• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Not- und Sonntagsdienst wie im Altertum: I." (10.10.1974)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Not- und Sonntagsdienst wie im Altertum: I." (10.10.1974)"

Copied!
2
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Spektrum der Woche Aufsätze . Notizen

FORUM

1.

Der Vorschlag des Kollegen Dr.

med. Wolfgang H. Kahlert, im Sonntagsdienst achtstundenweise wechseln zu lassen, um eine Ermü- dung für den Montagvormittag zu vermeiden, wird an Besetzungs- schwierigkeiten scheitern, denn man müßte dann ja dreimal so oft Sonntagsdienst leisten (oder drei- mal soviel Ärzte haben). Die von Dr. Kahlert angesprochene Überla- stung des Sonntagsdienstarztes kann auch schon jetzt vermieden werden, wenn der Diensthabende den um sich greifenden Mißbrauch durch die Patienten unterbindet, besonders in den Dienstbereichen, in denen der Name des Dienstha- benden publiziert wird, was die Ausweitung des Sonntagsdienstes zu einer Kontroll-Konsiliar-Tätig- keit des Notdienstarztes anregt („mal sehen, was der Dr. X. zu Dia- gnose und Verordnungen meines behandelnden Arztes sagt"). Nur die strengste Beachtung der Kolle- gialität kann hier dienlich sein.

Noch mehr wird der Sonntags-Not- fall-Arzt durch unnötige Besuchs- anforderungen belastet. Hier muß in jedem Bereich der Grundsatz durchgesetzt werden, daß (bis auf ganz wenige Fälle) der Kranke zum Notfallarzt gebracht werden sollte (eigenes Auto, Taxi, DRK-Trans- port). Dem Publikum muß jeweils mit dem nötigen Takt klargemacht werden, daß der Arzt den unbe- kannten Patienten besonders ein- gehend untersuchen muß und daß im Hause des Kranken meist schon die Beleuchtung eine ausreichende Inspektion verhindert, ganz abge- sehen davon, daß in der Notfallpra-

xis ja die nötigen technischen Un- tersuchungen bereitstehen, wäh- rend beim Hausbesuch eines unbe- kannten Falles der Notarzt in einer ungünstigen diagnostischen Situa- tion ist. Schließlich muß er ja ent- scheiden, ob der Kranke bis zur nächsten Visite des behandelnden Kollegen mit einer Notversorgung warten kann oder ob eine Kran- kenhaus-Einweisung nötig ist.

Da bei ernsten Fällen niemand et- was gegen einen Transport ins Krankenhaus einzuwenden hat, kann man doch kaum etwas dage- gen sagen, daß bei weniger „ern- sten" Fällen der Kranke zum Not- arzt transportiert wird. Dazu muß auch gesagt sein, daß viele Kolle- gen ihre ständig behandelten Haus- fälle meist auch samstags vormit- tags zu versehen pflegen, so daß in Wirklichkeit nur noch eine Not- versorgung von 36 Stunden besteht.

Die Möglichkeit, noch Samstag mor- gens den Hausarzt in Anspruch zu nehmen, wird aber häufig dadurch unmöglich gemacht, daß der Sams- tagvormittag ein traditioneller Fa- milieneinkaufstag ist.

Zusammenfassend sei gesagt, daß der Hausbesuch durch den behan- delnden Arzt aus vielen Gründen wichtig erscheint, daß er aber bei einer Notfallversorgung für 36 Stunden nicht angebracht ist und durch klare Haltung der Sonntags- dienste vermieden werden kann, wenn örtlich die Frage des Kran-

kentransports geregelt ist.

In einer solchen Sonntags-Notfall- dienst-Regelung (Motto: „Akutfall soll zum Notarzt gebracht werden") kann die Bevölkerung mit der bis-

herigen Arztdichte nicht nur ausrei- chend, sondern sogar ausgezeich- net versorgt werden.

Dr. med. Friedrich W. Degenring Arzt für Allgemeinmedizin 6944 Hemsbach/Bergstraße Gartenstraße 16

II.

Die Vorschläge sind für weite Strecken der Bundesrepublik Deutschland kaum ohne Ver- schlechterung für die Kranken durchführbar! Insbesondere Land- ärzte sind gewohnt, mehr als acht Stunden zu arbeiten.

Wer in Kriegszeiten an der Front wie in der Heimat Arzt war, weiß, daß er „bei Bedarf" seine ärztli- chen Fähigkeiten auch unter maxi- maler Inanspruchnahme erhalten kann und „handlungsfähig" ist.

