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Archiv "Leitsymptome süchtig-perverser Entwicklungen" (13.12.2002)

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A3420 Deutsches ÄrzteblattJg. 99Heft 5013. Dezember 2002

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it dem Ausdruck Perversion werden in unserer Kultur die Abscheulichkeiten schlechthin belegt, von der Apartheid über die Neutronenbombe bis hin zum Holo- caust. Die Sexualwissenschaft dagegen betrachtet Perversionen als etwas Hu- manspezifisches und diagnostiziert sie nur dann, wenn bestimmte klinische Kriterien erfüllt sind. Dass der Aus- druck Perversion trotz seiner schreien- den öffentlichen Verwendung weiter- hin benutzt wird, muss deshalb kurz er- läutert werden. Man verfügt über kein anderes Wort, das gerade im therapeu- tischen Bereich weder verlogen noch verharmlosend wäre. Dort geht es nicht um soziologische Abweichungen im Sinne einer Deviation und auch nicht um Harmlosigkeiten, wie sie der Ausdruck Paraphilie insinuiert. Es geht vielmehr um Risiken und Kata- strophen und nicht selten um Leben und Tod. Ferner ist die mit der Aufgabe des Begriffes einhergehende Distanz zur psychiatrisch-sexuologischen Per- versionslehre der Nachkriegszeit kli- nisch und forensisch falsch, wie im Fol- genden dargelegt wird. Außerdem schafft ein Wechsel der Wortmarken allein nichts aus der Welt. Emotional

entspricht der Ausdruck Perversion mit seiner Affekt- und Stereotypnähe nach wie vor der psychosozialen Situa- tion, in der sich Menschen befinden, deren Sexualleben von Zwängen und Süchtigkeiten bestimmt wird.

Welche Bezeichnungen und Stö- rungsarten die tonangebenden Klassi- fikationssysteme ICD-10 (Internatio- nale Klassifikation psychischer Störun- gen, 10. Ausgabe) der WHO sowie DSM-IV (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders, 4thediti- on) der American Psychiatric Associa- tion auflisten, ist in der Tabelle zusam- mengestellt. Insgesamt erhalten sechs bis acht Störungsarten einen nosologi- schen Rang, wobei in beiden Verzeich- nissen zum Beispiel Homosexualität, Sodomie und Gerontophilie nicht oder nicht mehr als solche erwähnt werden.

Daran kann erkannt werden, wie zeit- und kulturgebunden Klassifikationen sind. Jede Zeit, jede Kultur bezeichnet andere Begierden, Fetischisierungen und Eigenheiten als verdreht, abnorm oder krank.

Neosexualitäten

Am Beginn des 20. Jahrhunderts sahen Sexualforscher wie Freud Praktiken wie Fellatio und Cunnilingus als per- vers an. Damals waren etliche klassi- sche Perversionen wie der Flagellan- tismus oder das Zopfabschneiden kul- turell bereits untergegangen. Am En- de des 20. Jahrhunderts tauchten ver- schwundene Perversionen wie die Ge- rontophilie und die Sodomie wieder auf. Gegenwärtig treten andere Präfe- renzen und Perversionen wie bisexuel- le, transgenderistische, sadomasochi- stische oder fetischistische aus der Kli- nik heraus oder erscheinen überhaupt zum ersten Mal öffentlich. Sie werden seit den 70er-Jahren kulturell insze- niert und als neue Sexual- und Ge- schlechtsformen installiert. Der Autor nennt diese mehr oder weniger allge- mein akzeptierten Selbstpraktiken Neosexualitäten (9, 10).

In den Neosexualitäten steht das triebhaft Sexuelle im alten Sinne nicht mehr im Vordergrund. Sie sind zu- gleich sexuell und nonsexuell, weil Selbstwertgefühl, Befriedigung und Homöostase nicht nur aus einer para- perversen Fetischisierung, aus der My-

