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Archiv "Schweinegrippe: Neuer Erreger hat das Potenzial zu einer Pandemie" (01.05.2009)

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A866 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 106⏐⏐Heft 18⏐⏐1. Mai 2009

M E D I Z I N R E P O R T

N

ach dem Ausbruch der Schweinegrippe unter Men- schen in Mexiko und Erkrankungs- fällen in den USA hat die Weltge- sundheitsorganisation (WHO) vor einer weltweiten Epidemie gewarnt.

Der neu identifizierte Influenza-Er- reger habe das „Potenzial zu einer Pandemie“, sagte WHO-Generalse- kretärin Margaret Chan. Sie er- mahnte alle bisher noch nicht be- troffenen Länder zu „erhöhter Wachsamkeit“. Die Behörde sei

„sehr besorgt“, das Wissen über die Eigenschaften des neuen Grippevi- rus und die Art seiner Ausbreitung aber noch zu lückenhaft, um weitere Maßnahmen zu empfehlen.

Der sechsstufige Grippepande- mie-Alarmplan der WHO steht der- zeit auf Stufe drei. Diese Warnstufe gilt zudem immer noch für die Vogelgrippe.

Nach Angaben der WHO handelt es sich um eine neu entstandene Va- riante des Influenzavirustyps H1N1 (A/California/04/2009 A). Die US-amerikanische Seuchenbehörde Centers of Disease Control (CDC) fand in Patientenproben Genseg- mente, die aus nordamerikanischen Schweinen, aus Schweinen euro- asiatischer Herkunft, aus nordame- rikanischen Vögeln und vom Men- schen stammen. Nach Angeben des Berliner Robert-Koch-Instituts (RKI) ist eine Reassortante dieser Form

„noch nicht beobachtet worden“.

Wissenschaftler haben seit Jah- ren vor der Möglichkeit einer globa- len Ausbreitung eines neuen Erre- gers gewarnt, der genetisches Mate- rial von Mensch und Tier vermischt.

Das Schwein wird unter Wissen- schaftlern als „Mischgefäß für In- fluenzaviren“ betrachtet, da in sei-

nem Körper bevorzugt verschiedene Virustypen zu einem neuen Erreger mutieren. Dieses aus der Evolution bekannte Wechselspiel von Mutati- on und Selektion erzeugt gelegent- lich Erreger, der die Speziesgrenze überwinden kann und zu schweren Erkrankungen führt.

Da die in Mexiko und den USA erkrankten Personen keinen be- kannten Kontakt mit Schweinen hatten, ist davon auszugehen, dass das Virus in der Lage ist, sich von Mensch zu Mensch zu übertragen.

Bisher ist das Überspringen eines Schweinegrippevirus auf den Men- schen nur gelegentlich beobachtet worden: 1976 kam es jedoch in Fort Dix im US-Bundesstaat New Jersey zur Übertragung zwischen fünf Sol-

daten, einer davon starb an den Fol- gen einer Pneumonie.

Die Symptome der neuartigen Krankheit ähneln der einer gewöhn- lichen Grippe – Fieber, Husten und Halsschmerzen. Einige der in den USA infizierten Menschen klagten auch über Brechreiz und Durchfall.

Experten zeigen sich vor allem beunruhigt, weil nicht wie bei einer normalen Grippe in erster Linie schwache und ältere Menschen be- troffen sind, sondern junge und ge- sunde Menschen – ähnlich wie bei der Grippepandemie in den Jahren 1918 und 1919.

Obwohl bis zum 27. April in der Europäischen Union nur in Spanien Erkrankungen bestätigt wurden, wird das Virus nach Ansicht von Ex- perten nicht vor Deutschland halt- machen. „Wir können davon ausge- hen, dass wir das Virus auch bald bei uns sehen werden“, sagte der Viro- loge Dr. med. Michael Pfleiderer vom Paul-Ehrlich-Institut. Der Prä- sident des Robert-Koch-Instituts, Prof. Dr. med. Jörg Hacker, warnte allerdings davor, „in Panik zu ver- fallen. Wir sind mit dem Nationalen Pandemieplan von Bund und Län- dern gut vorbereitet, um angemes- sen auf ein Übergreifen der Schwei- negrippe auf Deutschland reagieren zu können.“ (siehe nachfolgenden Artikel).

