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Archiv "Früherkennung Zervixkarzinom: Wird mit dem neuen Gesetz alles besser?" (14.12.2012)

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FRÜHERKENNUNG ZERVIXKARZINOM

Wird mit dem neuen Gesetz alles besser?

Seit 1971 gibt es in Deutschland ein Screening auf Gebärmutterhalskrebs. In Zukunft soll nach dem Willen der EU ein organisiertes Programm an dessen Stelle treten.

Ob das die Früherkennung des Zervixkarzinoms verbessert, kann bezweifelt werden.

D

er Gesetzentwurf zum neuen Krebsfrüherkennungs- und -registergesetz liegt vor und soll in Kürze in Kraft treten. Danach hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) innerhalb von drei Jahren auch die Früherkennungsuntersu- chung für Gebärmutterhalskrebs als

„organisiertes Programm“ gemäß EU-Empfehlungen anzubieten. Ins- besondere ist damit gemeint, dass Frauen in regelmäßigen Abständen zu diesem Screening eingeladen werden, ähnlich wie beim Mam- mographie-Screening. Damit ver- bunden wäre eine deutliche Ver- längerung der Untersuchungsinter- valle, wie beispielsweise in Groß- britannien, wo Frauen im Alter von 25 bis 49 Jahren alle drei Jahre und im Alter von 50 bis 65 Jahren alle fünf Jahre eingeladen werden. Was könnte durch ein „organisiertes Programm“ in Deutschland bei der Früherkennung von Zervixkarzino- men besser werden?

Weniger Neuerkrankungen seit Beginn des Screenings

Seit 1971 gibt es in der Bundesre- publik ein Screening auf Gebärmut- terhalskrebs. Frauen ab 20 Jahren haben einmal im Jahr Anspruch auf eine Früherkennungsuntersuchung mit einem sogenannten PAP-Test.

Die Zahl der jährlichen Neuerkran- kungen an Gebärmutterhalskrebs lag in den 70er Jahren bei 40 pro 100 000 Frauen, eine im europä - ischen Vergleich sehr hohe Rate.

Seitdem ist die Inzidenz in Deutsch- land um mehr als 70 Prozent ge - sunken. Europaweit haben Neuer- krankungen mit Einführung von Früherkennungsprogrammen deut- lich abgenommen; niemand zwei-

felt daran, dass dies vor allem auf die Einführung des PAP-Tests zu- rückzuführen ist. Rechtzeitig im Screening erkannte Krebsvorstufen können durch Exzision an der Zer- vix entfernt und somit das invasive Karzinom verhindert werden.

Gute Ergebnisse mit der bisherigen Früherkennung

Ein gutes Früherkennungsprogramm erreicht möglichst viele Frauen, ver- ursacht möglichst wenig vermeid- bare Beunruhigung durch auffällige Abstriche, führt zu möglichst weni- gen unnötigen operativen Eingriffen und – als wichtigstes Ziel – senkt nachhaltig die Neuerkrankungsrate.

Was erreichen wir gegenwärtig mit dem deutschen opportunistischen – also per definitionem – nicht „orga- nisierten“ Programm?

Nach aktuellen Abrechnungsdaten nehmen in Deutschland 75 bis 78 Prozent der Frauen vom 25. bis zum 49. Lebensjahr und 63 bis 72 Prozent zwischen dem 50. und 65. Lebens- jahr innerhalb von vier Jahren an der Früherkennung des Zervixkarzinoms teil. Damit werden die Ergebnisse ei- ner Untersuchung des Zentralinsti- tuts für die kassenärztliche Versor- gung aus dem Jahre 2009 bestätigt.

Im organisierten Screening des bri - tischen National Health Service (NHS) liegt die Teilnahmerate bei Frauen zwischen dem 25. und 49.

Lebensjahr bei 63 bis 74 Prozent (be- zogen auf 3,5 Jahre). Bei den 50- bis 64-Jährigen nehmen innerhalb von fünf Jahren 73 bis 83 Prozent teil.

In Deutschland werden im Rah- men der verpflichtenden Qualitäts- sicherungsvereinbarung zur Zervix- zytologie die Ergebnisse der PAP- Tests erhoben. Die Sammelstatisti-

ken zeigen Auffälligkeitsraten von unter drei Prozent, im britischen NHS sind es sechs Prozent.

Operative Eingriffe zur Entfer- nung von Krebsvorstufen der Zervix (Konisationen) werden in Deutsch- land in Krankenhäusern (stationär oder im Rahmen des ambulanten Operierens gemäß § 115 b SGB V) und in der ambulanten Versorgung durchgeführt. Auf Basis von Leis- tungsdaten der Techniker-Kranken- kasse (TK) wurden in den letzten Jahren mehrere Hochrechnungen zur Frage der jährlichen Frequenz von Konisationen vorgelegt.