Leitsymptome süchtig- perverser Entwicklungen

Zusammenfassung

Von einer süchtig-perversen Entwicklung und damit von einer behandlungsbedürftigen Störung sollte klinisch nur dann gesprochen werden, wenn folgende Leitsymptome vorlie- gen: Sexualisierung, zwanghafte Externalisie- rung sexueller Wünsche, dominante Fetischisie- rung eines Gegenstandes oder einer Szene und süchtiges Erleben. Differenzialdiagnostisch hilf- reich und forensisch bedeutsam sind nach wie vor die von Hans Giese aufgestellten Leitsym- ptome, zum Beispiel das Symptom „zunehmen- de Frequenz, abnehmende Satisfaktion“. Von Perversionen zu unterscheiden sind kulturell neue Selbstpraktiken, beispielsweise sadoma- sochistische, fetischistische und transgenderi- stische, die der Autor Neosexualitäten nennt. In ihnen geht es nicht mehr vorrangig um sexuelle Erregung; narzisstische Befriedigung ist ebenso

bedeutsam. Ziel der Behandlung sexueller Per- versionen ist es, Katastrophen dadurch zu ver- hindern, dass die verleugneten oder abgespal- tenen Wünsche bewusst gemacht werden. Nur dann können sie kontrolliert werden.

Schlüsselwörter: Leitsymptom, Sexualmedizin, Perversion, Sexsucht, Psychoanalyse, Verhal- tenstherapie

Summary

Cardinal Symptoms of Addictive-Perverse Developments (Paraphilias)

Addictive-perverse developments and there- fore disorders necessitating therapy should be clinically diagnosed only when the following cardinal symptoms are present: sexualization, compulsive externalization of sexual wishes,

dominant fetishization of an object or scene, experience of addiction. For differential diag- nosis and forensic questions the cardinal symp- toms described by Hans Giese are still help- ful, e.g. the symptom „increase of frequency, decrease of satisfaction“. It is necessary to dis- tinguish culturally new self practices, e. g. sa- domasochistic, fetishistic or transgender prac- tices, which are termed by the author as neosex- ualities, from perversion. In these practices sexual excitation is not primarily important, equally important is narcissistic satisfaction. It is the primary objective in the treatment of perversions to prevent catastrophes by making conscious denied or split-off wishes. Only then they can be controlled.

Key words: guiding symptom, sexology, per- version, sexual addiction, psychoanalysis, be- haviour therapy

Institut für Sexualwissenschaft (Direktor: Prof. Dr. med.

Volkmar Sigusch), Klinikum der Johann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt am Main

Volkmar Sigusch

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stifikation der Triebliebe und dem Phantasma der orgastischen Ver- schmelzung beim Geschlechtsverkehr gezogen werden, sondern ebenso oder stärker aus dem Thrill, der mit der nonsexuellen Selbstpreisgabe und der narzisstischen Selbsterfindung einher- geht. Außerdem oszillieren sie zwi- schen fest und flüssig, identisch und unidentisch und sind oft sehr viel pas- sagerer als fixierte Perversionen.

Klinische Definition der sexuellen Perversion

Nicht zuletzt wegen dieses angedeu- teten kulturellen Wandels spricht der Autor nur dann von einer sexuellen Perversion, genauer: von einer behand- lungsbedürftigen süchtig-perversen Ent- wicklung, wenn bei einem Patienten ganz bestimmte psychische Mechanis- men und Erlebensweisen so sehr im Vordergrund stehen, dass er ohne sie weder zu einer sexuellen Befriedigung gelangen, noch sein Leben ohne innere Leere und Destruktion fristen kann.

Diese psychischen Mechanismen und Erlebensweisen wirken im Seelenleben des perversen Menschen wie Zwänge und beherrschen es relativ unabhängig von der jeweiligen Sexualpraktik und dem jeweiligen Sexualobjekt und auch relativ unabhängig vom allgemeinen kulturellen Wandel. Die Mechanismen und Erlebensweisen umfassen Sexuali- sierung, Externalisierung, Fetischisie- rung und Süchtigkeit.

Sexualisierung

Der Mechanismus der Sexualisierung spielt bei der Perversion in zweifacher Hinsicht eine zentrale Rolle. Zum ei- nen ist die Sexualität lebensnotwen- dig, weil nur durch ein bestimmtes se- xuelles Erleben und Handeln wenig- stens vorübergehend das seelische Gleichgewicht hergestellt werden kann. Zum anderen werden üblicher- weise sexuell neutrale Gegenstände, Handlungen oder Szenen nicht nur li- bidinös besetzt, sondern im engeren Sinne sexualisiert, beispielsweise Bein- prothesen oder Szenen wie Haare- schneiden und in Windeln gewickelt werden.

