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Archiv "Qualitätssicherung: Nach wie vor „nebulöse“ Qualität" (21.09.2007)

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Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 38⏐⏐21. September 2007 A2553

P O L I T I K

D

ie Vorschriften zur Qualitäts- sicherung nehmen immer mehr zu. Aktuell weiten sie sich in Richtung sektorübergreifender Maß- nahmen aus. Im Fokus stehen dabei der Patient und die Qualitätsverbes- serung entlang des Behandlungspro- zesses. Ein messbarer Erfolg der bis- lang im Gesundheitswesen geschaf- fenen Qualitätssicherungs-Struktu- ren ist bisher nur schwer darstellbar.

Auch die für 2006 gesetzlich gefor- derten Qualitätsberichte werden die darin gesetzten Erwartungen nicht erfüllen.

Es stellt sich die Frage, inwieweit die gegenwärtigen Verfahren über- haupt in der Lage sind, die Qualität und ihre Verbesserung transparent zu reflektieren. Bewertungsverfah- ren beziehungsweise Zertifizierun- gen wie auch die externe Qualitätssi- cherung (zum Beispiel BQS[Bundes-

geschäftsstelle Qualitätssicherung]- Verfahren) und auch internationale Projekte (zum Beispiel International Quality Indicator Project – IQUIP) konzentrieren sich auf unterschiedli- che Indikatoren der Struktur-, Pro- zess- und Ergebnisqualität und dies in unterschiedlichem Umfang und ausgesprochen heterogener Vertei- lung. Patienten erwarten in erster Linie eine spürbare Qualität des Um- sorgtseins kombiniert mit den er- forderlichen Informationen zum je- weiligen Krankheitsbild. Wartezei- ten und Fachkompetenz werden eher erfragt und bewertet als beispiels- weise Komplikations- oder gar Mor- talitätsraten. Die Qualitätsberichte der Krankenhäuser sind nur für we- nige Patienten von Interesse, weil sie als Informationsmaterial auch in der jetzt erneut zur Verfügung ste- henden Form nicht praktikabel sind.

Für die Interpretation statistischer Ergebnisse gilt, dass unabhängig von der lückenhaften Plausibilität davon auszugehen ist, dass die vermittelten Werte letztendlich empirische Werte sind. Daran ändern auch keine mathe- matischen Signifikanzberechnungen etwas. Erfahrung in Daten gefasst

kann trügerisch sein, und schon Karl Popper forderte, dass ein empirisch- wissenschaftliches System an der Erfahrung scheitern können muss.

Folglich stellt sich die Frage, inwie- weit die bisherigen Modelle stim- men. Am Beispiel des Brustkrebses und der parallelen Dokumentations- systeme zeigte eine im Jahr 2004 durchgeführte Analyse, dass 285 ver- schiedene Merkmale erfasst werden.

Dies kommt einem „Datenwahn“

gleich, und Aufwand und Nutzen ste- hen in einem deutlichen Ungleichge- wicht. Davon sind nicht nur die großen stationären Einrichtungen be- troffen, sondern vor allem kleinere Krankenhäuser der Regelversorgung, die die gestellten Aufgaben zuneh- mend als reine Pflichterfüllung ein- schätzen und nur noch „abarbeiten“.

Mithilfe der Diagnosis Related groups (DRGs) sind, entgegen der ursprünglichen Behauptung, gene- relle Qualitätsnachweise und -ver- gleiche bezüglich der Versorgungs- qualität in Deutschland nicht ohne Weiteres zu belegen. Und die an- gekündigten und mehrfach eingefor- derten Relationen zur Qualität als Begleitforschung stehen noch aus.

QUALITÄTSSICHERUNG

Nach wie vor „nebulöse“ Qualität

Wichtig ist, dass die Mitarbeiter im Gesundheitswesen ihr Vertrauen in den leider immer noch abstrakten Begriff des „Qualitätsmanagements“ nicht verlieren.

