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Archiv "Abfallverbrennung aus humantoxikologischer Sicht: 1 Fragen über Fragen" (03.07.1992)

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DEUTSCHES

ÄRZTEBLATT

DISKUSSION

Abfallverbrennung aus

humantoxikologischer Sicht

Zu dem Kurzbericht von Prof. Dr. med. Helmut Greim und Mitarbeiter

in Heft 30/1991

Fragen über Fragen 1

er oben genannte Artikel ist knapp gehalten, wohl als Übersicht für weniger Informierte gedacht:

Daß Müllverbrennung (MVA) je- doch als integraler Bestandteil der Abfallwirtschaft angesehen wird, trifft sicher nur für deren Befürwor- ter zu. Für Andersdenkende klafft hier eine klare Akzeptanzlücke.

Denn MVA hat Konsequenzen und ist in die Reihe von Emissionsquel- len einzuordnen, über die das Bun- desumweltgutachten (BuGa) 1987 schon ausführlich kritisch Stellung bezogen hat. Einige bereits dort be- denkliche Punkte, die auch dem da- maligen Mitautor H. Greim noch ge- genwärtig sein dürften, sollen daher im folgenden für die weniger In- formierten nochmals angesprochen werden: Punkte des BuGa, Kurzfas- sung K, Langfassung L: K 94, 95 . . 103, L 813, 814, 1251-89, 1293, 1320-7, 1374, 1604, 1612, 1619, 1626, 1786-91 usw.

Es ist als Information ungenü- gend, Emissionen nur in ihren Grenzwerten nach 17. BlmschV dar- zustellen, sowie sie mit gesetzlich er- laubten Verdünnungsfaktoren bis zur Harmlosigkeit herunterzurech- nen. Dadurch kann der Eindruck entstehen, daß diese fast den Rang von Vernachlässigbarem einnehmen und nahezu die Qualität von unbe- denklichen Nahrungsmitteln strei- fen. Dies war nicht der Sinn des Buga von 1987. Er war deutlich besorgter, daher hätte der Autor zusammenfas- send sehr wohl vorsichtiger formulie- ren können: Der Ausschluß einer mittel- und langfristig faßbaren Ge- sundheitsgefährdung durch Indu- strieemissionen, zu denen leider

auch heute noch moderne MVAs ei- nen bedeutsamen Anteil beitragen, kann zur Zeit mit letzter wissen- schaftlicher Sicherheit nicht bewie- sen werden, da deren Akkumulati- onsmechanismen nach Aufnahme im biologischen Substrat, vor allem dem Säugetier, in der Regel nicht ausrei- chend bekannt sind (L 1619)!

Hierbei stellen Grenzwerte für Emissionen (gekürztes Zitat) nicht etwa wissenschaftlich abgeleitete Werte dar, die jedes Risiko aus- schließen, sondern sie haben, das wird in der Öffentlichkeit verkannt, (K 103) den Charakter von Konven- tionen auf der Basis von Nutzen-Ri- siko-Abschätzungen einerseits und sozialer Kompromisse über Vertret- barkeit der Risiken andererseits. Ihr Vorteil liegt in der Überwachbarkeit, ihr Nachteil besteht darin, daß kein weiterer Anreiz für Verminderung in Hinsicht auf Emissionen besteht, — wer hat hier wohl den Nutzen, auf wessen Rücken wird das sogenannte vertretbare Risiko ausgetragen?

Am deutlichsten wird unter L 1791 ausgeführt: Alle Anstrengun- gen müssen vielmehr darauf gerich- tet sein, daß die heranwachsen- den (Frauen-)Generationen weniger oder besser keine Organohalogen- verbindungen in ihrem Fettgewebe speichern. Dieses Ziel wird nicht durch. . . neue umweltepidemiologi- sche Forschung erreicht, sondern da- durch, daß der Eintrag der Verbin- dungen in die Umwelt, die Belastung von Lebensmitteln herabgesetzt be- ziehungsweise unterbunden wird.

Das Problem der weniger be- kannten Emissionen, die ebenso nicht verharmlost werden dürfen, wie die Aussagen von H. Greim auch nahele- gen möchten, und ihre Beziehungen zum kindlichen Stoffwechsel, kommt hier noch verschärfend hinzu.

„Akkumulationsmechanismen"

im Säuger sind nicht ausreichend be- kannt, und Effekte im Tierversuch (K 103) begründen bei einer be- stimmten Stoffemission daher auch

ein Risiko für den Menschen. Zwei- fellos fragt man hier, für wen wohl diese Sätze im BuGa bereits 1987 ge- dacht waren. Stehen wir hier bereits vor einer Bankrotterklärung des Um- weltschutzes der 80er Jahre?

