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Archiv "Abfallverbrennung aus humantoxikologischer Sicht: Bewertung der Emissionen" (25.07.1991)

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(1)

DEUTSCHES

ÄRZTEBLATT

KURZBERI TE

Abfallverbrennung

aus humantoxikologischer Sicht

Bewertung der Emissionen

Helmut Greim,

Inge Mangelsdorf und Heidrun Sterzl

I -

n der Bundesrepublik Deutschland wird die Müllver- brennung als integraler Be- standteil der Abfallwirtschaft angesehen, die aus den drei Kompo- nenten Müllvermeidung, Wiederver- wertung und schließlich der Ver- brennung besteht. Zweck der Müll- verbrennung ist, das Müllvolumen zu reduzieren und gefährliche Chemi- kalien zu zerstören, so daß Deponie- raum gespart und nur inertes Mate- rial deponiert wird. Gegenwärtig sind in der Bundesrepublik 49 Müll- verbrennungsanlagen (MVA) in Be- trieb, und ungefähr 20 befinden sich zur Zeit in Planung oder werden ge- rade gebaut.

Wie andere Verbrennungspro- zesse führt auch die Müllverbren- nung zur Emission einer großen Zahl organischer und anorganischer Ver- bindungen in Form von Stäuben, Ae- rosolen und Gasen, die von der Öf- fentlichkeit als gesundheitsgefähr-

dend angesehen und mit Krebser- krankungen, Atemwegserkrankun- gen und Allergien in Verbindung ge- bracht werden.

Im folgenden werden die Emis- sionen einer modernen Müllverbren- nungsanlage anhand von Grenzwer- ten, Konzentrationen der betreffen- den Stoffe in ländlichen Gebieten sowie der Hintergrundbelastung hin- sichtlich ihres Gefährdungspotenti- als für die menschliche Gesundheit abgeschätzt (1). Für die chlorierten Dibenzodioxine und Dibenzofurane wird zusätzlich die Exposition über die Nahrungskette abgeschätzt.

Abschätzung der Schadstoff- konzentration in der

Umgebung von zu bauenden Müllverbrennungsanlagen und Risikoabschätzung

Konzentrationen von Luftschad- stoffen in der Umgebung einer MVA können anhand von modellhaften Ausbreitungsberechnungen (2) aus den Emissionskonzentrationen be- stimmt werden. Als Erfahrungswert

hieraus hat sich ein Verdünnungs- faktor von 500 000 ergeben.

Die aus der Anwendung dieses Verdünnungsfaktors resultierenden Luftkonzentrationen werden vergli- chen mit Richtwerten, die auf einer toxikologischen Beurteilung der ver- schiedenen Verbindungen beruhen.

Solche Richtwerte sind in der TA Luft niedergelegt. Die IW1-Werte sind für den Schutz der Gesundheit bei langfristigen Belastungen ange- geben. Da diese Standards nur für wenige Substanzen vorliegen, stützt sich die Bewertung der Immissionen auch auf die Angaben für die maxi- male Arbeitsplatzkonzentration (MAK-Werte). Da diese Grenzwerte für die Exposition von gesunden Er- wachsenen am Arbeitsplatz (acht Stunden am Tag, 40 Stunden pro Woche) aufgestellt wurden, sind sie nur hilfsweise unter Verwendung ei- nes Sicherheitsfaktors für eine Be- wertung der Gefährlichkeit von Lan- zeitexposition für die ganze Bevölke- rung (inklusive alter und kranker Personen) verwendbar. Üblicherwei- se wird ein Faktor von 100 als ausrei- chend angesehen.

