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Archiv "Irakisch-Kurdistan: Ärztliche Arbeit unter einem Embargo" (05.05.1995)

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Irakisch-Kurc istan

Ärztliche Arbeit unter einem Embargo

Die Autoren dieses Artikels nahmen für die „Voluntary Relief Doctors" (VRD), Wupper- tal, an einem vierwöchigen humanitären Einsatz zur Primärversorgung von Minenopfern in

Irakisch

-

Kurdistan, der UN

-

Schutzzone nördlich des 36' Breitengrades,

teil. Daneben erhielten die Ärzte Einblick in den politischen Hintergrund sowie in die Auswirkungen des seit 1991 bestehenden Embargos, das den gesamten Irak betrifft. Die Organisation ent- stand 1991, zur Zeit der Flüchtlingsbewegungen, mit freiwilligen Mitarbeitern aus den alten und neuen Bundesländern. Eine große Unterstützung erhielt sie durch das Gesund- heitsministerium des Landes Brandenburg. Hauptaufgabe der VRD ist die tertiäre Prävention, das heißt die Wiedereingliederung Amputierter in den normalen Alltag.

Arbeitsplatzbezogene Rehabilitation

Neben der Bildung und Versor- gung war die arbeitsplatzbezogene Rehabilitation ein weiterer Schwer- punkt bei der Behandlung von Lei- stungen und Angeboten für die ver- schiedenen Daseinsgrundfunktionen.

Hier sind die Fortschritte in den letz- ten zehn bis fünfzehn Jahren beson- ders auffällig, was die wissenschaftli- che Befassung mit der Fragestellung betrifft. Die tatsächliche Beschäfti- gung Behinderter in Industrie, Dienstleistung und Verwaltung hinkt den theoretischen Erkenntnissen und

POLITIK

TAGUNGSBERICHTE/BLICK INS AUSLAND

daraus abgeleiteten Forderungen je- doch weit hinterher. Hier gelang es dem Kongreß, erfolgversprechende Perspektiven aufzuzeigen. Richtung- weisend war in diesem Kontext der Vortrag von Alan Bruce, Irland, der sich mit dem Thema „Professional Development in Vocational Rehabili- tation: Innovative Approaches in a Challenging Environment" auseinan- dersetzte.

Auch wenn die Lebensbereiche Bildung, Versorgung und Arbeit die Akzente des Kongresses setzten, blieben doch die Funktionen Frei- zeit, Verkehr, Kommunikation und Wohnen nicht unberücksichtigt.

Auch zu diesen Themen wurden zahlreiche Poster und Referate gebo- ten, auf deren Zusammenfassung in einem Tagungsband man sich freuen darf.

Anschrift des Verfassers:

Prof. Dr. med.

Horst R. Bourmer

Alternierender Vorsitzender des gemeinsamen Ausschusses

„Rehabilitation" des Bundes- ärztekammer und der Kassen- ärztlichen Bundesvereinigung Lärchenweg 1

50767 Köln (-Pesch)

Mireya-R. Schmickler Ralph Krüger

F

ür die „Voluntary Relief Doc- tors" fuhren wir im September 1994 zur Primärversorgung von Minenopfern in das Grenzge- biet Irak/Türkei/Iran. In dem Ort Diana betreibt die Organisation eine überregional bekannte und gut ge- hende Prothesenwerkstatt. Denn auch in vermeintlich „geräumten"

Gebieten werden immer wieder Men- schen durch Minen schwer verletzt oder getötet, da das Gelände vermut- lich vom iranischen Grenzgebiet her immer wieder neu vermint wird.

Zusätzlich erschwert wird die Si- tuation der Bevölkerung durch ein doppeltes Embargo. Es handelt sich hierbei zum einen um einen von Sad- dam Hussein befohlenen Boykott und zum anderen um das 1991 von der UNO für den gesamten Irak verhäng- te Embargo. Die Folgen zeigen sich in der katastrophalen wirtschaftlichen Lage. Es herrscht ein Mangel an Gü- tern jeglicher Art. Die damit verbun- dene Massenarbeitslosigkeit und Hy- perinflation führt zur Verelendung der Mittel- und Unterschicht.

Diese miserablen Lebensumstän- de führen unter anderem zu chroni- scher Mangelernährung; Kwashior-

kor und Marasmus treten gehäuft auf.

Bisher waren sie den dort praktizie- renden Pädiatern nur aus den Lehr- büchern bekannt. Gleichzeitig erhöht sich die Inzidenz von Tuberkulose, Typhus und Malaria signifikant. Imp- fungen und Prophylaxemaßnahmen sind nur noch durch Mithilfe der UNI- CEF und WHO möglich.

Subtiler treten die Folgen des Embargos in der Aus- und Weiterbil- dung der Ärzteschaft in Erscheinung.

So gibt es zwar eine medizinische Fa- kultät in der Landeshauptstadt Arbil, jedoch keine Möglichkeit, die Fach- arztausbildung abzuschließen, da kein Krankenhaus zur vollen Weiterbil- dung ermächtigt ist. Die müßte im südlichen Teil Iraks abgeschlossen

werden. Das jedoch ist für fast alle Ärzte aus politischen Gründen nicht möglich, Karriereknicks sind deshalb die Regel. Beklagt wird von den Me- dizinern auch, daß sie seit 1989 kei- nerlei Zugriff mehr auf Fachliteratur haben.

