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Archiv "Zerebrale Durchblutungsstörungen durch extrakranielle Gefäßverschlüsse" (31.03.1977)

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Zur Fortbildung Aktuelle Medizin

ÜBERSICHTSAUFSATZ

Pathophysiologische Grundlagen Bei nur 2 Prozent Anteil am Gesamt- körpergewicht benötigt das Gehirn 20 Prozent des Herzminutenvolu- mens, um seinen Sauerstoff- und Stoffwechselbedarf zu decken. Es handelt sich bei ihm also um ein besonders stoffwechselaktives Or- gan. Das Herz selbst braucht bei- spielsweise nur 5 Prozent des Herz- minutenvolumens.

Um diesen differenzierten Stoff- wechselvorgängen gerecht zu wer- den, besitzt das Gehirn eine beson- ders stabile, subtil reagierende Durchblutung mit Autoregulation.

Diese Eigenregulation der Hirn- durchblutung resultiert aus dem Zu- sammenspiel zweier Wechselkom- ponenten, des Perfusionsdruckes und des zerebralen Gefäßwider- standes.

Eine Mehrdurchblutung des Gehirns kann ebenso wie bei allen anderen Gefäßprovinzen nur durch eine Sen- kung des peripheren Widerstandes zustande kommen. Hierbei ist die Ausnahmestellung der intrazerebra-

len Arteriolen und Kapillaren zu be- achten, die beide ohne Muskularis sind.

Das Gehirn wird bekanntlich von vier großen extrazerebralen Gefäßen ver- sorgt. Diese bilden den Circulus arte- riosus Willisi, welcher nachgewiese- nermaßen eine kollaterale Versor- gung zwischen dem Strömungsge- biet der Karotiden und der Vertebra-

lis ermöglicht und als feinreagieren- des hämodynamisches Druckaus- gleichsventil fungiert.

Das Funktionieren der in reichlichem Maße vorhandenen und präformier- ten Kollateralen hängt von den fol- genden Faktoren ab:

• von der Weite der kollateralen Verbindungen

gi)

von der Elastizität —also Wandbe- schaffenheit

II)

von den Druckverhältnissen im Umgehungskreislauf

• vom Blutdruck und damit von den allgemeinen Kreislaufverhältnissen e von der Geschwindigkeit, mit der sich ein Arterienverschluß einstellt.

Der Blutbedarf pro 100 Gramm Hirn- gewebe liegt bei 55-60 cm 3/min, wo- bei die kritische Grenze bei 30-35 cm s/min anzusetzen ist. Das Mini- mum des zerebralen Funktionsstoff- wechsels liegt also bei ca. 50 Prozent der Hirndurchblutung. Bis 15 Pro- zent — das ist ein Siebtel der norma- len Versorgung — ist ein sogenannter

„Strukturstoffwechsel" gewährlei- stet.

Zwischen diesem Sicherheitsstreifen von 15-50 Prozent stellen sich alar- mierende Funktionsstörungen ein, deren rechtzeitige und wirkungsvol- le Behandlung das ZNS vor irreversi- blen Schäden durch Infarktbildung

Die Verschlußmechanismen sowie die Häufigkeit des Befal- les der einzelnen Gefäße wer- den ebenso dargestellt wie die Ursachen. Am häufigsten ist der Hirninfarkt, an zweiter Stelle steht die Hirnblutung, und an letzter Stelle folgt die Hirnembolie, Allein durch Pal- pation und Auskultation kön- nen zwei Drittel der Fälle kli- nisch diagnostiziert werden.

Die klinische Symptomatik so- wohl des Karotis- als auch des Vertebraliskreislaufes werden dargelegt und die einzelnen ischämischen Stadien bespro- chen. Auf die Indikation zur chirurgischen Korrektur und auf die konservativen Maßnah- men wird eingegangen.

schützen kann. Eine signifikante Verminderung der Hirndurchblutung tritt bei Gefäßgesunden erst bei einer Drucksenkung auf etwa 70 mmHg ein.

