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Archiv "Norwegen: Flucht nach Norden" (05.05.2006)

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enn sich was Besseres findet, bin ich weg.“

Ralf, Urologe an ei- nem Krankenhaus in Süd- deutschland, hat sich mit rund 50 Gleichgesinnten in den Nordischen Botschaften in Berlin versammelt.Der Helge- land Hospital Trust sucht Spe- zialisten für die drei von ihm verwalteten Krankenhäuser in Mo i Rana, Sandnessjøen und Mosjøen. Die drei Städtchen – Mo i Rana hat rund 17 000 Einwohner, Mosjøen knapp 10 000 und Sandnessjøen 7 000 – liegen in der Region Nord- land, dem südlichen Teil Nord- Norwegens. Es gibt dort viel Landschaft und viel Ruhe, aber offenbar auch attraktive Arbeitsbedingungen für Fach- ärzte aus Deutschland. An ih- nen mangelt es vor allem in den ländlichen Regionen Nor- wegens.

76 Bewerbungen seien auf eine Anzeige im Deutschen Ärzteblatt bei Eures Sand- nessjøen eingegangen, einem Zweig der Europäischen Ar- beitsagentur, sagt Elisabeth Bomo. Rund 40 Bewerberin- nen und Bewerber habe man nach Berlin eingeladen, um sich über Leben und Arbeit in Norwegen zu informieren und

erste Kontakte zu den potenzi- ellen Arbeitgebern zu knüp- fen, so die Arbeitsberaterin.

Es gilt, 18 vakante Facharzt- stellen zu besetzen.Eine erfolg- reiche Rekrutierungsaktion aus dem Vorjahr stimmt Bomo und ihren Kunden, den Helgeland Hospital Trust, optimistisch. „Deutschland ist für uns sehr interessant“, er- klärt die Eures-Beraterin. „Die Fachärzte haben vergleichbare Qualifikationen und sind den- selben technischen Standard gewöhnt. Außerdem tun sie sich leicht mit dem Erlernen der norwegischen Sprache und passen sich in der Regel ohne größere Probleme der norwegischen Kultur an.“

Als lebendiges Beispiel ge- lungener Integration haben die Veranstalter Katrin Kat- schinski eingeladen. Die aus Hannover stammende Inter- nistin lebt seit sechs Jahren in Norwegen. „Ich habe mit Deutschland so weit abge- schlossen, dass ich im nächsten Jahr die norwegische Staats- bürgerschaft beantragen wer- de“, sagt sie. An ihrer Arbeit schätzt sie die flachen Hierar- chien, die Zusammenarbeit im Team sowie die ruhigere Ar- beit im Krankenhaus. „Wir ha-

ben mehr Zeit, die den Patien- ten zugute kommt.“ 38 Stun- den arbeiten die Ärzte an Nor- wegens Kliniken in der Woche, Überstunden werden bezahlt, und alle fünf Jahre stehen den ärztlichen Mitarbeitern vier Monate bezahlter Fortbildung zu. Aber auch privat hat sich für Katschinski und ihren Mann der Wechsel nach Nor- wegen gelohnt. Die Naturlieb- haber sind seit 2002 Besitzer eines Hofes in der Nähe von Mosjøen und Teilzeitbauern.

„Unser Haus liegt auf einem großen Grundstück direkt am See. Ringsum ist nichts als Wald.“

Für Neu-Norweger ist es hilfreich, wenn man Einsam- keit, Weite und Natur liebt.

Das ganze Land zählt nur rund 4,6 Millionen Einwoh- ner, von denen eine halbe Mil- lion in Oslo leben. Von Mo i Rana, Sonesjøen und Mosjøen liegt die Hauptstadt rund 900 Kilometer entfernt. „Norwe- gens Charakteristika sind die beeindruckende Natur, der hohe Lebensstandard, das um- fassende Sozialsystem und si- chere Arbeitsplätze“, sagt Elisabeth Bomo im Hörsaal der Nordischen Botschaften in Berlin. Die Bewerber sind ernsthaft interessiert. Auf die Frage, was ihn forttreibt, ant- wortet Thomas: „Es ist nicht der Verdienst.“ Der Urologe betreibt zusammen mit seiner Frau, die ebenfalls Urologin ist, eine Gemeinschaftspraxis in einer norddeutschen Klein- stadt. Arbeitsaufwand, Büro- kratie, die Anspruchshaltung der Patienten und die fehlen-

de gesellschaftliche Wertschät- zung finden beide zunehmend unerträglich. „Die politischen Ankündigungen sind auch al- les andere als positiv“, sagt seine Frau Ines. Sie befürch- tet, dass die fachärztliche Ver- sorgung mehr und mehr an die Krankenhäuser verlagert wird, sowie eine Abschaffung der privaten Krankenversi- cherung – mit allen negativen wirtschaftlichen Folgen für ih- re Praxis. „Wir brauchen eine langfristige Perspektive“, er- klärt Ines.

„Ich will und kann arbeiten, wenn man mich lässt“, sagt auch Juri, niedergelassener In- ternist. „Ich muss mich um 1 000 Dinge kümmern, die mit medizinischer Behand- lung nichts zu tun haben.

Außerdem fehlt die Zeit für die Familie.“ Im Krankenhaus werde man als junger Arzt nur ausgebeutet. Mittlerweile bie- te auch die eigene Praxis keine Alternative mehr. Zeitdruck und zu knappe finanzielle Mit- tel verleideten den Ärzten die Freude am Beruf.

Inzwischen haben bereits zehn Ärzte der Berliner

„recruitment fair“ mit ihren Familien das Krankenhaus in Mosjøen und Umgebung be- sucht, um sich ein Bild vor Ort zu machen und eine endgülti- ge Entscheidung über ihre weitere berufliche Zukunft treffen zu können. Ein Der- matologe und ein Neurologe aus Deutschland haben ihre Verträge bereits unterschrie- ben. In Mo i Rana hat die Be- sucherrunde in dieser Woche angefangen. Heike Korzilius

A

A1256 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 18⏐⏐5. Mai 2006

S T A T U S

Norwegen

Flucht nach Norden

Unzufriedene Ärztinnen und Ärzte machen zunehmend ernst und wandern aus.

Foto:Caro

Informationen über das Arbeiten im Ausland:

Zentralstelle für Arbeitsver- mittlung der Bundesagentur für Arbeit, ManagementAgen-

tur Europa, Medizin und Gesundheit, Villemombler Straße 76, 53123 Bonn, Telefon: 02 28/7 13-10 14,

14 66, 13 42, Fax: 7 13-2 70 15 04, E-Mail: bonnzav.med@

arbeitsagentur.de, www.arbeitsagentur.de

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