Tabelle 1: Emissionen anorganischer Stoffe gemäß den Grenzwerten der 17. BImSchV — Vergleich der daraus resultierenden Immissionskonzentrationen mit Grenzwerten und der Vorbelastung

CO

Einheit SO2 HCl HF NOx

mg/m3 maximale Konzentration im Abgas nach

17. BImSchV

50 50 10 1 200

ng/m3 Immissionskonzentration bei einem Ver-

dünnungsfaktor von 1:500 000

100 100 20 2 400

40 000

Immissionswert 1 (IW 1) der TA Luft 10 000 000 100 000 1 000 80 000 MAK-Wert (bzw. TRK-Wert) dividiert

durch Faktor 100

330 000

ng/m3 50 000 70 000 20 000 90 000

ng/m3 20 000

Konzentration in ländlichen Gebieten 10 000 10 000

ng/m3 300

Immissionsgrenzwerte für Pflanzen 50 000 30 000 100 000

A-2572 (54) Dt. Ärztebl. 88, Heft 30, 25. Juli 1991

(2)

Tabelle 2: Emissionen von Metallen gemäß den Grenzwerten der 17. BImSchV — Vergleich der daraus resul- tierenden Immissionskonzentrationen mit Grenzwerten und der Vorbelastung

Einheit Blei Cadmium Chrom Kupfer Nickel Queck- silber maximale Konzentration im

Abgas nach 17. BImSchV

mg/m3 0,5** 0,05* 0,5** 0,5** 0,5 0,05 ng/m3

Immissionskonzentration bei einem Verdünnungsfaktor von 1:500 000

1 0,1 1 1 1 0,1

Immissionswert 1 (IW 1) der TA Luft

ng/m3 2 000 40

1 000 1 000 1 000

MAK-Wert (bzw. TRK-Wert) dividiert durch Faktor 100

ng/m3 (5 000) 1 000

Konzentration in den ländli- chen Gebieten

ng/m3 100 0,8 5 30 5 1

* als Summenwert (Cd, TI)

als Summenwert (Sb, As, Pb, Cr, Co, Cu, Mn, Wi, V, Sn) + MAK-Wert für Chromtrioxid (siehe Abschn. III B der MAK-Liste

Anorganische Verbindungen:

Die errechneten Konzentratio- nen für Kohlenmonoxid (CO), Schwefeldioxid (SO 2), Chlor- und Fluorwasserstoff (HC1 und HF) und Stickoxide (NO x) liegen weit niedri- ger als der IW1 der TA Luft oder der MAK(1:100)-Wert (Tabelle 1). Au- ßerdem sind die Konzentrationen von CO, SO2 und NOx mindestens 25mal niedriger als die Konzentra- tionen in ländlichen Gebieten in Deutschland (4) und damit nach, dem Stand der Erkenntnis toxikolo- gisch ohne Bedeutung.

Epidemiologische Untersuchun- gen geben Hinweise auf eine mögli- che Beteiligung von Luftschadstof- fen, insbesondere von SO 2 in Kombi- nation mit Staub an Atemwegser- krankungen, zum Beispiel Pseudo- krupp, in hoch belasteten Gebieten.

Laufende Untersuchungen sollen nä- heren Aufschluß über mögliche Zu- sammenhänge liefern. In Anbetracht des geringen Anteils der Emissionen aus modernen MVA an den Gesamt- immissionen kommt diesen jedoch nur eine untergeordnete Rolle als Verursacher von möglichen Beein- trächtigungen der Gesundheit zu (5).

Metalle:

Optimierte Verfahren zur Ent- staubung der Rauchgase haben die

Emissionen von Metallen drastisch gesenkt. Die Konzentrationen der verschiedenen Metalle in der Luft in der Umgebung einer modernen MVA, die wie oben beschrieben aus- gerechnet wurden, sind zumindest um den Faktor 100 niedriger als der entsprechende MAK-Wert (1:100).

Nur für Cadmium und Blei liegen IW1-Werte vor. Sie werden minde- stens 200fach unterschritten (Tabelle 2). Allerdings liegen die Konzentra- tionen in der gleichen Größenord- nung wie die Konzentrationen in ländlichen Gebieten. Schwermetalle sind nicht abbaubar, verbleiben im Boden und können sich wie Cadmi- um in der Nahrungskette anreichern.