Bei Patienten mit Zerebralsklerose kann die kritische Druckschwelle schon bei 110 bis 120 mmHg liegen.

Ausschlaggebend ist dabei natürlich unter anderem auch noch die Blut- sauerstoffsättigung, die bei einem Hämoglobingehalt ab 40 Prozent nicht mehr gewährleistet ist. Es ist verständlich, daß eine Störung infol- ge plötzlich einsetzender Drosse- lung der Sauerstoffzufuhr bei der Nutzung energiereicher Substanzen für die spezifische Funktion der Zelle von nachhaltigem Einfluß ist. Festzu- halten ist aber, daß eine Störung der Funktion vermutlich in einer zu- nächst reversiblen Störung der En- zymarchitektur zu sehen ist.

Man darf also bei der ischämischen Schädigung, auch der zerebralen Region, nicht immer von der Vorstel- lung ausgehen, daß die klinischen Symptome auf einen irreversiblen Gewebsschaden hinweisen. Bei ei- ner kreislaufbedingten akuten Ver- minderung der Sauerstoff- und Ener- giezufuhr erfolgt eine zunächst re-

Zerebrale Durchblutungsstörungen durch extrakranielle

Gefäßverschlüsse

Hubert Mörl

Aus der Medizinischen Universitätsklinik (Ludolf-Krehl-Klinik) Heidelberg

(Direktor: Professor Dr. med. Dr. h. c. Gotthard Schettler)

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 13 vom 31. März 1977 871

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ein Antirheumatikum der neuen Generation

-prompt analgetisch -stark antiphlogistisch -anerkannt gut vet träglieh

Hohe Wirksamkeit und gute Verträglichkeit schließen sich in der Rheumatherapie nicht aus

(3)

Coxarthrose

Chronische Polyarthritis

Gonarthrose

Periarthritis

humero -scapularis

Lumbago

Bei allen Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises:

87 V-Oltaiti cti

Zusammensetzung sind gewöhnlich leichter Natur und bilden sich in der Regel, auch bei fortgesetzter Therapie,

Magensaftresistente Drag8es mit Diclofenac-Na 25 mg nach einigen Tagen zurück. Ganz vereinzelt sind auch exanthematische Hautreaktionen beobachtet worden.

Indikationen

Entzündliche und degenerative Formen des R heumatismus: chronische Polyarthritis, Spon- dylitis ankylosans, Arthrosen, Spondylarthrosen. Extraartikulärer Rheumatismus, nicht- rheumatische entzündliche Schmerzzustände.

Kontraindikationen Ulcus ventriculi et duodeni.

Dosierung

Erwachsene: Initial 3mal 1-2 Drag8es pro Tag, je nach Schweregrad der Schmerzen.

Erhaltungsdosis: Im allgemeinen genügt 3mal 1 Dragee pro Tag.

Die Drag8es sind zu oder nach den Mahlzeiten unzerkaut einzunehmen.

Richtlinien bezüglich der Dosierung im Kindesalter liegen bisher nicht vor.

Verträglichkeit

Voltaren ist im allgemeinen gut verträglich, doch können zu Beginn der Behandlung mitunter gastrointestinale Reaktionen wie Aufstoßen, Nausea, epigastrische Schmerzen und Diarrhoe sowie leichtes Schwindelgefühl oder Kopfschmerzen auftreten. Diese Nebenerscheinungen

Besondere Hinweise

Bis zum Vorliegen ausreichender Erfahrungen soll Voltaren bei bestehender Schwangerschaft noch nicht verordnet werden.

Patienten mit gastrointestinalen Beschwerden oder mit anamnestischen Hinweisen auf Magen- und Duodenalgeschwüre sowie Kranke mit schwerer Leber- oder Nierenschädigung erfordern eine sorgfältige Überwachung.

Die chemische.Herkunft der Wirksubstanz einerseits und die bisherigen klinischen Erfahrungen andererseits lassen erwarten, daß das hämatopoetische System und die Leberfunktion durch Voltaren nicht geschädigt werden. Dennoch sollten bei Langzeitbehandlung, analog dem Vor- gehen bei anderen hochwirksamen Substanzen, Kontrollen des Blutbildes und der Leber- funktion durchgerührt werden.

