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Sex, Selbstbestimmung und Ideologie behinderte Bedürfnisse oder verhinderte Selbstbestimmung?

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Sex, Selbstbestimmung und Ideologie – behinderte Bedürfnisse oder

verhinderte Selbstbestimmung?

Ada Aust (15MAB023) Bachelorarbeit

(Modul: MM 15)

Fachhochschule der Diakonie Erstprüfer: Prof. Dr. Frank Dieckbreder Zweitprüfer: Bernd Heide-von-Scheven

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Inhaltsverzeichnis

Abstract...2

1 Einleitung...3

1.1 Aufbau und Ziel der Arbeit...4

1.2 Methodik...4

1.2.1 Vorbemerkung zur Umsetzung der Methodik...5

1.2.2 Zur Abweichung von Lehrmeinungen des wissenschaftlichen Arbeitens...6

2 Begriffsbestimmungen...7

2.1 Geistige Behinderung...7

2.2 Sexualität...8

2.2.1 Zu dem Begriff der Sexualität...8

2.2.2 Sexualität und geistige Behinderung ...9

2.2.3 Sexualität und die Menschenrechte ...10

2.3 Selbstbestimmung...12

2.4 Althusser's Ideologie und ideologische Staatsapparate...13

3 Ideologie und Erfahrungswelt versus Selbstbestimmung – ein Widerspruch?...16

3.1 Die herrschende Ideologie um die Sexualität von Menschen mit einer geistigen Behinderung...16

3.1.1 ISA der Interessenverbände ...17

3.1.2 ISA der Information ...18

3.1.3 Der juristische ISA...20

3.1.4 Weiterführende Bemerkungen...20

3.2 Gespräche mit Menschen mit einer geistigen Behinderung über die Erfahrungswelt „Sexualität“ ...21

3.3 Kritische Reflexion der sexuellen Selbstbestimmung der Befragten...26

4 Praxisbezug am Beispiel der Sexualität-AG der Lebenshilfe Osterholz...29

4.1. Das Konzept der Lebenshilfe Osterholz im Umgang mit Sexualität ...30

4.2 Evaluation der Umsetzung der Konzepts – ein Werkzeug zur Förderung der sexuellen Selbstbestimmung?...30

4.3 Empfehlungen und offene Fragen für die Praxis ...32

5 Fazit...34

5.1 Grenzen und Möglichkeiten der Arbeit ...35

5.2 Ethische Fragen und persönliche Schlussbemerkungen...35

Literatur...36

Anhang 1: Tabelle zu Abschnitt 3.1.1 - ISA der Interessenverbände...38

Anhang 2: Tabelle zu Abschnitt 3.1.2 - ISA der Information...39

Anhang 3: Tabelle zu Abschnitt 3.2 - Gespräche ...40

Anhang 4: Zusammenfassung der Kategorien (Faltblatt)...41

Anhang 5: Datenschutz / Einverständniserklärung ...42

Anhang 6: Themenleitfaden für die Gespräche ...43

Danksagung...44

Erklärung an Eides Statt ...45

(3)

Abstract

Menschen mit einer geistigen Behinderung scheinen oftmals in ihrer Sexualität eingeschränkt zu werden. Ausgehend von dieser Beobachtung behandelt diese Bachelorarbeit die Ideologie um die Sexualität von Menschen mit einer geistigen Behinderung. Die Leitfrage der Arbeit ist dabei: Inwieweit beeinträchtigt die herrschende Ideologie um die Sexualität von Menschen mit einer geistigen Behinderung deren sexuelle Selbstbestimmung? Mit Hilfe der qualitativen Sozial- forschungsmethode der Grounded Theory werden erste Erkenntnisse gewonnen. Bei der Analyse der ausgeübten Ideologie um die Sexualität von Menschen mit einer geistigen Behinderung von Interessenverbände, das Fernsehen und das Gesetz werden erste Kategorien heraus gefiltert. Zudem werden weiterführende Fragen aus diesen Kategorien mit ihren Eigenschaften abgeleitet. Durch Gesprächsausschnitte mit Menschen mit einer geistigen Behinderung wird zunächst ein Versuch unternommen deren Erfahrungswelt zu erfassen, um im Anschluss initial aufzuzeigen, dass deren sexuelle Selbstbestimmung unterschiedlich ausgeprägt ist. Am Beispiel der Sexualität- AG der Lebenshilfe Osterholz wird aufgezeigt, dass eine solche Arbeitsgruppe im Hinblick auf die sexuelle Selbstbestimmung der Adressaten/innen positiv zu bewerten sei. Das Ergebnis der Arbeit ist ein Fragenkatalog für zukünftige, daran anknüpfende Forschungsvorhaben, die die Zeit und den Raum haben Theorien zu entwickeln.