Bei den Bestrebungen um eine Mini- mierung der Dioxinemissionen ist daher darauf zu achten, daß solche Verfahren angewendet werden, die gleichzeitig auch eine Minimierung der Metallemissionen gewährleisten.

Organische Verbindungen:

Als besonders problematisch wegen ihrer hohen Toxizität und ih- rer Fähigkeit zur Akkumulation wer- den die Emissionen der polychlorier- ten Dibenzodioxine (PCDD) und Dibenzofurane (PCDF) angesehen.

Moderne MVA emittieren nicht mehr als 0,1 bis 0,2 ng 2,3,7,8-TCDD/m 3 und 1 ng/m3

TCDD-Äquivalente (TE). Müllver- brennungsanlagen, die sich derzeit im Bau oder in der Planung befin- den, sollen nur 0,1 ng TE/m 3 emittie- ren. Damit liegen sie mindestens um den Faktor 100 unter den Emissio- nen aus Altanlagen, deren Beitrag zur Dioxinbelastung in Deutschland unstrittig ist.

Man schätzt, daß die derzeit in der Bundesrepublik arbeitenden Müllverbrennungsanlagen 40 bis 400 g TE im Jahr emittieren. Diese Ab- schätzung beruht darauf, daß jähr- lich acht Millionen Tonnen Abfall verbrannt werden, die 5000 m 3 Rauchgas mit einem Gehalt von ein bis zehn ng TE/m 3 emittieren (7).

Nach groben Abschätzungen werden durch Sonderabfallverbrennungsan- lagen und industrielle Verbren- nungsprozesse ebenfalls 400 g pro Jahr emittiert, durch Kraftfahrzeuge 50 g, während der Beitrag durch die Papierindustrie und die häusliche Verbrennung noch unklar ist. Aller- dings scheint der größte Teil der Belastung von der früheren Produk- tion von Pentachlorphenol und dem Gebrauch der polychlorierten Biphe- nyle zu stammen.

Anhand von Modellrechnungen, die die Akkumulation im Boden und über die Nahrungskette einbeziehen, Dt. Ärztebl. 88, Heft 30, 25. Juli 1991 (55) A-2573

(3)

5000 Zusatzbelastung Grundbelastung Grenzwert

50 0,01 1000

440 1 0,0002

10 1,55 0,008 0,0006 0,019

40 30 1

0,75 1,25

Tabelle 3: Vergleich der Zusatzbelastung mit Dioxinäquivalenten durch eine moderne MVA (0,1 ng TE/m 3) mit der Grundbelastung und Grenzwerten

Gehalt im Fettgewebe Gehalt in der Muttermilch Luft

Boden

Pflanzen (Gras) Kuhmilch Mensch:

Aufnahme über Atemluft Aufnahme über Nahrung

Säugling:

Gehalt im Fettgewebe nach 3 Monaten Stillen

Einheit pg/m3 pg/kg pg/kg TS pg/g Fett pg/kg KGW/Tag pg/kg KGW/Tag

pg/g Fett pg/g Fett pg/g Fett

ergibt sich durch die Inbetriebnahme einer neuen MVA der in Tabelle 3 dargestellte zusätzliche Dioxin-Bei- trag (TE) zur Grundbelastung (6-8).

Daraus wird ersichtlich, daß die zu- sätzliche Dioxinbelastung des Men- schen im Umfeld einer MVA haupt- sächlich über die Nahrung erfolgt.

Außerdem zeigt sich, daß moderne Anlagen unter Einhaltung der Grenzwerte nur noch zu einer gerin- gen zusätzlichen Belastung des Men- schen führen, die ungefähr ein Pro- zent der Grundbelastung beträgt.

Als Folge der hohen Hinter- grundbelastung der Bevölkerung mit Dioxin weist die Muttermilch Di- oxinkonzentrationen auf, die zu ei- ner relativ hohen Belastung des Säuglings führen.