Handelsformen und Preise

Originalpackung mit 30 magensaftresistenten Drag8es DM 18,90 lt AT Originalpackung mit 60 magensaftresistenten Dragees DM 33,75 lt AT Klinikpackungen

VO 2

GEIGY

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Zur Fortbildung Aktuelle Medizin

Zerebrale Durchblutungsstörungen

versible Funktionsstörung der Gang- glienzellen, solange der Erhaltungs- und Minimalumsatz nicht unter- schritten wird. Dieser soll bei 20 Pro- zent des normalen Tätigkeitsumsat- zel liegen. Selbstverständlich ist dies abhängig von der Schwere, dem Ge- schwindigkeitseintritt und dem Aus- maß einer Durchblutungsstörung so- wie von deren rascher Kompensa- tion. Man unterscheidet dabei ge- wöhnlich drei Stufen der Durchblu- tungsstörung, die lschämie, die Lä- sion und die Nekrose, wobei die beiden ersten Stadien reversibel sind, während die Nekrose irreversi- bel ist.

Ursachen der zerebralen Durchblutungsstörungen

Einleitend sei die epidemiologische Bedeutung unterstrichen. Der Schlaganfall steht in der Todesursa- chenstatistik der Bundesrepublik Deutschland an dritter Stelle. 1975 erlagen etwa 25 Prozent aller Ver- storbenen ischämischen Herzkrank- heiten und dem Herzinfarkt, 20 Pro- zent bösartigen Geschwülsten und 15 Prozent ischämischen Hirnkrank- heiten und akutem Schlaganfall.

Deutlicher: in der Bundesrepublik sterben jährlich gegen 100 000 Men-

schen an Schlaganfall, das sind etwa 150 auf 100 000 Einwohner. Mutmaß- lich könnten über 20 000 von ihnen durch einen rechtzeitigen gefäßchir- urgischen Eingriff gerettet werden.

Dabei liegt die Morbiditätsquote an Durchblutungsstörungen des Ge- hirns um ein Vielfaches höher, näm- lich bei jährlich über 200 000 Erkran- kungen.

Aus klinischen Feststellungen und Sektionsstatistiken ist zu entneh- men, daß die häufigste Ursache des Schlaganfalls mit über 60 Prozent der Hirninfarkt ist, der vaskulär oder hämodynamisch ausgelöst wird. Die Hirnblutung ist in etwa 30 Prozent und eine Hirnembolie in etwa 10 Pro- zent Ursache. Von besonderer prak- tischer Wichtigkeit ist dabei die erst in den letzten Jahren durch die Arte- riographie entdeckte und belegte Tatsache, daß Verschlußprozesse in der arteriellen Einstrombahn des Ge- hirns, das heißt also im Bereich der vier Zubringerarterien zwischen Aor- tenbogen und Schädelbasis, in etwa 25-30 Prozent die zerebrale Durch- blutungsinsuffizienz bedingen.

Von entscheidender praktischer Be- deutung sind dabei nun zwei Tatsa- chen:

• Die extrakraniellen Gefäßerkran- kungen lassen sich klinisch mit eini- gen Handgriffen diagnostizieren (Ta- belle 1). Im eigenen Untersuchungs- gut wurde in Zweidrittel der Fälle die Diagnose allein durch Palpation und Auskultation gestellt.

• Rund 75 Prozent dieser extrakra- nielien Gefäßblockaden sind heute einer chirurgischen Korrektur zu- gänglich. Diese Möglichkeit ist be- sonders hervorzuheben, da zwar die Altersverteilung der Erkrankten an Schlaganfall einen Gipfel bei knapp 70 Jahren zeigt, in den letzten Jahr- zehnten aber auch hier eine Vorver- lagerung in Richtung der jüngeren Jahrgänge stattgefunden hat. Be- merkenswert ist weiter, daß bei die- ser Gefäßlokalisation der allgemei- nen Atherosklerose zwischen Män- nern und Frauen kein statistisch signifikanter Altersunterschied be- steht.