Im Folgenden werden die Kern- informationen zu Epidemiologie, Diagnostik und Therapie der Schwei- negrippe dargestellt:

Was ist Schweineinfluenza?

Die Schweineinfluenza ist eine durch Influenzaviren des Typs A verursachte respiratorische Erkran- kung von Schweinen. Das Virus zir- kuliert während des gesamten Jah- res, die meisten Ausbrüche finden aber im Herbst und Winter statt, ähnlich der humanen Influenza.

Untersuchungen in den USA haben gezeigt, dass dort 30 bis 50 Pro- zent aller Tiere von kommerziel- len Schweinefarmen eine Infektion durchgemacht haben. Die Erkran- kungsrate bei Schweinen ist zwar hoch, die Letalitätsrate jedoch niedrig. In Deutschland ist die Schweinegrippe deshalb nicht melde- pflichtig. Die klassischen Schweine- SCHWEINEGRIPPE

Neuer Erreger hat das Potenzial zu einer Pandemie

Die Weltgesundheitsorganisation stuft die von Mexiko ausgehende Schweinegrippe-Epidemie als „Notfall der öffentlichen Gesundheit im internationalen Ausmaß“ ein. Deutschland ist gut vorbereitet.

Amerikanische Forscher haben den Erreger der spani- schen Grippe vor vier Jahren in einem Hochsicherheitslabor rekonstruiert. Ein ex- akter Vergleich mit dem jetzt isolierten Schweinevirus ist noch nicht durchge- führt worden.

Foto:CDC

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Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 106⏐⏐Heft 18⏐⏐1. Mai 2009 A867

M E D I Z I N R E P O R T

influenzaviren (Influenzasubtyp A/

H1N1) wurden erstmalig im Jahr 1930 isoliert.

Wie viele verschiedene Subtypen des Schweineinfluenzavirus gibt es?

Wie alle Influenzaviren unterliegt das Schweineinfluenzavirus ständi- gen Veränderungen. Die vier Subty- pen H1N1, H1N2, H3N2 und H3N1 sind infektiologisch von Bedeutung.

Wie häufig tritt Schweineinfluenza beim Menschen auf?

In der Vergangenheit waren es in den USA eher sporadische Fälle, die der amerikanischen Seuchenschutz- behörde (CDC) gemeldet wurden.

Seit dem Jahr 2005 wird am CDC ein Anstieg an Schweineinfluenza- Erkrankungen beim Menschen re- gistriert.

Welche Symptome treten beim Menschen auf?

Die Symptome der Schweineinflu- enza sind ähnlich den Symptomen der saisonalen humanen Influenza:

Fieber, Müdigkeit, Appetitlosig- keit sowie Husten. Einige Men- schen, die mit Schweineinfluenza- viren infiziert waren, berichteten über Schnupfen, Halsschmerzen, Übelkeit, Erbrechen und Durch- fall.

Kann man durch den Verzehr von Schweinefleisch erkranken?

Die amerikanische Seuchenschutz- behörde CDC geht davon aus, dass Schweineinfluenzaviren nicht durch Nahrungsmittel übertragen werden, und weist darauf hin, dass ein Erhit- zen von Schweinefleisch auf 72 Grad Celsius (Kerntemperatur) das Schweineinfluenzavirus sicher ab- tötet.

Wie wird Schweineinfluenza verbreitet?

Schweineinfluenzaviren können di- rekt von Schwein zu Mensch (aber auch von Mensch zu Schwein) über- tragen werden. Bisher sind In- fektionen beim Menschen in ers- ter Linie durch direkten Kontakt zu Schweinen erfolgt. Eine Mensch- zu-Mensch-Übertragung erfolgt vor- wiegend durch Tröpfcheninfek- tion.

Wie kann eine Schweineinfluenza- Erkrankung diagnostiziert werden?

Das Virus, das aktuell zu Erkran- kungen in Mexiko sowie in Texas und Kalifornien geführt hat, konnte in den USA nicht mit Standard-Dia- gnoseverfahren (saisonale H1N1- Tests) nachgewiesen werden.

