• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Die Türkin als Job" (03.09.1986)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Die Türkin als Job" (03.09.1986)"

Copied!
2
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Die Türkin Turna lebt im Film „40 m 2

Deutschland" wie eine Gefangene ...

Die Türkin als Job

Ein Gespräch mit der Schauspielerin Özay Fecht

Der in Hamburg lebende Türke Tevfik Baser schildert in seinem Film

„40 m 2 Deutschland" — ein Überraschungserfolg in Cannes und jetzt in den Kinos angelaufen — in eindringlichen Bildern die Ge- schichte eines türkischen Gastarbeiter-Ehepaares. Özay Fecht spielt darin die Rolle der Ehefrau Turna, die von ihrem Mann nach Deutschland geholt und hier in der Wohnung eingesperrt wird — aus Unsicherheit. Denn er versteht die Deutschen und ihre Lebenswei- sen nicht. Turna leidet unter der Isolation und flüchtet sich in Tag- träume. Bis eine Katastrophe ihr vielleicht den Weg in ein anderes Leben öffnet. Lutz Ehrlich hat die Schauspielerin Özay Fecht zu dem Film „40 m 2 Deutschland" interviewt.

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT FEUILLETON

Frage: Turna lebt im Film quasi wie eine Gefangene. ist es Ihnen schwer- gefallen, diese Rolle zu spielen?

Özay Fecht: Ich liebe solche Rollen, die mit meinem Leben nichts zu tun haben, hier war es zufällig eine türkische Frau.

Schwer war es trotzdem, weil es mich psychisch fertiggemacht hat: Wenn man den Film al9 Zu- schauer sieht, ist man depri- miert. Ich habe diese Situation drei Wochen jeden Tag zwölf Stunden erlebt — da wurde ich zu dieser Frau. Und es hat mich

doppelt belastet, weil ich einen Typ Frau spielen mußte, den ich mein Leben lang abgelehnt habe.

Frage: Kennen Sie denn nicht sol- che Frauen aus der Türkei?

Özay Fecht: Schon — bei den Nachbarn habe ich solche Frau- en gesehen. Aber ich habe schon als Kind gemerkt, daß et- was nicht stimmt im Verhältnis Mann—Frau. Wenn ich damals ein Mädchen traf, das mir erzähl- te, sie heiratet im nächsten Mo-

nat, dann bin ich noch zur Hoch- zeit gegangen, aber danach war es für mich verloren.

Frage: Wie war das für Sie, als Sie nach Deutschland kamen?

Özay Fecht: Ich bin gleich nach dem Abitur weg aus der Türkei, weil ich Schauspielerin werden wollte — im Westen: So nennt man dort Europa. Ich hatte zwar keine Freunde hier, aber meine Schwester lebte schon in Deutschland, das war ein erster Kontakt. Kaum angekommen, habe ich mich bei einer Schau- spielschule beworben — und wurde abgelehnt. Da war ich ver- zweifelt: Sollte alles nur ein Mäd- chentraum gewesen sein? Ich habe dann in einer Fabrik gear- beitet und nebenbei studiert. Es war keine leichte Zeit, aber ich habe trotzdem immer weiterge- macht. Zuerst habe ich Pantomi- mekurse besucht, dann hatte ich Schauspielunterricht bei Angela Winkler, die damals noch an der Schaubühne spielte. Dann ka- men vier Jahre bei einer freien Theatergruppe, die im Stil der

„commedia dell'arte" gearbeitet hat. Doch ich wollte etwas Eige- nes machen. Wegen meiner Sprache stellte ich mir das im Theater schwierig vor. Und weil ich immer auch schon gesungen habe, habe ich mich erst mal auf die Musik gestürzt. So habe ich mir einen Namen als Jazz-Sän- gerin gemacht.

Frage: Sie singen in Englisch?

Özay Fecht: Ja, hauptsächlich.

Aber in letzter Zeit habe ich be- gonnen, das mit türkischer Mu- sik zu verbinden. Die Leute er- warten das von mir, aber ich tue es, weil ich dazu stehe. Sonst könnte ich ja auch Schlager sin- gen, da würde ich bestimmt mit meinem komischen Akzent mehr Geld verdienen.

Frage: Als Schauspielerin waren Sie auch in einer Fernsehserie zu sehen

— „Hoffmanns Geschichten". I>

2380 (60) Heft 36 vom 3. September 1986 83. Jahrgang Ausgabe A

(2)

... ihre Darstellerin Özay Fecht meint, die Deutschen werden sa- gen, die „armen Tür- ken" und werden glau- ben, daß sie damit nichts zu tun haben ...

. „Jetzt schreibe ich selber eine Geschich- te über eine Frau mit vielen Männern, — das ist mal was Lustiges."

