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Archiv "Ärztinnen und Ärzte in Netzen: Vom Suchen und Finden des Erfolgs" (04.08.2008)

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A1650 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 105⏐⏐Heft 31–32⏐⏐4. August 2008

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ockenheim ist überall. Zumin- dest, wenn es darum geht, wie Ärztenetze entstehen. „In der Region haben eigentlich immer alle gut zu- sammengearbeitet, aber unstruktu- riert“, sagt Dr. med. Michael Eck- stein, der sich vor zehn Jahren als hausärztlicher Internist in Reilingen niedergelassen hat. Das Dorf liegt nahe der 20 000-Seelen-Kreisstadt Hockenheim im Nordwesten Baden- Württembergs.

Nach und nach schufen sich die Vertragsärzte dort mehr Gemeinsa- mes. Einige trafen sich regelmäßig zur Fortbildung, andere in Berufs- verbänden oder Organisationen wie Medi. Man sprach über die gesund- heitspolitische Lage. „2004 beschäf- tigte uns die mögliche Konkurrenz von Medizinischen Versorgungszen- tren und Krankenhäusern“, erinnert sich Eckstein, der Mitglied im Vor- stand von Medi Baden-Württemberg ist. Auch Integrationsverträge waren ein heißes Eisen.

Irgendwann wurde beschlossen, ein Ärztenetz zu gründen. Ob beim

Viertele oder beim Bier, im Februar oder Juli 2005, daran erinnert sich Eckstein nicht mehr genau. Wohl aber daran, dass zur ersten Sitzung etwa 25 Kollegen aus Hockenheim, Reilingen, Altlussheim und Neuluss- heim kamen. Er wurde als eine der treibenden Kräfte zum Vorsitzenden gewählt. Kein Wunder: Der 51-Jähri- ge wirkt tatkräftig, schnell und dis- kussionsfreudig. Außerdem ist er gelernter Bankkaufmann.

Als Netzarzt: Großkunde

Mittlerweile beteiligen sich rund 40 seiner Kollegen am Netz, Haus- wie Fachärzte. Es gibt eine Satzung, in der sie sich Verbindlichkeit, Ver- trauen und Gemeinsamkeit zusi- chern. Verträge mit Krankenkassen haben sie noch nicht geschlossen.

Doch finanzielle Vorteile hat die Mit- gliedschaft trotzdem. So können al- le Netzärzte zu Großkundenkondi- tionen ihren Praxisbedarf einkaufen.

Außerdem profitieren sie von einem Medi-Vertrag über ambulant er- brachte präoperative Leistungen.

Ähnlich wie in Hockenheim lief auch das Praxisnetz Nürnberg-Nord (PNN) an. Dort sind derzeit fast 180 Ärztinnen und Ärzte Mitglied. Sie konnten am 13. Juni 2007 allerdings schon ihr zehnjähriges Netzjubiläum im Rathaus feiern. Bei der Gelegen- heit erinnerte der bayerische AOK- Vorstand, Walter Schwarz, daran, wie exotisch das PNN in der Versor- gungslandschaft zu Anfang wirkte:

„Als im Februar 1999 zwischen der AOK Bayern und der Kassenärzt- lichen Vereinigung Bayerns ein Vor- vertrag zum Praxisnetz Nürnberg- Nord geschlossen wurde, dachte bundesweit noch kaum jemand über Arztnetze, Praxisverbünde oder in- tegrierte Versorgung nach.“

Mittlerweile ist das Netz für seine Konzepte mit Preisen ausgezeichnet worden. Die Nürnberger haben früh auf den Hausarzt als Lotsen für Pa- tienten gesetzt, Behandlungspfade entwickelt und die Versorgung im Netz systematisch untersucht. Die Netz- ärzte kümmern sich intensiv um Qualitätssicherung, Fortbildung, neue Foto:Fotolia

ÄRZTINNEN UND ÄRZTE IN NETZEN

Vom Suchen und Finden des Erfolgs

Die Krankenkassen probieren im Vertragsgeschäft neue Partner aus. Ärztenetze sind für sie attraktiv. Ihre Mitglieder kennen die Versorgung vor Ort und deren Verbesserungspotenzial.

Doch erst wenige Netze ziehen daraus Gewinn.

