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Archiv "Arzneimittel Fluch oder Segen?: Niereninsuffizienz nach Analgetika" (17.11.1988)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Niereninsuffizienz nach Analgetika

In dem Referat eines vom Bun- desgesundheitsamt am 26. bis 28.

November 1987 in Berlin veranstal- teten Symposiums kommentiert Pro- fessor Forth eine epidemiologische Untersuchung, die auf diesem Sym- posium vorgestellt wurde. Bei dieser Studie ging es um die Frage, ob die regelmäßige Einnahme von soge- nannten schwachen Analgetika als Risikofaktor für die Entwicklung ei- ner terminalen Niereninsuffizienz anzusehen sei. Die Ergebnisse der Studie machen diesen Zusammen- hang deutlich, zeigen darüber hinaus eine klare Dosis- und Zeitabhängig- keit des Risikos und belegen, daß ein erhöhtes Risiko nur bei der re- gelmäßigen Einnahme von Kombi- nations-Analgetika, nicht dagegen bei Monopräparaten, gefunden wird. Als bestimmender Faktor für das Risiko ist die Gesamteinnahme- menge zu sehen, und diese war bei den Benutzern von Kombinations- Analgetika , speziell solchen mit Coffein, um ein Vielfaches höher als bei den Monopräparaten oder den Kombinationspräparaten ohne Cof- fein.

Professor Forth schließt nun aus der Prävalenz der terminalen Nie- reninsuffizienz und dem prozentua- len Anteil von Probanden mit regel- mäßigem Schmerzmittelgebrauch auf die Prävalenz schmerzmittelin- duzierter Nierenschäden. Dies ist nicht ohne weiteres statthaft. Zwar ist, bezogen auf die Verbreitung des Analgetika-Abusus, die Zahl ter- minal niereninsuffizienter Patien- ten durch Analgetika-Nephropathie Gott sei Dank relativ klein. Dies charakterisiert jedoch in keiner Wei- se das Ausmaß des Problems, da be- kannt ist, daß die Analgetika-Neph- ropathie nur eine geringe Verlaufs-

progression hat und daher nur weni- ge Patienten im Rahmen des soge- nannten Analgetika-Syndroms die Terminalphase der Niereninsuffi- zienz erreichen. Eine Einschätzung der wahren Prävalenz der analgeti- ka-assoziierten Nierenschäden ist daher nicht möglich. Daß diese Er- krankung, wie Herr Forth meint, selten bis extrem selten sei, deckt sich jedoch nicht mit der praktischen Erfahrung.

Wenn Professor Forth im Rah- men meines Vortrags die Gesamt- einnahmemengen an analgetischen Substanzen und damit auch an Cof- fein bei den Probanden mit regelmä- ßigem Analgetika-Gebrauch zur Kenntnis genommen hat, so sollte ihn nicht wundern, daß trotz eines Coffeingehalts von 50 mg pro Ta- blette ein Stimulationseffekt anzu- nehmen ist. Patienten mit chroni- scher Analgetika-Einnahme verwen- den in aller Regel nicht nur eine Ta- blette, sondern die mehrfache Men- ge. Auch der Vergleich mit dem Coffein im Kaffee, Tee oder Coca Cola ist unstatthaft und wird da- durch nicht schlüssiger, daß er von den Apologeten der Kombinations- Analgetika immer wiederholt wird.

Kaffee, Tee und Coca-Cola enthal- ten eben nicht relevante Mengen pharmakologisch differenter Sub- stanzen. Der Coffeingehalt, früher auch der Barbituratgehalt einiger Kombinations-Analgetika, bringt bestimmte Personen jedoch dazu, diese Medikamente irrational, das heißt unter falschen Indikationen und in zu großen Mengen über zu lange Zeiträume einzunehmen. Ge- rade die internationalen Erfahrun- gen, die von Professor Forth ins Feld geführt werden, sprechen für eine kausale Beziehung zwischen Kombi- nations-Analgetika-Gebrauch und Niereninsuffizienz. Mir und vielen anderen Nephrologen ist bisher in

der Praxis kein Patient begegnet, der über Jahre gewohnheitsmäßig in großen Mengen Acetylsalicylsäure oder Parazetamol eingenommen hätte; die Monokomponenten-Anal- getika sind ganz offensichtlich für die mißbräuchliche Verwendung un- attraktiv. Auch in der Literatur fin- den sich selbst aus jenen Ländern keine Hinweise für den chronischen Mißbrauch von Monoanalgetika, in denen die Kombinationspräparate niemals die Rolle gespielt haben wie in Deutschland.

