ERASMUS PJ
Erfahrungsbericht
Akademisches Auslandsamt/
International Office Medizinische Fakultät
Land Gasthochschule Studienfach
Österreich Universität Innsbruck Medizin Hochschuljahr Aufenthalt von bis
2010/11 August 2010 Dezember 2010 Nachname (optional) Vorname (optional) E-Mail (optional)
Vorbereitung
Mein ursprünglicher Plan ein englischsprachiges Tertial zu absolvieren ließ sich aus vielerlei Umständen nicht mehr realisieren. Die Anerkennung von Tertialen in anderen Ländern ist immer an den Nachweis der adäquaten Sprachkenntnis gebunden. Da ich aber lediglich Englisch in diesem Rahmen beherrschte, diese Möglichkeit allerdings nicht mehr zur Realisation stand war eine
Alternative gefragt. Durch den Hinweis unseres Akademischen Auslandsamtes bestand die Möglichkeit ein deutschsprachiges Tertial im Rahmen eines Austauschprogramms zwischen der Universität Innsbruck und der Universität Magdeburg zu absolvieren. Da Österreich für die Absolvierung des PJ's immer noch eine Rarität darstellt und mein „deutsch“ wohl auch für
Österreich ausreichen würde, habe ich mich für diese Möglichkeit entschieden. Nach Bewerbung und Auswahlgespräch an meiner Heimatuniversität und der erfolgreichen Zusage ging es los. Es folgten noch weitere Bewerbungsschreiben und andere Formalitäten an die Universität Innsbruck bis letztendlich auch deren Zusage vorlag. Dann wurde es schon sehr konkret, es stand die Wahl des Lehrkrankenhauses an. Ursprünglich wollte ich nach Linz, aber die Uni Innsbruck hatte doch recht deutlich versucht mich am Standort zu behalten, was mir auch nicht abwegig erschien. Ich bekam sogar ein paar Adressen von „Outgoings“, womit Aussicht auf Wohnmöglichkeit zu meinem Zeitraum bestand. Im Zuge der Planung entpuppte sich jedoch eine organisatorische Ungleichheit zwischen dem deutschen PJ und dem österreichischen KPJ als großes Hindernis. Nach den
deutschen PJ‐Anforderungen muß ich 16 Wochen am Stück einen Fachbereich absolvieren. In Österreich macht man je nach Fachbereich jedoch maximal 8 Wochen am Stück. Letztendlich ließ es sich an der Uni organisatorisch nicht regeln das ich 16 Wochen lang in der Chirurgie arbeiten konnte wodurch ich mir ein Lehrkrankenhaus der Universität suchte wo dies kein Problem darstellte. Im Gegenteil, die „kleinen Häuser“ sind dankbar einen Praktikanten für solch eine langen Zeitraum zu haben. Dann habe ich mich an der Universität sowie bei einem
österreichischen Gaststudenten, der gerade in Magdeburg verweilte, erkundigt welches der Lehrkrankenhäuser „zu empfehlen“ sei. Ich habe ein paar Adressen bekommen und mich dann über die Webseiten der jeweiligen Krankenhäuser erkundigt. Habe mir die Größe der Häuser bzw.
die Anzahl der Betten pro Station angeschaut, das operative Spektrum (ich wollte Chirurgie
machen), die personelle Aufstellung der Abteilung sowie die Lage und Erreichbarkeit (Auto, Bahn).
Dann habe ich mich bei 3 Häusern per email mit Bewerbungsschreiben und Lebenslauf beworben.
Die Antworten kamen innerhalb von 3 Tagen. Da ich aber lediglich 1 Zusage bekam war die „Wahl“
schon gefallen. Es folgten wieder jede Menge Anträge und Schriftverkehr sowie Absprachen über
die Unterkunft bis alles mehr oder minder erfolgreich geklärt war. In toto waren es dann aber immerhin ca. 7 Monate der Organisation bis die Sache zumindest zu 80% stand. Verglichen mit den Erfahrungen anderer Kommilitonen, die z.B. in die Schweiz gegangen sind, war doch der
organisatorische Mehraufwand enorm. Man spürt schon deutlich das Österreich Neuland für die Absolvierung eines PJ‐Tertials ist. Die, zumindest mir geschilderte, Unkompliziertheit ein PJ‐Tertial in der Schweiz zu machen ist in Österreich nicht gegeben.
