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Archiv "Anschlussheilbehandlung: „Blutige Entlassung“ verlagert Kosten in die Reha" (06.04.2007)

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Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 14⏐⏐6. April 2007 A923

P O L I T I K

D

ie Einführung von Fallpau- schalen in Akutkliniken hat in den USA und in Australien den Be- darf an Nachsorge erheblich gestei- gert. Vor allem wurde mit den Diag- nosis Related Groups (DRGs) das eigentliche Ziel – die Senkung der Kosten für den gesamten Behand- lungsprozess – verfehlt, denn zumin- dest zu einem Teil wurden die Aus- gaben lediglich vom Akut- in den Rehabilitationsbereich verlagert.

Diese ernüchternde Erkenntnis hatten auch Vertreter der Deutschen Rentenversicherung (DRV) vor Au- gen, als sie mit der Einführung der DRGs in Deutschland 2004 beim Institut für Krankenhausmanage- ment (IKM) in Münster eine Studie über die Auswirkungen der DRG- Einführung auf die Rehabilitation in Auftrag gegeben haben. Die Forscher sollten herausfinden, ob

das Fallpauschalensystem auch in Deutschland negative Effekte auf die nachgelagerte Rehabilitation ha- ben würde.

Für die REDIA-Studie (Reha- bilitation und Diagnosis Related Groups) wurden neben den Ärzten der beteiligten zwölf orthopädi- schen und acht kardiologischen Re- ha-Kliniken 714 Patienten in einem durchschnittlichen Alter von 57,6 Jahren befragt. Dabei handelte es sich einerseits um Patienten nach Implantation einer Totalendopro- these der Hüfte oder des Knies und nach Bandscheibenoperationen, an- derererseits um Patienten nach By- pass-Operation oder nach Myo- kardinfarkt mit und ohne Ballondi- latation oder Stent-Implantation.

Zur Ermittlung der kurzfristigen Auswirkungen der DRG-Einfüh- rung wurden die Daten mit denen

der ersten Studienphase in den Jah- ren 2003/2004 verglichen.

Der Trend zu immer kürzeren Liegezeiten hat sich der Analyse zu- folge für diese beiden Patienten- gruppen eindeutig bestätigt: Allein in den letzten zwei Jahren verringer- te sich aufgrund der DRG-Ein- führung die gesamte Aufenthalts- dauer von Patienten mit orthopädi- schen oder kardiologischen Krank- heiten in Akut- und Reha-Kliniken um elf Prozent. Die Akutverweil- dauer sank demnach in den Jahren 2005/2006 gegenüber dem Ver- gleichszeitraum 2003/2004 bei or- thopädischen Patienten von 15,74 Tagen auf 14,22 Tage und bei den kardiologischen Patienten von 14,57 Tagen auf 11,59 Tage. Der stationä- re Gesamtbehandlungsprozess ver- kürzte sich in der Orthopädie von 47 Tagen auf 42 Tage und in der Kar- diologie von knapp 47 Tagen auf rund 39,5 Tage. Auffällig ist, dass vor allem Kassenpatienten von der rückläufigen Verweildauer in Reha- Einrichtungen betroffen waren.

„Was im stationären Sektor durch weniger Krankenhaustage einge- spart wird, muss zum Teil in der Re- ha wieder aufgefangen werden“, fasst der Chefarzt der orthopädi- schen Reha-Klinik Münsterland in Bad Rothenfelde, Prof. Dr. med.

Bernhard Greitemann, zusammen.

Die meisten der für die Untersu- ANSCHLUSSHEILBEHANDLUNG

„Blutige Entlassung“ verlagert Kosten in die Reha

Ob Herzinfarkt oder Hüft-OP: Patienten werden immer früher von der Klinik in die Reha verlegt. Viele brauchen deshalb auch dort noch eine intensive medizinische und pflegerische Betreuung.

Foto:laif

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A926 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 14⏐⏐6. April 2007

P O L I T I K

chung befragten Reha-Mediziner fühlten sich durch die immer kürze- ren Liegezeiten und schnelleren Verlegungen infolge der DRG-Ein- führung bei der Anschlussheilbe- handlung spürbar betroffen.

„Wenn die Patienten zu uns kom- men, sind sie teilweise noch so ge- schwächt, dass sie nicht sofort voll beansprucht werden können“, sagt Greitemann. Viele Patienten könn- ten erst in der zweiten Hälfte des Aufenthaltes mit den Reha-Maß- nahmen beginnen. „Dann bekom- men sie die Maßnahmen geballt.

Die Reha ist so zu einem medizini- schen Durchlauferhitzer gewor- den“, kritisiert der Orthopäde.

Auch der Chefarzt der kardiolo- gischen Reha-Klinik Königsfeld im Ennepetal, einer Einrichtung der DRV, Prof. Dr. med. Marthin Ka- roff, berichtet von immer mehr Herzinfarktpatienten, die bereits nach vier bis fünf Tagen in sein Haus überwiesen werden. „Bei vie- len Patienten ist das schon möglich, und es kommt ihnen durchaus ent- gegen. Es gibt aber auch ge- schwächte Patienten, die sich erst langsam erholen“, betont Karoff, der die REDIA-Studie gemeinsam mit Greitemann geleitet hat. „Bei der Auswahl des Rehabilitationsset- tings sollten die Kassenvertreter die Patienten mehr fragen, was sie sich vorstellen, anstatt sie aus Kosten- gründen in ein System zu zwängen.