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Versorgungsangebote. „Ich bin sehr zufrieden“, sagt der Vorstandsvorsit- zende, Dr. med. Veit Wambach (50), selbst Hausarzt, im fränkischen Ton- fall. Warum er damals ins Netz ging?

„Weil ich bei meiner Niederlassung eines beschlossen hatte: In den Chor der ewig Klagenden trete ich nicht ein“, bemerkt Wambach.

Mögen andere im Netz auch mei- nen, dass man in elf Jahren noch mehr hätte erreichen können: Wam- bach besteht darauf, dass es bisher gut gelaufen ist. Die eigens gegrün- dete Genossenschaft „Qualität und Effizienz“ hat neben der AOK Ver- träge mit Betriebskrankenkassen und der Bayerischen Beamtenkranken- kasse abgeschlossen. Vor Kurzem haben sie mit der Diakonie in Nürn- berg eine GmbH gegründet, um ihrem Projekt Homecare einen or- dentlichen Rahmen zu geben. Bei Homecare geht es darum, hilfsbe- dürftige oder ältere Menschen durch eine Vielzahl von Angeboten zu un- terstützen. Dann können sie auch in den eigenen Wänden leben, selbst wenn das im Einzelfall einen großen Aufwand bedeutet.

10 000 Euro Honorar zusätzlich

Das Netz wird mithilfe von einge- kauften Dienstleistungen der Kas- senärztlichen Vereinigung (KV) Bayerns sowie Angestellten geführt.

„Ohne eigenes Netzmanagement geht es nicht“, stellt Wambach klar.

Geld dafür ist jetzt da, und es bleibt auch noch etwas übrig: „Im Durch- schnitt bekam jede teilnehmende Praxis der Genossenschaft rund 1 000 Euro jährlich zusätzlich an Honorar.“

Das kleine Ärztenetz Hockenheim und das große Praxisnetz Nürnberg- Nord sind zwei Beispiele für die schätzungsweise 400 Netze, die es mittlerweile in Deutschland gibt. Im Kern geht es allen um Kooperation.

Manche sind sehr an gemeinsamen Versorgungskonzepten interessiert, andere an internen Abstimmungen – oder an beidem.

Den Anfang machen immer ein paar besonders aktive Ärzte, die mehr sein wollen als Einzelkämpfer oder Teil einer Gemeinschaftspraxis.

Dann geht es in getrennte Richtun- gen. Ärztenetz Hockenheim, „Me-

dizin und Mehr“ in Bünde, Urologi- sche Netzwerk-Organisation: So un- terschiedlich, wie sie sich nennen, entwickeln sich die Netze auch.

Längst bestehen ein paar große Ver- bünde aus Haus- und Fachärzten, deren Vorstand gemeinsam mit dem Netzgeschäftsführer zu Verhandlun- gen mit den Kassenprofis geht. Da- neben gibt es Zusammenschlüsse von Fachärzten, die nur an Fortbil- dung und einem abgestimmten An- gebot an individuellen Gesundheits- leistungen interessiert sind.

Noch vor zehn Jahren wurden Netze oft belächelt. Nun weht ein an- derer Wind. In einer Studie für das Beratungsunternehmen Accenture kamen zwei Ökonomen unlängst zu dem Schluss: Gut gemanagte Pa- tienten werden in Zukunft eine be- sonders attraktive Zielgruppe für Krankenkassen sein. Folglich inter- essieren sich AOK, TK und Co. für den Aufbau zielgruppenspezifischer Angebote. Selektivverträge werden ihnen dabei immer wichtiger. Ihre bevorzugten Partner wären an erster Stelle Arzneimittelhersteller, fanden die Ökonomen heraus, und gleich an zweiter Ärztenetze.

„Netze werden ernster genommen als früher“, bestätigt Gabriele Prahl.

Sie berät seit mehr als zehn Jahren mit ihrer Gesellschaft für Gesund- heitsökonomie und -management diejenigen, die Kooperationen auf die Beine stellen wollen. Prahl ist

überzeugt: „Die Hochphase der Netze wird mit dem nächsten Jahr beginnen. Die Krankenkassen haben begriffen, dass sie unter den Bedin- gungen des Morbi-RSA ein regionales Versorgungsmanagement brauchen.“

Keine Profis, kein Geld – oder umgekehrt

Weniger Zutrauen in heutige Netze hat hingegen Stephan Pitum-Weber.