Wer in Ländern mit geplantem Ärz- teeinsatz Erfahrungen als Arzt oder als Patient gesammelt hat (siehe auch die Aufsatzreihe über „Die sozialisierte Poliklinik", DEUT- SCHES ÄRZTEBLATT, Hefte 20 bis 22/1974), weiß, daß der Dienstwech- sel der Ärzte immer zum Nachteil der Kranken erfolgt, d. h. daß der eine nicht mehr tätig werden zu können vorgibt oder noch unter- wegs ist und der nächste noch nicht im Dienst ist oder vermutet, daß die „vorzeitige" Inanspruch- nahme auf Ausrede (Drückeberge- rei) des auslaufenden Dienstha- benden beruht.

Wochenenden und sonstige Einsät- ze ,mit einem achtstündigen Dienst erfordern sechs Ärzte, wenn keiner zweimal an die Reihe kommen soll.

Ich rechne von Samstag 8 Uhr bis Montag 8 Uhr. Ein solcher Acht- Stunden-Dienstplan benötigt also unter der Berücksichtigung von Sommerferien, Weiterbildungsur- laub und ausreichender Beweglich- keit, damit nicht immer derselbe die Nachtstunden erwischt, unge- fähr 15 bis 20 Ärzte. In ländlichen Gebieten ist diese Zahl wegen der riesigen Entfernungen und der feh- lenden Orts- und Straßenkenntnis- se der Ärzte überhaupt nicht zu

Not- und Sonntagsdienst wie im Altertum

Zu dem Beitrag in Heft 19/1974, Seite 1423

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 41 vom 10. Oktober 1974 2965

(2)

Spektrum der Woche Aufsätze - Notizen Not- und Sonntagsdienst

erreichen. Genauso groß sind die Schwierigkeiten der Kranken, den weit entfernt wohnenden Arzt auf- zusuchen und auch bei Nacht zu finden. Die Bekanntgabe eines sol- chen verwickelten Planes stößt bei der geringen Zahl von großräumig erscheinenden und monopolisti- schen Zeitungen, die auch noch dazu von allen gelesen werden sollten, bzw. der Vielzahl von Zei- tungen, die sich andernorts in ih- ren Vertriebsgebieten überlappen, auf unüberwindbare Schwierigkei- ten. Als Beispiel sei der Friseur im nächsten Dorf genannt, der in fünf verschiedenen Zeitungen seine Fe- rien bekanntgeben müßte, um all seiner Kundschaft Nachricht zu ge- ben. Alle dargelegten Schwierig- keiten lassen sich auch durch Ali- biphongeräte nicht überwinden. Es wäre sehr zu wünschen, wenn die Planer allerorts nicht verges- sen, daß es Bereiche in der Bun- desrepublik gibt, die mit Prinzipien und vom „grünen Tisch" aus nicht von dem Opfer und dem Einsatz ei- nes Arztes „befreit" werden kön- nen. Gemeinschaftspraxen bringen dabei kaum einen Vorteil.

Mir erscheint es nicht ausge- schlossen, daß eine solche perfek- te Lösung in den Stadtbereichen, wie sie vorgeschlagen wurde, die Unwilligkeit, sich auf dem Lande niederzulassen, noch steigert. Aber das wollen wir Ärzte wohl alle nicht, auch nicht Kollege Kahlert und sicher nicht auch die SPD.

Auch dort wird wohl nicht daran gedacht werden, daß das Sich-Ein- setzen durch verfügtes Einsetzen ersetzt werden kann. Die gründli- che Diskussion sollte behutsam und nicht schnell erfolgen.

Dr. med. Bernhard Klinger 8802 Oberdachstetten Ortsteil Hohenau Nr. 4

Den Thesen von Dr. Kahlert muß dringend widersprochen werden, da er durch die Mitteilung über sei- ne parteipolitische Aktivität Einfluß demonstriert, welchen wir nicht tei-

len. Unter „wir" versteht sich eine Vertretergemeinschaft von acht Ärzten. Solange der Hausarzt zu Hause ist, versorgt er seine eige- nen Patienten selbst. Der Bereit- schaftsdienst geht von Sonnabend 8 Uhr bis Montag 8 Uhr sowie Mitt- woch 14 Uhr bis Donnerstag 8 Uhr.

Durch die zusätzlichen Feiertage ist mithin eine Dienstfrequenz im Schnitt alle sieben Wochen gege- ben. Neuerdings teilen wir ver- suchsweise Feiertage wie z. B.

Ostern nicht durch zwei Kollegen, sondern in einen Dienst, um die Bereitschaftsfrequenz noch mehr aufzulockern. Ein Kern von sechs Ärzten ist seit zehn Jahren und mehr in diesem Dienst zusammen.

Nennenswerte Probleme hat es nicht gegeben. Nach den Vorstel- lungen von Dr. Kahlert wären für den Bereitschaftsdienst eines nor- malen Wochenendes sechs Ärzte notwendig. Das erscheint uns un- diskutabel.

Dr. med. Ortwin Hinze 4972 Löhne-Gohfeld Weihestraße 26

1V.