Mir ist völlig neu, daß, wie Pro- fessor Forth schreibt, die terminale Niereninsuffizienz eine Gefäßer- krankung sei. Und daß die Kopf- schmerzen Folge der Nierenkrank- heit seien, läßt sich anhand der Fall- studien, die nun auch in der Bundes- republik schon mehr als zehn Jahre literaturkundlich sind, nicht halten.

Die Frage, ob es sich um Kranke handele, die die Schmerzmittel ein- nehmen, ist in diesem Zusammen- hang ohne Belang. Wenn die einge- nommenen Medikamente das Risiko einer schweren Nierenschädigung aufweisen, so ist es unerheblich, warum sie eingenommen wurden.

Daß unsere Ergebnisse auf die freudige Zustimmung von Professor Forth stoßen würden, hatte keiner der Autoren erwartet. Er hat sich schließlich publizistisch schon seit langem darauf festgelegt, die Pro- bleme im Zusammenhang mit Kom- binations-Analgetika zu bagatellisie- ren. Erfreulich an seinem jetzigen Beitrag ist, daß er nun den Zusam- menhang zwischen Analgetika-Kon- sum und Nierenerkrankung offen- sichtlich akzeptiert, daß er darüber hinaus die Analgetika-Nephropathie nicht mehr als „Phenacetin-Niere"

ansieht — dies war ja, wie wir heute wissen, ein historisches Mißver- ständnis — und daß er die Aufklä- rung der Verbraucher über die Ge- fahren des Mißbrauchs anregt. Die- se Forderung ist von uns wie auch von der Arbeitsgemeinschaft für Kli- nische Nephrologie schon lange auf- gestellt worden.

Das Fazit bleibt jedoch: Es han- delt sich um zulassungs- und über- wachungspflichtige Medikamente, für deren auch mißbräuchliche Be- nutzung Hersteller und Überwa-

Arzneimittel

Fluch oder Segen?

Zu dem Kongreßbericht von Professor Dr. med.

Wolfgang Forth in Heft 9 vom 3. März 1988

A-3262 (66) Dt. Ärztebl. 85, Heft 46, 17. November 1988

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chungsbehörde Verantwortung tra- gen. Der Nutzen der Kombinatio- nen ist im Vergleich zu Monopräpa- raten - je nach pharmakologischem Standpunkt - gering bis nicht exi- stent. Um so schwerer müssen die Risiken gewichtet werden, zumal diese Medikamente nie aus vitaler Indikation und auch nur selten im Rahmen einer echten Schmerzbe- handlung eingesetzt werden.

Prof. Dr. med. Martin Molzahn Abteilung für Nephrologie Humboldt-Krankenhaus

Am Nordgraben 2 • 1000 Berlin 27

Schlußwort

1. Die Argumentation in Sa- chen Coffein bleibt dunkel. der Pharmakologe ist gewöhnt, von Do- sen auszugehen, und eine schlechte Tasse Kaffee mitteleuropäischen Zuschnitts hat eben einen Coffein- gehalt, der wenigstens dem ent- spricht, was zwei Schmerztabletten enthalten. Wir können uns nicht da- mit begnügen, daß aus Gründen, die nicht dargelegt werden, „Stimula- tionseffekte anzunehmen seien".

Herr Molzahn sieht mir dies nach.

Ich muß aber hier insistieren, weil er in seinem Vortrag schon auf ominö- se Verquickungen toxikologischer Wirkungen hingewiesen hat, die möglicherweise auf die Präsenz von Coffein zurückzuführen seien. Inter- essant ist, daß er dann, was auch alle anderen Gegner der Kombinations- präparate immer wieder ins Feld führen, auf indiskutable Kombina- tionen, zum Beispiel mit Sedativa, ausweicht. Erfreuliche Einigkeit be- steht darüber, daß es eben ein Miß- brauch sein muß, der dann zu dem führt, was man die terminale Nie- reninsuffizienz nennt.

