• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Knochenmark-Transplantation in der Bundesrepublik Deutschland" (13.08.1986)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Knochenmark-Transplantation in der Bundesrepublik Deutschland" (13.08.1986)"

Copied!
7
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Hans-Jochem Kolb Knochenmark-Transplantation

in der Bundesrepublik Deutschland

Bericht der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Knochenmarktransplantation*)

ie Knochenmarktransplanta- V tion hat in den letzten zehn Jahren in der Behandlung schwe- rer Erkrankungen der Hämopoese und des Immunsystems erheblich an Bedeutung gewonnen. Welt- weit wurden bisher mehr als 6000

Knochenmarktransplantationen durchgeführt; mehr als 150 Ar- beitsgruppen berichten regelmä- ßig ihre Ergebnisse dem interna- tionalen Knochenmarktransplan- tationsregister (International Bone Marrow Transplant Registry).

Damit steht die Knochenmark- transplantation in der Häufigkeit nach der Nierentransplantation an zweiter Stelle. Auch in der Bun- desrepublik Deutschland wird be- reits seit mehreren Jahren an fünf Zentren regelmäßig Knochenmark transplantiert (Tabellen 1 und 2).

Dieser Bericht der „Deutschen Ar- beitsgemeinschaft für Knochen-

Für die Transplantationszentren:

Essen: Innere Klinik und Poliklinik (Tumor- forschung), Westdeutsches Turmorzen- trum und Institut für Immungenetik, Univer- sitätsklinikum Essen

Kiel: Medizinische Klinik II und Kinderkli- nik, Universität Kiel

München: Medizinische Klinik III, Klinikum Großhadern sowie Kinderpoliklinik und Kin- derklinik, Universität München

Tübingen: Medizinische Klinik II und Kin- derklinik, Universität Tübingen

Ulm: Zentrum für Innere Medizin, Abteilung III, und Kinderklinik, Abteilung II, Universität Ulm; DRK-Blutspendezentrale

Die Knochenmarktransplantation von einem gesunden Spender bie- tet bei akuter Leukämie eine bes- sere, bei chronischer myeloischer Leukämie und schwerer aplasti- scher Anämie meist die einzige Hei- lungschance. Das Risiko der Trans- plantation ist vor allem durch die Immunreaktionen von Wirt und Transplantat gegeneinander sowie die resultierende Immunabwehr- schwäche und Infektionsneigung bedingt. Patienten jüngeren Alters mit gewebeverträglichem Spender haben das geringste Risiko. Die Er- folge sind bei frühzeitiger Trans- plantation am größten, das heißt bei akuten Leukämien in erster Remis- sion, bei chronischer myeloischer Leukämie in chronischer Phase und bei schwerer aplastischer Anämie vor der Verabreichung von zahlreichen Bluttransfusionen.

marktransplantation" gibt einen Überblick über die bisherigen Er- gebnisse der Transplantation von syngenen und allogenen Spen- den, das heißt von genetisch iden- tischen, monozygoten Zwillings- geschwistern und genetisch un- terschiedlichen, in den meisten Fällen jedoch HLA-identischen Spendern.

Prinzip der

Knochenmarktransplantation Die Knochenmarktransplantation besteht in der intravenösen Infu- sion einer Suspension von etwa 500 bis 1000 Milliliter Knochen- markblut, das durch multiple Aspi- rationen vom Beckenkamm des Spenders gewonnen wurde. Nach Transfusion siedeln sich die im Transplantat enthaltenen hämo- poetischen Stammzellen in den Knochenmarkräumen des Patien- ten an und ersetzen durch Prolife- ration und Differenzierung die Hä- mopoese und das Immunsystem des Empfängers. Voraussetzung für das Angehen des Transplanta- tes ist, daß „Raum" für die über- tragenen Stammzellen vorhanden ist und das Immunsystem des Empfängers das Transplantat nicht als fremd erkennt und ab- stößt. Der Chimärismus, das heißt die Funktion der fremden Hämo- poese, kann zum Beispiel mit Hilfe des Nachweises der Spenderblut- gruppe oder teilungsfähiger Kno- chenmark- und Blutzellen mit dem Spenderkaryotyp im Empfänger belegt werden.

