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Archiv "Herzchirurgie: Mangel an Spenderherzen ist der limitierende Faktor" (29.10.2004)

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eit im Dezember 1967 im süd- afrikanischen Kapstadt das erste Herz verpflanzt wurde und nur vier- zehn Monate später in München auch der erste deutsche Patient ein neues Herz erhielt, hat sich viel getan. Die 8-Jahres-Überlebensraten liegen heute, abhängig von der Grunderkrankung, zwischen 70 und 80 Prozent. Prof. Dr.

med. Bruno Reichart (München) geht davon aus, dass die Langzeitprognose bei den im neuen Millennium durchge- führten Herztransplantationen (HTX) noch besser ist.

Von der chirurgischen Seite her sind die Ergebnisse der HTX nur noch in Nuancen verbesserbar. Was allerdings zählt, ist die Erfahrung des Operateurs.

Eine ISHLT-Statistik (International So- ciety for Heart and Lung Transplanta- tion) lässt einen „cut-off-point“ von 19 HTX pro Jahr erkennen. In Zentren mit jährlich weniger derartigen Eingriffen war die Todesrate im ersten Jahr danach statistisch signifikant höher als dort, wo häufiger ein Herz verpflanzt wird.

Für bemerkenwert hält Reichart, dass sich die Schere zwischen den bei- den Gruppen über die Zeit weiter geöffnet hat. Während bei den Viel- transplanteuren die Ergebnisse immer besser wurden, blieben sie in Zentren mit niedriger HTX-Frequenz konstant auf dem niedrigeren Niveau.

Inzwischen wird die Indikation für eine HTX sehr weit ausgelegt. In München können mit einer Sonder- genehmigung der Deutschen Trans- plantationsgesellschaft und Eurotrans- plant erstmals auch Patienten mit ma- lignen Herztumoren wie Angiosarko- men oder Leiomyosarkomen transplan- tiert werden. Bisher haben sechs Kan-

didaten ein neues Herz erhalten, sind vier nach sieben bis 37 Monaten ver- storben, zwei haben acht bis elf Monate überlebt.

Auch eine HIV-Infektion ist nach Aussage von Reichart heute kein Aus- schlusskriterium mehr für eine HTX.

Voraussetzungen seien geringe Virus- last und guter Immunstatus. Die ersten publizierten Erfahrungen einer Ar- beitsgruppe aus San Francisco (USA) bei 45 Patienten nach Nieren- und Le- ber-TX sähen vielversprechend aus.

Die 1-Jahres-Überlebensraten hätten

sich nicht wesentlich von den durch- schnittlichen Erfolgsraten des UNOS- Registers (United Network for Organ Sharing) unterschieden (Roland et al.

AIDS Patient Care STDS 2003).

Der wesentliche Faktor für die Leta- lität jenseits des ersten HTX-Jahres ist die Transplantatvaskulopathie (TVP).

Wenn auch die Pathogenese noch nicht ganz verstanden ist, so wurden jedoch als wesentliche Promotoren für diese akzeleriert verlaufende Form der Athe- rosklerose in den Koronararterien und intramyokardialen Gefäßen einerseits M E D I Z I N R E P O R T

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A2932 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 101⏐⏐Heft 44⏐⏐29. Oktober 2004

Herzchirurgie

Mangel an Spenderherzen ist der limitierende Faktor

Die Langzeitprognose bei Herztransplantationen hat sich

verbessert. Technische Fortschritte sind auch bei den temporären Unterstützungssystemen zu verzeichnen.

„Herzen sind besser bei einem lebenden Patienten aufgehoben als im Grab . . .“

Während bei den Transplantationen anderer solider Organe 2003 in Deutsch- land eine leichte Zunahme verzeichnet wurde, war die Zahl an HTX weiter rückläufig. Die Gründe dafür sind vielfältig. Dank der Fortschritte in der In- tensivmedizin gibt es die „klassischen Spender“ – junge Opfer von Motorrad- oder anderen Verkehrsunfällen – kaum noch. Bei den älteren Organspendern ist jedoch je nach Grundkrankheit und Todesursache das Herz oft so stark ge- schädigt, dass es – im Gegensatz zu Leber und Nieren – nicht mehr transplan- tierbar ist. Außerdem gibt es zwei Nieren, lässt sich die Leber teilen und ist bei diesen Organen auch die Lebendspende möglich.