Tabelle 1: Möglichkeiten klinischer Erfassung extrakranieller Gefäß- erkrankungen (modifiziert nach Volimar)

• Anamnese

Vorausgegangene ischämische Attacken bei erhaltenem Bewußtsein oder apoplektiforme Erscheinungen? Beschwerden einer arteriellen Verschlußkrankheit anderer Lokalisation (Claudicatio intermittens, An- gina pectoris)?

O Pu lstastbefund

Erhebung eines bilateral-vergleichenden Pulsstatus. Abgeschwächte oder fehlende Pulsation von

Arteria carotis communis?

Arteria carotis externa oder interna?

Arteria maxillaris?

Arteria angularis?

Arteria temporalis?

Arteria subclavia und allen peripheren Armarterien?

(;) Auskultation

Gefäß- beziehungsweise (hochfrequentes) Stenosegeräusch a) über Karotisgabel rechts und links?

b) supraaortische Stammarterien? (cave: fortgeleitete Herzgeräu- sche)

• Beidseitige Blutdruckmessung an den Oberarmen suspekt: Druckdifferenzen von mehr als 20 mmHg

• Apparative Suchtests a) Ophthalmodynamographie

b) supraorbitale Sonographie (Ultraschallströmungsmessung im Be- reich der Arteria supraorbitalis bei komprimierter und offener Arteria temporalis).

874 Heft 13 vom 31. März 1977

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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56°/o Sinus caroticus

99c Arteria carotis communis

•• ...

10°A Arteria vertebralis

16°/o Arteria subclavia

990 Truncus brachiocephalicus

Darstellung 1:

Lokalisation der extrakranialen Gefäßver- schlüsse

Zur Fortbildung Aktuelle Medizin Zerebrale Durchblutungsstörungen

Verschlußlokalisation

Beschränken wir uns auf die wichtig- sten extrakraniell bedingten Durch- blutungsstörungen, ergibt sich aus der Literatur die aus Darstellung 1 ersichtliche Verteilung. Eigene Un- tersuchungen an 127 Patienten mit einem sogenannten Aortenbogen- syndrom ergaben, daß die linksseiti- gen supraaortischen Äste erheblich öfter stenosiert sind als die rechts- seitigen (Darstellung 2). Bei den

Männern war die linke Arteria sub- clavia, bei den Frauen die rechte Ar- teria carotis am häufigsten betroffen.

Bei der Mehrzahl war jedoch nur ein Aortenbogenast befallen, das heißt, das sogenannte inkomplette Aorten- bogensyndrom überwiegt.

Ursachen zerebraler Mangeldurch- blutung sind Lichtungseinengungen oder Verschlüsse an Hirnarterien.

Diese können sich ortsständig ent- wickeln, wie bei der Atherosklerose oder den Arteritiden, sie können durch Verschleppung von Material aus proximalen Gefäßabschnitten oder aus dem Herzen entstehen, wie bei den Embolien, oder sie können Folge von Druck-, Zug- oder Knick- bildung an Arterien sein. Schließlich entsteht Mangeldurchblutung auch durch Blutverteilungsstörung wie bei den Stealmechanismen, deren Voraussetzung Veränderungen von Druckgradienten in Arterien oder Ar- teriolen sind. Deren Ursache wieder sind in vorgeschalteten Stenosen oder Verschlüssen oder in örtlichen Störungen der Gefäßtonusregula- tion, sogenannten Autoregulations- lähmungen, zu sehen.

In unseren Breiten ist die obliterie- rende Atherosklerose die häufigste Ursache. Risikofaktor Nummer 1 für diese Lokalisation ist die arterielle Hypertonie.