Mit dem Knochenmark werden im- munkompetente Zellen auf den Empfänger übertragen, die ihrer- seits den Empfänger als fremd er-

(2)

1972 1973 1974 1975 1976 1977 1978 1979 1980 1981 1982 1983 1984 1985

1

7 8 11 12 21 25 27 73 83 116 1

1 3 1 4 6 8 18 25 26 10

6 14 7

3 4 4 4 11

9 3 12 16 24 7

3 1 4 6 11 14 16 16 7

1 1 3 2 1 6 2 4 5 29 20 36 10

426 120

79 97

27 Gesamt 103

Jahr Essen Kiel München Tübingen Ulm Gesamt Tabelle 1: Übersicht über allogene und syngene Transplantationen Jahre und Zentren*)

*) Deutsche Arbeitsgemeinschaft für Knochemarktransplantation — Stand 30. April 1985

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Knochenmarktransplantation

kennen und ihn immunologisch mit einer „Graft-versus-Host"-Re- aktion (Transplantat-gegen-Wirt- Reaktion) angreifen können. Die besonderen Probleme der Kno- chenmarktransplantation beste- hen in der immunologischen Aus- einandersetzung zwischen Trans- plantat und Empfänger und deren Folgen, nämlich einer Immun- schwäche gegen Drittantigene, wie die von Infektionserregern, und damit einer besonderen Infekt- anfälligkeit. Die Verfügbarkeit ei- nes gewebeverträglichen Spen- ders, im Idealfall eines eineiigen Zwillingsgeschwisters, ist für die Verhütung dieser Komplikationen wesentlich. In der Regel be- schränkt man sich auf die Identität der HLA-Antigene, die in 25 Pro- zent der Geschwister vorliegt.

Trotz HLA-Identität kann es jedoch sowohl zur Abstoßung des Trans- plantates als auch zu schweren, lebensbedrohlichen Graft-versus- Host-Reaktionen (GVHR) kom- men. Zur Prophylaxe dieser Kom- plikationen ist daher eine immun- suppressive Behandlung notwen- dig, deren Intensität das bei ande- ren Transplantationen übliche Maß übersteigt. Die Knochen- marktransplantation ermöglicht andererseits eine intensive Che- motherapie und Strahlentherapie ohne Rücksicht auf das Überleben hämopoetischer Stammzellen des Empfängers. Daher gilt die Be- handlung akuter Leukämien als ei- ne klassische Indikation zur Kno- chenmarktransplantation.

Indikationen für eine

Knochenmarktransplantation Schwere angeborene Immunde- fekte, die das T-Zell- und B-Zell-Sy- stem betreffen, sind seltene Krank- heiten, die durch Knochenmark- transplantation geheilt werden können. Eine immunsuppressive Behandlung ist in der Regel nicht erforderlich, da das defekte Im- munsystem nicht in der Lage ist, das Transplantat abzustoßen. Die GVH-Reaktion scheint aus mehre- ren Gründen milder zu verlaufen.

Auch die Knochenmarktransplan-

tation von einem Elternteil scheint möglich; die Ulmer Kinderklinik verfügt diesbezüglich über die größten Erfahrungen in Deutsch- land (Tabelle 2). Bei solchen in- kompatiblen Transplantationen scheint die Entfernung von im-

munkompetenten T-Lymphozyten mittels Lektinbehandlung, Roset- tenbildung mit Hammelerythrozy- ten und Differentialzentrifugation vorteilhaft zu sein (1)**). Wesent- lich häufiger sind schwere, aplasti- sche Anämien (Panmyelopathien) und Leukämien, bei denen eine Knochenmarktransplantation oft die einzige Heilungschance bietet (Tabelle 3). Bei der aplastischen Anämie ist das blutbildende Mark weitgehend verschwunden, wäh- rend das Immunsystem noch funk- tionsfähig bleibt. Eine immunsup- pressive Vorbehandlung mit Cyc- lophosphamid allein (2) oder in Kombination mit einer Bestrah- lung der Lymphknoten („total no- dal irradiation") (3) oder niedrig dosierter Ganzkörperbestrahlung (4) ist für das Angehen des Trans- plantates erforderlich.

Eine andere Möglichkeit, die Ab- stoßung des Transplantates zu verhindern, besteht in der Transfu-

sion unbestrahlter Spenderleuko- zyten nach Transplantation (5).

Vorteilhaft ist die frühzeitige Transplantation, bevor der Patient durch zahlreiche Transfusionen gegen fremde Histokompatibili- tätsantigene immunisiert ist (5).

Die Transplantation von anderen Spendern als HLA-identischen Ge- schwistern war bisher nur in Aus- nahmefällen erfolgreich (6).

