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Archiv "Gesundheitspolitik: Wir brauchen ein Gesamtkonzept" (24.01.1992)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

W

as jetzt der sächsische Innenminister Heinz Eggert mit Äußerungen über seinen persönlichen Fall — Mißbrauch der Psychiatrie unter dem früheren DDR-Regime, so- gar Mißbrauch der Medizin — möglicherweise ausgelöst hat, war von allem Anfang der

„Wende" an zu erwarten: Es be- ginnt wieder die „Bewältigung"

einer unbequemen Vergangen- heit, in der ganzen Gesellschaft und somit auch in der Ärzte- schaft. Dabei sollte man sich Parallelen, aber auch Unter- schiede zur NS-Vergangenheit, bewußt machen, bevor man sich erneut in politische Sümpfe be- gibt und darin steckenbleibt.

Groteskerweise ist ja die vor wenigen Jahren gerade in Gang gekommene „Aufarbeitung" der NS-Vergangenheit der deut- schen Ärzteschaft nur deswegen fast abrupt zu Ende gekommen, weil plötzlich das DDR-Regime zusammenbrach. Wäre das nicht geschehen, dann sähen heute noch ärztliche Verbandstagun- gen und Ärztetage anders aus!

Es gibt drei wesentliche Un- terschiede zum „letzten Mal".

Schuldige Ärzte w

Aufarbeitung der

„Vergangenheit"

Erstens: Die SED betrieb keine planmäßigen Vernichtungskam- pagnen gegen Minderheiten. Im Gegenteil: Während der osteu- ropäischen „Säuberungsprozes- se" um 1950 war die SED be- merkenswert zurückhaltend.

Zweitens: Kritiker können

„diesmal" den Ärzten nicht den pauschalen Vorwurf machen, sich (angeblich) mehr als andere gesellschaftliche Gruppen hinter das Regime gestellt zu haben.

Im Gegenteil: Als Freiberufler wurden die Ärzte und Zahnärzte von der SED von vornherein ins Abseits gedrängt, die SED konn- te Freiberufler einfach nicht ge- brauchen.

Drittens: Die Aktenlage ist anders. „Diesmal" können wir uns nicht damit herausreden, daß irgendeine Besatzungs- macht Unterlagen unter Ver- schluß halte. Im Gegenteil: was

noch vorhanden ist, wird auch zu.

Tage kommen, früher oder spä- ter.

Und dann werden wir auch auf ähnliche Einzelfälle stoßen wie beim „letzten Mal". Man wird Schuldige finden; aber man wird auch finden, daß es Ärzte gab, die aus persönlicher Über- zeugung Anhänger des Regimes waren und gleichwohl vorbildli- che ärztliche Tätigkeit verrichte- ten. Das gilt ebenso für ärztliche Mitglieder der NSDAP wie der SED oder der „Blockparteien".

Das kann auch für Ärzte gelten, die in Akten als „informelle"

oder „gesellschaftliche" Mitar- beiter des Staatssicherheitsdien- stes geführt wurden.

Persönliche Vergehen muß der Rechtsstaat ahnden (und da- bei hilft „diesmal" die bessere Aktenlage). Pauschalurteile werden genausowenig hilfreich sein, wie sie es nach 1945 von denjenigen waren, die die Ver- hältnisse gar nicht miterlebt hat- ten; oder viele Jahre später von denjenigen, die sie wegen der

„Gnade der späten Geburt" (H.

Kohl) gar nicht miterleben konnten. Günter Burkar t

I

n der gesundheitspolitischen Diskussion gibt es Eckdaten, die von niemandem ernsthaft in Frage gestellt werden. Bei der Ursachenanalyse für den Ausga- benanstieg in der gesetzlichen Krankenversicherung sind dies zum Beispiel die demographi- sche Entwicklung, die einen im- mer höheren Anteil alter Men- schen erwarten läßt, die Kosten für den medizinischen Fort- schritt, ein Überangebot an nie- dergelassenen Ärzten. Unverän- dert gilt die Forderung, daß je- der Bürger Anspruch auf eine medizinische Versorgung nach dem letzten Stand der Wissen- schaft hat. Einmütigkeit besteht auch darüber, daß Leistungen wirtschaftlich zu erbringen sind und daß das Gesundheitswesen finanzierbar bleiben muß.

Hier endet der Konsens.

Verständlicherweise, denn der Streit beginnt nicht bei globalen Betrachtungsweisen und bloßen

Gesundheitspolitik

Wir brauchen ein Gesamtkonzept

unverbindlichen Forderungen, er entzündet sich vielmehr am Detail.

Solche Details gibt es nun viele und folglich auch viele Vor- schläge, wie der Ausgabenan- stieg in der Krankenversiche- rung zu begrenzen sei. Sie rei- chen von Bonus-Malus-Rege- lungen, Arztzahlbegrenzung, Entlastung der Krankenversi- cherung von Fremdleistungen bis zu Kostenerstattung und der Abschmelzung des Leistungska- taloges. Alle diese Vorschläge mögen für sich genommen rich- tig sein, sie haben ihren Wert.

Was ihnen fehlt, ist der innere Zusammenhang, ist die Einord-

nung in ein gesundheitspoliti- sches Zielkonzept, ist die Orien- tierung an einer gesundheitspo- litischen Grundkonzeption. Das jedoch ist es, was wir brauchen:

Ein gesundheitspolitisches Ge- samtkonzept, ein Konzept, das gesellschafts- und gesundheits- politische Zielvorgaben enthält, das das gesamte Gesundheitswe- sen umfaßt und nicht nur die ge- setzliche Krankenversicherung und das den Bürger als selbstän- dig und eigenverantwortlich denkendes Individuum einbe- zieht.

Ein solches Konzept wird Zustimmung und Ablehnung hervorrufen, im Ganzen und in seinen Teilen. Es wird vor allen Dingen auf Schwierigkeiten bei der politischen Umsetzung sto- ßen. Aber nur auf diesem Wege werden wir den Weg in die Zu- kunft finden. Es lohnt sich, an einem solchen Konzept zu arbei- ten. Fritz Beske

Dt. Ärztebl. 89, Heft 4, 24. Januar 1992 (1) A1-153

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