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Archiv "Chelatbildner: Pharmakologie, Toxikologie und therapeutische Anwendung" (26.11.1987)

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DEUTSCHES

ÄRZTEBLATT

KONGRESSBERICHT

Chelatbildner

Pharmakologie, Toxikologie

und therapeutische Anwendung

C

helatbildner spielen in der Therapie vorab nur dort eine Rolle, wo es darum geht, toxische Schwerme- talle aus dem Organismus auszu- schleusen, deren toxische Wirkun- gen wieder rückgängig zu machen oder, prophylaktisch gegeben, zu verhindern. Alle weitergehenden Überlegungen zu ihrer Anwendung waren bislang nicht sehr erfolgreich, zumal sich am Verhalten der Chelat- bildner im Organismus, vor allem in dessen physiologischen Einrichtun- gen, die heute überschaubar sind, gar nichts deuteln läßt.

Chelatbildner besitzen keine Spezifität für die Bindung bestimm- ter Metalle, sondern nur eine für die einzelnen Metalle unterschiedlich ausgeprägte Bindungsfestigkeit (Sta- bilität), die von der Konzentration sowohl konkurrierender Metalle wie konkurrierender Liganden in den einzelnen Körperkompertimenten, die Protonen eingeschlossen, ab- hängt oder, anders ausgedrückt, va- riiert wird. Hier liegt eine ganz ent- scheidende Begrenzung für die An- wendung von Chelatbildnern in der Medizin.

Selbstverständlich ist der Zu- gang von Chelatbildnern zu den einzelnen Körperkompartimenten durch deren physiko-chemische Ei- genschaften, die Molekülgröße, vor allem aber auch die Lipidlöslichkeit bestimmt. Hier können auch die Umverteilungen von Metallen im Organismus durch lipidlösliche Che- latbildner nicht unerwähnt bleiben.

Herbe Überrraschungen haben sich bei der Anwendung von Diethylcar- bamat oder BAL zur Ausschleusung von Schwermetallen wie Blei, Thal- lium, Quecksilber, oder auch von Metalloiden, wie Arsen, ergeben, die glücklicherweise schon im Tier- versuch bei der Anwendung derarti- ger Stoffe zu erkennen waren.

Unter der Präsidentschaft Profes- sor Dr. V. Eybl, Institut für Pharma- kologie der Karls-Universität Pil- sen, fand vom 12. bis zum 14. Au- gust 1987 in Pilsen/Tschechoslowa- kei das Zweite Internationale Sym- posion „Chelating Agents in Phar- macology, Toxicology and Thera- peutics" statt. Das Symposion wur- de in Kooperation des Pilsener Pharmakologischen Instituts und des Instituts für Hygiene und Epi- demiologie der Karls-Universität Prag durch die Tschechoslowaki- sche Medizinische Gesellschaft „J.

E. Purkynä" organisiert.

Chelatbildner nicht unbegrenzt einsetzen!

Auch der Stoffwechsel von Che- latbildnern im Organismus verdient Aufmerksamkeit, und selbstver- ständlich ihre Ausscheidung. Die meisten Chelatbildner führen Metal- le über die Nieren mit dem Urin aus dem Organismus. Deshalb ist es nicht verwunderlich, daß angesichts der stark variierenden Protonen- Konzentrationen in den Nierenka- nälchen, ganz entsprechend den An- forderungen des Organismus an die Säuren/Basen-Homöostase, vor al- lem der langdauernde Gebrauch der Chelatbildner von Freisetzungen der Metalle aus der Chelatbindung und Metalleinlagerungen in dieses Organ begleitet ist. Die Folge ist eine ganz wesentliche Beschränkung der An- wendungsmöglichkeiten von Chelat- bildnern; deshalb sollte künftig das Augenmerk vor allem auch auf sol- che Verbindungen gerichtet werden, die eine Ausschleusung von Metal- len über den Darm ermöglichen.