Die häufigste Indikation zur Kno- chenmarktransplantation von ei- nem HLA-identischen Geschwister ist die Behandlung von Leuk- ämien. Bei der Ausschaltung der Leukämie kommt neben der Reak- tion des Transplantates gegen, restliche Leukämiezellen der radi- kalen Vorbehandlung des Patien- ten mit hochdosierter Chemothe- rapie und Ganzkörperbestrahlung große Bedeutung zu (7). Die Ganz- körperbestrahlung ist so dosiert (8 bis 13 Gy), daß eine Erholung der Hämopoese ohne Transplantat un- wahrscheinlich ist. Sie wurde in den ersten Jahren als Einzeldosis von 9 bis 10 Gy gegeben und wird

**) Die in Klammern stehenden Ziffern bezie- hen sich auf das Literaturverzeichnis des Sonderdrucks.

Ausgabe A 83. Jahrgang Heft 33 vom 13. August 1986 (37) 2227

(3)

jetzt zunehmend als fraktionierte Bestrahlung verabreicht. Die Che- motherapie besteht meistens aus Cyclophosphamid allein oder in Kombination mit anderen Zytosta- tika wie Cytosin-Arabinosid, Bischloräthylnitrosourea (BCNU), VP-16 und andere (8).

Zu Beginn wurden fast ausschließ- lich Patienten in fortgeschrittenen Stadien akuter Leukämie trans- plantiert, bei denen andere Be- handlungsmaßnahmen erschöpft waren. Mit zunehmender Erfah- rung werden auch Patienten in früheren Stadien ihrer Leukämie transplantiert (8, 9, 1 0). Bei Patien- ten im Alter unter 40 bis 45 Jahren, die ein HLA-identisches Geschwi- ster als Spender haben, ist nach heutiger Auffassung die Knochen- marktransplantation im früheren Stadium indiziert. Hierzu zählt die akute myeloische Leukämie in er- ster Remission und die chronisch myeloische Leukämie in chroni- scher Phase bei Kindern und Er- wachsenen. Die Transplantation in erster Remission ist bei akuter lymphoblastischer und akuter un- differenzierter Leukämie indiziert, wenn folgende Faktoren eines er- höhten Rezidivrisikos vorliegen: Leukozytenwerte über 30 000/r-tl.

Erreichen der Remission erst nach mehreren Chemotherapiezyklen, wie zum Beispiel nach Phase II des BMFT-ALL/AUL-Studienprotokolls (11 ), in der Immunzytologie B-Zeii- Typ oder Fehlen lymphatischer Marker, Philadelphia-Chromosom oder Hypodiploidie.

Bei Patienten mit aplastischer An- ämie oder Leukämie wird regelmä- ßig eine Prophylaxe der GVH- Krankheit vorgenommen. Diese besteht entweder in der Behand- lung des Patienten mit Methotre- xat oder Cyclosporin A nach der Transplantation und/oder in der Entfernung von T-Lymphozyten aus dem Transplantat vor der Transfusion (12). Hierzu finden ab-

sorbiertes Antilymphozytenglobu-

lin vom Kaninchen (12) und mono-

klonale Antikörper von der Ratte (Campath 1) (13, 14) und Maus An- wendung.

Tabelle 2: Übersicht über allogene und syngene Transplantationen Diagnose und Zentren*)

Diagnose Essen Kiel München Tübingen Ulm Gesamt Aplastische Anämie 17 3 22 16 38 96 Akute Leukämie:

AML 1. Remission 24 3 8 14 18 67

2. Remission 3 1 4 9 4 21

~ 3. Remission/ 17 3 9 3 4 36

Rezidiv

ALL/ 1. Remission 4 1 5 1 10 21

AUL 2. Remission 5 3 10 9 7 34

~ 3. Remission/ 2 6 25 11 8 52 Rezidiv

Chronische mye- laisehe Leukämie:

chronische Phase 23 2 4 12 9 50

akzelerierte Phase 5 3 4 2 1 15

akute Phase 3 - 1

-

1 5

lmmundekfete

-

- 1

-

18 19

Andere - 2 4 2 2 10

Indikationen**)

.) Deutsche Arbeitsgemeinschaft für Knochenmarktransplantation Stand 30. April1985

.. ) Thalassämie 1; Osteopetrose 1; Neuroblastom 2; paroxysmale nächtliche Hämoglobin- une 1, myeloproltferattves Syndrom 1; Non-Hodgktn-Lymphom 2; promegakaryozytäre Myelose 1, myelodysplastisches Syndrom 1.

