VARIA AUS UNTERNEHMEN
S
eit dem 16. Oktober ist in Deutschland mit Sere- vent® (Glaxo) der erste inhalative Langzeitbroncho- dilatator für die Therapie des Asthma bronchiale auf dem Markt. Das Mittel enthält die Substanz Salmeterolxinafoat, ein langkettiges Beta-2-Mi- metikum, das eine mehr als zwölfstündige Bronchodila- tation ermöglicht. Die Beta- 1-Aktivität ist 10 000fach ge- ringer als der entsprechende Wert von Isoprenalin, wäh- rend die Beta-2-Rezeptoren- selektivität um den Faktor 85 000 höher sein soll als die anderer Beta-Mimetika.Trotz dieses guten phar- makologischen Profils ist das Medikament aus zwei Grün- den in die Kritik geraten. Ein- mal wird befürchtet, daß es zu fatalen Verwechselungen des Medikamentes mit den kurz- zeitig wirksamen Beta-2-Mi- metika durch den Patienten kommen könnte. Ein Patient mit mittelschwerem Asthma muß mittlerweile zwischen drei verschiedenen Sprays (kurzwirkendes und langwir- kendes Beta-2-Mimetikum sowie das inhalative Kortiko- id) sicher unterscheiden kön-
nen, was in der Hektik und eventueller Todesangst ei- nes schweren Asthmaanfalls leichter gesagt als getan ist.
Im November letzten Jah- res berichtete Frank Finkel- stein (ein Arzt aus Plymouth, Massachusetts) im New Eng- land Journal of Medicine (Band 331, Seite 1314) von zwei tragischen Todesfällen unter seinen Patienten, die trotz der ausdrücklichen Be- lehrung Salmeterol offenbar als Notfallmedikament be- nutzt hatten. Als solches ist es schon deshalb nicht geeignet, weil die Wirkung frühestens nach 20 Minuten einsetzt.
Auf der Einführungspresse- konferenz wurde bezweifelt, daß diese Fälle auf ein signifi- kantes Gefahrenpotential hinweisen. Die Ärzte wurden jedoch aufgefordert, bei den Patienten klarzustellen, daß Salmeterol niemals als Akut-
mittel eingesetzt werden darf.
Der zweite Einwand richtet sich gegen die dauerhafte Bronchodilatation durch Sal- meterol. Sie würde die Thera- piemöglichkeiten im akuten Anfall einschränken.
Eine kürzlich im Lancet publizierte Doppelblindstudie (Vol. 346, Seite 201 — 206) kommt zu dem Ergebnis, daß das forcierte exspiratorische Volumen (FEV) und die maxi- male exspiratorische Flußrate (PEFR) 36 Stunden nach der letzten Salmeteroldosis redu- ziert sind. Im Notfall wäre für eine Normalisierung von FEV und PEFR eine 2,5- bezie- hungsweise 4fach höhere Sal- butamoldosis erforderlich.
Diese Vorwürfe wurden von Glaxo mittlerweile mit Hinweis auf die geringe Pro- bandenzahl (17 Patienten) und eine „nicht angemessene Datenanalyse" zurückgewie-
sen. Die Firma weist auf die in den letzten Jahren mit dem Medikament gewonnenen Erfahrungen hin. Weltweit hätten über 40 000 Patienten das Medikament allein in kli- nischen Studien erhalten. In anderen Ländern, darunter auch Großbritannien, sei Sal- meterol zum Teil seit sechs Jahren erhältlich. Laut Glaxo benutzt eine Million von ins- gesamt 30 Millionen Asthma- tikern in den westlichen In- dustrieländern mittlerweile das Produkt, mit dem die Firma im ersten Halbjahr 1995 immerhin 125 Millionen Pfund Sterling umgesetzt hat.
Im Stufenplan der Asth- matherapie dürfte Salmeterol bei Schweregrad zwei und drei zum Einsatz kommen, wenn die Beschwerden durch ein in- halatives Kortikoid und ein in- halatives Kurzzeitbetamime- tikum nicht ausreichend kon- trolliert werden können. In England bemüht sich Glaxo um eine Revision der Richtli- nien der British Thoracic So- ciety. Diese sehen Salmeterol erst dann vor, wenn auch höherdosierte Kortikoidinha- lationen keine Besserung bringen. Rüdiger Meyer
Bronchoc ilatation mit Salmeterol
Für die Akuttherapie nicht geeignet
N
aSSA steht für „Nor- adrenergic and Specific Serotonergic Antide- pressant" und ist gleichzeitig die Kurzformel für eine neue Klasse von Antidepressiva.Als erster Wirkstoff wird Mir- tazapin (Remergil®) voraus- sichtlich Anfang nächsten Jahres auch in Deutschland zur Therapie zur Verfügung stehen. Bei der neuronalen Imbalance, die der Depressi- on zugrunde liegt, scheint den Transmittern Noradrenalin und Serotonin sowie ihren In- teraktionen besondere Be- deutung zuzukommen. Auf diese Hypothese ist das phar- makologische Profil des neu- en Antidepressivums abge- stimmt. Den komplexen Wirkmechanismus erklärte Dr. Thijs de Boer (Oss, Nie- derlande) bei einem von Or- ganon veranstalteten Sympo- sium anläßlich des 8. ECNP- Kongresses (European Col-
Mi rtaza pi n
lege of Neuropsychopharma- cology) in Venedig.
Mirtazapin steigert über die Blockade präsynaptischer Alphag Autorezeptoren die Freisetzung von Noradrena- lin. Außer direkten Effekten auf postsynaptische Zielzel- len kommt es dadurch auch zur Stimulation der sero- tonergen Raphe-Zellen und vermehrten Freisetzung die- ses Botenstoffs.
Weil Mirtazapin gleichzei- tig auch Alpha rHeterore- zeptoren an den serotonergen Synapsen sowie die postsy- naptischen 5HT2- und 5HT3- Bindungsstellen besetzt, kon-
zentriert sich die erhöhte serotonerge Transmission auf den 5HT1 -Rezeptor, der nach den gegenwärtigen Erkennt- nissen in der Depressionspa- thogenese eine wichtige Rolle zu spielen scheint. Inzwischen liegen Daten von mehr als 4 500 Patienten aus kontrol- lierten klinischen Studien vor, die das theoretische Konzept bestätigen. Gegenüber Plaze- bo zeigte das NaSSA eine sig- nifikante Überlegenheit. Im direkten Vergleich mit Ami- triptylin, Clomipramin und Doxepin war Mirtazapin gleich und versus Trazodon deutlich besser wirksam.
Professor Stuart Montgo- mery (London) hob die be- sonders gute Verträglichkeit und Sicherheit von Mirtaza- pin hervor. Nebenwirkungen traten in den vorliegenden Studien seltener als unter Plazebo und den Vergleichs- präparaten auf. Obwohl der Wirkmechanismus auf einer Stimulation der 5HT-Akti- vität beruht, waren auch die typischen serotonin-abhängi- gen Effekte wie Übelkeit, Di- arrhö oder Insomnie unter Mirtazapin seltener als unter Plazebo. Auswirkungen auf kardiovaskuläre Funktionen wurden unter dem NaSSA nicht beobachtet.
Die wenigen bisher gemel- deten Fälle einer Mirtazapin- Überdosierung waren nicht le- bensbedrohlich, sondern gin- gen mit einer exzessiven Schläfrigkeit einher, die nach einigen Stunden spontan nach- ließ. Gabriele Blaeser-Kiel
Gei De oression
Vertreter einer neuen Substanzklasse
A-3344 (80) Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 47, 24. November 1995