Der Volkswirt promoviert über das Management von Gesundheitsnet- zen und hat dafür Ärzte nach ihren Erfahrungen und Einstellungen be- fragt (siehe „Drei Fragen an“). „Die Professionalität fehlt“, stellt er nüch- tern fest. Mit Ausnahme weniger Zu- sammenschlüsse sind Netze nicht gut organisiert. Deshalb haben die beteiligten Ärztinnen und Ärzte zu wenig vom Netz – und schon gar keinen finanziellen Gewinn.

Ein bisschen beiße sich die Katze auch in den Schwanz, räumt Pitum- Weber ein: Viele Netze hätten kein Geld, um sich eine professionelle Verwaltung leisten zu können, sei es durch einen Externen oder einen en- gagierten Kollegen aus dem Netz.

Weil die konsequente Betreuung fehle, schafften es solche Netze dann aber auch nicht, Projekte zu ent- wickeln, mit denen sie Geld verdie- nen könnte: fürs eigene Konto und für die Netzverwaltung.

Es gibt aber Ärztekooperationen, die haben es geschafft. Ein Beispiel

Foto:Fotolia [M]

Nah am Netz:Wer mit Kollegen kooperiert, braucht beides: persönlichen Austausch und eine vernünftige EDV.

„Jetzt ist es so wie früher in der Klinik, als man im Team arbeitete und auch immer kompetente Gesprächspartner hatte.“

Dr. med. Alwin Weber, Urologische Netzwerk-Organi- sation

„Es hat keinen Sinn zu debattieren, bis man den Letzten überzeugt hat. Sind genügend Kollegen da, um ein Projekt zu starten, sollte man anfangen.“

Dr. med. Michael Eckstein, Ärztenetz Hockenheim

Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 105⏐⏐Heft 31–32⏐⏐4. August 2008 A1651

Foto:privatFoto:privat

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A1652 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 105⏐⏐Heft 31–32⏐⏐4. August 2008 ist das westfälische Netz mit dem

vieldeutigen Namen „MuM“ gleich

„Medizin und Mehr“ in Bünde. Ge- gründet wurde MuM vor fast elf Jah- ren. 2002 zog die Netzzentrale in die eigenständig renovierte ehemalige Polizeistation in Bünde, 2005 stieß die Diplom-Kauffrau Claudia Schre- we dazu und übernahm die Ge- schäftsführung.

Zum Glück, findet der Netzvorsit- zende, Dr. med. Hans-Jürgen Beck- mann (50), ein niedergelassener Chi- rurg. „Nachdem unsere Geschäfts- führerin da war, entwickelten sich ganz andere Strukturen. Von einer ro- ten Null sind wir mit unseren Eigen- betrieben in schwarze Zahlen gegan- gen.“ Sein Vorstandskollege Peter Rosellen (46) pflichtet ihm bei:

„Hobbygeschäftsführung, das geht bei unserer Größe gar nicht mehr.

Wir machen jedes Jahr einen Umsatz im siebenstelligen Bereich. Das kann kein Arzt mehr nach Feierabend ver- antworten.“

Das Netz, über Jahre aufgebaut, ist das krasse Gegenteil eines kleinen Betriebs. Die Bünder haben Verträge mit den Betriebs- und Innungskran- kenkassen in ihrer Region abge- schlossen, in der circa 75 000 Men- schen leben. Im Rahmen des Ange- bots „Opti-MuM“ entwickelten die Netzärztinnen und -ärzte integrierte und sektorenübergreifende Behand- lungsangebote für unterschiedliche Patientengruppen. Wer in die ehema- lige Polizeistation kommt, findet dort nicht nur das Netzwerkbüro und die Geschäftsführung. Hier sind auch einige der Eigenbetriebe unterge- bracht: die zentrale Notfallpraxis, ei- ne Abteilung für Krankengymnastik und die Praxis für individuelle Ge- sundheitsleistungen.

Noch etwas ist ganz besonders an diesem Netz: die Honorierung.

Schon kurze Zeit nach der Netz- gründung erhielten die Ärzte in der Region im Rahmen eines Modell- projekts Behandlungspauschalen.

„Seitdem können wir uns ganz auf die Medizin konzentrieren und unnötige Behandlungen oder Dop- peluntersuchungen unterlassen“, sagt Beckmann. Kollege Rosellen weist

darauf hin, dass es bisher kein Ex- trahonorar aus den Netzbetrieben gebe. Mit den Einnahmen aus den Eigenbetrieben würden aber immer- hin die Netzgeschäftsführung und die Immobilie bezahlt.