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1 Einleitung

David ist 27 Jahre alt. Er hat eine geistige und körperliche Schwerstmehrfach- behinderung. David ist nicht in der Lage verbal zu kommunizieren, sitzt in einem Rollstuhl und ist auf die ständige Unterstützung von Betreuern/innen angewiesen.

Morgens masturbiert er. David hat einen Freund. Marc heißt dieser. Die Fähigkeiten (oder Unfähigkeiten) scheinen bei beiden ähnlich. Auch Marc masturbiert. Beide lebten zusammen in einem Wohnhaus. Beiden wurde die Möglichkeit zu masturbieren eingeschränkt. Marc beispielsweise indem man ihm einen kalten Waschlappen auf das erregte Genital legte. David hingegen wurde direkt ein Body angezogen, sodass er seinen Penis nicht erreichen konnte. Ich stellte mir, wenn ich dies beobachtete, die Frage, wieso ich masturbieren darf, aber mein Bruder David und sein Freund in ihrer Masturbation unterbrochen, eingeschränkt oder ihnen sogar diese durch die Handhabung seitens der Betreuenden untersagt wurde?

Die MasterarbeitDisabled Desires?(Aust, 2012) beschäftigt sich mit der Frage nach der Verantwortung gegenüber dem Menschenrecht auf Sexualität im Hinblick auf Menschen mit einer schwerst-geistigen Behinderung, die sich verbal nicht äußern können. Aus Nussbaum's Konzept desGuardianships1 abgeleitet, kann geschluss- folgert werden:

The ultimate goal should be to give people with severe mental impairments every capability, or at least as many as possible. (…) This guardianship should make it possible for the person with disabilities to have (…) access to all central capabilities. (...) Hence, when it comes to sexuality, analogue to Nussbaum, someone should assist the individual with severe mental impairments to realise this capability for him [or her], when he [or she] is unable to do it by himself [or herself]. (Blockzitat)

(Aust, 2012, S. 39)

Die vorliegende Arbeit knüpft an eine im letzten Kapitel dieser Masterarbeit aufgestellte Behauptung an, deren Validität überprüft werden sollte. Gemeint ist nämlich jene Behauptung, dass den Bewohner/innen Attribute in ihrer Sexualität zugeschrieben werden. Diese Zuschreibung stehe im Widerspruch zu ihrer sexuellen Selbstbestimmung (Aust, 2012, S. 40 f.). Daher untersucht die vorliegende Arbeit die Leitfrage:Inwieweit beeinträchtigt die herrschende Ideologie um die Sexualität von Menschen mit einer geistigen Behinderung deren sexuelle Selbstbestimmung?

1 „Society should strive to give her as many of the capabilities as possible directly; and where direct empowerment is not possible, society ought to give her capabilities through a suitable arrangement of guardianship. (…) In the approach that I, with Robinson, favor, guardianship becomes a matter of dealing with the 'incompetence' of a person, but a way of facilitating that person's access to all the central capabilities. The norm always be to put the person herself in a position to chose functioning of the relevant sort. Where that is not possible, temporarily or permanently, the sort of guardianship to strive for will be one that is narrowly tailored to assist the person where assistance is needed, in a way that invites the person to participate as much as possible in decisionmaking and choice.” (Nussbaum, 2007, S. 193, 199)

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Dabei liegt der Fokus der vorliegenden Arbeit im Gegensatz zu der vorangegangen Masterarbeit auf Menschen mit einer geistigen Behinderung, die sich verbal äußern können.