Chelatbildner, wie EDTA, ver- ursachen, nach entsprechend langer

und hochdosierter Anwendung, un- ter Umständen auch Tubulusschä- den, die auf ihre dekalzifierenden Eigenschaften zurückgeführt wer- den. Dementsprechend war die Be- geisterung der in Pilsen versammel- ten Fachleute für die auch dort dis- kutierte EDTA-Infusion bei Arte- riosklerose nur gedämpft: Zwar be- stehen keine Zweifel an der Wirk- samkeit von EDTA, Kalzium aus dem Organismus auszuschleusen, aber niemand ist gegenwärtig in der Lage, die therapeutische Wirkung, die mit diesem Effekt bei der Arte- riosklerose erwartet wird, gegen- über den in Kauf zu nehmenden Ri- siken, die im Tierversuch erwiesen worden sind, abzuschätzen. Die to- xischen Wirkungen von EDTA sind überdies auch aus der großen Zahl von akuten Anwendungen von Me- tallvergiftungen so oft belegt, daß ei- ner chronischen Infusion von EDTA in hohen Dosen zu Recht vorab mit Zurückhaltung begegnet wird.

Die Fachleute waren sich auch darin einig, daß vorerst keine Me- thode existiert, die Wirksamkeit und Unbedenklichkeit von Chelatbild- nern aufgrund von Modellexperi- menten in vitro zu beurteilen. Auch die von den chemisch orientierten Forschern immer wieder versuchten Vorausberechnungen der Reaktion von Chelatbildnern mit Metallen im Organismus sind so lange zum Schei- tern verurteilt, wie wir nicht jeden einzelnen konkurrierenden Ligan- den kennen und der Konzentration nach in den einzelnen Körperkom- partimenten, Organen und zellulä- ren wie subzellulären Kompartimen- ten erfassen können. Die Bestim- mung der gleichfalls konkurrieren- den Metalle und Protonen ist dem- gegenüber vergleichsweise eine harmlose Aufgabe, die aber eben- falls vorderhand noch nicht gelöst ist. Die Bestimmungsmethoden für Metalle sind zwar einfacher und empfindlicher geworden, in den Be- reich physiologischer Metallkonzen- trationen kann man aber auch heute nur mit dem Einsatz radioaktiv mar- kierter Elemente vorstoßen. Einige für die Toxikologen vielverspre- chende Ansätze sind noch zu erwäh- nen, deren Kenntnis schon heute therapeutisch bedeutsam sein kann.

Dt. Ärztebl. 84, Heft 48, 26. November 1987 (63) A-3313

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FÜR SIE REFERIERT

Therapeutischer Wert bestimmter Verbindungen

Deferoxamin (Desferal 9) hat ei- ne gewisse Renaissance erfahren, seit seine therapeutische Wirksam- keit auch bei Ausschleusung von Aluminium erwiesen ist. Deferoxa- min scheint in der Tumortherapie versuchsweise eingesetzt zu werden.

Eine interessante Indikation sind Trypanosomenerkrankungen, hier wird Deferoxamin offensichtlich zur Zeit klinisch als Antibiotikum ge- prüft. Auch diese Wirkung beruht auf der Chelatbildung der Substanz:

durch den Entzug von Eisen wird die Ribonukleotidreductase der Trypa- nosomen gehemmt Bei langdauern- der Anwendung von Deferoxamin sind Katarakte, aber auch zum Teil irreversible Augen- und Ohrschäden aufgetreten (Neurotoxizität?).

Die lange andauernde Aus- schleusung von Eisen aus dem Orga- nismus des Hämochromatotikers ist nach wie vor nicht befriedigend. Un- ter diesem Gesichtspunkt sind die Versuche zur Neuauffindung geeig- neter Chelatbildner zu betrachten, et- wa von Desferrithiocin, das ebenfalls ein mikrobiell erzeugter Siderophor ist. Einen anderen Weg gehen engli- sche und tschechoslowakische For- scher in einer Kooperation, der die Entwicklung von N—(2-Hydrocypro- pyl-)Methylakrylat-Copolymeren (HPMB) zu verdanken ist. Nach Re- aktion von HPMB mit Galaktosamin wird die pinozytotische Aufnahme zum Beispiel in Leberzellen beobach- tet, von der man sich den Zugang zu intrazellulären Eisendepots erhofft.

Aus amerikanischen Arbeits- gruppen stammt die Weiterentwick- lung von arylsubstituierten Äthylen- diaminverbindungen, in die phenoli- sche Donorgruppen eingeführt wur- den. Die Stabilitätskonstanten für dreiwertiges Eisen derartiger Ver- bindungen erreichen fast log K 40.

Untersuchungen über die Aus- schleusung von Eisen sind im Gan- ge; auch andere dreiwertige Metalle, wie Gallium und Indium, können damit komplexiert werden.

