mit der Krankheit zum glat- ten Verleugnen oder, wofür Lyndon B. Johnsons Darbie- tung der frischen Narbe nach Gallenblasen-Operation vor laufenden Kameras steht, zum demonstrativen und den Eindruck einer komplikati- onslosen Genesung er- weckenden Offenlegen. Nach wie vor wenig bekannt – was für den Erfolg der gewählten Strategie spricht – ist die Krankheit John F. Kennedys, der offensichtlich am Morbus Addison litt, jedwede Be- schwerden jedoch wähler- wirksam entweder auf eine Football-Verletzung oder ei- ne im Pazifikkrieg erlittene Blessur zurückführte – beides klingt in den Ohren der Ame- rikaner wesentlich viriler als die Diagnose einer Insuffizi- enz der Nebennierenrinde.
Die medizinischen Akten Kennedys werden von der JFK Library in Boston nach wie vor unter Verschluß ge- halten. Mit Erfolg: Der My- thos des jugendlichen, gesun- den Präsidenten lebt bei vie- len US-Bürgern weiter.
Mutmaßungen um ein Mißgeschick Wie sehr die Sorge um den tatsächlichen Gesund- heitszustand eines Präsiden- ten die Medien aufrüttelt, vor allem jene, die den Staatschef mit Hilfe eines White House Correspondent geradezu rund um die Uhr überwachen, hat sich beson- ders drastisch gezeigt, als George Bush sich in Japan unwohl fühlte und sein Mittagessen auf den Anzug des japanischen Pre- miers regurgitierte.
Das Mißgeschick, über das jeder normalsterb- liche Fernosttourist schicksalergeben hin- weggehen würde, heiz- te damals die Mut- maßungen über der Öffentlichkeit vorent- haltene Grundleiden des Präsidenten an, was man dem Publi- kum, das genug Ver- schleierungen gewohnt ist, kaum verdenken kann. George Bush ist mit knapp 75 Jahren ein ungewöhnlich ge- sunder, durch seine Leidenschaft für das Golfen fit gehaltener Mann. Sein allerdings wesentlich jüngerer Nachfolger im Amt steht ihm in nichts nach: Von Bill Clinton ist bekannt, daß er ein kleines Hörgerät trägt und heftig unter Heuschnupfen leidet. Ansonsten ist er vital.
Nach dem Geschmack man- cher Sonderermittler zu vi- tal.
Anschrift des Verfassers Dr. med. Dr. phil.
Ronald D. Gerste Büdericher Allee 37 40667 Meerbusch
A-1922 (50) Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 31–32, 3. August 1998
V A R I A FEUILLETON
Der Eingang zum traditionsreichen Museum des College of Physicians
Der Maler Sanjay Sikder
Indische Aquarelle
Sanjay Sikder: „Spiegelung“ Repro: Atelier Hetzel
S
eine Vorbilder seien Turner, Constable und Carl Blechen, sagte er den Pressevertretern in Ber- lin. Und außerdem beein- druckten ihn Licht und Schat- ten des Zeichners Rembrandt – „wie in den Gassen und Fa- briken von Kalkutta“. Der junge indische Maler Sanjay Sikder, Jahrgang 1971, war jetzt zum erstenmal im Aus- land. Ein Berliner Indienken- ner entdeckte den Sohn eines Filmtexte schreibenden Homöopathen in Kalkutta.Dort hatte er von einem Arzt Pinsel und Farben geschenkt bekommen, dort machte er seinen Bachelor of Com- merce und absolvierte an- schließend ein Kunststudium am staatlichen College of Arts and Crafts.
Dem Schüler des großen
„Denker-Malers“ Badhan Das zeigte der nicht minder renommierte Kunstlehrer Shibal Gosh eine durchaus
„europäische“ Technik des Aquarellierens. Zum ersten- mal in Europa stellte Sikder seine Bilder in der Galerie Hetzel in Berlin-Schöneberg aus. Er wagte – plein-air und
monsunfeucht – die „Spiege- lung“ eines pfützenspringen- den Jungen, skizziert den
„Feierabend in der Ziegelei“
und koloriert dann im Ate- lier die Anmut und Armut der Arbeiterinnen, zeigt
„Hütten im Licht“ und den
„Durst“ in einem dunklen Winkel von Rajastan. In per- fekter Pinselartistik hält er den „Alltag der Fischer“ fest, ein „Gartenrestaurant“ un- ter wasserblauen Mangobäu- men in Delhi, einen „Nebli- gen Morgen“ bei Diamond Harbour mit schönsten Va- riationen seiner Grün-in- Grün-Chromatik. Dann die Detailarbeiten: der Kopf sei- nes Lehrers mit Baseball- mütze, die Zeichnung einer hölzernen Brücke. Mit allem zeichnerischen Pathos, wie ein „großes Thema“, die
„Bahnweiche mit Signal- licht“. Hinter den Bildern steht der „Hunger nach neu- en Techniken“, dies ist nur eine tastend-konventionelle Kostprobe seiner daheim mit Preisen belohnten Talente.
Weitere Informationen: Ate- lier Hetzel, Kolonnenstraße 38, 10829 Berlin. Bernd Juds Die Dauerausstellung
„When the President is the Patient“ ist diens- tags bis samstags von 10 bis 16 Uhr im „Museum at the College of Physi- cians“ in Philadelphia (19 South 22nd Street)
zu sehen. RDG