Es ist insbesondere fraglich, wann überhaupt in Deutschland eine MVA entsteht, die in bezug auf Di- oxinäquivalente, zum Beispiel nach- weislich im Routinebetrieb mit weni- ger als 0,1 ngr/m 3 TE konstant, emit- tiert und damit lediglich, wie im Bu- ga vorausbefürchtet, naturgemäß Gifte unterhalb eines Grenzwertes weiter emittiert und der bereits vor- handenen Belastung noch hinzufügt (K 103, L 1619) und es dabei keinen weiteren Anreiz gibt, diese auch noch zu unterbinden! Liegen doch bereits Emissionen (Altlasten) vor, deren biologische Halbwertszeiten von 10 bis 20 Jahren reichen, deren Eintrag von vielen Umweltschützern in den letzten Jahren schon auf das heftigste kritisiert worden ist, was jetzt indirekt schon sehr gequält da-

durch zugegeben wird, indem man die gebesserte Emissionslage des Jahres 1991 besonders herauszu- streichen versucht!

Sind eigentlich die Aussagen des Buga 1987 jetzt 1991 überflüssig, of- fenbar rein akademisch gewesen?

Muß man daher die Verharmlosun- gen der hier aktuellen Publikation nicht eindringlich kritisieren? Ruft dies nicht nach weiteren Überlegun- gen? Inwieweit erfüllt die MVA- Technik im Rahmen schon erfolgter Emissionen den Tatbestand eines ächtenswerten Emissionslangzeitex- perimentes, dessen Ablauf und Fol- gen als ungewiß eingeschätzt werden müssen, da sie auf alle Fälle genera- tionenübergreifend auf die Bevölke- rung einwirken?

Was meinen jene, die in der ex- perimentellen Medizin die Grenze des Erlaubten zum Verbotenen an- zugeben vermögen, hierzu? Viel- leicht liest ein Mitglied dieser Kom- missionen die hier veröffentlichten Aussagen? Sollte in einer Phase des wissenschaftlichen Disputes über ein kontrovers beurteiltes Thema vor der ärztlichen Kollegenschaft schon in diesem Stadium zu einer fragwür- digen, wissenschaftlich nicht beweis- baren Entwarnung aufgerufen wer- A1 -2400 (52) Dt. Ärztebl. 89, Heft 27, 3. Juli 1992

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den? Hat hier nicht anderes Vor- rang? Muß hier in einer möglichen Gefährdungslage das Prinzip der Ri- sikobeweislastumkehr nicht auch im Hinblick auf unseren ärztlichen Eid als erstes wirksam sein (K 108)?

Muß bei einem anstehenden schadstoffrelevanten Verfahren, wie MVA, nicht dessen gefahrenfreie Wirksamkeit im obigen Sinne als er- stes bewiesen sein beziehungsweise dies aus Medizinersicht hart gefor- dert werden, bevor MVA medizi- nisch akzeptabel und landesweit me- thodisch erlaubt wird, und nicht um- gekehrt diese so lange betrieben wer- den dürfen, bis deren nicht auszu- schließende Gefährlichkeit beweis- bar zu Tage tritt, es dann aber zu spät für Betroffene sein kann? Un- vergeßliche Beispiele von Schad- stoffeinträgen und nachfolgenden Umweltkatastrophen weltweit unter- streichen diesen Denkansatz histo- risch für die letzten 30 Jahren ein- dringlich (K 108, L 1610 ff.).

Dr. rer. nat. H. G. Unger Dipl.-Chemiker

Arzt für Radiologie Römerstraße 18 W-7057 Winnenden 5

Die Bewertung der Emissionen ist in bezug auf „moderne" MVAs lückenhaft. Bei den organischen Verbindungen gehen die Autoren nur auf die polychlorierten Dibenzo- dioxine und Dibenzofurane ein. Wei- tere organische Schadstoffe wie poly- zyklische aromatische Kohlenwasser- stoffe, Chlorphenole und Chlorben- zole (einschließlich Hexachlorben- zol) werden übergangen. Dabei sind überhaupt nur zwanzig Prozent der freiwerdenden organischen Verbin- dungen bekannt. Anhand „erster Untersuchungen" mittels biologi- scher Testverfahren auf deren Unbe- denklichkeit zu schließen, ist zumin- dest gewagt. Ausführlich wird dage- gen ein Vergleich der Zusatzbela- stung mit Dioxinäquivalenten durch eine „moderne" MVA mit der Grundbelastung dargestellt. Durch diesen Vergleich wird suggeriert, es

liege eine natürliche Grundbela- stung vor, der gegenüber die Emis- sionen einer „modernen" MVA nicht ins Gewicht fielen. Die Her- kunft der Grundbelastung wird über- gangen. Stammt sie etwa vorwiegend aus alten MVAs?