Ungünstig ausgewirkt hat sich nach übereinstimmender Aussage verschiede- ner Experten die Implementierung des neuen Transplantationsgesetzes Ende der 90er-Jahre. Auch die jüngsten gesundheitspolitischen Entscheidungen trügen zu einer Verunsicherung von Patienten und Ärzten bei, betonte Prof. Rainer Körfer (Bad Oeynhausen). Darüber hinaus seien auch nicht alle Herzzentren HTX-An- hänger. Das liege unter anderem an der Hirntoddiskussion. Dies müsse er zwar re- spektieren, könne es aber nicht nachvollziehen. Für ihn sind Organe besser bei ei- nem lebenden Patienten aufgehoben als im Grab. „Obwohl wir heute auch Spen- derherzen von über 70-Jährigen akzeptieren, sind wir de facto ein Organimport- land. Im europaweiten Vergleich werden in Deutschland die wenigsten Organe zur Verfügung gestellt.“ Dazu komme, dass man Angehörige sehr viel eher über- zeugen könne, die Leber oder Niere eines gerade Verstorbenen zu spenden als sein Herz. Das sei noch immer eine hoch emotionale Diskussion. bl-ki

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akute Abstoßungsreaktionen und ande- rerseits klassische Risikofaktoren wie Hyperlipidämie und Diabetes mellitus identifiziert.

Durch Anpassung des immunsup- pressiven Regimes konnte im Laufe der Zeit die Inzidenz für akute Ab- stoßungsreaktionen immer weiter ge- senkt werden. Nachdem man Cyclospo- rin durch Tacrolimus und Azathioprin durch Mycophenolatmofetil ersetzt ha- be – jeweils in den ersten sechs Mona- ten zusammen mit Steroiden – sei lang- fristig auch der Anteil von Patienten ohne Transplantationsvakulopathie ge- stiegen, von etwa 40 auf nahzu 75 Pro- zent im achten Post-HTX-Jahr, berich- tete Reichart. Seit kurzem kombiniere man Tacrolimus mit niedrig dosiertem Sirolimus und sähe kaum noch akute Abstoßungsreaktionen.

Sinnvoll hält der Herzchirurg eine frühzeitig beginnende Prophylaxe mit einem Statin. Damit lasse sich das Risiko für chronisches HTX-Versagen und die Mortalität in einem Zeitraum von acht Jahren um etwa 20 bis 50 Prozent sen- ken. Bei TVP-Patienten mit therapie- resistenter Hypercholesterinämie in Verbindung mit hohen Fibrinogenkon- zentrationen kann die Prognose durch HELP (Heparin-mediated Extracorpo- ral LDL-Fibrinogen Precipitation) ent- scheidend verbessert werden.

Glomeruläre Filtrationsrate nimmt kontinuierlich ab

Ein Bereich, der bei der Nachsorge eben- falls besondere Aufmerksamkeit ver- dient, ist die Niereninsuffizienz. Aus ver- schiedenen Untersuchungen geht her- vor, dass die glomeruläre Filtrationsrate nach HTX über die Zeit kontinuierlich abnimmt und nach zehn Jahren etwa jeder zehnte Patient dialysepflichtig ist (Hornberger et al., Transplantation 1998). Einen nicht unerheblichen Anteil daran hat die Nephrotoxizität der im- munsuppressiven Standardregime mit Calcineurininhibitoren.

In dieser Hinsicht günstiger scheint die neue Substanzklasse der mTor-In- hibitoren (mammalian Target of Ra- pamycin) zu sein. Die Ergebnisse erster Umstellungsstudien sind vielverspre- chend. Zur Abstoßungsprophylaxe zu-

gelassen sind derzeit Sirolimus (nach Nieren-TX) und seit kurzem auch Evero- limus (nach Nieren- und Herz-TX).