Was kann eine Geschäfsführerin wie Claudia Schrewe noch fürs Netz tun, was Ärzte nicht können? „Unse- re Geschäftsführerin ist gut erreich- bar, das ist schon mal entscheidend“, sagt Beckmann. „Bei uns Ärzten hieß es oft: ,Der ist gerade in der Be- handlung.‘ Es wirkt aber letztlich un- professionell auf Ansprechpartner, wenn man nicht ans Telefon kann, weil man operiert.“ Außerdem säßen bei Verhandlungen häufig Kaufleute auf der Kassenseite: „Die reden eben auch lieber mit Kollegen.“

Netzarbeit ist Freizeitarbeit

War es schwer, die Netzärzte von ei- ner externen Geschäftsführung zu überzeugen? Schon, sagt Beckmann.

„Aber im Lauf der Zeit hat das Gros festgestellt, dass es der richtige Schritt gewesen ist.“ Es wirkt, als ob er und Rosellen ruhig, aber bestimmt ihren Anteil dazu beigetragen haben.

Ein Netzarzt, der nicht genannt werden will, sagt selbstkritisch: „Wir Ärzte sind Einzelkämpfer und der Meinung, vom Reifenwechsel bis zur Steuererklärung alles selbst ma- chen zu müssen. Manche von uns können sich nicht vorstellen, dass auch andere Berufe Dinge mit Tief- gang gelernt haben.“

Es geht aber auch ohne andere Be- rufe, zumindest in kleineren Netzen.

Das meint zumindest Beraterin Gabriele Prahl: „Professionelles Ma- nagement bedeutet nicht, dass es die Ärzte nicht selbst können. Netzarbeit ist allerdings meist Freizeitarbeit.“

Eine Gruppe im Norden, die sie be- treut, trifft sich grundsätzlich einmal im Quartal am Mittwochvormittag, um wichtige Themen zu besprechen, und nicht abends, wenn alle er- schöpft sind.

Wenn sich ein Netz erfolgreich selbst managen wolle, brauchte es ei- nen aktiven Vorstand, den im Ideal- fall verschiedene Kollegen in Arbeits- gruppen unterstützten, sagt Prahl: „Es läuft immer gut, wenn es einen Ma- cher oder eine Macherin gibt. Und ei- nen aktiven Kern, der die anderen Herr Pitum-Weber, Sie haben

Ärzte nach ihrem Urteil zu Netzen und zu ihren Erfah- rungen befragt. Was sind die wichtigsten Ergebnisse?

Pitum-Weber:Netze werden noch zu selten zentral organi- siert und gesteuert. Die Ärzte vertrauen sich untereinander häufig nicht, und es gibt viele Unstimmigkeiten. Außerdem investieren die Beteiligten noch viel zu wenig Zeit in ihr Netz.

Woran liegt das Ihrer Meinung nach?

Pitum-Weber:Vielerorts herrscht Rivalität. Zudem fehlt es den meisten Ärzten an Ko- operations- und Managemen- terfahrung. Die war bisher ja

auch nicht gefragt. Doch nun mangelt es an Wissen, wie man sich am besten miteinander ab- stimmt. Dazu kommt: Jeder einzelne Arzt verfügt über Auto- nomie und Autorität. Ein Praxis- netz ist deshalb schwer be- herrschbar. Man muss nach ge- meinsamen Zielen suchen, nach einer gemeinsamen Kultur oder Identität im Netz, sonst lässt es sich nicht steuern. Oft werden zu Beginn auch gravie- rende Fehler gemacht: Es feh- len klare Ziele, der Sinn und die Systematik des Netzes werden nicht mit allen abgestimmt. Die Ärzte nennen als spätere Schwierigkeiten auch falsche Steuerungsinstrumente oder zu wenig Zeit für das Netz und die Kommunikation.

Was versprechen sich Ärzte vor allem von Netzen?