2. Wir wollen es Herrn Mol- zahn nicht verdenken, daß er nicht zu den ständigen Lesern meiner Bei- träge gehört. Sonst wäre ihm nicht entgangen, daß ich schon anläßlich des Phenacetin-Verbots ein Frage- zeichen dahinter gesetzt habe, ob nun tatsächlich die Nierenschädi- gungen nach Analgetika-Gebrauch ausgestanden sind. Ich bin in mei- nem Verdacht in den letzten Mona- ten bestärkt worden, indem für Phe-

nacetin und Paracetamol ein ge- meinsamer Metabolit identifiziert wurde, dem möglicherweise die zy- totoxischen Wirkungen zuzuschrei- ben sind. Und genau an dieser Stelle werde ich den Verdacht nicht los, daß eben dann, wenn die zur Frage stehenden Kombinationspräparate ihrer Bekömmlichkeit wegen aus dem Verkehr gezogen werden, der Run auf die Monopräparate losgeht und nach 20 Jahren - ich bin dann al- lerdings im Ruhestand - die ganze Geschichte erneut erforscht werden muß. Ich möchte die endgültige Ver- öffentlichung der überarbeiteten Daten der zur Frage stehenden Stu- die abwarten, ehe ich dieses Pro- blem endgültig beurteile.

3. Von Bagatellisieren der An- gelegenheit kann keine Rede sein.

Man gerät immer in diese Gefahr, wenn man einen Sachverhalt in den rechten Rahmen rücken möchte. So bleibt es mir auch dunkel, warum sich Herr Molzahn ziert, aus den ihm zur Verfügung stehenden Daten in einer einmaligen Situation, näm- lich der Insel Berlin, aus der so gut wie keine Patienten mit terminaler Niereninsuffizienz zur Behandlung nach anderen Orten entweichen können, die Prävalenzen abzuschät- zen. Dann ergibt sich eben das Bild, daß diese Erkrankung glücklicher- weise selten ist und glücklicherweise ebenso selten mit dem Mißbrauch von Analgetika in Zusammenhang gebracht werden muß. Bei den Kon- sequenzen, die aus diesen Überle- gungen zu ziehen sind, verneine ich allerdings einen Handlungsbedarf, der auf ein Verbot von Kombina- tionspräparaten hinausläuft. Die Unterstellung von Analgetika unter die Rezeptpflicht wäre in meinen Augen auch nur reine Augenwische- rei: der Mißbrauch von Analgetika ist auch durch die Verschreibungs- pflicht nicht zu steuern. Hier müssen andere Maßnahmen der Aufklärung vor allem des Verbrauchers erson- nen werden.

Prof. Dr. med. Wolfgang Forth Walther-Straub-Institut für Pharmakologie und Toxikologie der Universität München Nußbaumstraße 26 8000 München 2

Neurophysiologie der Redewendungen

Zu dem Beitrag von

Prof. Dr. med. Roland Schiffter in Heft 27 vom 7. Juli 1988

Ergänzende Anmerkung

Zu den ebenso interessanten wie amüsanten Schilderungen von Herrn Prof. Schiffter erlaube ich mir, eine ergänzende Anmerkung zu machen.

Was in dem Aufsatz so treffend beschrieben wird, sind Ausdrucks- formen der Grundgefühle Hunger, Angst, Schmerz, Trauer und Freu- de, wie sie Hans Lungwitz in seinem

„Lehrbuch der Psychobiologie"

z. T. mit ähnlichen Beispielen von Redewendungen beschrieben hat.

Neuerdings hat eine Arbeitsgruppe der Medizinischen Hochschule Han- nover unter Professor Machleidt nachgewiesen, daß Gefühle Funk- tion von Gefühlszellen in der Hirn- rinde sind. In dem Beitrag „Syste- matisierung affektiver Verläufe mit der EEG-Spektralanalyse" in „Zu- gang zum Verständnis höherer Hirn- funktionen durch das EEG", her- ausgegeben von H. M. Weinmann, 1987, W. Zuckschwerdt-Verlag, heißt es: „Grundgefühle sind Grundelemente emotionellen Erle- bens . . . Für die Annahme eines Grundgefühls ist die Erlebnisevi- denz, die schlüssige phänomenologi- sche und Verhaltenscharakterisie- rung und ein spezifisches physiologi- sches Ausdrucksmuster bewei- send." Zu den Grundgefühlen oder basalen Emotionen werden Inten- tion, Angst, Aggression, Trauer und Freude gerechnet und unter Aggres- sion die Schmerzgefühle subsum- miert. Daraus resultieren die von Prof. Schiffter beschriebenen Er- scheinungen an den verschiedenen Systemen. Der Begriff der Psycho- somatik wird danach deutlicher.

Dr. med. L. Leonhardt Kronprinzenstraße 18 7570 Baden-Baden Dt. Ärztebl. 85, Heft 46, 17. November 1988 (69) A-3265

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