Klinische Symptomatik und Therapie

Betrachtet man die zerebrale Man- geldurchblutung unter dem Aspekt ihrer klinischen Folgen, so hat man zu unterscheiden

IQ die symptomlose Stenose

• den symptomlosen Verschluß

• die ischämischen Attacken

• die Amaurosis fugax

(i)

den progredienten Hirninsult und schließlich

• den kompletten Hirninfarkt.

Die symptomlose Karotis- oder Ver- tebralisstenose wird nur entdeckt, wenn bei einer körperlichen Unter- suchung ein Gefäßgeräusch gehört und daraufhin arteriographiert wird.

Es hat sich herausgestellt, daß eine symptomlose Stenose keine Präin- sultsituation schafft und damit keine Indikation für eine medikamentöse Behandlung oder einen operativen Eingriff abgibt. Gewährleistet muß allerdings sein, daß die übrigen Hirn-

arterien frei von obliterierenden Pro- zessen sind. Dazu dient die immer auszuführende obere Aorto-Arterio- graphie mit Darstellung beider Karo- tis- und Vertebraliskreisläufe, sowie der Arteriae subclaviae und des Truncus-brachio-cephalicus. Eine fortlaufende Kontrolle dieses Befun- des ist jedoch unbedingt empfeh- lenswert.

Die ischämischen Attacken, die häu- fig Gegenstand eines therapeuti- schen Streitgespräches waren, wer- den heute aufgrund prospektiver Un- tersuchungen dahingehend angese- hen, daß sie letztendlich doch zum kompletten Hirninfarkt führen.

Kranke mit ischämischen Attacken sollten deshalb einer zerebralen An- giographie unterzogen werden. Wird eine einseitige Karotisstenose ange- troffen, kontralateral den neurologi- schen Symptomen der Attacke und

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 13 vom 31. März 1977 875

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36,22% 48,03%

(461 (61)

Darstellung 2: Verteilung der Stenosen an den supraaortischen Ästen in Pro- zent, daroestellt anhand eines eigenen Krankenguts von 127 Patienten

26,77 % (34)

2,06%

(2)

48,82%

(62)

Zur Fortbildung Aktuelle Medizin

Zerebrale Durchblutungsstörungen

homolateral zur Amaurosis fugax, so sollte zur Operation geraten werden.

Für die Diagnostik in der Praxis ge- nügt es dabei, in rechtes und linkes Karotisstrombahngebiet und in den Vertebral is-Basi la ris-Strom bahn be- reich zu differenzieren. Ischämien im Karotisstrombahnbereich gehen mit kontralateralen Halbseitenstörun- gen, Schwindelanfällen, Kopf- schmerzen, Sehstörungen und Nachlassen der geistigen Kräfte einher.

Ischämien im Vertebralis-Basila- ris-Strombereich bedingen homola- terale Hirnnervenstörungen, ge- kreuzte Hemiparesen, attacktische Symptome und dissoziierte Sensibi- litätsstörungen sowie Sehstörungen, Schwindelanfälle und Innenohr- schwerhörig keit.

Ein spezielles Krankheitsbild stellt das sogenannte Subklavia-Entzugs- syndrom (Subclavian-Steal-Syn- drom) dar. Es handelt sich hier um eine Subklavia-Abgangsstenose mit wechselnder Symptomatik. Durch die Mangeldurchblutung des Ge- hirns bei Belastung der minder- durchbluteten Extremität infolge re- trograder Durchströmung der Arteria vertebralis klagen die Patienten über zeitweilige Bewußtseinsstörungen, Kopfschmerzen, Sehstörungen, so- wie Paresen der Extremität.

Wird bei einem Kranken mit laterali- sierten ischämischen Attacken eine bilaterale Karotisstenose gefunden, so sollte die Stenose der für die Symptome verantwortlichen Seite operiert werden, auch wenn es die mit der geringeren Lichtungseinen- gung ist. Liegt eine doppelseitige Ka- rotisstenose vor und sind die Sym- ptome nicht lateralisiert, weisen sie vielmehr auf eine Insuffizienz im ver- tebrobasilären Bereich hin, so soll- ten eine oder beide Stenosen der Karotis entfernt werden, um die kol- laterale Zirkulation über den Circu- lus arteriosus cerebri zu verbessern.