Das schadet nur der Genesung und bringt keine Vorteile.“

Denn als Folge der zunehmend

„blutigen Entlassungen“ sind Ärzte in der stationären Anschlussheilbe- handlung verstärkt mit medizini- schen Komplikationen konfrontiert.

Bei orthopädischen Patienten be- richteten Ärzte vor allem über mehr Wundheilungsstörungen und Hä- matome. Allerdings gab es auch ge- genläufige Tendenzen: So traten bei den orthopädischen Patienten weni- ger Nervenverletzungen auf, was mit einer veränderten Operations- praxis zu erklären ist. Insgesamt handelte es sich bei den orthopädi- schen Patienten um leichte Kompli- kationen, die bei jedem zehnten Pa- tienten auftraten.

Bei den kardiologischen Patien- ten war dagegen jeder Dritte von

medizinischen Komplikationen be- troffen. Sogar bei jedem zweiten By- pass-Patienten kam es zu Perikard- und Pleuraergüssen, die meistens medikamentös behandelt, manch- mal auch punktiert werden mussten.

Der Allgemeinzustand der Patienten nach Bypass-OP bei Reha-Beginn und Entlassung hat sich der Studie zufolge deutlich verschlechtert. Bei Patienten nach Myokardinfarkt war eine Herzinsuffizienz die häufigste Folgekomplikation.

Zudem trat eine weitere Folge- komplikation auf, die den Reha-Be- reich vor neue Aufgaben stellen könnte. Praktiker sowohl der Kar- diologie als auch der Orthopädie be-

richteten von einem verstärkten Auftreten des Methicillin-resistenten Staphylococcus aureus (MRSA).

Für die behandelnden Einrichtun- gen bedeuten solche Fälle durch notwendige Hygiene- und Isolie- rungsmaßnahmen enorme Folge- kosten, heißt es in der Studie.

Infolge der Entwicklungen ent- stehen den Reha-Kliniken zuneh- mend höhere Kosten. Laut der Stu- die wurde die Tendenz festgestellt, dass der Aufwand für Pflege sowie für medikamentöse Behandlungen größer geworden ist, sodass die Re- ha-Kliniken vor allem in Personal investieren müssen.

Die Kosten betreffen vor allem das Wundmanagement: Von 566 Pa- tienten nach OP, die von Januar bis August 2006 in der kardiologischen Reha-Klinik in Königsfeld behan- delt wurden, hatten lediglich 88 Pati- enten keinen Wundnachsorge-Be- darf. „Die anderen mussten diesbe- züglich nachbehandelt werden.

Dafür ist geschultes Personal zwin- gend erforderlich“, sagt Karoff. Bei den orthopädischen Patienten waren laut der Studie häufiger Fäden zu ziehen oder Klammern zu entfernen.

Die Klinik in Königsfeld hat in- zwischen eine Krankenstation mit mehr Pflegekräften, als sonst in der Reha-Klinik üblich, besetzt, um die

Versorgung der älteren und schwä- cheren Patienten zu verbessern. Zur medizinischen Nachsorge erscheint einmal pro Woche ein Herzchirurg aus dem benachbarten Herzzen- trum, um nach den frisch Operierten zu sehen.

„Auch die Laboruntersuchungen nehmen zu. Das alles kostet Geld, das die Reha-Einrichtungen aber nicht erstattet bekommen“, kritisiert Greitemann. Zusätzlich treiben be- stimmte Medikamente die Kosten in die Höhe: Die Wirkstoffe Heparin und Clopidogrel seien die Kosten- treiber schlechthin, sagt Karoff.

Weil viele Patienten an einem früheren Punkt ihres Genesungspro-

zesses schon in die Reha verlegt werden, brauchen sie zudem noch häufiger Einzeltherapien, vor allem Krankengymnastik und Bewe- gungstherapie. Die Klinik in Kö- nigsfeld musste Karoff zufolge des- halb drei zusätzliche Therapeuten einstellen.

Um die negativen Effekte durch die frühere Verlegung von Patienten zu vermeiden, soll laut IKM die sta- tionäre Versorgung zwischen den einzelnen Sektoren besser aufeinan- der abgestimmt werden. Akut- und Reha-Bereich könnten zum Beispiel vermehrt unter einem Dach zusam- mengefügt werden. Die Patienten sollen auf sektorenübergreifenden Behandlungspfaden durch den sta- tionären Bereich geleitet werden.

Das soll die Behandlungsqualität verbessern helfen und zugleich Kosten senken.

Aus Sicht von Reha-Ärzten wäre es auch theoretisch durchaus mach- bar, den gesamten Genesungspro- zess zu beschleunigen. „Dann muss es aber für die Patienten nach ihrer Entlassung Möglichkeiten für eine ambulante Reha geben“, fordert Greitemann. Viele Patienten könn- ten früher die Reha-Klinik verlas- sen, wenn die medizinische Versor- gung zu Hause sichergestellt sei. I Inga Niermann

Der Aufwand für Pflege und Wundversorgung sowie

die Arzneimittelausgaben in den Reha-Kliniken steigen.

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