Externalisierung

Nur die Externalisierung der spezifi- schen sexuellen Szene oder des Fe- tischs ermöglicht dem Perversen die Sensation des Orgasmus. Deshalb steht der perverse Patient unter einem Manifestationszwang. Normale Men- schen überspielen die oft unbefriedi- gende Realität durch Phantasietätig- keit. Bei perversen Menschen dagegen muss sich Phantasie in Realität nieder- schlagen. Weil es bei der Perversion zu

einer extrapsychischen Symptombil- dung kommt, durch die innere Span- nungen und Ängste ausagiert werden, hat Freud die Perversion das Negativ der Neurose genannt. Denn bei der Neurose werden ängstigende oder konflikthafte sexuelle Wünsche nicht externalisiert, sondern verdrängt. Das führt dann zu intrapsychischen Sym- ptomen.

Fetischisierung

Der Fetischismus wird von den mei- sten Experten als Modell der sexuel- len Perversion angesehen (1, 6). Tat- sächlich ist bei jeder sexuellen Per- version der psychische Mechanismus

der Fetischisierung oder der fetischi- stischen Inszenierung von zentraler Bedeutung für die sexuelle Erregung und Betätigung. Ein Segment oder ei- ne Szene des immer komplexen sexu- ell-geschlechtlichen Geschehens wird sexualisiert, dominiert alle anderen Segmente oder Szenen und ist für den Perversen unverzichtbar.

In diesem Sinn wäre beispielsweise ein heterosexueller Mann dann per- vers, wenn er nur durch das Belau- schen einer urinierenden Frau zum

sexuellen Höhepunkt gelangen kann.

Bei der Perversion sind alle Sinne und alle Sensationen der Kindheit wie in einem Fetisch zusammengeschoben.

Bei der normalen Sexualität liegt da- gegen eine Zerstreuung vor: Haut, Brust, Haare, Gesäß, Ausscheidungen, Stimme, Kleidungsstücke und anderes werden mehr oder weniger milde feti- schisiert, ohne zum Reiz schlechthin zu werden. Ohne eine gewisse Feti- schisierung aber erlischt das Sexual- begehren bei normaler Sexualität sehr schnell.

Das Geheimnis jener Paare, die vie- le Jahre immer wieder erregend mit- einander sexuell verkehren, liegt of- fenbar darin, dass sie durch eine milde M E D I Z I N

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´ Tabelle C´

Synopse der Klassifikation sexueller Paraphilien beziehungsweise Sexualpräferenz- störungen in DSM-IV und ICD-10

DSM-IV ICD-10

Paraphilias Störungen der Sexualpräferenz

302.4 Exhibitionism F65.2 Exhibitionismus

302.81 Fetishism F65.0 Fetischismus

302.89 Frotteurism Nicht klassifiziert

302.2 Pedophilia F65.4 Pädophilie

302.83 Sexual masochism F65.5 Sadomasochismus 302.84 Sexual sadism

302.82 Voyeurism F65.3 Voyeurismus

302.3 Transvestic fetishism F65.1 fetischistischer Transvestitismus 302.9 Paraphilia not otherwise specified F65.6 multiple Störungen der Sexualpräferenz

F65.8 andere Störungen der Sexualpräferenz F65.9 nicht näher bezeichnete Störungen der

Sexualpräferenz

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perverse Inszenierung wirksam auf- einander bezogen und miteinander verbunden sind, am besten ohne es zu wissen.

Süchtigkeit

Mit dem Zwang zur Manifestation, Sexualisierung und Fetischisierung ist ein süchtiges Erleben verbunden.

Wird das perverse Tun unterbunden, kommt es zu Entzugserscheinungen wie beispielsweise psychosomatischen Beschwerden oder einer Depression.

Nur wenn der Suchtcharakter des se- xuellen Geschehens unübersehbar ist, sollte die Diagnose Perversion bezie- hungsweise süchtig-perverse Entwick- lung gestellt werden.

Klinisch ist also das Leitsymptom der Süchtigkeit entscheidend. Es wirft den Perversen am ehesten aus einem halbwegs geordneten Familien- und Berufsleben, führt zu einem Krank- heitsgefühl und dem Wunsch, behan- delt zu werden. Wegen der Lust, die der Perverse aus seinem Tun zieht, ist seine Therapiemotivation aber recht labil, und die Erfolgsaussichten einer Psychotherapie sind entsprechend be- grenzt.