Kranken mit ischämischen Attacken, unilateralem Karotisverschluß und Karotisstenose sollte ebenfalls zur Beseitigung der Stenose geraten werden, gleichgültig, ob die Sympto- me auf die Verschluß- oder auf die Stenoseseite oder überhaupt nicht auf den Karotiskreislauf zu beziehen sind. Die Operation ist wegen des Verschlusses einär Seite allerdings nicht ungefährlich. Es muß in diesem Zusammenhang ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht werden, daß Fälle mit Karotisstenose, Vertebralis- stenose und intermittierender Insuf- fizienz im Stromgebiet der Vertebra- lisarterien symptomfrei werden, wenn nur die Karotisstenose besei- tigt wird. Eingriffe an der Arteria ver- tebralis sind eher selten indiziert.

Beim Subclavian-Steal-Syndrom be- steht nur dann eine Operationindika- tion, wenn Symptome auftreten, die auf einen zerebralen Entzug hin- deuten.

Die Behandlung des progredienten Hirninsultes bildet derzeit das bri- santeste Problem der Schlaganfall- therapie überhaupt. Unter dem pro- gredienten Hirninsult versteht man einen Hirninfarkt, der sich langsam über Stunden ein bis zwei Tage hin entwickelt, wobei die Zunahme und Ausbreitung der Ausfälle das Wach- sen des Infarktes im Gehirn wider- spiegeln. Bislang war die Ansicht der Gefäßchirurgen, solche Fälle inner- halb von sechs Stunden nach Einset- zen der Symptome zu thrombendar- teriektomieren. Neuere amerikani- sche Statistiken weisen aber darauf hin, daß die Operationsmortalität 50 Prozent beträgt, und raten deshalb von einem aktiven Vorgehen ab. Un- ter den konservativen Behandlungs- maßnahmen steht die sofortige He- parinisierung zur Verfügung oder die Infusion von natriumchloridfreiem Rheomacrodex zur Hämodilution und Wiederingangbringung der ze- rebralen Mikrozirkulation. Dabei ist die Heparinisierung die riskantere Methode, zudem ist sie der Rheoma- crodex-Therapie nicht zweifelsfrei überlegen. Ein progredienter Hirnin- sult soll so schnell wie möglich auf der Gegenseite der Ausfälle karotis- angiographiert werden, um die Dia- gnose zu bestätigen. Gar nicht so selten wird er nämlich mit einem aku- ten subduralen Hämatom odereinem blutenden Gliom verwechselt. Der Nachweis des Karotisverschlusses oder einer filiformen Stenose ge- nügt, eine Vier-Gefäß-Angiographie ist in diesen Fällen überflüssig.

Beim kompletten Hirninfarkt schei- den alle operativen Maßnahmen von vornherein aus, und eine Antikoagu- lation verbietet sich zunächst eben- falls. Erstes Anliegen ist die Normali- sierung des Blutdruckes. Oft besteht eine Hypertonie, die vorsichtig auf systolische Werte von 160 bis 170 mmHg gesenkt werden muß. Das ge- eignete Medikament hierzu ist das Reserpin. Liegt der Blutdruck zu niedrig, muß er vorsichtig angeho-

876 Heft 13 vom 31. März 1977

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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Tabelle 2: Schweregrade der zerebralen Durchblutungsstörung und die Indikation zur Operation

Schweregrad Klinische Symptomatik Operations- indikation Stadium I asymptomatische isolierte 0

Stenose beziehungsweise Verschluß

Stadium II (inter- ischämische passagere

* * *

mittierende zere- (eventuell rezidivierende) brovaskuläre In- Attacke, Dauer der neurolo- suffizienz) gischen Symptome: Minu- ten bis 24 Stunden mit voll- ständiger Restitution ischämischer Insult, Dauer über 24 Stunden, aber mit klinisch vollständiger, weit- gehender oder teilweiser Restitution innerhalb der ersten 4 Wochen