Dem Artikel „Not- und Sonntags- dienst wie im Altertum" von Kah- lert ist zuzustimmen. Die biologi- sche Belastung des mehr als acht- stündigen Notfalldienstes sollte nur als freiwillige Überstunde erlaubt sein. Die zu lang dauernde Bela- stung durch den pflichtgemäßen Dienst dürfte eventuell als Ursache zum Kunstfehler in der nachfolgen- den Montagspraxis gerechtfertigt erscheinen. Unzeitgemäß erscheint es zudem, den über sechzigjähri- gen Ärzten eine mehr als achtstün- dige Pflichtleistung abzuverlangen.

Rechtlich ist es den Organisatoren des Notfalldienstes möglich, die Einteilung entsprechend zu ordnen und die Familie vom unbezahlten Telefondienst zu befreien.

Für die Organisatoren sollten aber noch zwei Überlegungen hinzukom- men. Nach der gültigen Approba- tionsordnung haben die Studenten die Möglichkeit in zwei Monaten Pflichtfamulatur, die Forderungen

und Tatsachen der Praxis kennen- zulernen. In einer Verbesserung der Approbationsordnung soll au- ßer der Klinik auch die Poliklinik im Internatsjahr ausbildungsberech- tigt werden. Zur poliklinischen Ausbildung sollte unbedingt der außerklinische Notfalldienst gehö- ren. Die Organisation ist verbesse- rungswürdig. Der außerklinische Notfalldienst sollte ein Thema der Fortbildung werden. Die jetzige Or- ganisation des Notfalldienstes dürf- te kein Anreiz sein für Studenten und Assistenten, die freiberufliche Tätigkeit als Kassenarzt zum Le- bensberuf zu erwählen.

Dr. med. Ernst Kühn Arzt für Allgemeinmedizin Lehrbeauftragter

an der Universität Bochum 46 Dortmund-Dorstfeld

Spichener Straße 9

V.

Schlußwort

Das Reizwort „Altertum" sollte die Darstellung der unterschiedlichen Formen durch Leserbriefe verursa- chen. Das ist geschehen; alle Pro- bleme der Einsender haben ihre Bedeutung. Mir liegt es am Herzen, auch das Leben der Ärzte (mitsamt Familien und besonders der „ar- men Frau Doktor", die tagein, tag- aus mit dienstbereit sein muß)

„menschlicher zu machen". Das hat nichts mit Parteipolitik zu tun.

In der Bonner SPD-Kommission geht es um den ganzen Komplex

„Gesundheit" und nicht nur um die Ärzte, Zahnärzte und Apotheker, deren Interessenvertretung dort oft nicht leicht ist. Degenring sieht das Problem Arztdichte richtig. Die Kriegszeiten (Klinger) sollen uns kein Maßstab sein für den Dienst am Gesunden, am Kranken und im Notfall. Man wird häufiger einge- teilt (Hinze), die „Kapazität Arzt"

ist aber optimaler genutzt, wenn man in wenigen Stunden ausgela- stet ist und mit Funkwagen eine größere Region versorgt, statt übers ganze Wochenende auf—hof- fentlich begründete — Anrufe zu warten.

2966 Heft 41 vom 10. Oktober 1974 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Im Gegenteil, in den letzten drei Jahren haben die Standesgremien der Ärzte für vorbildlichen Sonn- tagsdienst gesorgt: Eine Leitstelle nimmt die Notrufe an und schickt

Auch dort wird wohl nicht daran gedacht werden, daß das Sich-Ein- setzen durch verfügtes Einsetzen ersetzt werden kann.. Die gründli- che Diskussion sollte behutsam und nicht

Nachsorge, Opfer- und Angehörigenhil- fe (NOAH) für Deutsche nach schwe- ren Unglücksfällen im Ausland, die vor gut einem Jahr bei der Zentralstelle für Zivilschutz

(3) Für alle anderen überprüften An- wendungsindikationen hat die Überprü- fung gemäß § 135 Abs.1 SGB V erbracht, dass der Nutzen, die medizinische Not- wendigkeit

Veranstalter: Landesärztekammer Thüringen, Kassenärztliche Vereini- gung Thüringen und Verband der Leitenden Kranken- hausärzte Thüringen?. Tagungsort: Kongresszentrum Neue

Hinzugerechnet werden muß dabei noch die Zeit für Patienten- hausbesuche, die im Monat durch- schnittlich 31 Stunden, das sind 7,8 Stunden pro Woche oder 1,5 Stun- den pro

In der Gegend von 1800 wird der Spiegel-Prismenkreis in der von uns betrachteten Anordnung (n‘ = n für a = 0, s, 0.. bei (II)) zur

Für die Ärzte geht es hier nicht um ein paar Mark oder ein paar hundert Mark, sondern um..