Gieses Leitsymptome

Mit der Frage, welche sexuellen Ab- weichungen als krank und behand- lungsbedürftig anzusehen sind, be- schäftigt sich die deutsche Sexualwis- senschaft seit einem halben Jahrhun- dert. Hans Giese (2, 4, 7, 8) unter- schied die sexuelle Fehlhaltung, die er als Normabweichung und nicht als Krankheit ansah, von der sexuellen Perversion, die er als ein psychopatho- logisches Syndrom verstand. Da das süchtige Entgleisen für die Perversion charakteristisch sei, arbeitete Giese

„Leitsymptome der süchtig-perversen Entwicklung“ heraus, die bis heute von großer Bedeutung sind, vor allem auch forensisch.

> Das Symptom „Verfall an die Sinnlichkeit“ bedeute, dass der Patient keine Souveränität gegenüber sinnli- chen Eindrücken hat, ihnen „verfal- len“ ist wie ein Hund den Pawlow- schen Signalen.

>Das Symptom „zunehmende Fre- quenz, abnehmende Satisfaktion“

bringe zum Ausdruck, dass sich der Pa- tient in immer kürzeren Abständen betätigen muss, weil das Gefühl der Befriedigung immer schwächer werde.

>Das Symptom „Promiskuität und Anonymität“ verweise auf die Un- fähigkeit des Patienten, personale Be- ziehungen einzugehen.

>Das Symptom „Ausbau von Phan- tasie, Praktik und Raffinement“ be- zeichne die direkte Beziehung zwi- schen Phantasietätigkeit und zwang- haft realisierter perverser Praktik, die Progredienz des Geschehens und die Tatsache, dass die ganze Person von der Perversion besetzt werde.

> Das Symptom „süchtiges Erle- ben“ besage, dass der Patient dem Ver- langen ausgeliefert sei wie ein Sucht- mittelabhängiger seiner Droge.

> Das Symptom „Periodizität des Verlangens“ schließlich verweise auf den Wiederholungszwang, der immer wieder als dranghafte innere Unruhe, als Sexualnot, erlebt wird. Der Patient sei dann besonders reizbar, unverträg- lich, verstimmt.

Perversion als kreative Ich-Leistung

Überblickt man die Perversionslehren der letzten hundert Jahre (1), so lassen sie sich hinsichtlich der moralischen und klinischen Bewertung der Perver- sion zwei gegensätzlichen Positionen zuordnen. Die eine stellt den zerstöre- rischen und deformierenden Charak- ter der Perversion heraus, ihre Negati- vität. Die andere betont dagegen die aufbauende, selbstheilende und lebens- erhaltende Funktion der Perversion, ihre Positivität.

Die erste Position vertritt heute vor allem die französische Psychoana- lytikerin Janine Chasseguet-Smirgel (3). Sie wird nicht müde, die Perversi- on als den Inbegriff des Bösen vorzu- führen.

Die zweite Position geht vor allem auf den Schweizer Psychoanalytiker Fritz Morgenthaler (5) zurück, der die kreative und reparative Ich-Leistung des Perversen gewürdigt hat. Nach Morgenthaler ist die Perversion eine

Überbrückungsstruktur, eine „Plom- be“, die die narzisstische Lücke im Selbst ausfüllt. Ohne diese Überbrük- kungsstruktur würde das Individuum durch Selbstauflösung und Selbstbe- schädigung untergehen.

Tatsächlich ist die Perversionsbil- dung oft die einzige Möglichkeit, die einem Menschen zur Verfügung steht, um eine äußerst bedrohliche seelische Disharmonie bis hin zur Selbsttötung zu bannen.

Ziel der Therapie

Die gegenwärtigen therapeutischen Versuche umfassen vor allem Psycho- analyse und Verhaltenstherapie und deren Kombination sowie medika- mentöse Behandlungen, zum Beispiel mit selektiven Serotonin-Reuptake- Inhibitoren (SSRI) und Antiandroge- nen (2, 6, 8, 11). Dabei hängt der Er- folg nicht davon ab, ob das süchtig- perverse Tun mehr oder weniger sel- ten, bizarr oder moralisch abstoßend ist. Entscheidend ist vor allem,

>ob die Persönlichkeitsstruktur des Patienten (wie neurotisch, narzis- stisch, Borderline, psychotisch) für oder gegen soziale Kompetenz und Beziehungsfähigkeit spricht,

>ob die Perversionsbildung als ich- synton oder ich-dyston erlebt wird, ob sie also in die Person integriert ist oder in ihr wie ein Fremdkörper mit dem Risiko des Impulsdurchbruchs wirkt,

>ob der Grad der Aggressivität be- ziehungsweise des Sadismus hoch oder niedrig ist und damit die Feindseligkeit gegenüber dem Sexualobjekt (2).