1.1 Aufbau und Ziel der Arbeit

Im zweiten Kapitel werden die Begriffe bestimmt, die für die Beantwortung der Leitfrage relevant sind. Darunter fallen neben den Begriffen der geistigen Behinderung, Sexualität und Selbstbestimmung auch Louis Althusser’s Konzept der Ideologie und ideologischen Staatsapparaten. An Hand Althusser’s Konzept wird im darauffolgenden Kapitel die herrschende Ideologie um die Sexualität von Menschen mit einer geistigen Behinderung untersucht. Diese Untersuchung beschränkt sich auf Grund des Rahmens dieser Arbeit auf zwei der ideologischen Staatsapparate, nämlich dem der Information und dem der Interessenverbände. Im Anschluss wird der juristische ISA kurz angerissen. Dabei werden erste Kategorien mit ihren Eigenschaften und den daraus resultierenden Fragen gebildet. Anschließend werden die geführten Gespräche mit Bewohnern/innen der stationären Eingliederungshilfe analysiert und im Hinblick auf ihre sexuelle Selbstbestimmung reflektiert. Im vierten Kapitel der Arbeit wird ein Praxisbezug am Beispiel der Sexualität-AG der Lebenshilfe Osterholz hergestellt.

Anschließend wird die Umsetzung dieser AG evaluiert sowie Empfehlungen und offene Fragen für die Praxis herausgearbeitet. Das letzte Kapitel der Arbeit bildet das Fazit, indem die Kernerkenntnisse zusammengefasst dargestellt sowie die Möglichkeiten und Grenzen der Arbeit reflektiert werden.

Ziel der Arbeit ist es, einen Grundstein für weitere Forschungen zu dieser Thematik zu legen. Demnach ist die vorliegende Arbeit nicht als ein abgeschlossener Forschungsprozess, der in einer Theorie resultiert, zu behandeln, sondern viel mehr als einen Startpunkt eben jenes wissenschaftlichen Prozesses. Somit ist die vorliegende Arbeit als eine Bewerbung an die Wissenschaft, um die zukünftige aktive Teilhabe an der Weiterentwicklung dieses Forschungsfeldes, anzusehen.

1.2 Methodik

Die vorliegende Arbeit verwendet die Methode der Grounded Theory. Grounded Theory ist eine Methode der Sozialforschung, die auf Glaser und Strauss zurück zu führen ist. Für Glaser und Strauss besteht die Grundannahme ihrer Theorie darin, „daß die Generierung von Grounded Theory ein Weg ist, zu einer Theorie zu gelangen, die Zwecke erfüllt, die sie sich selbst gesetzt hat.“ (1998, S. 13). Dabei sei das Ziel „zwei grundlegende Typen von Theorie zu generieren: materiale und formale Theorie“ (ebd., S. 42).2

2 Für Glaser & Strauss sind materiale Theorien solche, „die für ein bestimmtes Sachgebiet oder

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Laut Corbin & Strauss (2015) seien die besonderen Merkmale der Grounded Theory folgende: erstens seien die Konzepte aus denen eine Theorie konstruiert werde abgeleitet aus den gesammelten Daten eines Forschungsprozesses und nicht vor Beginn eines solchen bereits ausgewählt. Zweitens hängen die Forschungsanalyse und Datensammlung miteinander zusammen. Sobald die erste Datenerhebung erfolgt sei, werde diese vom Forschenden analysiert. Die daraus abgeleiteten Konzepte bilden erneut eine Basis für weitere Datenerhebung (S. 7). Dies gehe so lange weiter im Kreis bis eine sogenannteSaturation entstehe.3 Die Analyse der Daten geschehe auf Basis des Prozesses des konstanten Vergleiches. Dabei werden die Daten in überschaubare Stücke unterteilt und miteinander auf Unterschiede sowie Gemeinsamkeiten untersucht. Datenerhebung sei dabei nicht nur auf Interviews und Beobachtungen beschränkt, sondern könne jeglichen Typ von geschriebenem, beobachtetem oder aufgenommenem Material mit einbeziehen (ebd., 2015, S. 7).