Unterkunft
Unterkunft in Österreich ist ein schwieriges Kapitel. Zimmer sind sehr teuer, schwierig zu
bekommen und sehr oft nur für einen Mindestmietzeitraum von einem Jahr. Ich habe 5 Monate lang auf allen möglichen Webseiten, Studentenseiten, WG‐seiten, etc. gesucht und nichts gefunden. Selbst im Personalhaus des Krankenhauses war erst kein Zimmer frei. Quasi erst mit meiner Ankunft hat sich kurzfristig eine Möglichkeit ergeben. Allerdings war es alles andere als angenehm teilweise zu Zweit auf 10 qm inkl. Dusche und WC zu leben, Privatsphäre ist da nicht drin. Die Ausstattung war spartanisch: 2 Betten, 2 Schränke, 1 Tisch, 2 Stühle. Es gab im Flur eine Gemeinschaftsküche die allerdings mehr als Raucherzimmer diente als darin zu kochen. Des weiteren war die Tür unseres Zimmer so hellhörig, bzw. die Spalten so groß, dass man entweder von jedem Geräusch auf dem Flur geweckt wurde oder ständig die nikotingeschwängerte Luft, die aus der Küche in den Flur und somit ins Zimmer zog, in den eigenen Lungen filterte. Vor allem Nachts war es manchmal weder von der Lautstärke noch vom Gestank auszuhalten.
Praktikum und Alltag
Ich war im Allgemeinen öffentlichen Bezirkskrankenhaus in St. Johann in Tirol. Es liegt ziemlich genau zwischen Innsbruck und Salzburg im Bezirk Kitzbühel. Es ist ein Krankenhaus zur erweiterten Standardversorgung des Bezirkes. Das Einzugsgebiet umfasst rund 70.000 Einwohner. Das Haus verfügt über 247 Betten. Rechtsträger ist der Gemeindeverband St. Johann in Tirol mit 20 Mitgliedsgemeinden. Jährlich werden ca. 15.000 Patienten in stationäre Behandlung
aufgenommen. Ambulant werden rund 60.000 Patienten jährlich untersucht und behandelt. Mit einem jährlichen Umsatz von rund 40,0 Millionen € und ca. 600 Beschäftigten zählt das
Bezirkskrankenhaus auch zu den größten Wirtschaftsbetrieben des Bezirkes. Aktuell wird das Krankenhaus weiter ausgebaut.
Ich absolvierte mein Tertial in der Abteilung für Allgemein‐, Visceral‐ und Gefäßchirurgie des
Hauses. Die Abteilung wird vom Prim. Univ.‐Doz Dr. Primarius Nehoda geleitet. Des weiteren gibt es 4 Oberärzte, 2 Assistenzärzte sowie, je nach Rotationsplan, 2 weitere Turnusärzte. Die Station ist mit 48 Betten sehr übersichtlich, sowie optional externe Betten v.a. in der Pädiatrie bei
kinderchirurgischen Eingriffen wie z.B. der Appendektomie. Das operative Spektrum umfasst alle Bereiche der Allgemeinchirurgie (Bauchchirurgie) incl. Notfallversorgung sowie onkologische Chirurgie. Es wird sowohl „offen“, laparoskopisch und ins SILS Technik operiert. Weiterhin werden Eingriffe an der Schilddrüse, an der weiblichen Brust sowie bei proktologischen Leiden
durchgeführt. Außerdem arterielle und venöse Gefäßchirurgie, einschließlich Shuntchirurgie in Zusammenarbeit mit der Abteilung für Dialyse. Ein weiteres Steckenpferd des Primarius ist die Adipositaschirurgie wie z.B. die Implantation von Magenbändern oder Magensleevanlagen.
Funktionsdiagnostisch gibt es eine Gastroskopie, Coloskopie und Prokstoskopie/Rektoskopie. Die Ausstattung des Krankenhaus ist sowohl diagnostisch (CT und MRT) als auch vom
Operationsbereich hervorragend. Allein durch den Neubau wird ein weiterer ultramoderner OP‐
Saal eingeweiht. Überhaupt ist in Österreich die Medizin bei weitem finanziell nicht so streng reglementiert wird wie in Deutschland. Die Kollegen und Krankenschwestern,‐pfleger, Putzfrauen
und Sekretärinnen sind allesamt sehr freundlich. Überhaupt ist die Arbeitsatmosphäre sehr angenehm. Man ist mit nahezu jedem Mitarbeiter auf „Du“, allein die Primare und der ein oder andere Oberarzt wird gesiezt. Gleiches gilt in Österreich übrigens auch für die Patienten. Wenn man nicht gerade einen Touristen behandelt, kann man auch diese per Du anreden. Als mir zu Anfang immer noch das gewohnte Sie „rausrutschte“ kam sehr häufig ein ungläubiger Blick und spätestens ab diesem Moment wußte jeder, der es bis dahin nicht schon an meiner Sprache erkannt hatte, das ich aus Deutschland kam. Die Sprache ist auch ein vielleicht nicht ganz
unwichtiges Kapitel. Man sollte sich ehrlich gesagt nicht in dem Glauben nach Tirol begeben das man dort „Deutsch“ spricht. Die Tiroler können zwar relativ gut Hochdeutsch reden, aber im Alltag spricht man nun mal Tirolerisch. Das ist für den nur hochdeutsch sprechenden Hörer alles andere als einfach. Es hat zwar gewisse Ähnlichkeiten mit Bayrisch, aber auch nur gewisse. In den ersten Tagen habe ich fast gar nichts verstanden und die Einheimischen hatten Ihre wahre Freude mir Ihre
„Sprache“ beizubringen. Bemerkenswert war auch der regional sehr unterschiedliche Dialekt bzw.
die z.T. sehr unterschiedliche Wortwahl, und mit regional meint man in Tirol bereits 10 km Entfernung. Ich habe gut 2 Monate gebraucht bis ich den größten Teil wirklich verstanden hab, wobei ich mich sprachlich als nicht sonderlich talentiert beschreiben würde.