Die aktuellste Schätzung präsen- tierte das Wissenschaftliche Institut der TK (WINEG) im Oktober 2011.

Danach wurden im Jahr 2010 in Deutschland 62 000 Konisationen durchgeführt. Die Zielpopulation des Screenings, also die Zahl der Anspruchsberechtigten, beträgt in Deutschland 30 Millionen Frauen, davon werden jährlich circa 15 Mil- lionen getestet.

In Großbritannien wurden im ver- gleichbaren Zeitraum 46 800 Ko- nisationen durchgeführt (Mittei- lung des Health and Social Care Information Centre des NHS). Die Zielpopulation in Großbritannien beträgt 13,7 Millionen Frauen;

3,4 Millionen wurden im Beobach- tungszeitraum gescreent. Auf Basis dieser Zahlen werden in Deutsch- land bezogen auf die anspruchsbe- rechtigte Population pro Jahr weni- ger Konisationen durchgeführt als in Großbritannien. Die These, dass mehrjährliche Intervalle, also sel- teneres Testen, zu weniger invasi- ven Proze duren und damit weniger potenzieller Übertherapie führen, bestätigt sich somit nicht.

Deutsches Ärzteblatt

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14. Dezember 2012 A 2513

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14. Dezember 2012 Das Robert-Koch-Institut (RKI)

hat im Frühjahr 2012 die jüngsten Zahlen zu Neuerkrankungen des Zervix karzinoms veröffentlicht, da- nach lag die europastandardisierte Rate in Deutschland im Jahr 2008 bei 9,5 auf 100 000. In Großbritan- nien lag diese Rate im Jahr 2009 bei 10,1 auf 100 000. Während in Deutschland die Zahl der Neuer- krankungen kontinuierlich sinkt, sind sie im NHS seit 2002 um mehr als neun Prozent gestiegen. Die höchsten Zunahmen sind bei den jungen Frauen zu verzeichnen. So liegt in der Altersgruppe der 25- bis

29-jährigen Frauen die Neuerkran- kungsrate in Großbritannien bei 17,9/100 000, in Deutschland nach RKI bei 5,3/100 000.

Wie die Bilanz zwischen Nutzen und Schaden der Früherkennung auf Zervixkarzinome durch die Ein- führung von Tests auf kanzerogene humane Papillomaviren (HPV) aus- sehen würde, kann nach Analysen des Instituts für Qualität und Wirt- schaftlichkeit im Gesundheitswe- sen nicht abschließend beurteilt werden, hier sind weitere Studien- ergebnisse abzuwarten.

G-BA soll die Früherkennung umfassend neu organisieren

Mit dem neuen Gesetz wird der Ge- meinsame Bundesausschuss beauf- tragt, das seit 40 Jahren etablierte

Früherkennungsprogramm auf Ge- bärmutterhalskrebs innerhalb von drei Jahren umfassend neu zu orga- nisieren, um die Empfehlungen der EU umzusetzen. Ziel soll sein, dieses Screening nachhaltig zu verbessern.

Vergleicht man allerdings die deutschen Ergebnisse mit den Daten aus Großbritannien, das häufig als Beispiel für die Umsetzung eines or- ganisierten Programms entsprechend der EU-Empfehlungen genannt wird, kommt man zu folgenden Schlüssen:

Die Teilnahmeraten bis zum Alter von 65 Jahren sind in beiden Systemen vergleichbar, lediglich

bei älteren Frauen erzielt das briti- sche Programm höhere Raten.

Die Rate an auffälligen Befun- den als Maß für die potenzielle Ver- unsicherung von untersuchten Frauen ist in Großbritannien doppelt so hoch.

Die Rate an invasiven Ein- griffen als Hinweis auf eine mög - liche Übertherapie ist in Großbri- tannien höher als in Deutschland, sowohl bezogen auf die Zahl der anspruchsberechtigten als auch auf die Zahl der tatsächlich untersuch- ten Frauen.

Die Rate der Neuerkrankun- gen als wichtigstes Ziel des Früher- kennungsprogramms ist in beiden Ländern vergleichbar, wobei vor allem in den jungen Altersgruppen in Großbritannien ein Anstieg zu be- obachten ist.

Auch wenn möglicherweise durch Einladungsschreiben höhere Teilnahmeraten bei den älteren Al- tersgruppen bewirkt werden kön- nen, darf bezweifelt werden, ob sich durch eine grundlegende System- umstellung die Qualität der Früher- kennung auf Gebärmutterhalskrebs in Deutschland nachhaltig steigern lässt. Welchen Effekt ein Einla- dungssystem auf die Altersgruppen haben wird, die bereits jetzt ho- he Teilnahmeraten aufweisen, kann nicht abgeschätzt werden, insbeson- dere wenn der Test nur noch alle drei bis fünf Jahre zulasten der

Krankenkassen durchgeführt werden kann. Auswirkungen von längeren Testintervallen auf die Zahl auffälli- ger Befunde und der daraus resultie- renden Abklärungs- und Exzisions- prozeduren sind nicht vorhersehbar.