* Der Beitrag fasst die Ergebnisse eines vom Aus- schuss „Qualitätssicherung in Diagnostik und Therapie“ der Sächsischen Landesärztekammer gemeinsam mit der Gesellschaft Medizinische Kon- gresse der Euroregion Neiße veranstalteten Sympo- siums zum Thema „Zur gegenwärtigen messbaren Qualitätsverbesserung in Deutschland“ zusammen.

Tagungsort war das Internationale Begegnungs- zentrum des Klosters St. Marienthal bei Görlitz.

Messbarkeit von Qualitätsverbes- serung erweist sich als ein überaus kom- plexes Problem.

Foto:Peter Wirtz

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A2554 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 38⏐⏐21. September 2007

P O L I T I K

Nach dem BQS-Report haben ledig- lich 21 Prozent aller Krankenhäuser das Qualitätsziel in der externen Qualitätssicherung erreicht.

Nach wie vor ist in der Gesamtbe- trachtung die Qualität der deutschen Krankenhäuser „nebulös“. Es fehlt vor allem an Prioritäten, die aus der Dokumentationsflut zum transparen- ten Dokumentationsinhalt führen.

Übergreifende Verfahrensänderungen sind dringend angezeigt. Nach § 137 Absatz 1 SGB V in Verbindung mit

§ 135 a SGB V sind nach einer Ver- einbarung des Gemeinsamen Bun- desausschusses Leistungsbereiche zu identifizieren, für die Qualitätsver- besserungen erforderlich sind. Einer der Kerngedanken ist dabei unter an- derem, dass eine erfolgreiche Thera- pie der richtigen Diagnose bedarf. In- sofern muss auch die Indikationsstel- lung überprüft werden. Denn wer sich nur am Ergebnis orientiert, ohne die Diagnose zu beleuchten, zäumt das Pferd von hinten auf.

Jüngste Autopsiestudien (Görlitz 2005, 2006) zeigen, dass nur 63 Pro- zent bis 68 Prozent aller klinischen Diagnosen mit dem Sektionsergeb- nis übereinstimmen und bis zu 20 Prozent fehlinterpretierte Diagno- sen sind. So beträgt der Anteil nicht oder fehlgedeuteter Myokardinfark- te bei Obduktionen rund 30 Prozent bei einer Sektionsfrequenz von im- merhin 32 bis 36 Prozent in den Jah- ren 2005/2006.

Fehlerhafte Dokumentation Zweifelsohne steckt die medizinische Dokumentation in einem Dilemma zwischen dem notwendigen Erfor- dernis und den Belastungen zusätz- licher Dokumentationen ohne klare Vorgaben und ohne die Möglichkeit der Vergleichbarkeit anhand von ge- nerell festgelegten Kriterien. Das be- trifft logischerweise auch das Evalua- tionsdilemma. Bedenkt man, dass Kontrollen selbst bei standardisierten Vorgaben zum Qualitätsmanagement (QM) (QM-Handbücher bei Zertifi- zierungen) Mängel von zehn bis 30 Prozent zutage fördern, so ist davon auszugehen, dass auch die Kranken- blattdokumentation nach wie vor Fehldokumentationen von zehn Pro- zent und mehr enthalten muss. Es bleibt bei der Erkenntnis, dass die Be-

schreibung eines Patienten so gut wie nie absolut korrekt sein kann und damit immer bis zu einem ge- wissen Grad „unvollständig“ sein muss. Dem ist Rechnung zu tragen.

Dabei ordnen Zertifizierungen die Prozesse nach vorgegebenen Regeln mit durchaus messbaren Elementen, doch es bedarf künftig der Maßstäbe unter anderem zur Fehlerprävention und zur Priorisierung der Kernpro- zesse im Hinblick auf die Ergebnisse.

Mut zur Veränderung

Eine Qualitätssicherung der Qua- litätssicherung scheint dringend mit der gebotenen Transparenz ange- bracht. So haben diese Verfahren vor allem einen positiven Einfluss auf die Prozessqualität und können Stör- faktoren beseitigen. Dabei scheint ei- ner der wichtigsten messbaren Qua- litätsfaktoren der Zeitfaktor zu sein (insbesondere in der Diagnostik von Histologie, in bildgebender Diagnos- tik, aber auch bei Wartezeiten). Hin- zu kommt der „Zwang“ zur Analyse bei defizitären Zuständen. Inwieweit sie sich letztendlich auf die Ergeb- nisqualität der Behandlung auswir- ken, bleibt in den meisten Fällen je- doch offen.