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Die Türkin als Job

Özay Fecht: Ja, da habe ich ein bißchen mich selbst gespielt: ei- ne emanzipierte Türkin.

Frage: Befürchten Sie nicht, auf die Rolle der Alibi-Türkin festgelegt zu werden?

Özay Fecht: Schon, und davor habe ich Angst. Beim Fernsehen bekomme ich öfter solche Ange- bote. Wenn die mich anrufen, weiß ich gleich Bescheid: Ich muß das Kopftuch und bestimm- te türkische Kleider einpacken.

Ich mache das wie einen Job, weil ich auch gerne spiele. Ich hätte aber nichts gegen andere Rollen einzuwenden — nicht nur immer die Türkin.

Frage: Sehen Sie da einen Ausweg?

Özay Fecht: Da bin ich nicht si- cher. Bei „40 m 2 Deutschland"

hat mich das Künstlerische ge- reizt, nicht die Türkin. Und jetzt schreibe ich selber eine Ge- schichte: Über eine Frau mit vie- len Männern, — das ist mal etwas Lustiges.

Frage: „40 m 2 Deutschland" ist kein weinerlicher Ausländerfilm, sondern er übt auch Selbstkritik an Ihren Landsleuten. Glauben Sie, daß so ein Film etwas gegen die Ausländer- feindlichkeit tun kann?

Özay Fecht: Ein Film ändert so viel nicht, zumal nicht alle Tür- ken so leben. Aber er kann Fra- gen anregen. Und ich hoffe, daß wir Türken mit diesem Film in Deutschland mehr als Künstler angesehen werden: Daß wir Tür- ken nicht nur immer als die Ar- beiter gelten, die scheinbar kei- ne Kultur haben. Als ich ange- fangen habe zu singen, ging es mir ähnlich: „Wieso kann eine Türkin Englisch?" Das sind im- mer die gleichen Vorurteile.

Frage: Fühlen Sie sich denn noch als Türkin?

Özay Fecht: In den letzten Jah- ren nicht mehr sehr. All meine Freunde leben hier, und in der Türkei besuche ich nur meine Familie. Ich hatte bestimmt eine schöne Kindheit dort, aber ich

fühle mich in Deutschland eben- so wohl. Dennoch vergißt man nie, daß man Ausländerin ist: Da passieren so Kleinigkeiten beim Einkaufen oder so. Aber das ist auf der ganzen Welt so, nicht nur in Deutschland.

Frage: Haben Sie schon etwas von den Reaktionen auf den Film ge- hört?

Özay Fecht: Bei der Premiere in München waren viele junge Tür- ken, denen der Film gut gefallen hat. Aber ein paar türkische Mädchen sollen empört gewe- sen sein, weil die türkischen Frauen nicht so seien wie im Film. Das hatte ich mir eigentlich andersherum vorgestellt, — daß die Männer den Film ablehnen.

Außerdem befürchte ich, daß das deutsche Publikum sich den Film ansehen und alles sehr exo- tisch finden wird. Dann sagen die Deutschen „Die armen Tür- ken" und gehen nach Hause, glauben, daß sie damit nichts zu

tun haben. ❑

2382 (62) Heft 36 vom 3. September 1986 83. Jahrgang Ausgabe A

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Außerdem spielt das Wohlbefi nden am Ar- beitsplatz eine entscheidende Rolle für die Zufriedenheit im Leben: Die Tätigkeit sollte als sinnvoll empfunden werden, das Verhältnis

Würde man eine höhere Radikalität im Stadium T1b zur Mini- mierung des möglichen Risikos einer lokalisierten fortgeschrittenen Erkran- kung (Stadium T1b mit

Es ist durchaus möglich, dass die deutsche Börse frohgemut in den Janu- ar starten wird, um sich aber dann schon in den Folgemo- naten darauf zu besinnen, dass die

Zeigt sich ein lokoregionales Karzinom bei der Laparoskopie, so sollte die Lapa- roskopie beendet und eine offene Chole- zystektomie durchgeführt werden.. Die Diagnose kann

Wieder wird das Blatt so geknickt, dass nur noch der letzte Satz zu lesen ist und das Blatt wird weitergegeben.. Entsteht an einer Stelle ein Stau und es liegen gleich mehrere

Sonst brauche ich doch auch nicht so lange, um meine Fälle zu lösen.” Als er sich gerade weitere Gedanken über die Motive der Verdächtigen machen wollte, machte der Kommissar

Diese „jüdische Gefahr“ war natürlich nicht die Ursache für die Probleme Deutschlands, aber für Hitler waren sie ein geeigneter Sündenbock, den es zu bekämpfen galt..

Und einmal mehr beweist Kelk- heims Alcoa Fastening Systems, dass sich diese Firma nicht nur in Kelkheim wohl fühlt, son- dern dass sie auch zur Stadt gehört.. Es war Volker