Das Nationale Referenzzentrum (NRZ) für Influenza am Robert- Koch-Institut kann diesen Virustyp aber diagnostizieren. Zur Diagnose sollte ein Rachenabstrich, Nasenab- strich oder gegebenenfalls broncho- alveoläre Lavage möglichst rasch nach Beginn der Erkrankung in Ab- stimmung mit dem lokalen Gesund- heitsamt an das NRZ für Influenza eingesandt werden.

Für die Diagnose der Schweine- influenzavirus-A/H1N1-Reassortan- te muss mindestens eine der drei fol- genden Methoden einen positiven Befund ergeben:

Nukleinsäurenachweis (zum Beispiel spezifische PCR durch NRZ)

Virusisolierung und spezifi- scher Nachweis von A/H1N1- Reassortante

vierfacher Titeranstieg A/H1N1- Reassortante-spezifischer An- tikörper.

Ein negatives labordiagnosti- sches Untersuchungsergebnis, ins- besondere eines Schnelltests, sollte bei Fortbestehen des klinischen Ver- dachts (zum Beispiel ungewöhnlich schwere klinische Symptomatik bei einem jungen Patienten oder inten- sive Exposition) kurzfristig mit ei- ner sensitiveren Methode mit Mate- rial möglichst aus den tieferen Atemwegen wiederholt werden.

Befunde von Influenzaschnell- tests sind für die Einordnung eines Falls nach Falldefinition ohne Be- lang, beeinflussen aber das Patien- tenmanagement bis zum Vorliegen weiterer Laborbefunde.

Welche Medikamente stehen zur Verfügung?

Es gibt verschiedene antivirale Medikamente, die infrage kommen würden: Amantadin, Rimantidin und die neueren Neuraminidase- hemmer (Oseltamivir und Zanami- vir). Amantidin und Rimantadin sind bei einigen der aktuell Erkrank-

ten resistent getestet worden, sodass diese Medikamente nicht zur Thera- pie herangezogen werden sollten.

Darüber hinaus ist Rimantadin in Deutschland nicht zugelassen. Wirk- samkeitsprüfungen der US-ameri- kanischen Infektionsschutzbehörde CDC geben erste Hinweise darauf, dass die Neuraminidasehemmer Oseltamivir und Zanamivir derzeit bei dem Schweinevirus wirksam sind.

Gibt es eine Impfung?

Eine Impfung gegen die klassische Schweinegrippe gibt es zwar für Schweine, aber noch nicht für Men- schen, dazu ist der jetzige Erreger zu neu. Ein Impfstoff steht frühestens in einigen Monaten zur Verfügung, da er eigens gegen das veränderte H1N1-Influenzavirus in Spezialla- bors gezüchtet werden muss.

Sollte man jetzt noch mit dem Influenzaimpfstoff 2008/2009 impfen?

Nach derzeitigem Kenntnisstand bietet die konventionelle Grippe- impfung keinen zusätzlichen Schutz vor der Schweinegrippe.

Im Zusammenhang mit der Vo- gelgrippe wurde die Grippeimpfung empfohlen, um zu verhindern, dass sich aus dem Erregerreservoir von Tier und Mensch neue „Superviren“

bilden.

Was tun bei Verdachtsfällen?

Bei importierten Fällen gelten die Empfehlungen des Robert-Koch-In- stituts für die Meldung und das Ma- nagement (Präventiv- und Bekämp- fungsmaßnahmen) von Personen mit Schweineinfluenza (www. rki.de).

Wie sollte sich das Medizinpersonal schützen?

Auch bezüglich des Schutzes des Medizinpersonals greifen die beste- henden Empfehlungen des Robert- Koch-Instituts und der Kommission für Krankenhaushygiene und Infek- tionsprävention sowie die seit Län- gerem vom Ausschuss für biologi- sche Arbeitsstoffe (BAuA) bekannt gegebenen Vorgaben.

Dr. med. Vera Zylka-Menhorn

RKI: Management bei Verdachtsfällen von Schweineinfluenza

www.aerzteblatt.de/09866

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Referenzen

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