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Archiv "Leitsymptome: Dysphagie" (18.03.1983)

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Zur Fortbildung Aktuelle Medizin

Schluckstörungen gelten als Leit- symptom organischer und funktio- neller Erkrankungen der Speise- röhre; dabei wird die Dysphagie, das Gefühl, daß ein Nahrungsbo- lus steckenbleibt, von der Odyno- phagie (Schmerzen beim Schluck- akt) unterschieden. Beim Globus- gefühl hingegen macht die Nah- rungsaufnahme keine Schwierig- keiten; der Patient verspürt im Nüchternzustand ein Fremdkör- pergefühl im Hals.

Eine sorgfältig erhobene Ana- mnese erlaubt eine relativ sichere Zuordnung zu bestimmten Krank- heitsbildern. Das in Darstellung 1 in Anlehnung an Edwards (1)*) wiedergegebene Flußdiagramm gestattet eine Diagnosestellung mit einer Treffsicherheit von etwa 95 Prozent; trotzdem wird man auf eine weiterführende Diagnostik nicht verzichten wollen.

Aus dem Sitz der Schluckbe- schwerden kann in vielen Fällen auf die Lokalisation der Passage- störung geschlossen werden, nur gelegentlich ist sie weiter distal gelegen.

In der Klinik wird im allgemeinen eine oropharyngeale Form der Dysphagie, deren Ursachen in Ta- belle 1 zusammengefaßt sind, von einer ösophagealen Form (Tabelle 2) unterschieden. Bei der erstge- nannten Form bestehen Schwie- rigkeiten, einen Bissen aus dem

Mund in die Speiseröhre zu beför- dern, entsprechend häufig „ver- schluckt" (aspiriert) sich der Pa- tient. Bei der zweitgenannten Form besteht zumeist bereits eine ausgeprägte Hypersalivation, be- vor sich die ersten Schluckbe- schwerden einstellen.

Ernste Passagebehinderungen treten bei organischen Stenosen allerdings erst dann auf, wenn zwei Drittel des Lumens eingeengt sind. Nur zu oft negiert der Patient erste dysphagische Beschwerden, wie sie zum Beispiel beim Herun- terschlucken eines Fleischbrok- kens oder einer Kirsche verspürt werden, und ändert seine Eßge- wohnheiten durch längeres Kauen oder Nachtrinken von Flüssigkeit.

Bei höhergradigen Stenosen sind meist ein Zuwarten nach jedem Bissen, mechanische Reck- und Streckbewegungen, Luftschluk- ken oder ein Valsalvasches Preß- manöver erforderlich, wenn sich der Patient nicht durch ein ab- sichtlich induziertes Regurgitieren Erleichterung von dem retroster- nalen Druckgefühl verschafft (2).

Nicht selten führt jedoch erst das Problem, auch breiige oder flüssi- ge Speisen nicht mehr ohne Er- brechen einnehmen zu können, zum Arzt.

Jede länger als 14 Tage bestehen- de Dysphagie bedarf einer einge-

Jede länger als 14 Tage anhal- tende Dysphagie bedarf einer sorgfältigen radiologischen und/oder endoskopischen Un- tersuchung. Häufigste Ursa- che von Schluckbeschwerden ist das Ösophaguskarzinom, das sich allerdings erst be- merkbar macht, wenn schon zwei Drittel des Lumens ein- geengt sind. Die gezielte Ana- mnese erlaubt eine Diagnose- stellung mit einer Treffsicher- heit von annähernd 95 Prozent.

henden ösophagologischen Un- tersuchung, wobei man sich zu- nächst anhand eines Bariumbrei- schlucks über den Bewegungsab- lauf des Schluckaktes orientieren sollte.

Beim Nachweis einer organischen Stenose sowie bei einem unauffäl- ligen Röntgenbefund, aber anhal- tenden Beschwerden, muß eine Spiegelung der Speiseröhre ver- anlaßt werden, die heute zweck- mäßigerweise mit einem dünnka- librigen Fiberendoskop vorge- nommen wird. Lediglich bei der oropharyngealen Dysphagie er- scheint primär eine Untersuchung mit dem starren Instrument indi- ziert.

Manometrische Untersuchungs- verfahren sind in erster Linie zur Diagnosesicherung funktioneller Ösophaguserkrankungen (Achala- sie, diffuser idiopathischer Öso- phagospasmus, Sklerodermie) in- diziert, doch kann im allgemeinen auf Druckmessungen im Rahmen der Routinediagnostik verzichtet werden (3).