Die Abwasserbelastung durch MVAs wird ebenfalls mit keinem Wort erwähnt. Dabei verlagert sich gerade bei „modernen" MVAs durch die nasse Rauchgaswäsche die Um- weltbelastung vom Emissionspfad Luft auf den Emissionspfad Wasser.

Im Sondergutachten Abfallwirt- schaft des Rates der Sachverständi- gen für Umweltfragen vom Septem- ber 1990, an dem Professor Greim persönlich mitarbeitete, heißt es auf Seite 69, Abs. 130: „Die Verhinde- rung von umweltschädigenden Emis- sionen aus der Ablagerung oder Ver- wertung der festen Verbrennungs- rückstände aus den Abfallverbren- nungsanlagen ist noch nicht zufrie- denstellend gelöst." Professor Greim hält es nur für erforderlich, das Sachverständigengutachten von 1987 (!) als Literatur anzugeben. Auf die Emissionen aus den festen Verbren- nungsrückständen geht er nicht ein.

Im Gegensatz zu Professor Greim

Müllverbrennung als Bestandteil der Abfallwirtschaft ist aus ökologi- schen und ökonomischen Gründen umstritten. Durch Müllvermeidung, Trennung, Wiederverwertung und Kompostierung kann der „Rest- müll"-Anteil auf höchstens noch ein Drittel der Ausgangsmenge gesenkt werden. Damit ist eine sortenge- trennte sichere Deponierung und ge- gebenenfalls Recycling bei Fortent- wicklung der Technik möglich. Unter dieser Prämisse sollte auch die ge- sundheitliche Gefährdung durch Müllverbrennungsanlagen kritischer gesehen werden.

Eine wesentliche Bedeutung bei der Beurteilung der Anlagen kommt den Dioxinen und Furanen zu. Die Autoren räumen ein, daß ein Groß- teil der heute bestehenden Bela- stung durch die Müllverbrennungs- anlagen verursacht wurde. Diese

und in Übereinstimmung mit der Lan- desärztekammer Baden-Württem- berg in ihrer Stellungnahme vom 27.

Februar 1991 sehen wir in der derzei- tigen Praxis der Müllverbrennung ein aus der Sicht der Gesundheitsvorsor- ge belastendes Verfahren.

Hinzu kommt, daß MVAs für ei- nen geregelten Betrieb und eine op- timale Energieerzeugung gleichblei- bend hohe Müllmengen erfordern.

Damit sind sie dem Erfordernis der Abfallvermeidung diametral entge- gengesetzt. Müllverbrennung kann deshalb keineswegs als integraler Be- standteil der Abfallwirtschaft ange- sehen werden. Als wichtigste Be- standteile der Abfallwirtschaft gel- ten immer noch Abfallvermeidung und Abfallverwertung.

gezeichnet:

Dr. med. T. Fenner, Arzt, Hamburg. Dr. med. H. Pomp, Chefarzt, Essen Dipl.-Ing. (FH) M. Scherrer, Klinikökologe, Freiburg J. Vogel, Arzt, Freiburg H. Vogelsang, Arzt, Essen

Korrespondenzanschrift

Dr. med. Thomas Fenner Wilhelms-Allee 6

W-2000 Hamburg 55

„Grundbelastung" werde durch den Bau einer weiteren Müllverbren- nungsanlage nach ihrer Einschät- zung um „ungefähr ein Prozent" ge- steigert.

1. Es erscheint mir fragwürdig, die zusätzliche Belastung der Bevöl- kerung mit Dioxinen, also nicht na- türlich vorkommenden hochtoxi- schen Stoffen, durch eine bereits be- stehende hohe „Grundbelastung" zu relativieren (im Sinne von „das macht den Kohl auch nicht fett").

Die bestehende Belastung sollte da- gegen Ursache sein, eine weitere Di- oxinemission zu vermeiden. Besser als neue Grenzwerte wirkt dabei ein Verzicht auf Müllverbrennung.

2. Die angegebene zusätzliche Belastung von „ungefähr ein Pro- zent" entspricht nicht den von den Autoren angegebenen Daten. Gera- de die besonders vulnerable Gruppe der gestillten Säuglinge erhält be- reits nach drei Monaten Stillzeit eine zusätzliche Belastung von 2,5 Pro- zent (1,25 pg/g Fett bei einer

1 2

Suggestive Verharmlosung

I 3

Verzicht auf Müllverbrennung

Dt. Ärztebl. 89, Heft 27, 3. Juli 1992 (53) A1-2401

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