Neben der Datenerhebung durch narrative Interviews und Beobachtungen fand in der vorliegenden Arbeit eine Literatur- sowie Internetrecherche statt. Für die Literatur- recherche wurde „SpringerLink“ verwendet. Suchbegriffe dabei waren „Geistige Behinderung“, „Grounded Theory“, „Selbstbestimmung“ sowie „Sexualität“ und

„Sexualität + geistige Behinderung“. Wiederkehrende Schlagworte bei der Internet- recherche waren „Sexualität“ sowie „Sexualität + geistige Behinderung“. Dabei wurde neben der Suchmaschine „Google“ auch Mediatheken von Fernsehsendern nach dem Begriff „Sexualität“ durchsucht. Zu den verwendeten Daten gehören: Interviews, Beobachtungen, Fernsehsendungen sowie Fachbücher und -artikel.

1.2.1 Vorbemerkung zur Umsetzung der Methodik

Für eine umfängliche Beantwortung der Leitfrage sowie der Generierung einer Theorie mit der Methodik der Grounded Theory bedarf es weiteres theoretisches Sampeling.4 Konzepte generieren Fragen, Fragen führen zu mehr Datenerhebung (Corbin &

Strauss, 2015, S. 135). Dies übersteigt jedoch den Rahmen dieser Arbeit. Daher werden lediglich erste Kategorien identifiziert sowie Fragen an den Stellen aufgezeigt, an denen weitere Daten erhoben werden müssten.

Laut Corbin & Strauss (2015) sei eine Liste von Kategorien oder Themen nicht genug,

empirisches Feld der Sozialforschung (z.B. die Pflege von Patienten (…) ) entwickelt werden“ (1998, S.

42). Formale Theorien dahingegen sind solche, „die für einen formalen oder konzeptuellen Bereich der Sozialforschung (wie Stigmata (…) ) entwickelt werden“ (ebd., 1998, S. 42).

3 Saturation bedeute den Punkt in der Forschung erreicht zu haben, an dem keine weiteren Konzepte mehr auftauchen, deren Eigenschaften entwickelt worden sind sowie sichtbar sei wie diese in ihren verschieden Dimensionen variieren (Corbin & Strauss, 2015, S. 134).

4 Laut Corbin & Strauss ist theoretisches Sampling wie folgt zu verstehen: „In theoretical sampling, it is concepts and not people, per se, that are sampled. So when researchers sample theoretically, they go to places, persons, and situations that will provide information about the concept they want to learn about“ (2015, S. 135).

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um eine Theorie zu generieren. Die Kategorien müssen nach ihren Eigenschaften und Dimensionen definiert werden. Des weiteren müsse aufgezeigt werden wie das Konzept unter verschiedenen Umständen variiere und wie die Kategorien sich zueinander und zur Kernkategorie verhalten (S. 139). Diesem Anspruch kann diese Arbeit nicht gerecht werden. Jedoch sehen Glaser und Strauss (1998) Theorie zu generieren als einen Prozess an (S. 15). Analog dazu ist das dritte und vierte Kapitel als ein Startpunkt eben dieses Prozesses anzusehen.

1.2.2 Zur Abweichung von Lehrmeinungen des wissenschaftlichen Arbeitens

Im Folgenden wird von zwei gängigen Lehrmeinungen abgewichen: zum einen von der Vermeidung des „Ich“-Pronomens beim Verfassen von wissenschaftlichen Arbeiten, zum anderen von der Ansicht durch persönliche Beziehungen sowie Erfahrungen mit einem Thema Gefahr zu laufen, der geforderten Objektivität beim wissenschaftlichen Erarbeiten eines Themas nicht gerecht werden zu können.

Beobachtungen, Analysen sowie dem Herauskristallisieren von Kategorien ist nicht nur abhängig von den erhobenen Daten, sondern auch von der Person, die diese Daten erhebt, Situationen beobachtet, Gespräche analysiert und Kategorieren bildet. Die Verwendung der „Ich“-Form soll das Bewusstsein der objektiven Relativität der wissenschaftlichen Ergebnisse dieser Arbeit verdeutlichen und offen legen. Ein/e andere/r Wissenschaftler/in würde beim vorliegenden Untersuchungsgegenstand vermutlich zu einem anderen, nicht notwendigerweise grundsätzlich verschiedenem, Ergebnis kommen.

