis ein besonderes Muss.

Und das bedeuten die Klauseln im Arbeitszeugnis zum Führungsstil wirklich.

Das steht im Zeugnis Das ist tatsächlich gemeint

„Von seinen Mitarbeitern und Vorgesetzten wurde

Herr Karl sehr geschätzt.“ u

Umgekehrte Reihenfolge: Die Mitarbeiter werden hier an erster Stelle genannt und nicht die Vorgesetzten (eigentlich üblich)! Das drückt aus, dass Herr Karl zu Mitarbeitern ein weit besseres Verhältnis als zu Vorge- setzten hatte.

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32 2 | 2016 der betriebsrat Achtung Arbeitszeugnis!

Das steht im Zeugnis Das ist tatsächlich gemeint

„Herr Karl verstand es, die Aufgaben mit Erfolg zu delegieren und setzte sich für die Förderung der Mitarbeiter ein.“

u

Herr Karl hat kaum selbst gearbeitet und Mitarbeiter durch Gehaltserhöhungen von Kritik an seiner Person abgehalten.

„Herr Karl führte mit fester Hand.“

„Herr Karl führte konsequent.“

„Herr Karl führte straff demokratisch.“

u Dies ist ein Hinweis auf einen autoritären Führungsstil.

„Herr Karl war ein verständnisvoller und toleranter Vorgesetzter.“

„Herr Karl praktizierte einen kooperativen Füh- rungsstil und war deshalb von seinen Mitarbeitern sehr geschätzt.“

u Herr Karl hatte kein Durchsetzungsvermögen.

Und zuletzt: Die Schlussformel

Die Schlussformel rundet das Zeugnis ab. Mit ihr steht oder fällt ein Zeugnis. Auch wenn in Ihrem Arbeitszeugnis einzelne Sätze oder sogar einzelne Worte und Zeichen für die Beurteilung wichtig sind, empfiehlt es sich, das Zeugnis immer als Ganzes zu analysieren. Fehlt zum Beispiel in einem sonst guten Zeugnis eine Schlussformulierung mit Dank und Bedauern, dass der betreffende Mitar- beiter ausscheidet, so fällt die Beurteilung insgesamt doch negativ aus. Schauen wir uns mal dazu die Feinheiten an:

Das steht im Zeugnis Das ist tatsächlich gemeint

„Wir haben uns im gegenseitigen Einvernehmen

am gleichen Tag getrennt.“ u

Es besteht Grund zur Annahme, dass eine fristlose Arbeitgeberkündigung vorangegangen ist.

„Für seine Mitarbeit bedanken wir uns aufs Herz-

lichste!“ u

Ironische Überziehung, die das genaue Gegenteil bedeu- tet, verstärkt noch durch das Ausrufezeichen.

„Wir haben uns einvernehmlich getrennt.“ u Hinweis auf Abschluss eines Aufhebungsvertrages oder Eigenkündigung des Arbeitnehmers.

„Das Arbeitsverhältnis endete am 18. August 2000.“ u Das ungewöhnliche Beendigungsdatum weist auf eine fristlose Kündigung hin.

„Wir wünschen ihm alles Gute und Gesundheit.“ u Achtung, der Arbeitnehmer kränkelt oft!

„Für die Zukunft wünschen wir ihm alles Gute,

besonders Erfolg.“ u Erfolg hatte er in dieser Firma anscheinend gar keinen.

Ein positives Beispiel für eine Schlussformulierung würde demgegenüber lauten:

Das steht im Zeugnis Das ist tatsächlich gemeint

„Wir bedanken uns bei ihm für die stets ausgezeich-

nete Arbeit.“ u

Ihr Arbeitgeber hat Ihre Arbeit wirklich geschätzt. Diese Formulierung ist ausschließlich positiv!

(33)

Achtung Arbeitszeugnis!

Zwei Punkte am Satzende bedeuten beispiels- weise: Hier gäbe es noch viel mehr zu sagen.

Auch die handschriftliche Unterschrift unter- halb des vorgedruckten Namens des Ausstel- lers (statt darüber) kann eine Aussage bein- halten: Nämlich, dass der Arbeitnehmer ein unterdurchschnittlicher Mitarbeiter war. Findet sich in dem Zeugnis ferner eine unterstrichene Telefonnummer, signalisiert dies, dass bei An- ruf weitere Informationen über den Bewerber zu erfahren sind.