Während weltweit die jährliche Zahl an Herztransplantationen seit Mitte der 90er-Jahre mit rund 5 000 in etwa gleich

geblieben ist, wird in Deutschland ein negativer Trend beobachtet – zwischen 1999 und 2003 allein ein Minus um mehr als 20 Prozent (Grafik). Demzu- folge steigt die Wartezeit für die Patien- ten (2003 durchschnittlich 210 Tage) und damit ihr Risiko, die Zeit bis zu HTX nicht zu überleben. Die Todesrate auf der Warteliste war 2003 mit etwa 19 Prozent nahezu dreimal höher als im Durchschnitt des UNOS-Registers (sieben Prozent).

Überbrücken lässt sich die Zeit mit

„Assist Devices“. Vorreiter sind die Herzzentren Berlin und Bad Oeynhau- sen. Der Begriff „Kunstherz“ sei ir- reführend, betonte Prof. Dr. med. Ro- land Hetzer (Berlin), weil das Herz nicht ersetzt, sondern in der Regel

„nur“ bei seiner Pumpleistung unter- stützt werde. Der Fortschritt auf die- sem Gebiet ist enorm. Gegenüber den ersten, in den 80er-Jahren eingesetzten Geräten sind die Antriebsaggregate wesentlich kleiner und geräuschärmer geworden. Es gibt auch Systeme, bei denen die erforderliche Energie per In- duktion über die unverletzte Haut zu- geführt wird.

In einigen Fällen besteht auch die Chance, dass sich die Herzen unter der Entlastung durch die künstliche Pumpe wieder erholen. Am Berliner Herzzen- trum überblickt man etwa vierzig Patien-

ten, bei denen nach unterschiedlich lan- ger Zeit das Unterstützungssystem wie- der explantiert wurde und die heute bis zu neun Jahren mit dem wieder erholten Herzen leben. Jedoch könne man bisher zum Zeitpunkt der Implantation noch nicht abschätzen, welche Herzen profitieren und wie dauerhaft eine poten- zielle Erholung sei, erläu- terte Hetzer.

Es wäre schön, wenn man einen echokardio- graphischen oder bioche- mischen Marker hätte.

Relativ gut seien die Aus- sichten nach den bisheri- gen Erfahrungen bei sehr kurzer Dauer der Herzin- suffizienz, wie beispiels- weise bei einer akuten Myokarditis oder einer Intoxikation und darüber hinaus bei Kindern. Das erste Unterstützungssystem für Kinder sei in Deutschland entwickelt worden.

Fortschritte hat es aber auch beim echten „Kunstherz“ gegeben. Beim weltweit ersten Versuch 1982 in Salt Lake City (USA) hatte die von einem Luftkompressor angetriebene Appara- tur ein Gewicht von etwa 180 Kilo und das Format eines Kühlschranks. Das seit drei Jahren verfügbare AbioCor™

wird dagegen elektrisch angetrieben, ohne Zuführung von außen. Bisher ha- be man in den USA elf dieser Systeme implantiert, berichtete Hetzer. Alle Pa- tienten seien aber nach spätestens 17 Monaten verstorben. Dabei dürfe man nicht außer Acht lassen, dass es sich um ein schwer krankes Kollektiv mit einer Lebenserwartung von maximal 30 Ta- gen gehandelt habe.

„Ich denke, wir erleben gerade ei- ne Phase des Übergangs von der tem- porären Anwendung als ,bridge-to- transplant‘ hin zum dauerhaften Ein- satz“, zog Hetzer ein Fazit. Möglicher- weise sei das auch die Lösung für den Mangel an Spenderherzen – seiner Auffassung nach eher als die Xeno- transplantation oder Stammzellenim- plantation. Gabriele Blaeser-Kiel

Gemeinsame Jahrestagung der Deutschen, Österreichi- schen und Schweizerischen Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie in Hamburg

M E D I Z I N R E P O R T

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A2934 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 101⏐⏐Heft 44⏐⏐29. Oktober 2004

Der Bedarf kann nicht mehr gedeckt werden: Zahlen der Herz- transplantationen und der Warteliste von 1999 bis 2003.

Grafik

500–

400–

300–

200–

100–

0– 1999 2000 2001 2002 2003

Quelle: Prof. Bruno Reichart Transplantationen Warteliste 480 495

407

381 394 347

395

359 374

473

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