Mein Aufgabengebiet im PJ war vor allem der OP‐Bereich. Ich war für nahezu jede OP die erste Assistenz wodurch ich sehr viel verschiedene Krankheitsbilder und deren operative
Therapiemöglichkeiten gesehen habe. Des weiteren hospitiert man in der Ambulanz, sowohl Vormittags in der allg. chirurg. Ambulanz, wie auch am Nachmittag zu den Spezialambulanzen – Gefäß‐, Brust‐, Adipostitas‐, Onkologie‐, Proktologie‐ und Kolonsprechstunde. Ansonsten nimmt man auf Station Blut ab, legt „Leitungen“, hängt die Infusionen an oder kann beim Wundverband helfen. Im Durchschnitt betrachtet lernt man am meisten von den Turnus‐ oder Assistenzärzten, wohl auch weil sie die meiste „Alltagsarbeit“ leisten die für einen Studenten ja die
grundlegendsten praktischen Schritte darstellen. Die OÄ oder CÄ hingegen decken den operativen Bereich und behandeln eher die „Spezialfälle“. Die Arbeitszeiten waren relativ regelhaft. Normaler Dienstbeginn war 07.15 Uhr (Dienstags 07.00 Uhr) und endeten im Durchschnitt zwischen 16.00 und 17.00 Uhr. Es gab auch Tage an denen es deutlich länger ging, aber dies war meist Notfall bedingt, wodurch man aber auch die Chance hatte eben zu sehen wie nicht elektive Operationen vonstatten gehen. Es war fast immer Zeit für eine Mittagspause und wenn ich mal über das Wochenende nach Hause fuhr war es meistens auch kein Problem Freitags ab 13 Uhr Feierabend zu bekommen. Man konnte über alles reden, jederzeit fragen und es fanden sich immer Lösungen für neu auftretende Probleme.
Freizeit
Der Freizeitwert in Tirol ist natürlich enorm. Man brauch sich ja nur mal kurz die Kataloge der Reiseveranstalter anschauen um zu sehen was alles möglich ist. Im Sommer kann man wandern, Rad fahren, schwimmen (sehr viele und schöne Seen), sommerrodeln oder angeln gehen, im Winter dagegen steht natürlich Ski und Snowboard fahren ganz oben auf der Liste. Die Landschaft ist natürlich alpin geprägt, sehr gut erschlossen und behält für jedermann etwas bereit. Wer es gemütlich haben möchte geht ins Wirtshaus, trinkt ein Bier oder guten österreichischen Wein und genießt die deftige tiroler Küche.
In Tirol ist letztlich alles möglich, es hat aber auch alles einen nicht unerheblichen Preis.
Fazit
Das ist für mich immer der schwierigste Teil. Nur Positives zu schreiben wäre unglaubwürdig und auch wenn es mir sehr gefallen hat möchte ich die Chance nutzen auf ein paar Dinge einzugehen
die man verbessern könnte. Organisatorisch hätte einiges besser laufen können, denn so relevante Aspekte wie die Unterkunft sollten, zumindest aus meiner Sicht, schon vorher geklärt worden sein.
Mein Praktikumsablauf hätte auch etwas besser strukturiert sein können. Aber mit etwas
Eigenverantwortung und durch die offene Haltung des Primarius war es immer möglich Wünsche und Änderungen zu berücksichtigen und eine Lösung zu suchen und zu finden. Auch eine gewisse (finanzielle) Anerkennung durch das Krankenhaus hätte ich als angemessen empfunden. Sie stellten zwar das Zimmer, aber ich wäre der Meinung, dass ein „Mitarbeiter“, und wenn auch nur als Praktikant, durchaus Anspruch auf Verpflegung haben dürfte. Schließlich arbeitet man wie jeder andere Angestellte und leistet einen Beitrag zur Versorgung der Patienten an dem schließlich das Krankenhaus verdient.
Auch wenn in Österreich der internationale Austausch im PJ wohl noch nicht so populär ist und das selbst KPJ erst 2 Jahre alt und auch noch nicht vollständig etabliert ist, findet man hier viele offene Menschen, die einem die Chance geben von Ihren Erfahrungen zu lernen und ein offenes Ohr für Verbesserungsvorschläge haben.