Wie es bei sexuellen Abweichun- gen und Perversionen alle seelischen Strukturen gibt, so gibt es auch alle Mo- di der Abwehr: von der Verleugnung und Spaltung bis hin zur weitgehen- den Ich-Syntonizität der perversen Wünsche und Aktionen. Entsprechend unterschiedlich sind die Verläufe. Eine ich-syntone sexuelle Abweichung kann bewusst in das Leben integriert sein und nicht mehr Probleme mit sich bringen als das landläufige sexuelle Begehren, dafür aber eine durch nichts anderes zu erreichende Lust. Sie könn- te Paraphilie genannt werden. Demge- genüber kann es bei einer ich-dystonen M E D I Z I N

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Perversion, die verleugnet oder abge- spalten wird, zu so genannten Trieb- durchbrüchen kommen, nicht selten mit verheerenden Folgen.

Deshalb ist es wohl die wichtigste Aufgabe jeder Beratung und Behand- lung, die perversen Wünsche des Pa- tienten zumindest ein Stück weit aus der seelischen und sozialen Isolation herauszuholen, damit sie sich nicht un- willkürlich und damit unbeherrschbar zerstörerisch auswirken.

Manuskript eingereicht: 21. 8. 2002, revidierte Fassung angenommen: 14. 10. 2002

Zitierweise dieses Beitrags:

Dtsch Arztebl 2002; 99: A 3420–3423 [Heft 50]

Literatur

1. Becker N: Psychoanalytische Theorie sexueller Per- versionen. In: Sigusch V, ed.: Sexuelle Störungen und ihre Behandlung. 3. Auflage Stuttgart, New York: Thieme 2001; 418–438.

2. Berner W: Institutionelle Therapie bei sexueller De- linquenz. In: Sigusch V, ed.: Sexuelle Störungen und ihre Behandlung. 3. Auflage Stuttgart, New York:

Thieme 2001; 501–516.

3. Chasseguet-Smirgel J: Anatomie der menschlichen Perversion. Stuttgart: DVA 1989.

4. Giese H: Psychopathologie der Sexualität. Stutt- gart: Enke 1962.

5. Morgenthaler F: Die Stellung der Perversionen in Metapsychologie und Technik. Psyche 1974; 28:

1077–1098.

6. Reiche R: Psychoanalytische Therapie sexueller Per- versionen. In: Sigusch V, ed.: Sexuelle Störungen und ihre Behandlung. 3. Auflage Stuttgart, New York: Thieme 2001; 439–464 .

7. Schorsch E: Perversion, Liebe, Gewalt. Aufsätze zur Psychopathologie und Sozialpsychologie der Se- xualität 1967–1991. Stuttgart: Enke 1993.

8. Schorsch E, Galedary G, Haag A, Hauch M, Lohse H:

Perversion als Straftat. Dynamik und Psychothera- pie. 2. Auflage Stuttgart: Enke 1996.

9. Sigusch V: Strukturwandel der Sexualität in den letzten Jahrzehnten. Fortschr Neurol Psychiatr 2000; 68: 97–106.

10. Sigusch V: Kultureller Wandel der Sexualität. In: Si- gusch V, ed.: Sexuelle Störungen und ihre Behand- lung. 3. Auflage Stuttgart, New York: Thieme 2001;

16–52.

11. Sigusch V: Organotherapien bei sexuellen Perver- sionen und sexueller Delinquenz. In: Sigusch V, ed.:

Sexuelle Störungen und ihre Behandlung. 3. Aufla- ge Stuttgart, New York: Thieme 2001; 517–537.