Des weiteren heben Glaser und Strauss hervor:

Ein Feldforscher ist manchmal im Vorteil, falls er feststellt ein Teilnehmer an oder ein privilegierter Beobachter von irgendeiner interessanten Gruppen- aktivität zu sein. Er würde den Reichtum seiner persönlichen Erfahrung mit der Gruppe verleugnen, würde er statt die zu untersuchen, Bibliotheksforschung betreiben. (Blockzitat)

(1998, S. 188)

Das von Glaser und Strauss hier Erwähnte ist genau in mir als Person der Fall. Ich habe festgestellt, dass ich zum einen Teil einer Gruppe durch meine berufliche Tätigkeit, nämlich Teil der Gruppe „Mitarbeiterin innerhalb der Behindertenhilfe“, zum anderen eine privilegierte Beobachterin einer anderen Gruppe bereits seit Jahren durch meinen familiären Bezug bin. Für Glaser und Strauss sind Reflexionen über persönliche Erfahrungen „als Sprungbretter für eine systematische Theoriebildung zu begreifen“ (1998, S. 256). Folglich stellen meine persönlichen Erfahrungen und Beziehungen keine Gefahr für die Objektivität dar, wenn diese entsprechend reflektiert

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werden. Viel mehr können diese zum Vorteil für die wissenschaftliche Bearbeitung des Themas genutzt werden.

2 Begriffsbestimmungen

Im folgenden Kapitel werden die für die Beantwortung der Leitfrage relevanten Begriffe bestimmt. Zunächst wird neben dem dem Begriff der geistigen Behinderung, auf die Begriffe Sexualität und Selbstbestimmung eingegangen. Anschließend wird Althusser’s Konzept der Ideologie und der ideologischen Staatsapparate an Hand des Beispiels des Nationalsozialismus erklärt.

2.1 Geistige Behinderung

Der Begriff der geistigen Behinderung findet keine einheitliche Definition. Im englisch- sprachigen Diskurs wird oftmals zwischen demMedical Model und demSocial Model der Behinderung unterschieden. Aufgrund der Forschungsfrage und ihrer gesellschaftlichen Dimension wird für die vorliegende Arbeit der Begriff der geistigen Behinderung über die medizinischen Attribute einer Behinderung hinaus verstanden, nämlich dahingehend, dass die gesellschaftlichen und sozialen Umstände eines Individuums Einfluss auf dessen Behinderung haben.

Corker und Shakespeare (2006, S. 3) schreiben über das soziale Modell der Behinderung, dass dieses eine konzeptuelle Unterscheidung zwischenImpairment (zu dt. Beeinträchtigung) undDisability(zu dt. Behinderung) ziehe.Disability sei demnach sozial konstruiert und komme zu demImpairment hinzu. Es platziere die Erklärung des veränderbaren Charakters von Behinderung in den sozialen und ökonomischen Strukturen sowie der Kultur der Gesellschaft, in der der Begriff wiedergefunden wird (ebd., S. 3).

Die Weltgesundheitsorganisation (kurz: WHO) beispielsweise definiert „Geistige Behinderung“ im Sinne des sozialen Modells von Behinderung wie folgt: „Geistige Behinderung bedeutet eine signifikant verringerte Fähigkeit, neue oder komplexe Informationen zu verstehen und neue Fähigkeiten zu erlernen und anzuwenden (beeinträchtigte Intelligenz). Dadurch verringert sich die Fähigkeit, ein unabhängiges Leben zu führen (beeinträchtigte soziale Kompetenz)“ (WHO, 2018, o. S.). Dabei sei laut der WHO (2018, o. S.) die Behinderung selbst nicht nur von der individuellen Gesundheit abhängig, sondern auch von den vorhandenen Rahmenbedingungen die eine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglichen.

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Nach der American Association on Intellectual and Developmental Disabilities (kurz:

AAIDD) liegt eine geistige Behinderung vor, wenn Einschränkungen im intellektuellen Funktionieren (d.h. der Intelligenzquotient liegt unter oder um 70, aber nicht höher als 75) sowie Einschränkungen im adaptiven Verhalten (d.h. konzeptuelle, soziale und praktische Fähigkeiten) vor Beginn des 18. Lebensjahres vorhanden sind (2008, o. S.).