Tabelle 3: Indikationen für allogene/syngene Knochenmarktrans- plantationen

~ Schwere aplastische Anämie:

Neutrophile Granulozyten unter 500/~1

Thrombozyten unter 20 000/~1

Retikulozyten unter ein Prozent, korrigiert nach Hämatokrit Knochenmark stark hypozellulär oder mäßig hypozellulär mit ho- hem Anteil nichtmyeloischer Zellen

~ Akute Myeloische Leukämie (AML):

Erwachsene und Kinder ab der ersten Remission

~ Chronische myeloische Leukämie (CML):

Erwachsene und Kinder ab chronischer Phase mit Behandlungs- bedürftigkeit

~ Akute Iymphebiastische und

undifferenzierte Leukämie (ALL/AUL):

Erwachsene mit hohem Rezidivrisiko ab der ersten Remission Erwachsene ohne Risikofaktoren und Kinder ab erstem Rezidiv

~ Schwerer kombinierter Immundefekt und andere angeborene lm- munkrankheiten mit schlechter Prognose

(4)

3;110 X71 Irl

111•11111•MIZZ•

L 0LIIMIIIIIIIIIIIIIM

I )22111111111111111 I 61111mnägl.

I 11111111B116"al

1 11011111111111MMIIIIIIIII iimonongiiiimiffliza

111111111111111• NM iiiiimw ----n_

millmiu

11ffl

WIIIIIIME

50

1982 bis 1985: 50 Pa ienten (65,9%)

1972 bis 1978:19 Patienten (15,8%)

—1

2 3 4 5 6 7

Jahre nach Knochenmarktransplantation

8 9 10

1. Remission: 62 Patienten (45,2 .)

2. Remission: 20 Patienten (23%

3. Remission und Rezidiv: 28 Patienten (17,4%) Wahrscheinlichkeit in %

100

2 3 4

Jahre nach Knochenmarktransplantation

I I

7

Abbildung 1: Überleben von Patienten mit schwerer, aplastischer Anämie nach HLA- identischer Knochenmarktransplantation (KMT) — Stand 30. April 1985

Abbildung 2: Überleben von Patienten mit AML nach HLA-identischer Knochenmark- transplantation (KMT) — Stand 30. April 1985

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Knochenmarktransplantation

Die Behandlungsschemata der einzelnen deutschen Zentren dif- ferieren etwas in Vor- und Nachbe- handlung, weichen jedoch nicht grundsätzlich voneinander ab, so daß eine gemeinsame Darstellung der Ergebnisse möglich ist. Die Auswertung beschränkt sich auf die Knochenmarktransplantation von HLA-identischen Geschwi- stern, da die Zahl der Transplanta- tionen von monozygoten Zwillin- gen zu klein und das Ausmaß der Inkompatibilitäten bei Knochen- marktransplantation von anderen Spendern als HLA-identischen Ge- schwistern zu unterschiedlich ist.

Aus denselben Gründen wurden lediglich die Ergebnisse bei den häufigeren Krankheiten wie apla- stischer Anämie, akuter und chro- nischer Leukämie ausgewertet.

Die autologe Knochenmarktrans- plantation besteht in der Reinfu- sion des eigenen in Remission ent- nommenen Knochenmarks nach einer intensiven Chemotherapie und Ganzkörperbestrahlung (15).

Sie bietet besondere Probleme der Kryokonservierung, der Schädi- gung hämopoetischer Stammzel- len durch vorausgegangene Che- motherapie sowie der Entfernung restlicher Leukämiezellen aus dem Knochenmark und soll hier unbe- rücksichtigt bleiben.

Ergebnisse der

Knochenmarktransplantation von HLA-identischen

Geschwistern Aplastische Anämie

Von 1972 bis April 1985 wurden in den fünf Zentren insgesamt 86 Pa- tienten mit schwerer aplastischer Anämie HLA-identisch transplan- tiert. Die Wahrscheinlichkeit, nach der Transplantation mehr als drei Jahre zu überleben, beträgt 49,6 Prozent. Die Krankheit ist bei nahe- zu allen Patienten geheilt oder er- heblich gebessert; die längste Be- obachtungszeit beträgt mehr als zehn Jahre. Während dieses Zeit-

raumes haben sich die Ergebnisse

deutlich gebessert (Abbildung 1).

Aus der Anfangszeit von 1972 bis 1978 überlebten nur drei von 19 Pa- tienten, aus der Zeit von 1979 bis 1981 bereits sieben von 17 Patien- ten. Die Wahrscheinlichkeit der seither transplantierten Patienten, länger als drei Jahre zu überleben,

beträgt 65,9 Prozent, jedoch wurde erst die Hälfte der Patienten länger als 12 Monate beobachtet. Verluste waren vorwiegend in den ersten Monaten zu beklagen. Die Absto- ßung des Transplantates war in der ersten Periode die Haupttodesur-

sache (7/19 Patienten); sie konnte in jüngerer Zeit fast vollständig ver- mieden werden (1/67 Patienten).

Andere Usachen für Mißerfolgewa- ren vor allem GVH-Krankheit (9/86 Patienten) und Infektionen (11/86 Patienten).

