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Archiv "Davos ehrt berühmte Schriftsteller" (27.08.1982)

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen Ernst Weiß

und fleckiger Haut endeten. Was bleibt, ist der Name: Als Gylden- dalphänomen, als gestickte Initia- len in den Handschuhen des „Ari- stokraten", eines Aristokraten, der zuletzt in der Fabrik arbeitete.

Dieser Ehrgeiz: Gedruckt zu wer- den, bei S. Fischer, bei Wolff, bei Julius Kittls Nachfolger in Mäh- risch-Ostrau, bei Rowohlt, Zsolnay und Ullstein, jetzt bei Suhrkamp;

dieser Ehrgeiz, der den Schriftstel- ler abhob von gewöhnlichen Men- schen, der ihn befreite von der Ab- hängigkeit von Frauen als geleb- ten Liebesromanen, der ihm die Möglichkeit gab, sich völlig zu lö- sen von der Realität dieser Welt, die unter ihm langsam dem Unter- gang entgegentrieb, die sich ver- schlissen hatte in zwei Weltkrie- gen, deren Wertsystem bachab ge- gangen war wie die Kriegsanlei- hen des Vaters des Armen Ver- schwenders, einer Welt, die nicht mehr aus noch ein wußte, in der die Ratlosigkeit ihre Herrschaft angetreten hatte: Diese Welt konn- te vergessen werden, wenn es dar- um ging, Eingang zu finden in die Bibliotheken der Erde, in die ger- manistischen Aufsätze, in die Re- daktionen der Zeitungen.

Die Angst vor dem Tod

Denn hinter diesem Ehrgeiz stand noch etwas anderes als die aktuel- le Jagd nach Selbstverwirkli- chung. Etwas Archaisches, spezi- fisch Menschliches. Es war die Angst vor dem Tod. Diese Angst vor dem Tod war so groß, daß sie nicht ausgesprochen wurde, so groß, daß der Tod nicht beim Na- men genannt werden konnte, son- dern nur mit T. bezeichnet (im

„Aristokraten"), und doch ist die- se Angst vor dem Tod, gerade, weil sie so ungeheuer groß war, daß man sie nicht beim Namen nennen durfte, ein Tabu im Sinne Freuds, der treibende Motor hinter diesem Leben.

Aus Angst vor dem Tod entstan- den nach und nach die Romane, entstanden die Erzählungen, die

Theaterstücke, die Essays. „Das Unverlierbare", so ist ein Band be- titelt, und der Autor mochte sich verloren glauben in einer Welt, die hindriftete auf die kardinale Frage, hundert Jahre nach seinem Ge- burtstag an die Wand gesprüht:

Was zählt schon ein Menschen- leben?

Der Tod

als lang erwartetes Erlebnis

„Das Unverlierbare": Seine physi- sche Existenz hörte auf mit dem Einmarsch der Deutschen, Weiß nahm in der Badewanne 40 Vero- nal, aber seine Bücher gingen auch verloren. Versanken nach und nach in dem Moor des Ver- gessens, und mühsame Kleinar- beit einer Wissenschaft, die am ehesten als Archäologie der Lite- ratur bezeichnet werden kann, grub diese Fundsachen nach und nach wieder aus, brachte sie ans Tageslicht, säuberte sie und legte sie vor. Mit geradezu zwingender Konsequenz sind manche seiner Romane angelegt auf das tödliche Ende: Gyldendal, der Vater des Ar- men Verschwenders, Franziska.

Der Tod, der als solcher nicht ge- nannt wird, kommt da als langer- wartetes Erlebnis, das die Wirk- lichkeit in ihren engen Dimensio- nen, in ihren ganzen Widersprü- chen aufhebt, ein Tod, der eine (fiktive) Ausweghaftigkeit hat wie die Literatur für den Arzt.

In Paris, unweit der Stelle, wo der tote Ernst Weiß aufgefunden wur- de, nahm sich Jahrzehnte später ein Dichter das Leben, der eben- falls aus dem Einzugsbereich des alten Österreich stammte, dessen beide Eltern ermordet wurden, und der das ganze Durcheinander, das ganze grausame Chaos einer Welt, die durch den Fleischwolf gedreht war, noch einmal in eine Ordnung brachte.

Dieser Dichter, der aus dem fernen Czernowitz kam (unser Ernst Weiß stammt aus dem vergleichbar na- hen Brünn), sah seinen Abgang wie eine Vision:

Er aber hielts, da er manches er- blickt,

mit den Blinden:

er ging und pflückte zuviel:

er pflückte den Duft —

und die's sahn, verziehn es ihm nicht. (Paul Celan, Kenotaph)

Mein Dank gilt: Prof. Dr. F. Czeike, Wien; Dr.

Egger, Wien; P. Engel, Hamburg; Frau Prof.

Dr. E. Fischer-Homberger, Bern; Dr. Haiger, Wien; Prof. Dr. K.-P. Hinze, Cleveland/Ohio;

Frau M. Howald, Bern; Frl. Dr. U. Längle, Inns- bruck; Dr. G. Schmezer, Bern; H. Wäber, Bern;

PD Dr. E. Wondräk, Olmütz; Prof. Dr. Wyklicky, Wien, und vielen anderen.

Anschrift des Verfassers:

Dr. med. Peter Gundel Basler Straße 64 7850 Lörrach

Davos ehrt

berühmte Schriftsteller

Mit einer öffentlichen Ge- denkfeier und der Enthül- lung einer Gedenktafel an der „Villa am Stein" in Davos Platz gedachte Davos der berühmten englischen Schriftsteller Robert Louis Stevenson und Sir Arthur Conan Doyle sowie Thomas Manns. Nach einem ersten Davoser Aufenthalt im Win- ter 1880/81, von dem er Ge- nesung von seiner Krankheit erhoffte, vollendete Steven- son im Winter 1881/82 im da- maligen „Chalet Stein" die Abenteuergeschichte „Die Schatzinsel", schrieb dort den Roman „Silverato Squatters" und beendete auch das Werk „Child's Gar- den of Verses".

Nach Stevenson waren zwölf Jahre später auch der Ver- fasser von Sherlock Holmes, Sir Arthur Conan Doyle, und im Jahre 1912 Thomas Mann in der „Villa am Stein" abge

stiegen. ❑

62 Heft 34 vom 27. August 1982 79. Jahrgang DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Ausgabe B

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