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Archiv "Wo bitte bleibt die Würze?" (30.04.1986)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Kulturmagazin

F

risch hinter uns liegen die 32. Oberhausener Kurzfilmtage, das weltweit größte Festival ei- ner vom Aussterben bedrohten Art. Vom 21. bis 26. April präsen- tierte es Kurzfilme aller Sekto- ren, sowohl Neuerscheinungen mit Prämierung im Wettbe- werbsprogramm, Oldies in der Retrospektive, wie neuerdings auch künstlerische Experimente auf Video. Unklar wird leider in den meisten Fällen bleiben, ob und wo man sie nach dem Festi- val zu sehen bekommt. Im Fern- sehen rutscht Minutenware schlichtweg durch die Ösen im Senderaster, sofern es sich nicht um feste Serien am Nachmittag oder frühen Abend handelt.

Doch „Kurzfilm" steht dagegen für in sich abgeschlossene Ein- zelwerke, die nicht oder nur be- dingt fürs Fernsehen gedacht sind, sondern denen hauptamt- lich eine Pilotfunktion vor einem Langfilm im Kino zusteht.

Der Auszug des Kurzfilms aus dem Vorprogramm hat sich ver- hältnismäßig unbemerkt vollzo- gen, als Teilerscheinung der all- gemeinen und vielerwähnten Ki- nomisere. Nie war der Vorfilm strikt obligatorisch, also ergrif- fen Kinobesitzer, dem Zeitgeist entsprechend, die Sparmöglich- keit an den Extras und ersetzten den Vorfilm zunehmend durch lokale Werbung. Seit dem end- gültigen Wegsterben der Wo- chenschau hat sich der Charak- ter des Kinobesuchs gewandelt, das programmatische Aufwär- men erscheint vielen nur noch als ein Hinhalten zum Hauptfilm, um dessentwillen man gekom- men ist. Erzieherische Doku- mentarstreifen über Erste Hilfe im Haushalt, Pyrenäendörfer und Zuluvölker waren vertraute Reizmittel in Spätvorstellungen.

Kleine Kurzfilmtypologie Der Kurzfilm gehorcht eigenen Gesetzen, die dem kommerziel- len Verkäufer wie dem kommer- ziellen Verbraucher oft zuviel Sensibilität abfordern. Zu seiner Natur gehört es, daß er oft um unkonventioneller Ideen willen entsteht, die schwerlich einen ei- genständigen Langfilm ergeben würden. Überhaupt, welche nor- malen Geschichten lassen sich schon in fünf, zehn oder fünf- zehn Minuten befriedigend ohne Hektik erzählen? Ausnahmen

vielleicht, wie etwa der während der diesjährigen Berliner Film- festspiele gezeigte „Staatsbe- such", zu dessen Vorbereitung Heinz Schubert, ehemals „Ekel Alfred", als Arbeiter dem Präsi- denten Reagan auf dem Flug- platz Tegel einen schier unend- lich langen roten Teppich aus- rollt, bis er damit an die Berliner Mauer stößt und ihn kurzerhand drüberwirft.

Die „Tücke des Objekts" verfehlt selten ihre Wirkung auf den Zu- schauer, ebensowenig wie Gag- Eskalationen, wie sie nur in Trickfilmen möglich sind. Vier

Minuten rasende Verrücktheiten mit zwei Knetfiguren im ungari- schen Beitrag „Augusta füttert"

reichten in Berlin für den Silber- nen Bären und tobendes Festi- valpublikum, und auch anders- wo wird damit zu rechnen sein.

Die Trickfilmmöglichkeiten sind unbegrenzt, um dem Banalen doch noch Komisches abzuge- winnen. Aber auch mit leisen Tö- nen hat es der Trickfilm leichter, attraktiv zu wirken, wie etwa im

Der Kurziiirn:

das Kino und sein Corpus delicti

zweiminütigen „Gespräch"

zweier Strichgesichter, die schließlich zu einem Land- schaftsbild zusammenfließen.

Die größere Fülle an gestalteri- schen Möglichkeiten macht den Trickfilm zum idealen Kurzfilm.

Weniger einfach haben es reale Filme. Der Zuschauer, der Spie- lereien mit Farben und Formen akzeptiert, gibt sich zum Bei- spiel ratlos angesichts eines wildspektakulären Ausbruchs von Phantasmagorien, denen der Zimmergast einer schäbigen Absteige ausgesetzt ist: so in

„Wings of Death", einer grellen Parade von Alptraumklischees, vor denen es für den Hauptdar- steller kein Entrinnen und für Ausgabe A 83. Jahrgang Heft 18 vom 30. April 1986 (69) 1301

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Kurzfilme TERMINE

den Zuschauer keinen schlüssi- gen Schluß gibt.

Im Kurzfilm dominiert die atmo- sphärische Wirkung über die Handlung, bisweilen wird er zum Effektfilm, wird zum Affektfilm.

Mysteriöses bietet sich dafür an, nicht umsonst finden sich immer wieder Neuverfilmungen kurzer Poe-Stories. Mysteriös umwittert geben sich in aller Regel auch jene Kurzfilme, die eine vollstän- dige Geschichte nur umreißen.

Neuere deutsche Produktionen in dieser Richtung sind etwa

„Parachute", in dem einer jun- gen Frau mit anonymen Briefen eine Serie von Fotos zugesandt wird, oder „Das Mißverständnis"

um eine Nonne und drei Morde.