Akute myeloische Leukämie Eine HLA-identische Knochen- marktransplantation wegen akuter myeloischer Leukämie wurde bei 110 Patienten durchgeführt (Abbil- dung 2); 62 Patienten waren in er- Ausgabe A 83. Jahrgang Heft 33 vom 13. August 1986 (39) 2229

(5)

Wahrscheinlichkeit in % 100

I Minn

50•

2. Remission: 31 Patienten (44,5%)

1. Remission: 20 Patienten (32,4%)

3. Remission und Rezidiv: 43 Patienten (19,5%)

0 2 3 7

Jahre nach Knochenmarktransplantation

Wah scheinlichkeit in % 100

chronische Phase: 49 Patienten (52,3%) I Il I I II I I

akzelerierte und akute Phase: 15 Patienten (40%) I I I

Jahre nach Knochenmarktransplantationen 50

1

Abbildung 4: Überleben von Patienten mit CML nach HLA-identischer Knochenmark- transplantation (KMT) — Stand 30. April 1985

ster Remission, 20 Patienten in zweiter Remission und 28 Patien- ten in einer späteren Remission oder im Rezidiv. Die Überlebens- chance ist am besten (45,2 Pro- zent nach drei Jahren) nach Trans- plantation in erster Remission.

Nach drei Jahren sind die Ergeb- nisse der Transplantation in zwei- ter Remission (23 Prozent nicht wesentlich besser als die der Transplantation in späteren Sta- dien (17,4 Prozent). Allerdings sind in der letzten Gruppe auch im frühen Rezidiv transplantierte Pa- tienten eingeschlossen. Nach Transplantation in erster Remis- sion waren vor allem interstitielle Pneumonien (16 Prozent), GVH- Krankheit (10 Prozent) und Infek- tionen (10 Prozent) Ursache für Todesfälle; Rezidive waren selten.

In zweiter Remission überwogen Rezidive (35 Prozent als Todesur- sache, in späteren Stadien Infek- tionen (25 Prozent), interstitielle Pneumonien (18 Prozent) und Re- zidive (18 Prozent).

gnostisch besonders ungünstiger Fälle jedoch verständlich. Rezidi- ve waren die häufigste Todesursa- che (33 Prozent) in fortgeschritte- nen Fällen, gefolgt von interstitiel- len Pneumonien (19 Prozent) und Infektionen (14 Prozent). Bei Transplantationen in erster Remis-

Chronische,

myeloische Leukämie

Im Vergleich zu den langjährigen Erfahrungen mit Knochenmark- transplantation bei akuten Leuk- ämien sind die bei chronischer myeloischer Leukämie noch kurz

Abbildung 3: Überleben von Patienten mit ALL/AUL nach HLA-identischer Knochen- marktransplantation (KMT) — Stand 30. April 1985

Akute lymphoblastische und akute

undifferenzierte Leukämien Die Mehrzahl der Patienten (43) mit akuter lymphoblastischer Leuk- ämie wurde im fortgeschrittenen Stadium, das heißt im Rezidiv und in der dritten oder folgenden Re- mission transplantiert (Abbildung 3). 31 Patienten befanden sich in zweiter und nur 20 Patienten in er- ster Remission. In erster Remis- sion wurden fast ausschließlich Erwachsene, die meisten von ih- nen mit besonderen Risikofakto- ren, transplantiert. Die besten Er- gebnisse wurden mit Knochen- marktransplantation in zweiter Re- mission erzielt (44,5 Prozent); aber auch in fortgeschritteneren Sta- dien zeigte die Knochenmark- transplantation Erfolge (19,5 Pro- zent), wobei zwei Patienten bereits mehr als sieben Jahre rezidivfrei überleben. Die Resultate der Transplantation in erster Remis- sion sind mit 32,4 Prozent nach zwei Jahren sicher verbesserungs- würdig, durch die Selektion pro-

sion waren interstitielle Pneumo- nien (30 Prozent) GVH-Krankheit (15 Prozent) und Infektionen (15 Prozent) Ursache für einen töd- lichen Ausgang, während in zwei- ter Remission auch Rezidive (10 Prozent) eine Rolle spielten.

(Abbildung 4). Die längste Beob- achtungszeit beträgt knapp drei Jahre. Bisher ist die Knochen-

marktransplantation jedoch die einzige Behandlungsmethode, die über so lange Zeit ein Verschwin- den Philadelphia-Chromosom tra-

(6)

gender Zellen bewirken kann und somit eine echte Remission er- zielt. Die Überlebenswahrschein- lichkeit nach zwei Jahren in chro- nischer Phase transplantierter Pa- tienten beträgt 52,3 Prozent und 40 Prozent für in akzelerierter (11 Patienten) und akuter Phase (4 Pa- tienten) transplantierte Erkrankte.