Eine Überprüfung der bisherigen Screeningergebnisse im G-BA soll- te vorurteilsfrei und ergebnisoffen erfolgen. Auf keinen Fall darf je- doch aufgrund theoretischer Über- legungen und Empfehlungen der EU eine Umorganisation des er- folgreichen deutschen Screening- Programms zu einer höheren Er- krankungsrate an Zervixkarzinomen

führen.

Dr. med. Monika Mund, Kassenärztliche Bundesvereinigung

@

Literatur im Internet:

www.aerzteblatt.de/lit5012

Die Teilnahmera- ten bis zum Alter von 65 Jahren sind in beiden Systemen vergleichbar, ledig- lich bei älteren Frau- en erzielt das briti- sche Programm höhere Raten.

GRAFIK

Teilnahmerate Zervix-Karzinomfrüherkennung nach Altersgruppe

100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0

25–29 30–34 35–39 40–44 45–49 50–54 55–59 60–64 Altersgruppe

Prozent

2011 Großbritannien – NHS1 2011 Deutschland – GKV2

1Großbritannien: Teilnahme innerhalb von 3,5 Jahren in der Altersgruppe 25–49 und Teilnahme innerhalb von 5 Jahren in der Altersgruppe 50–64; 2Deutschland: Teilnahme innerhalb von 4 Jahren

Quelle: KBV

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LITERATURVERZEICHNIS HEFT 50/2012, ZU:

FRÜHERKENNUNG ZERVIXKARZINOM

Wird mit dem neuen Gesetz alles besser?

Seit 1971 gibt es in Deutschland ein Screening auf Gebärmutterhalskrebs. In Zukunft soll nach dem Willen der EU ein organisiertes Programm an dessen Stelle treten.

Ob das die Früherkennung des Zervixkarzinoms verbessert, kann bezweifelt werden.

LITERATUR

1. NHS Cervical Screening Programme Eng- land 2010–2011. http://www.ic.nhs.uk/

webfiles/publications/008_Screening/

cervscreen1011/Cervical_Bulletin_2010 _11_v1_1.pdf (letzter Zugriff am 07.11.2012).

2. Zentralinstitut für die Kassenärztliche Ver- sorgung in der Bundesrepublik Deutsch- land. Abschlussbericht Durchführung einer versichertenbezogenen Untersuchung zur Inanspruchnahme der Früherkennung auf Zervixkarzinom in den Jahren 2002, 2003 und 2004 auf der Basis von Abrechnungs- daten. Mai 2009. http://www.zi.de/cms/fi leadmin/images/content/PDFs_alle/Diskus sionspapier_ZervixCA.pdf (letzter Zugriff am 07.11.2012).

3. Hardy Müller, WINEG. Effekte des Scree- nings auf Zervix-Karzinom in Deutschland:

zur Häufigkeit und Verteilung von Konisatio- nen. Wissenschaftliches Institut der TK für Nutzen und Effizienz im Gesundheitswesen.

10. Deutscher Kongress für Versorgungs- forschung (Deutsches Netzwerk Versor- gungsforschung e.V. ) und 18. GAA-Jahres- tagung (Gesellschaft für Arzneimittelanwen- dungsforschung und Arzneimittelepidemio- logie e.V.), 21.10.2011, Köln. https://www.

tk.de/centaurus/servlet/contentblob/

404990/Datei/3665/Mueller-Vortrag-Effek te-Screening-Zervix-Karzinom-Verteilung- Konisationen-2011.pdf (letzter Zugriff am 07.11.2012).

4. Cancer Research UK. Cervical Cancer Inci- dence Statistics. http://www.cancerresear chuk.org/cancer-info/cancerstats/types/

cervix/incidence/ (letzter Zugriff am 07.11.2012).

5. Robert-Koch-Institut. Krebs in Deutschland.

8. Auflage 2012. http://www.krebsdaten.

de/Krebs/DE/Content/Publikationen/Krebs_

in_Deutschland/kid_2012/krebs_in_

deutschland_2012.pdf?__blob=publication File (letzter Zugriff am 07.11.2012).

6. Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen. Nutzenbewertung des HPV-Tests im Primärscreening des Zervix- karzinoms. Abschlussbericht [S10–01]

2011. https://www.iqwig.de/downlo ad/S10–01_AB_HPV-Test_im_Pri maers- creening_des_Zervixkarzinoms.pdf (letzter Zugriff am 07.11.2012).

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Referenzen

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