12. Sigusch V, ed.: Sexuelle Störungen und ihre Behand- lung. 3. Auflage Stuttgart, New York: Thieme 2001.

Anschrift des Verfassers:

Prof. Dr. med. Volkmar Sigusch Institut für Sexualwissenschaft

Klinikum der Johann Wolfgang Goethe-Universität Theodor-Stern-Kai 7

60590 Frankfurt am Main

E-Mail: Sigusch@em.uni-frankfurt.de www.kgu.de/zpg/sexualwissenschaft

Für Screeninguntersuchungen zur Früh- erkennung des kolorektalen Karzinoms ab dem 50. Lebensjahr wird in den neu- esten Vorsorgeempfehlungen gewor- ben, wobei die Durchführung einer Ko- loskopie im Abstand von zehn Jahren bereits etabliert ist.

Die jährliche Inzidenz des Kolon- karzinoms liegt in den USA bei Perso- nen im Alter zwischen 45- und 49-Jah- ren bei 24 pro 100 000 Einwohner, bei den 50- bis 54-Jährigen liegt die jährli- che Inzidenz des Kolonkarzinoms bei 48 pro 100 000 Einwohner. Sieben Prozent aller Fälle vom kolorektalen Karzinom treten bei Personen auf, die jünger als 50 Jahre sind.

Die Autoren berichten über eine Studie, bei der sich 906 konsekutive Patienten im Alter von 40 bis 49 Jah- ren freiwillig einer Screening-Kolo- skopie unterzogen hatten. Bei 78,9 Prozent der Studienteilnehmer war kein pathologischer Befund zu erhe- ben. Bei 10,0 Prozent der untersuchten

Personen fanden sich hyperplastische Polypen, bei 8,7 Prozent wurden tu- buläre Adenome entdeckt und bei 3,5 Prozent zeigten sich fortgeschrittene neoplastische Läsionen (tubulöses Adenom von mindestens 1 cm Durch- messer, villöses Adenom, Adenom mit hochgradiger Dysplasie oder Karzi- nom); es wurde jedoch in keinem Fall ein Karzinom gefunden. 18 der 33 fort- geschrittenen Neoplasien waren im di- stalen Kolon lokalisiert und somit in Reichweite des Sigmoidoskops.

Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass mindestens 250 Perso- nen, möglicherweise jedoch 1 000 und mehr, untersucht werden müssen, um in dieser Altersgruppe ein Karzinom

zu entdecken. w

Imperiale TF, Wagner DR, Lin CY et al.: Results of screening colonoscopy among persons 40 to 49 years of age. N Engl J Med 2002; 346: 1781–1785.

Dr. T. F. Imperiale, Regenstrief Institute for Health Care, 1050 Wishard Boulevard, Indianapolis, IN 46202, USA.

Screeningkoloskopie zwischen 40 und 49 wenig effektiv

Referiert

Tegaserod ist ein selektiver Serotonin- (5-HT4-)Rezeptor-Antagonist, der bei Patienten mit Reizdarmsyndrom (Ob- stipation steht im Vordergrund) und bei Reizdarmpatienten mit Durch- fallneigung in klinischer Erprobung ist.

Die Autoren berichten über eine Therapiestudie, bei der Patienten ent- weder 4 mg Tegaserod (n = 35), 12 mg Tegaserod (n = 34) oder Placebo (n = 17) über einen Zeitraum von acht Wo- chen verabreicht wurde.

Die Drop-out-Rate unter Tega- serod wegen verstärkter Durchfälle oder Bauchschmerzen lag bei 6 Pro- zent, Komplikationen einer Diarrhö wie Dehydration oder Elektrolytver- änderungen wurden nicht beobachtet.

Über Diarrhö klagten 33 Prozent der Studienteilnehmer, die Tegaserod be- kommen hatten, und 35 Prozent der

untersuchten Personen, denen ein Pla- cebo verabreicht worden war.

Der 5-HT4-Rezeptor-Antagonist, der primär bei Obstipation eingesetzt werden soll, verstärkt Durchfallsym- ptome nicht. Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass Tegaserod in einer Dosierung von 4 und 12 mg sicher ist und keine ernsten unerwünschten

Wirkungen zeigt. w

Fidelholtz J, Smith W, Rawls J et al.: Safety an tolerabi- lity of tegaserod in patients with irritable bowel syn- drome and diarrhea symptoms. Am J Gastroenterol 2002; 97: 76–81.

Dr. J. Fidelholtz, Regional Research Department, Hightop Medical Research Center, Cincinnati/Ohio.

Tegaserod bei Patienten mit Reizdarmsyndrom und Diarrhö

Referiert

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