Mißerfolge waren in beiden Grup- pen vor allem durch GVH-Krank- heit (20 Prozent) und interstitielle Pneumonien (12 Prozent bzw. 20 Prozent) bedingt. Rezidive waren selten.

Diskussion der Ergebnisse und Schlußfolgerung

Die Knochenmarktransplantation hat sich im letzten Jahrzehnt auch in der Bundesrepublik Deutsch- land von einem therapeutischen Versuch in anderweitig aussichts- losen Fällen zu einer an mehreren Zentren regelmäßig durchgeführ- ten Behandlungsmethode mit an- erkannter Indikation entwickelt.

Die Zahl der Transplantationen hat von sieben im Jahr 1975 auf mehr als 1 00 im Jahr 1984 beständig zu- genommen. Zahlreiche medizini- sche und organisatorische Proble- me baulicher und personeller Art mußten gelöst werden, um eine angemessene Versorgung der Pa- tienten zu gewährleisten. Inzwi- schen werden Knochenmarktrans- plantationen regelmäßig in Spe- zialeinheiten von eingespielten Teams von Ärzten und Pflegeper- sonal in Essen, Kiel, München, Tü- bingen und Ulm durchgeführt. Die Verbesserung der Ergebnisse ist bei Patienten mit aplastischer An- ämie ersichtlich {Abbildung 1). Mehrere Gründe können dafür an- geführt werden:

~ Die besseren Methoden zur Verhütung der Abstoßung als wis- senschaftlicher Fortschritt {3, 4, 5), die Knochenmarktransplanta- tion zu einem früheren Zeitpunkt, bevor die Patienten durch zahlrei- che Transfusionen immunisiert sind (5), und schließlich auch die größere Erfahrung der Transplan- tationsgruppen.

DEUTSCHES :A:RZTEBLATT

Eine andere Möglichkeit der Be- handlung schwerer aplastischer Anämien - Kriterien siehe Tabelle 3-ist die immunsuppressive The- rapie mit Antithymozytenglobulin und anderem. Dennoch bietet die Knochenmarktransplantation die beste Möglichkeit einer Heilung dieser meist innerhalb weniger Monate tödlich verlaufenden Krankheit (16). Voraussetzungen sind Alter des Patienten unter 45 Jahren und Verfügbarkeil eines HLA-identischen Geschwister als Spender.

Die gleichen Voraussetzungen sollten für die Knochenmarktrans- plantation bei Leukämien gege- ben sein. Zu Beginn wurden Kno- chenmarktransplantationen nur bei fortgeschrittenen Fällen akuter Leukämie, im Rezidiv und der drit- ten oder folgenden Remission durchgeführt {Abbildungen 2 und 3). Selbst in diesen fortgeschritte- nen Stadien überleben einige Pa- tienten ohne Rezidiv langfristig nach Knochenmarktransplanta- tion, worin sich die Überlegenheit der Transplantation gegenüber der Chemotherapie am deutlich- sten zeigt. Die Langzeitergebnisse bei akuter myeloischer Leukämie in zweiter Remission sind nicht wesentlich besser als die in dritter Remission und im Rezidiv. ln der Rezidivgruppe sind mehrere Pa- tienten mit beginnendem Rezidiv eingeschlossen, bei denen ein re- fraktäres Stadium auf Chemothe- rapie noch nicht angenommen werden kann. Applebaum et al.

(17) zeigten, daß die Knochen- marktransplantation im ersten Re- zidiv vergleichbare Langzeitresul- tate wie in der darauf folgenden Remission erbringt. Die hier be- richteten Ergebnisse sind denen der Seattle-Gruppe (18, 19, 20) ver- gleichbar. Günstigere Ergebnisse der Knochenmarktransplantation in zweiter Remission wurden von Santos et al. (21) und von O'Reilly et al. (22) mitgeteilt, wobei von Santos die Bestrahlung durch Busulfan ersetzt wurde und O'Reilly eine höhere Strahlendosis verwandte. Allerdings sind deren Ergebnisse der Transplantation in

Knochenmarktransplantation

erster Remission insgesamt nicht besser, so daß eine Änderung der Vorbehandlung nicht allgemein empfohlen werden kann.