Die aktuelle Versorgungslage

Vor dem Kuwait-Krieg war der Irak ein reiches Land; das Gesund- heitswesen befand sich auf einem ho- hen Niveau und stand der Bevölke- rung kostenlos zur Verfügung.

Nach wie vor erfolgt die medizi- nische Versorgung zwar kostenlos, ist A-1292 (26) Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 18, 5. Mai 1995

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SCHWARZES MEER

8839

FP1 Hauptsiedlungsgebiete Verteilung

(geschätzt):

Türkei 7 Mio.

Iran 5 Mio.

Irak 3 bis 4 Mio.

Syrien 0,7 Mio.

UdSSR 0,2 Mio.

Nördlich des 36' Breitengrades liegt die UN-Schutzzone Irakisch-Kurdistan

POLITIK BLICK NS AUSLAND

aber nur noch eingeschränkt mög- lich. Ohne Mithilfe der internationa- len Hilfsorganisationen wäre nicht einmal die Akutversorgung der Be- völkerung gewährleistet. Für viele Erkrankte, wie Diabetiker, Patienten mit Schilddrüsendysfunktionen (Jodmangelstrumen sind endemisch) oder Patienten mit Herz-Kreislauf- Erkrankungen sind keine Medika- mente erhältlich. Vorhandene Appa- raturen werden nicht repariert, weil Ersatzteile fehlen. So ist von sechs

Plätzen zur Fototherapie im Kinder- krankenhaus in Arbil nur einer in Betrieb. Es gibt keine Ersatzbirnen.

Die Aufzählung ließe sich beliebig fortsetzen.

„Die Europäer denken, die Lage bei uns sei wie in manchen unterent- wickelten Gegenden Afrikas", sagt Dr. Wallat, Leiter des Bezirkskran- kenhauses in Diana, in dem wir tätig waren. Er verzweifelt an den Zustän- den: Wasser- und Elektrizitätsman- gel; Inventar, das wegen der fehlen- den Ersatzteile nicht genutzt werden kann; jede Woche ein neues Medika- ment auf der Liste nicht verfügbarer Arzneien; die zunehmende Korrupti- on und sinkende Moral der Beleg- schaft, bedingt durch die schlechten

Lebens- und Arbeitsbedingungen so- wie die extrem niedrigen Löhne — dies alles macht ihn mutlos. „Aber damals", betont er immer wieder

„damals hatten wir alles im Über- fluß."

Das Krankenhaus Diana ent- sprach vormals vergleichbaren west- deutschen Häusern. Es war ein front- nahes Militärhospital, in dem thora- ko- und craniotomiert wurde. Heute regnet es durch das Dach, überall sind Fensterscheiben zerbrochen, wegen

Geldmangel wird seit Jahren nicht re- noviert.

Während unseres Einsatzes ha- ben wir neben der Wundversorgung täglich drei bis fünf elektive Operatio- nen (vorwiegend Leistenhernien) durchgeführt. Trotz der ungenügen- den hygienischen Zustände sahen wir keine Wundinfektion. Einen regel- mäßigen Operationsplan gibt es nur ausnahmsweise.

Der Arbeitstag der im Bezirks- krankenhaus tätigen Ärzte ist ge- wöhnlich durch die Betreuung der ambulanten und stationären Patien- ten voll ausgefüllt. Das vorhandene Material wird für Notfälle zurückge- halten. Während unserer Anwesen- heit stellte das Gesundheitsdepart-

ment von Arbil Narkosemittel zur Verfügung. Dabei gibt es im gesamten Gebiet kein Lachgas; es fällt unter das Embargo. Analgetika sind mehr als knapp bemessen. Das chirurgische In- strumentarium stammt aus der Zeit des Militärhospitals und war in Ord- nung, das Nahtmaterial war jedoch alt und brüchig geworden. Die Pflege der Patienten übernehmen wie selbstver- ständlich die Familienangehörigen.

Diese familiäre Fürsorge war für uns sehr beeindruckend.

Ein- bis zweimal wöchentlich ka- men Minenopfer in das Krankenhaus Typischerweise kam es zu Unter- schenkelamputationen bei jungen Männern, die auf dem Feld arbeite- ten.

Wir hatten das Gefühl, daß unse- re Hilfe von den Ärzten besonders als moralische Stütze empfunden wurde.

Das operative Spektrum der in Diana tätigen Mediziner ist wegen der man- gelnden Facharztausbildung be- grenzt. Die elektiven Operationen wären ohne uns dort kaum durchge- führt worden. Für die gesamte Schutzzone besteht gerade zur Zeit ein Mangel an Kinder-, Neuro-, Kar- dio- und plastischen Chirurgen sowie Anästhesisten.

Hoffnung für die Zukunft

Angesichts der offensichtlichen Ohnmacht und mangelnder Voraus- setzungen haben uns die Bemühun- gen der Ärzte zu improvisieren sehr beeindruckt. Eine Bestätigung dieses Eindrucks erfuhren wir durch die Äußerung des UNICEF-Koordina- tors Robert Medforth-Mills. Er ist da- von überzeugt, daß die Kurden ihre Situation auf Grund ihrer ursprüng- lich guten Ausbildung, ihres Fleißes und ihres Improvisationsvermögens verbessern werden. Seiner Meinung nach wird sich auch eine Unterstüt- zung durch das Ausland erfolgreich auf die Entwicklung dieser Region auswirken.

Anschrift für die Verfasser:

Dr. med.

Mireya-Renata Schmickler Grüngürtelstraße 10 50996 Köln

A-1294 (28) Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 18, 5. Mai 1995

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