2,3-Dimercaptobrenztrauben- säure (DMSA) wurde ursprünglich in China synthetisiert. Heute gilt diese Verbindung aufgrund sowohl

tierexperimenteller wie ausgedehn- ter klinischer Untersuchungen als das Mittel der Wahl zur Ausschleu- sung von Blei, Quecksilber, Kadmi- um oder auch Kupfer. DMSA kann auch die Belastung des Organismus nach Angebot metallorganischer Verbindungen, wie Dialkyl-Zinn und Methyl-Quecksilber, verrin- gern. Allerdings sind hier noch ein- gehende Untersuchungen des zeitli- chen Verlaufs derartiger Mobilisa- tionen und vor allem der Zugäng- lichkeit bestimmter Körperkompar- timente vonnöten, ehe man an die therapeutische Anwendung von DMSA auch in dieser Hinsicht den- ken kann DMSA, das auf dem deutschen Markt nicht erhältlich ist, scheint bei den einschlägigen Vergif- tungen den konkurrierenden Chelat- bildnern, wie D-Penicillamin oder BAL, wegen seiner geringen Toxizi- tät und außerordentlichen Wirksam- keit überlegen zu sein. Bei einer schweren chronischen Bleivergif- tung wurden innerhalb von 22 Tagen durch ein Dosen-Regime, bei dem zunächst 30, dann 20 bis 25 und in ei- ner dreizehntägigen Erhaltungspha- se 15 mg/kg in einer Gesamtdosis von fast 40 g (!) verabfolgt wurden, über 80 mg Blei aus dem Organis- mus ausgeschleust.

Ob der therapeutische Wert von DMSA etwa dem von 2,3-Dimer- captopropansulfonat (DMPS), das auch auf dem deutschen Markt er- hältlich ist, vergleichbar ist, kann vorerst noch nicht entschieden wer- den. Das liegt ganz einfach daran, daß mit DMPS vergleichweise weni- ge Untersuchungen am Menschen durchgeführt wurden.

Der Stoffwechsel von DMSA — und dies gilt für viele Thiole, zum Beispiel auch für DMPS — ist aus analytischen Gründen noch nicht ganz durchschaubar. Dementspre- chend gibt es auch keine endgültige Klarheit über die Natur der Chelate, die den Organismus bei der Aus- schleusung der Metalle verlassen.

Prof. Dr. med. Wolfgang Forth Walther Straub-Institut für Pharmakologie und Toxikologie der Universität München Nußbaumstraße 26 8000 München 2

Die kardiovaskuläre Letalität

von Diabetikern

Die Relation zwischen diabeti- scher Mikroangiopathie und Makro- angiopathie wurde anhand einer Analyse der relativen Letalität auf- grund einer kardiovaskulären Er- krankung bei Patienten mit insulin- abhängigem Diabetes mellitus mit oder ohne bestehende Proteinurie untersucht.

Die Studien-Gruppe umfaßte 2890 Diabetiker, die zwischen 1933 und 1972 vor dem einunddreißigsten Lebensjahr als solche diagnostiziert wurden. Bei den Patienten mit einer Proteinurie lag die relative Letalität durch kardiovaskuläre Erkrankung 37mal höher als bei der allgemeinen Bevölkerung, bei Patienten ohne Proteinurie 4 ,2mal höher. In beiden Gruppen war die relative Letalität bei Frauen 2,6mal so hoch wie bei den Männern.

In keiner Gruppe stand die rela- tive Letalität in Korrelation mit der Dauer des Diabetes, was zu der Annahme führt, daß der Zusam- menhang zwischen Diabetes und ei- ner kardiovaskulären Erkrankung auf anderen Faktoren als Hypergly- kämie und Hyperinsulinämie be- ruht.

Die hohe relative Letalität durch kardiovaskuläre Erkrankung bei Diabetes mit Proteinurie weist auf eine starke Assoziation zwischen diabetischer Mikroangiopathie und Makroangiopathie hin und auf die Möglichkeit eines gemeinsamen (pathogenen?) Mechanismus dieser zwei spätdiabetischen Komplikatio- nen. Lng

Borch-Johnsen, K.; S. Kreiner: Protein- uria: value as predictor of cardiovascular mortality in insulin dependent diabetes mellitus. Brit. Med. Journ. 6588 (1987) 1651-1654

Dr. Knut Borch-Johnsen, Steno Memorial Hospital, DK-2820 Gentofte, Dänemark

A-3314 (64) Dt. Ärztebl. 84, Heft 48, 26. November 1987

Referenzen

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