*

(als Prävention ei- nes Rezidivs) Stadium III (fri-

scher zerebraler Infarkt)

Stadium IV (statio- närer Zustand nach apoplekti- schem Insult)

konstantes klinisches Bild über die 4. Woche hinaus („Defektheilung")

Zur Fortbildung Aktuelle Medizin

Zerebrale Durchblutungsstörungen

Tabelle 3: Konservative Be- handlungsmöglichkeiten der zerebralen Durchblutungs- störungen

O Rasche Digitalisierung O Rhythmisierung der Herz- schlagfolge

O Blutdruckstabilisierung bei Hypotonie: mit druckstei- gernden Substanzen

bei Hypertonie: mit drucksen- kenden Substanzen, auf etwa 160 mmHg (Reserpin)

O Hirnödemtherapie im aku- ten Stadium des Insultes

0

Steigerung der zerebralen Zirkulationsgröße durch nie- dermolekulare Dextrane O Antikoagulation bei den

ischämischen Attacken

ben werden. Die medikamentöse Blutdrucksenkung im Falle der Hy- pertonie verschlechtert keineswegs die Hirndurchblutung, sondern ver- bessert sie, denn die Hypertension führt zu subintimalen und perivasku- lären Blutungen an Arteriolen und Kapillaren und zum Hirnödem und läßt somit aus dem weißen einen ro- ten Infarkt werden.

Damit wären wir schon mitten in der konservativen Therapie. Die operati- ven Möglichkeiten wurden deswe- gen an den Anfang gestellt, weil ih- nen heute weit höhere Bedeutung zukommt als früher und rasches diagnostisches Handeln in allen ent- sprechenden Fällen absolut notwen- dig ist.

Zusammenfassend seien nochmals die einzelnen Schweregrade und Operationsindikationen in einer Zu- sammenstellung demonstriert (Ta- belle 2).

Unter den konservativen Maßnah- men (Tabelle 3) steht die Behandlung

der Herzinsuffizienz oder der Herz- rhythmusstörungen im Vordergrund.

Zur Bekämpfung des Hirnödems sind Infusionen mit hyperosmolaren

Lösungen nötig, 40prozentiges Sor- bit oder in schweren Fällen 20pro- zentige Mannitlösungen. Hochpro- zentige Glukoselösungen sollen nicht verabreicht werden, wegen des Rebound-Effektes und der hypoglyk- ämischen Nachphase.

Zwischen die Infusionen von Sorbit oder Mann it sind Infusionen mit nie- dermolekularen Dextranen einzu- schalten, die für eine Hämodilution, eine Senkung der Blutviskosität und des Fibrinogenspiegels sowie für eine Dispersion der im Bereich der Blutstase aggregierten Erythrozyten sorgen. Eine langsame Infundierung (500 ml in 24 Stunden) ist wegen der bekannten Nebenwirkungen unbe- dingt erforderlich.

Ein Wort noch zur Therapie mit vaso- aktiven Substanzen und Thromboly- tika. Über die zumeist völlige Nutzlo- sigkeit der vasoaktiven Therapie ist

in den letzten Jahren ausreichend berichtet worden. Stoffwechselwirk- samen Medikamenten fehlt oft noch der eindeutige Nachweis der Wirk- samkeit. Vor der thrombolytischen Behandlung der genannten Gefäß- verschlüsse kann wegen ihrer Ge- fährlichkeit nicht eindringlich genug gewarnt werden.

Eine spätere Antikoag ulantienthera- pie oder auch noch folgende Maß- nahmen richten sich dann nicht mehr gegen die Folgen des voraus- gegangenen Schlaganfalles, son- dern gegen das Auftreten neuer In- suite im Sinne einer echten präventi- ven Maßnahme.

Anschrift des Verfassers:

Professor Dr. Hubert Mörl Medizinische Universitätsklinik (Ludolf-Krehl-Klinik)

Bergheimer Straße 58 6900 Heidelberg

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Heft 13 vom 31. März 1977 877

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