Da um das 60. Lebensjahr bei über 50 Prozent der Patienten mit Dys- phagie als Ursache ein Ösopha- guskarzinom gefunden wird, muß dieses Leitsymptom ernst genom- men werden und eine gezielte Su-

*) Die in Klammern stehenden Ziffern bezie- hen sich auf das Literaturverzeichnis.

ÜBERSICHTSAUFSATZ

LEITSYMPTOME:

Dysphagie

Wolfgang Rösch

Aus der Medizinischen Klinik

(Chefarzt: Professor Dr. med. Wolfgang Rösch) am Krankenhaus Nordwest

der Stiftung Hospital zum Heiligen Geist, Frankfurt am Main

46 Heft 11 vom 18. März 1983 80. Jahrgang DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Ausgabe A

(2)

nein

jrja

nein

Fließt die zugeführte Nahrung sofort oder nach vielen Stunden wieder in den Mund zurück?

ja;Divertikel

Bestehen Schwierigkeiten, Schluckbewegungen auszuführen?

nein

Passieren Getränke, ohne einen Hustenanfall auszulösen, die Speiseröhre, während feste Speisen steckenbleiben oder nur

mit Mühe passieren?

ja: neurologische Ausfälle kortikal

ja: Striktur oder Web

Kommt es beim Trinken zu einem Nies- oder Hustenanfall?

ja: muskuläre oder nervale Läsion

ja. Rekurrenspar- ese

neirtÖsophago- trachealfistel oder hohe ösophagus- stenose nein

1

Liegt Heiserkeit vor?

Passieren Getränke unverändert rasch die Speiseröhre, vorausgesetzt, es liegt keine Bolusobstruktion vor?

nein

Ja

Zur Fortbildung Aktuelle Medizin

Dysphagie

Passieren Nahrung und Flüssigkeit Sind mehr als 12 Monate seit den ja: benigne

den Schlund und gelangen ohne ersten Stenoseerscheinungen

Schwierigkeit in die Speiseröhre? vergangen?

r2,: , maligne

Vergehen Tage ohne Passagestörung bei normalen Eßgewohnheiten?

Führt ein heißes Getränk oder konzentrierter Alkohol oder Fruchtsaft zu Sodbrennen während der Passage der Speiseröhre

Haben die Schluckbeschwerden kontinuierlich zugenommen, seit es zum ersten Mal zu einer Passagestörung gekommen ist?

Treten spontan retrosternale Schmerzen auf?

Haben die Probleme mit der Auf- nahme von Getränken erst in letzter Zeit eingesetzt und

rasch zugenommen?

Gibt es Zeiten, wo nur Schwierigkeiten mit festen Speisen, aber

nicht mit Flüssigkeiten bestehen?

Treten Schmerzen nur bei Beginn der Nahrungsaufnahme auf?

Kann eine Mahlzeit fast vollständig eingenommen werden, wenn die Aufnahme sehr langsam erfolgt

a: benigne maligne

ja: benigne

nein: maligne

ja: maligne

benigne

ja: Achalasie r. Karzinom

Karzinom

.Achalasie

ja: Karzinom

-Achalasie

ja: Karzinom

t. ::Achalasie

ja: Achalasie

nein: Karzinom

Führt eine Bolusobstruktion zu Schmerzen und zu einer totalen Verlegung der Passage?

nein

a: Striktur benigne/maligne

Tritt das Gefühl, daß ein Bissen steckenbleibt,

während des Essens auf?

ja: Achalasie

nein, Pseudodysphagie

Ausgabe A DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 80. Jahrgang Heft 11 vom 18. März 1983 47

(3)

Zur Fortbildung Aktuelle Medizin Dysphagie

che nach einem lumenobstru- ierenden Tumor im Vordergrund der diagnostischen Bemühungen stehen. Die Anamnese ist in diesen Fällen meist relativ kurz, auch wenn viele Patienten dieses Sym- ptom zunächst verdrängen, und zeigt eine kontinuierliche Progres- sion der Dysphagie. Bei benignen, vorwiegend peptischen Stenosen hingegen besteht fast immer eine langjährige Anamnese mit anhal- tendem Sodbrennen, epigastri- schen Schmerzen und einer Ex- azerbation der Symptomatik durch konzentrierten Alkohol, hei- ße Getränke und Fruchtsäfte.

Bei der dritthäufigsten Erkran- kung schließlich, der Achalasie, erfolgt die Nahrungsaufnahme in die ektatische Speiseröhre meist normal, dysphagische Beschwer- den treten erst gegen Ende der Nahrungsaufnahme auf, gleich- gültig, ob feste oder flüssige Spei- sen zugeführt werden.