Die Transplantationsergebnisse bei akuter lymphoblastischer und akuter undifferenzierter Leukämie in zweiter Remission sind besser als die in späteren Stadien (Abbil- dung 3). Die Mehrzahl dieser Pa- tienten sind Kinder mit Rezidiven während der Chemotherapie. Fünf Patienten überleben bereits mehr als vier Jahre ohne weitere Che- motherapie. Johnson et al. (22) verglichen die Knochenmarktrans- plantation mit intensiver Chemo- therapie zur Behandlung rezidi- vierter akuter lymphoblastischer Leukämie im Kindesalter. Die Transplantation war der Chemo- therapie eindeutig überlegen. An- ders setzt sich die Gruppe der Pa- tienten zusammen, die in erster Remission transplantiert wurde.

Sie besteht fast ausschließlich aus erwachsenen Patienten mit zu- sätzlichen Risikofaktoren, deren Prognose auf langfristige Remis- sion unter Chemotherapie weni- ger als 20 Prozent beträgt (11 ). ln dieser Gruppe sind auch die Transplantationsergebnisse mit 32,4 Prozent vergleichsweise schlecht (Abbildung 3). Ähnliche Ergebnisse wurden von der Seatt- le-Gruppe (24) und der Internatio- nal Bane Marrow Transplant Regi- stry (25) berichtet. Von Prentice et al. (26) wird die Bestrahlung mit höherer Dosisleistung zur Verhin- derung von Rezidiven favorisiert.

ln unserer Erfahrung waren eher GVH-Krankheit und interstitielle Pneumonie als Rezidive Ursachen für Mißerfolge.

Bei chronischer myeloischer Leuk- ämie sind die Beobachtungszeiten noch zu kurz, um über langfristige Ergebnisse der Knochenmark- transplantation Auskunft zu ge- ben. Dennoch ist die Knochen- marktransplantation bisher die einzige Behandlungsmethode, die den leukämischen Zellklon mit dem Philadelphia-Chromosom über Jahre hinweg ausschalten kann und somit die Chance einer Ausgabe A 83. Jahrgang Heft 33 vom 13. August 1986 (43) 2233

(7)

Heilung bietet. Nach unseren Er- gebnissen erscheint auch die Kno- chenmarktransplantation in akze- lerierter Phase diskutabel (Abbil- dung 4). Allerdings muß nach Er- fahrungen anderer mit einer ho- hen Rezidivrate gerechnet werden (27, 28, 29), wofür unsere Beob- achtungszeit noch zu kurz er- scheint.

Die hier berichteten Ergebnisse der deutschen Transplantations- gruppen sind denen großer ameri- kanischer Zentren vergleichbar.

Auch hier hat die Knochenmark- transplantation bei Leukämien Er- folge erzielt, wie sie mit Chemo- therapie allein bisher nicht berich- tet wurden. Zum direkten Ver- gleich der Knochenmarktrans- plantation mit der Chemotherapie sind prospektive Studien zur Re- missionserhaltung bei akuter un- differenzierter und lymphoblasti- scher Leukämie im Erwachsenen- alter und bei akuter myeloischer Leukämie im Erwachsenen- und Kindesalter geplant. Nach den bis- herigen Ergebnissen ist die allo- gene Knochenmarktransplanta- tion bei akuter myeloischer Leuk- ämie im Kindes- und Erwachsenen- alter, bei akuter undifferenzierter und akuter lymphoblastischer Leukämie mit hohem Rezidivrisiko im Erwachsenenalter in erster Re- mission und bei chronischer myeloischer Leukämie in chroni- scher Phase indiziert, wenn der Patient nicht älter als 40 bis 45 Jahre ist und ein HLA-identisches Geschwister als Spender hat (Ta- belle 3). Auch bei rezidivierten Leukämien ist die Knochenmark- transplantation indiziert und der Chemotherapie überlegen.

Bei schwerer aplastischer Anämie ist die Knochenmarktransplanta- tion von HLA-identischen Ge- schwistern die Behandlungsme- thode erster Wahl. Dennoch ist die Knochenmarktransplantation heu- te noch mit erheblichen Risiken behaftet, die sich aus der immuno- logischen Auseinandersetzung zwischen Transplantat und Patient ergeben. Ihre Erkennung und Be- handlung erfordert besondere Er-

fahrung. Daher müssen Methoden zur Verhütung der immunologi- schen Komplikationen, vor allem GVH-Reaktion und Transplantat- abstoßung, weiterentwickelt wer- den, um auch Patienten ohne HLA- identisches Geschwister die Mög- lichkeit einer Knochenmarktrans- plantation bieten zu können. Die Transplantation von anderen Spen- dern als HLA-identischen Geschwi- stern kann unter bestimmten Vor- aussetzungen erfolgreich sein, sie ist in einigen Zentren in Erprobung.