Pitum-Weber:Viele haben nicht ihre eigenen Vorteile als ärztli- cher Unternehmer im Blick, son- dern in erster Linie eine bessere Patientenversorgung. Sicher ist das wichtig. Aber nehmen Sie mal einen Handwerker, beispiels- weise einen Schreiner. Der muss nicht nur einen guten Tisch bau- en, sondern ihn auch verkaufen können. Allein mit seiner hand- werklichen Fähigkeit wird er nicht bestehen können. Den Ärzten müsste man im Grunde häufiger sagen: „Sie müssen Ihr Handwerk gut beherrschen, um unternehmerisch handeln zu können. Das Letzte erfordert ein Umdenken – aber es macht ja vielleicht auch Spaß.“

3 FRAGEN AN…

Stephan Pitum-Weber, der über das Management von Gesundheitsnetzwerken promoviert

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„Ich frage Ärzte, die ich berate, was sie wollen. Wenn das regelmäßige ge- meinsame Fortbil- dungen und eine einheitliche IGeL- Liste sind, dann ist das in Ordnung.

Netze sollten sich nicht von außen vorschreiben las- sen, was sie tun müssen.“

Gabriele Prahl, Beraterin

Foto:privat

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Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 105⏐⏐Heft 31–32⏐⏐4. August 2008 A1653

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mitzieht.“ Doch mit dem aktiven Kern und den unterstützungswilligen Kollegen sei es häufig nicht weit her, klagen Netzaktive. „Ich leide zuwei- len darunter, dass so Vieles an mir hängt“, stöhnt ein Vorstand. Ein an- derer sagt: „Es ist unendlich müh- sam. Dass man Verträge schließt und Geld hereinholt, gilt als selbstver- ständlich. Andererseits: Medizin- landschaft mitzugestalten, macht schon Spaß.“

Sanktionen für die Trägen

Auf Trägheit hätten auch die Nürn- berger reagiert, berichtet PNN-Vor- stand Wambach. 2005 gründeten sie eine Genossenschaft namens Qua- lität und Effizienz und kreierten ei- nen eigenen neuen Vertrag. Wer mit- macht, muss bestimmte Anforde- rungen erfüllen, sonst gibt es weni- ger oder gar kein Geld. Das fängt bei der guten Einstellung von Dia- betespatienten an und hört beim En- gagement für Patientenbefragungen nicht auf.

Verbindliche Absprachen und Sanktionen sind in manchen Netzen so etwas wie die heiße Kartoffel, die man nur ungern anfasst. Der Hockenheimer Netzvorsitzende Eck- stein hat das Thema aber sicherheits- halber gleich zu Anfang angespro- chen: „Ich habe Wert darauf gelegt, dass wir kein Stammtisch sind und gewisse Verbindlichkeiten schaffen.

Sonst kommt es zu Wischiwaschi-

Abstimmungen, oder keiner hält sich an Beschlüsse.“

Einmal diskutierten seine Kolle- gen lange, ob sie sich an Chroniker- programmen beteiligen sollten oder nicht. Die Entscheidung fiel dagegen aus, daraufhin verließen zwei die Gruppe. Doch eine klare Positionie- rung kann ein kleines Netz groß ma- chen: Die Hockenheimer haben sich nach eigener Einschätzung geschlos- sen und deshalb erfolgreich gegen ein Medizinisches Versorgungszen- trum an einem Krankenhaus in der Nähe gewehrt. Sie drohten allesamt, ihre Patienten in andere Kliniken ein- zuweisen.

Schwer ist es in manchen Netzen wohl auch auszuhalten, wie unter- schiedlich die Mitglieder mit ihrer Doppelrolle als Arzt und Unterneh- mer umgehen. Auch das haben die Hockenheimer erlebt. Vor einiger Zeit überlegten sie, ob sie ein Zen- trum für qualifizierte Knochendich- temessungen gründen sollten. Mitt- lerweile läuft es. Jeder, der mitmacht, muss dafür 150 Euro monatlich auf- wenden. Von der vierten überwiese- nen Patientin an rechnet sich das Ganze aber schon. „Eine Investition, die fast lächerlich ist“, meint Eck- stein. Trotzdem gab es Bedenken, nicht alle machen mit.

