A 852 Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 109|
Heft 17|
27. April 2012PRÄIMPLANTATIONSDIAGNOSTIK IN DEUTSCHLAND
Zwangspause trotz Erlaubnis
Das PID-Gesetz ist in Kraft – dennoch darf keine Präimplantationsdiagnostik
durchgeführt werden. Betroffene Paare müssen auf die Rechtsverordnung warten.
§ Die Geburt von Mia*, des ers-
ten PID-Babys, ist für die El- tern ein Glücksfall – auch zeitlich.
Denn von der Möglichkeit der Prä- implantationsdiagnostik (PID) er- fuhren sie nach der Erlaubnis der PID durch den Bundesgerichtshof und ließen sie noch vor Inkrafttre- ten des PID-Gesetzes in Deutsch- land durchführen. Seitdem ist die PID nämlich wieder trotz des posi- tiven Votums des Parlaments verbo- ten. Der Grund: eine bis heute feh- lende Rechtsverordnung.
Dabei befürwortet Umfragen zu- folge die Mehrheit der Bevölkerung die Zulassung der PID durch den Deutschen Bundestag. Auch die Ärztinnen und Ärzte bestätigten auf dem Deutschen Ärztetag in Kiel mit großer Mehrheit ein Me- morandum, das sich für die PID- Zulassung in engen Grenzen ein- setzt. Die Bundesärztekammer be- dauert deshalb die Tatsche, dass ein Dreivierteljahr nach der Verabschie - dung des PID-Gesetzes durch das Parlament noch immer keine Rechts - verordnung nach § 3 a Absatz 3 des neuen Embryonenschutz geset - zes vor liegt, in welches das PID- Gesetz rechtlich eingeordnet wurde.
Vor „Frühstart“ gewarnt Bereits im Herbst 2011 wies der Präsident der Bundesärztekammer (BÄK), Dr. med. Frank Ulrich Montgomery, die Gesundheitsmi- nister und -senatoren der Länder darauf hin, dass die gesetzlichen und untergesetzlichen Regelungen harmonisiert in Kraft treten sollten, und warnte vor den Auswirkungen eines vorzeitigen Inkrafttretens des PID-Gesetzes.
Doch genau diese Situation ist eingetreten: Das PID-Gesetz ist seit dem 8. Dezember 2011 in Kraft; die Rechtsverordnung lässt jedoch auf sich warten. Damit können betrof-
fene Paare noch nicht – beziehungs- weise nicht mehr, bezogen auf die Entscheidung des Bundes - ge richtshofs – Embryonen nach einer künstlichen Befruchtung in Deutschland auf Gendefekte testen lassen. An der Rechtsverordnung arbeite man derzeit auf Hochtouren, der Abstimmungsprozess mit den anderen Ministerien laufe, heißt es im Bundesgesundheitsministerium.
Eine Übergangsregelung, der zufol- ge es betroffenen Paaren bis zum Inkrafttreten der Verordnung mög- lich wäre, in Deutschland eine rechtmäßige PID durchführen zu lassen, gibt es nicht.
„Das Präimplantationsdiagnos- tikgesetz enthält ein grundsätzli- ches Verbot der PID“, stellt auch Ulrike Flach, parlamentarische Staatssekretärin im Bundesgesund- heitsministerium, gegenüber dem Deutschen Ärzteblatt noch einmal klar. Die Durchführung der PID sei nur dann ausnahmsweise rechtmä- ßig, wenn bestimmte und nach dem Willen des Gesetzgebers näher fest- zulegende Voraussetzungen erfüllt sind. Diese müssten jedoch noch festgelegt werden.
Offen ist somit derzeit auch die Zahl der Zentren, an denen in Deutschland die PID durchgeführt werden soll, sowie die Qualifi ka - tionsanforderungen an die dort tätigen Ärztinnen und Ärzte. Flach verweist wiederum auf das Präim - plantationsdiagnostikgesetz. Es se- he vor, dass die Bundesregierung in der Rechtsverordnung das Nä- here zu den Zentren bestimme.
„Maßgeblich dürfte insbesondere sein, dass die PID in solchen Zen- tren durchgeführt werden, die im Inter esse der betroffenen Paare hierfür optimal geeignet sind, also einen hohen medizinischen Stan- dard gewährleisten können“, er- klärt Flach.
Montgomery bedauert indes, dass es bislang unklar ist, was unter einem „für die PID zugelassenen Zentrum“ überhaupt strukturell und organisatorisch zu verstehen ist.
Problematisch sei weiterhin, dass dem Gesetz zufolge in der aus - stehenden Rechtsverordnung die Anforderungen an die Qualifikation der dort tätigen Ärztinnen und Ärz- te separat geregelt werden. Hier müsse auf die berufsrechtlichen Regelungen geachtet werden.
Noch viele Fragen offen
Ungeregelt ist ferner die genaue Ausgestaltung der Ethikkommissio- nen, die über die Durchführung einer PID entscheiden und die Ein- haltung der Voraussetzungen an den zugelassenen Zentren überprüfen sollen. Das Präimplantationsdia - gnostik ge setz sieht lediglich inter- disziplinär zusammengesetzte Kom- missionen vor. Wie genau diese aber ausgestaltet werden und wo sie an- gesiedelt sein sollen, bleibt eben- falls der Rechtsverordnung vorbe- halten.
Aus Sicht der Ärzteschaft ist in dieser Frage unstrittig, dass die be- stehenden Ethikkommissionen die Aufgaben nach dem PID-Gesetz nicht übernehmen können. Zudem sollten sie unabhängig arbeiten. In ihrem Memorandum zur PID emp- fiehlt daher die Ärzteschaft, die PID-Kommissionen analog zu den Lebendspende-Kommissionen ein- zurichten. Diese könnten jeweils an einer Landesärztekammer angesie- delt sein und sich regelmäßig auf Bundesebene austauschen, um bei- spielsweise einen Kommissions - tourismus im Falle eines negativen Bescheids zu verhindern, erklärt Montgomery. Die Bundesärztekam- mer stünde für eine solche koordi- nierende Aufgabe zur Verfügung.
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Dr. med. Eva Richter-Kuhlmann
*Name geändert