Klinik der

Cytomegalie-Infektionen des Erwachsenen

Die Erkrankung hat nach Herzope- rationen als „Postperfusionssyn- drom", in der Onkologie bei ver- minderter Infektabwehr, bei Or- gantransplantationen und als no- sokomiale Infektion bei AIDS-Er- krankten eine zunehmende Be- deutung erhalten.

Von 1972 bis 1984 wurden 73 Pa- tienten mit einer akuten Cytome- galie beobachtet. Das Erkran- kungsalter lag überwiegend zwi- schen 15 und 39 Jahren. Als Pro- dromi traten uncharakteristische Beschwerden wie bei jedem Virus- infekt auf. Bei annähernd der Hälf- te aller Patienten bestand eine He- patitis, darunter eine zentral ne- krotisierende und zwei granulo- matöse Hepatitiden.

Achtzehn Patienten zeigten eine Myokarditis mit meist leichter, flüchtiger Erhöhung der Enzymak- tivitäten. Die Polyradikulitis Guil- lain-Barrö trat bei sechs Patienten auf. Aufsteigende motorische Läh- mungen machten bei fünf Patien- ten eine Intubation erforderlich.

Bei vier Patienten fanden sich broncho-pneumonische Infiltratio- nen, nach dem Verlauf der Labor- parameter und bei fehlendem Bak- teriennachweis wahrscheinlich durch das Cytomegalievirus. Bei

Literatur im Sonderdruck, zu be- ziehen über:

Professor Dr. med.

Hans-Jochem Kolb Sekretär der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Knochenmarktransplantation Medizinische Klinik III im Klinikum Großhadern der Universität München Marchioninistraße 15 8000 München 70

akuten Cytomegalie-lnfektionen entstehen sehr charakteristische Blutbildveränderungen mit Leuko- penien unter 40009, Thrombozy- topenien unter 100 000/111 (dreimal unter 10 0009). In 62 Prozent der Fälle fand sich eine Lympho-Mo- nozytose.

Bei Patienten mit verminderter Im- munabwehr kann eine Tempe- raturerhöhung über 39° C oft das einzige Krankheitssymptom sein.

Die Therapie der akuten Cytome- galie-Infektion bietet spezielle Probleme. Mit Aciclovir kann eine Infektion oder ihre Reaktivierung nicht sicher verhindert werden.

Auch die antiviral wirkenden Nu- cleoside Floxuridin und Cytarabin gewährleisten keinen dauerhaften Therapieerfolg.

Das Cytomegalievirus ist im Ver- gleich zu anderen Viren auch er- heblich resistenter gegen Inter- feron. Es besteht aber die Hoff- nung, vor allem bei Knochenmark- transplantationen, zuvor cytome- galienegative Empfänger durch ei- ne Prophylaxe mit Cytomegalie- Immunglobulinen zu schützen oder damit wenigstens einen blan- deren Krankheitsverlauf zu errei- chen. cas

Heni, N., et al., Klinik der Zytomegalie-Infek- tion des Erwachsenen, DMW 111 (1986) 13, 499-503.

Priv.-Doz. Dr. N. Heni, Kreiskrankenhaus, Ried- linger Straße 84,7950 Biberach 1.

FÜR SIE GELESEN

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Auch diese Zahl wird der Statistik der Bundesagentur für Arbeit entnommen und zeigt die Dichte der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten auf 100 Einwohner..

Hilfe zum Lebensunterhalt (+5,5 %) sowie in der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (+3,8 %) sind dagegen gegenüber dem Vorjahr weiter angestiegen, es handelt sich

das Transplantat nicht abgesto- ßen wird (host versus graft reac- tion), werden mit dem Knochen- mark auch gleichzeitig Abwehr- zellen oder ihre Vorläufer übertra- gen, die sich

phern und Gleichnissen beschrieben. Honecker sagt über das Motiv „Chri- stus der Arzt": „Der Sinn der Aufnahme der Christus-medicus-Vorstellung ist zunächst einmal der

Zur Beantwortung dieser Frage wurde deshalb die reaktive Hyperämie bei Patienten mit schwerer Aortenstenose beim Klappenersatz intraoperativ mit Hilfe einer speziell für den Zweck

Nach retrospektiven Analysen der internationalen Registraturen für Knochenmarktransplantation lie- gen die Heilungschancen durch allo- gene Knochenmarktransplantation

Im Vergleich zu den übrigen im Biomed-1-Programm vertrete- nen europäischen Ländern liegt Deutschland somit im mittleren Be- reich (höchster Wert in den Nieder- landen 1,04;

Durch eine zunehmend bessere Beherrschung der immu- nologischen Reaktionen ist es in den vergangenen zehn Jahren aber möglich geworden, auch nicht-verwandte Spender für den