Eckstein hält nichts von zu viel ökonomisch-kühlem Kalkül im Ge- sundheitswesen. Er hat nicht ohne Grund den Banken den Rücken ge- kehrt. Trotzdem hält er solche Zöger- lichkeit für bedenklich: „Wenn ein Kollege Angst hat, 150 Euro im Mo- nat zu investieren, dann fragt man sich schon manchmal, warum man

für den Erhalt der Freiberuflichkeit kämpft.“

Wegen 150 Euro im Monat würde Dr. med. Alwin Weber sicher nicht lange zögern. Der 44-jährige Urolo- ge aus Michelstadt hat mit seinem Praxispartner und weiteren Kollegen in der Region Südhessen vor ein paar Jahren die Urologische Netzwerk- Organisation (UNO) gegründet. Der- zeit besteht sie aus acht Praxen. Sie präsentieren sich nicht als Netz, son- dern kooperieren hinter den Kulissen und haben sich beispielsweise auf Behandlungspfade verständigt. Von sich selbst sagt Weber: „Die Doppel- rolle Unternehmer/Arzt habe ich gut verinnerlicht.“

Vom Kongress zum Netzwerk

Die Idee zur Partnerschaft kam ihm und Kollegen 2005 auf dem amerika- nischen Urologenkongress. „Wir ha- ben uns zwar alle niedergelassen, aber jeder hatte aus der Klinikzeit noch seine Steckenpferde. Unsere Kompetenzen wollten wir bündeln.“

Dazu kamen finanzielle Überlegun- gen: „Wenn Sie als Urologe nicht operieren oder privatärztliche Ange- bote unterbreiten, können Sie in der Praxis keine spezialisierten Leistun- gen mehr anbieten. Kinderwunsch- beratung, Sterilisation, Spezial-OP und vieles mehr, dafür zahlt keine Kasse mehr.“ All diese privatärztli- chen Leistungen gibt es nun bei den Netzärzten.

Weber hat sich gründlich mit den neuen Chancen im Gesundheitswe- sen befasst. Er eignete sich betriebs- wirtschaftliche und juristische Kennt- nisse an. Manchen mag seine Ge- schäftstüchtigkeit und die seiner Netzkollegen missfallen. Er hat da- mit kein Problem: „Man lernt, was man seinen Patienten zumuten kann und was nicht. Aber eines weiß ich sicher: Zu den Verlierern des Wett- bewerbs will ich nicht gehören.“

Der Urologe investiert viel Zeit ins Netzmanagement: „Zwei bis vier Stunden pro Tag müssen sein.“ Erste regionale Verträge hat das Netz mit Kliniken geschlossen. Weitere sind an sektorübergreifenden Abkommen interessiert. Das freut ihn schon, sagt er: „So etwas werden Sie in einer Einzelpraxis nie erleben.“ I Sabine Rieser

NAV: PLATTFORM FÜR ALLE

„Ich sehe gute Zu- kunftschancen.

Dass nicht alle Kol- legen mitmachen, ist in Ordnung: Die Patienten müssen Wahlmöglichkeiten haben und sollen nicht nur Monopole vorfinden.“

Dr. med. Veit Wam- bach, Praxisnetz Nürnberg-Nord

„Die ersten Ver- tragsverhandlungen waren für mich schwierig. Dafür ist man ja nicht ausge- bildet, und man trägt Verantwortung für alle Kollegen.

Andererseits: Die Krankenkassen haben auch wenig Erfahrung damit, direkt mit Ärzten in Netzen zu verhan- deln.“

Peter Rosellen, Netz

„Medizin und Mehr“, Bünde

Foto:privatFoto:privat

Ein Netz der Netze – dafür engagiert sich der NAV-Virchow-Bund (NAV). Mitte April dieses Jahres hat er eine Kommunikations- und Informationsplattform eingerichtet (www.deutsche-aerztenetze.de). Sie enthält unter anderem Namen und Adressen der meisten Netzwerker und soll Forum für alle interessierten Ärzte und Netzbetrei- ber werden.

Der NAV befürwortet seit Langem ärztliche Kooperationen. Nun will er gezielt Ärztenetze fördern. Kürzlich hat sich der Verband zudem mit Medi Deutschland und dem Bundesverband der Ärztegenossenschaften Deutschlands zum „Bundesver- band Medi-Genossenschaften“ zusammengeschlossen.

Der NAV-Bundesvorsitzende, Dr. med. Klaus Bittmann, hat durch sein Engage- ment für ärztliche Genossenschaften viel Kooperationserfahrung. „Netze sollten sich untereinander vernetzen“, fordert er. Sein Verband wolle in diesem Bereich mehr Dienstleistungen anbieten. Denn „im Wettbewerb müssen wir uns selbst helfen“.Rie

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