Beide kosten in reizvollem Schwarzweiß beklemmendes Berliner Mietshausleben und bi- zarre portugiesische Landschaft während einer Busfahrt aus. In beiden Filmen sind Handlung und Hintergründe durch die Ge- schehnisse nur anvisiert, doch die Bilder entschädigen den Zu- schauer, sollte ihm bis zuletzt das Geheimnis unklar bleiben.

Diese Art Kurzfilm entspricht dem Eisberg-Prinzip der literari- schen Kurzgeschichte, bei der in einer Folge von Vorgängen der größte Teil im verborgenen, im Nichtausgesprochenen bleibt.

Im Extremfall sähe das Ergebnis nach Hemingway aus, nach einer Geschichte, in der das Besonde- re zwischen Alltäglichem und Belanglosem nahezu unsichtbar ist.

Der feierabendliche Besucher profaner Aktionsschlager wird für derartige Mysterienspiele we- nig Verständnis aufbringen, weswegen die richtige Kombina- tion Fingerspitzengefühl voraus- setzt. Humoristisches hat in aller Regel keine Probleme, auch mit obskuren Inhalten Breitenwir- kung zu erzielen. So bleibt kein Auge trocken, wenn in „Meine Socken" ein junger Mann an- hand ebendieser die Geschichte seines Lebens und seiner Lieben erzählt. Ähnliches gilt für den

diesjährigen Preisträger-Kurz- film des Goldenen Bären, „Tom Goes to the Bar", in dem ein Sei- fenverkäufer den Zustand und die Menschen seiner Stamm- kneipe beschreibt, Beschaulich- keit und Resignation halten sich die Waage mit einer entschei- denden Portion Groteskem — denn Tom hält sein lakonisches Referat von der Decke aus auf dem Kopf stehend.

Der Monolog als Kurzfilm eignet sich für einen Autor hervorra- gend, Weltsicht essayistisch ein- fließen zu lassen und durch den gewissen Kniff dennoch das Un- terhaltende zu wahren. Über- haupt sehen die meisten Regis- seure den Kurzfilm als ein Übungsfeld, um präzise und poin- tiert zu arbeiten, solange zum Langfilm die Mittel fehlen.

Finanzstärkster Produzent von Kurzfilmen im weiteren Sinne dürfte derzeit die Musikindustrie mit ihren Videoclips sein. Nir- gendwo sonst wird ähnlich viel in optischen Aufwand investiert, denn hier motiviert das Ziel des erhöhten Schallplattenumsat- zes. Außerdem funktioniert das

Prinzip der geballten Effekte, weil sich alles um die Person des Stars „ordnet". Gelegentlich aber stellt ein Star statt seiner selbst eine Story in den Vorder- grund, die trotz nur grobmaschi- ger Handlungsandeutungen mit Text und Musik Kurzgeschich- tenqualität bekommt. Jüngstes Beispiel wäre hierfür das schöne

„Cloudbusting", in dem Kate Bush und Donald Sutherland im Hochland eine Wettermaschine installieren. Dennoch sind sol- che Glücksfälle zu dünn gesät, um hierin die ideale Verwirkli- chung des Kurzfilms zu sehen, geschweige denn des Kinovor- programms. Eine eventuelle Fu- sion würde wahrscheinlich weni- ger nach künstlerischen als kommerziellen Gesichtspunkten zustande kommen, und wer will schon eine „Madonna" im Vor- programm zu „Amadeus" rum- hopsen sehen ... cue

Aktuelle Kulturnotizen

Worpswede und deutsche Ro- mantik in Hannover — Das Nie- dersächsische Landesmuseum Hannover zeigt im Mai und Juni, also auch während des 89. Ärzte- tages, zwei Ausstellungen. In der Landesgalerie, Am Marschpark 5, Meisterwerke von Caspar Da- vid Friedrich, Karl Friedrich Schinkel, Carl Blechen; im Fo- rum des Landesmuseums, Am Markte 8, „Worpswede — Eine deutsche Künstlerkolonie um 1900". In der Worpswede-Schau sind Gemälde, Zeichnungen und graphische Blätter von Paula Moderson-Becker, Otto Moder- son, Heinrich Vogeler, Fritz

Mackensen, Hans am Ende und Fritz Overbeck zum ersten Mal in einer gemeinsamen Ausstellung

vereint. LM

Die feinen Leute in Bonn — Vom 2. Mai bis zum 15. Juni spiegelt sich im Rheinischen Landesmu- seum in Bonn die „High Socie- ty". Die Fotografin Herlinde Koelbl stellt ih-

re Aufnahmen von öffent- lichen Auftrit- ten der „Feinen Leute" in der Bundesrepu- blik aus. Über Jahre hat die

Reportagefo- tografin, die

unter anderem

für Stern, Zeit-Magazin und New York Times arbeitet, mit ihrer Ka- mera Prominente bei offiziellen Anlässen beobachtet. KH Badesaison im Altonaer Mu- seum in Hamburg —Zweihundert Jahre Badeleben an Nord- und Ostsee dokumentiert eine Aus- stellung bis zum 31. August im Altonaer Museum in Hamburg.

Anhand von bildlichen und lite- rarischen Zeugnissen, von Doku- menten und Objekten wird die Geschichte des Seebädertouris- mus lebendig. AM 1302 (70) Heft 18 vom 30. April 1986 83. Jahrgang Ausgabe A

Referenzen

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