Zugleich betont die AAIDD, dass soziale, sprachliche und kulturelle Faktoren eine maßgebliche Rolle in der Beurteilung spielen sollten. Außerdem existiere neben Einschränkungen oftmals persönliche Stärken (AAIDD, 2008, o. S.).

Dies macht deutlich, dass eine geistige Behinderung neben dem Intelligenzquotienten und scheinbar objektiven Einschränkungen im adaptiven Verhalten zum Einen von dem Individuum selbst, das eine ganz eigene Persönlichkeit mit Werten und Normen mit sich bringt, zum Anderen von dem stetig änderbaren Wechselspiel mit der Umwelt abhängig ist. Ein Mensch mit beeinträchtigten intellektuellen Fähigkeiten und adaptiven Verhaltenszügen kann demnach durch entsprechende Rahmenbedingungen, Förder- möglichkeiten, gesellschaftliche Teilhabe, soziale Akzeptanz sowie positives Selbst- wertgefühl „weniger“ geistig behindert sein als eine Mensch mit dem selben Intelligenzquotienten und Einschränkungen, dessen Umwelt „negativ“ auf die Behinderung reagiert. Zudem soll hier erwähnt werden, dass der Begriff an sich Kritik erntet und als diskriminierend aufgefasst werden kann (Theunissen, 2013, S. 10 f.).

2.2 Sexualität

2.2.1 Zu dem Begriff der Sexualität

Ähnlich wie bei dem Begriff der geistigen Behinderung gibt es auch bei dem Begriff der Sexualität keine einheitliche Definition. Die unterschiedlichen Aspekte von Sexualität nimmt Ortland in ihrer Definition auf:

Sexualität kann begriffen werden als allgemeine, jeden Menschen und die gesamte menschliche Biografie einschließende Lebensenergie, die den gesamten Menschen umfasst und aus vielfältigen Quellen – soziogenen und biogenen Ursprungs – gespeist wird. Sie beinhalten eine geschlechts- spezifische Ausprägung, kennt ganz unterschiedliche – positiv oder negativ erfahrbare – Ausdrucksformen und ist in verschiedenster Weise sinnvoll.

(Blockzitat)

(2016, S. 14, nach Ortland 2005, S. 38).

Nach Moll hat Sexualität darüber hinaus verschiedene Funktionen: Fortpflanzung, Lustfunktion, soziale Funktion sowie Integrations- und Selbstfindungsfunktion (2010, S.

15 f.). Sexualität ermögliche dem Menschen als soziales Wesen zu agieren sowie zwischenmenschliche Beziehungen aufzubauen (ebd., S. 14).

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Innerhalb des philosophischen Diskurses wird in Bezug auf Sexualität zwischen metaphysischen sexuellen Optimisten und Pessimisten unterschieden. So seien die moralischen Beurteilungen von sexuellen Aktivitäten von dem Standpunkt über die Natur des sexuellen Impulses oder Verlangens abhängig (Soble, 2008, S. 5). Zu den Pessimisten gehöre nach Soble neben St. Augustine und Kant, teilweise auch Freud.

Sie nähmen im Allgemeinen den sexuellen Impuls und das Agieren auf Grund dieses Impulses als etwas wahr, dass so gut wie immer nicht zu der Würde der menschlichen Person passe (ebd., S. 5). Anders als die Optimisten, zu denen teilweise Plato und Freud sowie Russel und Ellis gehörten. Sie seien der Meinung, dass unsere menschliche Sexualität eine weitere Dimension unserer menschlichen Existenz darstelle, vergleichbar beispielsweise mit dem Impuls zu Essen (ebd., S. 5).

Zudem werden oftmals Begrifflichkeiten wie das sexuelle Verlangen, die sexuelle Aktivität, das sexuelle Vergnügen, die sexuellen Vorlieben und Orientierung sowie die sexuelle Identität getrennt voneinander definiert und debattiert. Innerhalb dieser philosophischen Diskurse ergeben sich außerdem konzeptuelle Probleme, die auf Grund der unterschiedlichen Sichtweisen entstehen (Halwani, 2018, S. 2 ff.). Darüber hinaus seien in normativen Diskussionen Themen wie Ehe, Flirten, Casual-Sex, Prostitution, Homosexualität, Masturbation, Verführung, Vergewaltigung, sexuelle Nötigung, Pornographie, Pädophilie, Fortpflanzung sowie Verhütung von Interesse (Soble, 2018, S. 4.).