Dass Compliance und Noncom- pliance Auswirkungen auf die Er- gebnisqualität haben und Patien- teninterviews wenig geeignet sind, die Ergebnisqualität näher zu beur- teilen, ist inzwischen medizinisches Allgemeingut. Qualitätsindikatoren, gekoppelt an solche Verfahren wie Peer Review, sind auf jeden Fall ge- eigneter, die Qualitätsverbesserung messbar zu beurteilen – und dies auch anhand von Routinedaten. Letzteres zeigt auch das 2002 gestartete Pro- jekt „Qualitätssicherung der statio- nären Versorgung mit Routinedaten (QSR)“ der AOK in Zusammen- arbeit mit den Helios Kliniken.

Hier standen und stehen Auswertun- gen von aufwandsarmen Routineda- ten den in Deutschland geregelten speziellen Datenerhebungen nach

§ 137 SGB V gegenüber. Sie zeigen durchaus mehr Transparenz, wenn zum Beispiel Leistungsbereiche (Tracer) wie Schlaganfall, Herzin- farkt und andere unter Einsatz von Peer Reviews analysiert werden. Zu berücksichtigen sind dabei auf je-

den Fall die Epidemiologie und auf Langfristigkeit angelegte Qualitäts- indikatoren nach der Entlassung.

Schließlich braucht es Mut zur Veränderung. Seit Jahren festge- schriebene Items in der externen Qualitätssicherung, wie beispiels- weise Thromboseprophylaxe, haben heute für sich allein bei fast 100-pro- zentiger Praktikabilität nicht mehr den Informationsgehalt für die Qua- litätsverbesserung wie vor Jahren.

Schließlich muss auch hinterfragt werden, ob Tracer wie die Cholezys- tektomie in der bestehenden Form weiter wie bisher erfasst werden sol- len. Den wenigsten ist bewusst, dass durch die externe Qualitätssicherung jährlich 50 Vollzeitarbeitskräfte und mehr von morgens bis abends nur mit der Dateneingabe beschäftigt sind, und dabei handelt sich zum Großteil um Ärzte.

Was heute im medizinischen Ver- sorgungsbereich an formellen Ent- wicklungen inhaltlich blasenhaft auf- schäumt, hat nicht direkt mit einge- schränkter Finanzierung oder gar mit Nachweisen von Qualitätsverbesse- rungen gemein. Mehr und mehr beu- gen sich die Häuser einer Art „politi- schen Zentralgewalt“, ohne den Mut zu der Entscheidung aufzubringen, dass weniger mehr ist. Gewolltes Ge- sundheitsmarketing kann bezogen auf die beabsichtigte Qualitätsverbes- serung auch zur Gesundheitsarmut werden, wenn nicht Prioritäten mit- hilfe neuer sektorenübergreifender Verfahren mit vertretbarem Aufwand und Einsatz von Qualitätsmerkmalen gesetzt werden. Denn die vermeint- lich einfache Messbarkeit von Qua- litätsverbesserung erweist sich als ein überaus komplexes Problem. Inso- fern erscheint eine pragmatische und zugleich zielorientierte Vorgehens- weise empfehlenswert. Wichtig er- scheint es, dass die Mitarbeiter im Gesundheitswesen ihr Vertrauen in den leider abstrakten Begriff des

„Qualitätsmanagements“ im Hin- blick auf eine kontinuierliche Verbes- serung der Versorgungsqualität von Patienten nicht verlieren. I

Dr. med. Maria Eberlein-Gonska Leiterin Qualitätsmanagement Universitätsklinikum Dresden und Vorsitzende der Gesellschaft für Qualitätsmanagement in der Gesundheitsversorgung (www.gqmg.de)

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