In den letzten Jahren ist wieder- holt über akut entzündliche Verän- derungen der Speiseröhre in Ver- bindung mit der Einnahme von Medikamenten berichtet worden (4). Diese medikamenteninduzier- ten Ulzera, wie sie nach Einnahme von Doxycyclin, Emepromiumbro- mid, Kaliumchloriddragees, Clo- methiazol und Eisensulfat beob- achtet wurden, gehen mit akuten retrosternalen Schmerzen und Schluckstörungen einher, die für etwa acht Tage anhalten.

Die Ausbildung einer Stenose ist jedoch, ebenso wie bei der Soor- ösophagitis, die bei kachektischen Individuen zu akuter Dysphagie führen kann, selten.

Die Aphagie stellt das Extremsta- dium einer Schluckstörung dar, bei der es zu einer kompletten Ver- legung der Passage gekommen ist.

Ursache ist fast immer eine Bolus- obstruktion infolge einer organi- schen Stenose (Neoplasma, pepti- sche Striktur, Schatzki-Ring) oder eines Ösophagospasrnus.

O Zentralnervöse Erkrankungen:

Bu I bärpa ralyse zerebrale Ischämie Q Myogene Erkrankungen

progressive Muskeidystrophie Myasthenia gravis thyreotoxische Myopathie

® Postoperative Dysphagie nach Eingriffen am Oropharynx

® Idiopathische Dysfunk- tion (hohe Achalasie) Zenkersches Divertikel Tabelle 1: Ursachen einer oropharyngea- len Dysphagie

Motilitätsstörungen:

Achalasie

diffuser idiopathischer Ösophagospasmus Sklerodermie

diabetische oder alkoho- lische Polyneuropathie C) Organische

Veränderungen:

Ösophaguskarzinom Kardiakarzinom peptische Striktur bei Refluxösophagitis Laugenverätzung

$oorösophag itis

medikamenteninduzierte Ulzera

Schatzki-Ring

(Steakhouse-Syndrom)

® Kompression von außen:

Dysphagia lusoria

0

Pseudodysphagie = Globusgefühl

Tabelle 2: Ursachen einer ösophagealen Dysphagie

Diese für den Patienten wegen der damit verbundenen Schmerzen und der Unfähigkeit, Speichel zu schlucken, äußerst unangenehme Situation läßt sich durch Scopol- amin-N-Butylbromid (Buscopan®) oder Glucagon (Glukagon® i. v.) rasch durchbrechen, gelegentlich muß allerdings der Bolus endo- skopisch entfernt werden (5).

Das Leitsymptom Dysphagie er- laubt im Gegensatz zu vielen an- deren gastroenterologischen Leit- symptomen keine probatorische Therapie.

Insbesondere beim älteren Men- schen ist in erster Linie an ein langsam lumenobturierendes Kar- zinom (Speiseröhre oder Kardia) als Ursache der Beschwerden zu

denken. Erste diagnostische Maß- nahme sollte eine Röntgenunter- suchung der Speiseröhre ein- schließlich eines Studiums des Schluckaktes sein, eventuell bei anamnestischer Aspiration mit Ga- strographin®. Bei persistierender Dysphagie und zur bioptischen Si- cherung der Diagnose schließt sich die Spiegelung der Speise- röhre an, während manometrische Untersuchungen speziellen Frage- stellungen in gastroenterologi- schen Zentren vorbehalten sind.

Literatur

(1) Edwards, D. A. W.: History and symptoms of oesophageal diseases, in: G. Vantrappen, J.

Hellemans: Diseases of the Oesophagus, Springer, Berlin/Heidelberg/New York (1974) 103-114 — (2) Rösch, W.: Die Erkrankungen des Ösophagus aus gastroenterologischer Sicht, Laryng. Rhinol. Otol. 6 (1982) 279-283 — (3) Siewert, J. R.; Blum, A. L.; Waldeck, F.:

Funktionsstörungen der Speiseröhre, Sprin- ger, Berlin/Heidelberg/New York .(1976) — (4) Rösch, W.: Spektrum der Osophagitis, Fortschr. Med. 99 (1981) 123-127 — (5) Rösch, W.: Notfälle im Bereitschaftsdienst: Bolusob- struktion der Speiseröhre, Dt. Ärztebl. 74 (1977) 2376

Anschrift des Verfassers:

Professor Dr. med.

Wolfgang Rösch Medizinische Klinik

am Krankenhaus Nordwest der Stiftung

Hospital zum Heiligen Geist Steinbacher Hohl 2-26 6000 Frankfurt 90 48 Heft 11 vom 18. März 1983 80. Jahrgang DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Ausgabe A

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