Anspruch auf ein individuelles Arbeitszeugnis Grundsätzlich müssen Sie aktiv – und am bes- ten schriftlich – die Erteilung eines Zeugnisses von ihrem Arbeitgeber verlangen. In der Praxis ist es jedoch mittlerweile üblich, dass der Ar- beitgeber dem Arbeitnehmer ein solches von sich aus erteilt.

Sie haben zudem einen Anspruch auf ein in- dividuelles Zeugnis, das Ihre Leistungen so beschreibt, dass der Leser des Zeugnisses ein anschauliches und zutreffendes Bild von Ihren Fähigkeiten, Arbeitserfolgen und ihrer Persön- lichkeit erhält (vgl. LAG Baden-Württemberg vom 06.02.1968, 4 Ta 14/68). Ein Anspruch auf ein „sehr gutes“ oder „gutes“ Zeugnis besteht

Verbotene Angaben

Übrigens: Zahlreiche Angaben dürfen erst gar nicht in einem Arbeitszeugnis auftauchen.

Hierzu gehören z. B. folgende Angaben:

• Betriebsratstätigkeit,

• Schwangerschaft, Erziehungsurlaub, Mutterschutz,

• Krankheiten,

• Gewerkschaftszugehörigkeit,

• Straftaten,

• Drogen- oder Alkoholprobleme.

Geheimzeichen

Wenn Sie jetzt vielleicht denken: „Diese Ge- heimsprache ist ja der Gipfel!“, muss ich Ihnen leider sagen: Es kann noch schlimmer kommen.

Haben Sie schon mal einen Rechtschreibfehler im Arbeitszeugnis gefunden? Denken Sie etwa an ein Versehen? Mitnichten! Oft verwenden Chefs neben der Geheimsprache auch soge- nannte Geheimzeichen in Arbeitszeugnissen.

So bedeuten Rechtschreibfehler, Flecken, Aus- rufezeichen, Unterstreichungen, Kursivsetzu- gen, zu viele Leerzeichen, Fettungen und An- führungszeichen das genau das Gegenteil vom Gesagten.

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34 2 | 2016 der betriebsrat Achtung Arbeitszeugnis!

nicht ohne weiteres, sondern nur dann, wenn entsprechende Leistungen vorgelegen haben.

Unzufrieden mit dem Zeugnis?

Was sollte man tun, wenn man mit dem Inhalt des Arbeitszeugnisses unzufrieden ist oder die Geheimsprache oder Geheimzeichen entdeckt hat? Sprechen Sie mit Ihrem Chef und legen Sie dar, was Ihrer Meinung nach fehlt, falsch oder zu schlecht bewertet ist und warum. Fordern Sie bei entdeckten Geheimzeichen eine korri- gierte Fassung an.

Falls Sie eine bessere Bewertung erreichen wol- len, müssen Sie darlegen und im Bestreitens- fall des Arbeitgebers beweisen, dass Sie über- durchschnittliche Arbeitsleistungen erbracht haben (vgl. BAG vom 14.10.2003, 9 AZR 12/03).

Diesen Beweis kann man durch z.B. früher ge- führte Mitarbeiter-Beurteilungsgespräche, aus- gehändigte Beurteilungsbögen und Zwischen- zeugnisse führen. Lenkt Ihr Arbeitgeber nicht ein, hilft nur ein Gang zum Rechtsanwalt oder vor das Arbeitsgericht.

Frist zur Geltendmachung

Gibt es eine Frist zur Geltendmachung des Zeugnisanspruchs und des Zeugnisberichti- gungsanspruchs? Ja, die gibt es: Eine Verjäh- rung des Zeugnisanspruches tritt grundsätzlich erst nach 3 Jahren ein (vgl. § 195 BGB). Aber Achtung: Zu beachten sind auch eventuell bestehende tarifliche oder vertragliche Aus- schlussfristen für die Geltendmachung des Zeugnisanspruchs.

Der Korrekturanspruch des Arbeitszeugnis- ses muss in einer angemessenen Zeitspanne geltend gemacht werden, da dieser ansonsten verwirkten kann. Eine Verwirkung tritt bereits nach wenigen Monaten ein.

Noch ein letztes Wort

Und Vorsicht, die Zeugnissprache „lebt“! Es ist zu erwarten, dass sich findige Arbeitgeber im- mer mal wieder neue Formulierungen und Ge- heimzeichen ausdenken. Im Zweifel sollte man einen Experten (z.B. Fachanwalt für Arbeits- recht) beauftragen, das Zeugnis einmal kritisch unter die Lupe zu nehmen.

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