Nachdem Müllverbrennungsan- lagen einen wesentlichen Beitrag zur allgemeinen Belastung durch Dioxin leisten, sind die Emissionen so schnell und so weit wie möglich zu senken. Der neue Grenzwert von 0,1 ng/m3 ist daher zu begrüßen.

Unbekannte Stoffe:

Zusätzlich zu den PCDD und PCDF und anderen bekannten ge- fährlichen Chemikalien müssen auch die möglichen gesundheitsschädi- genden Wirkungen von bisher unbe- kannten Verbindungen berücksich- tigt werden, die ebenso wie bei ande- ren Verbrennungsprozessen gebildet und mit dem Rauchgas emittiert werden. Eine Analyse dieser kom-

plexen Gemische ist äußerst schwie- rig und gibt nur über die vorhande- nen Chemikalien Auskunft, nicht aber über ihre Gefährlichkeit.

Um dieses Problem zu lösen, werden in letzter Zeit biologische Testverfahren angewendet, um das mutagene und damit möglicherweise kanzerogene Potential der Verbin- dungen zu bestimmen (9). Erste Un- tersuchungen ergaben keine erhöhte Mutagenität in der Umgebungsluft einer Müllverbrennungsanlage. Wei- tere Tests wurden entwickelt, um biologische Effekte (AHH-Indukti- on) durch PCDD und PCDF sowie zytotoxische Effekte von Rauchgas- proben oder Proben aus der Umge- bungsluft nachzuweisen.

Schlußfolgerung

Im Gegensatz zu älteren Ver- brennungsanlagen geben moderne Anlagen relativ geringe Mengen an Schadstoffen in die Umwelt ab. Die daraus resultierenden Immissions- konzentrationen liegen unterhalb der Grundbelastung in ländlichen Gebieten. Durch die Maßnahmen zur Emissionsminderung ist zu er- warten, daß auch die Immissionen der unbekannten Substanzen sehr niedrig sind. Eine Gesundheitsge- fährdung der Bevölkerung läßt sich daher aus dem Betrieb einer MVA nach dem gegenwärtigen Stand der Erkenntnis nicht ableiten.

Literatur

1. Greim, H.: Chemosphere 20, (1990), 317-331 2. Schetter, G.: Chemosphere 19, (1989),

589-596

3. Deutsche Forschungsgemeinschaft: Maxima- le Arbeitsplatzkonzentrationen und biologi- sche Arbeitsstofftoleranzwerte. VCH-Ver- lagsgemeinschaft, Weinheim, 1989 4. Der Rat der Sachverständigen für Umwelt-

fragen. Umweltgutachten 1987, S. 357-359, W. Kohlhammer, Stuttgart und Mainz, 1987 5. Bayerisches Staatsministerium für Landes-

entwicklung und Umweltfragen, Materialien Nr. 51,1988

6. Schlatter, Ch.; Poiger, H.: Z. Umweltchem.

Ökotox. 2, (1989), 11-17

7. Greim, H.; Link, B.: Entsorgungspraxis 4, (1989), 162-170

8. Dioxins, A Program for Research and Action, National Swedish Environmental Protection Board, Information Section, Box 1302, Solna, Schweden, 1988

9. Watts, R.; Fitzgerald, B.; Heil, G.; Garabedi- an, H.; Williams, R.; Warren, S.; Fradkin, I.;

Lewtas, J.: JAPCA 39, (1989), 1436-1439

Anschrift für die Verfasser:

Prof. Dr. med. Helmut Greim Vorstand des Instituts für Toxikologie und Umwelthygiene der TU München und des Instituts für Toxikologie der Gesellschaft für Strahlen- und Umweltforschung Ingolstädter Landstraße 1

W-8042 Neuherberg A-2574 (56) Dt. Ärztebl. 88, Heft 30, 25. Juli 1991

Referenzen

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