Es lässt sich daraus ableiten, dass der Begriff der Sexualität nicht nur weit gefächert ist und nicht ausschließlich auf den reinen Geschlechtsakt reduziert werden kann, sondern auch dass der Begriff in verschiedenen Dimensionen und in unterschiedlichen Lebensbereichen zu verstehen und zu betrachten ist. Darüber hinaus lässt sich schlussfolgern, dass Sexualität nicht ausschließlich ein deskriptiver Begriff ist, sondern oftmals eine normative Komponente besitzt, die entsprechend der individuellen, gesellschaftlichen und kulturellen Werte unterschiedliche Konsequenzen für das Ausleben und Verständnis der eigenen Sexualität haben. Beispielsweise schreibt Ginzburg dem philosophischen, aber hauptsächlich gesellschaftlichen Diskurs entgegen: „Sexualität verlangt einfach nicht nach Meinungen. (…) Da Sexualität (…) einzig und allein dem Individuum gehört“ (1995, S. 110 f.).

2.2.2 Sexualität und geistige Behinderung

Menschen mit einer geistigen Behinderung sind oftmals in den unterschiedlichsten Lebensbereichen auf Unterstützung anderer angewiesen und stehen somit in einem

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Abhängigkeitsverhältnis zu ihren Angehörigen und Betreuern/innen. Dies gelte auch für das Ausleben und Wahrnehmen ihrer Sexualität (Ortland, 2016, S. 13).

Pro Familia schreibt über die Sexualität von Menschen mit einer geistigen Behinderung: „Menschen die als >>geistig behindert<< gelten, haben keine

>>besondere<< Sexualität. Die meisten von ihnen wünschen sich genau das Gleiche wie ihre nicht behinderten Altersgenossen: Flirt, Freundschaft, Liebe, Partnerschaft, Zärtlichkeit, Geborgenheit, Leidenschaft“ (2011, S. 4). Viele Menschen mit geistiger Behinderung würden keine andere Befriedigungsform finden als die Selbstbefriedigung (ebd., S. 12).

Es können Probleme in der sexuellen Entwicklung von Menschen mit einer geistigen Behinderung auftreten, die in der Diskrepanz zwischen ihrem Sexualalter und ihrem Intelligenzalter begründet seien. Jedoch sei das eigentliche Problem in der sexuellen Entwicklung von Menschen mit einer geistigen Behinderung nicht in dieser Diskrepanz zu finden, sondern in ihrem sozialen Umfeld (Moll, 2010, S. 39). Ähnliches hebt auch Ortland hervor: „Menschen mit Behinderung, vor allem geistiger Behinderung, wird oft unterstellt, dass Verhaltensweisen, die aus der Außenperspektive als ungewöhnlich bewertet werden, zu behinderungsbedingten Besonderheiten erklärt werden“ (2016, S.

1 1 3 ) . Shakespeare weist auf einen weiteren Aspekt hin, nämlich jenen, dass Menschen mit einer Behinderung oftmals als asexuell angesehen werden (1996, S. 9).

Er schlussfolgert aus seiner Untersuchung über die sexuelle Politik der Behinderung, dass: „die Rechte von Menschen mit Behinderung bei der Auslebung ihrer Sexualität auf der einen Seite und die Freiheit von sexuellem Missbrauch auf der anderen Seite in den meisten stationären Einrichtungen nicht gesichert ist“ (eigene Übersetzung, Shakespeare, 1996, S. 36).

Ortland unterscheidet zwischen verschiedenen Bereichen, in denen die Sexualität von Menschen mit Behinderungen eingeschränkt wird. Zu diesen Bereichen gehörten Einschränkungen auf Grund der Beeinträchtigung und äußeren Faktoren, durch Mitarbeitende und strukturelle sowie bauliche Rahmenbedingungen (2016, S. 17 f.). Im Kontext von Menschen mit geistiger Behinderung und ihrer Sexualität spielen zudem Themen wie die sexuelle Selbstbestimmung, Sterilisation, Verhütung, Missbrauch sowie Sexualassistenz eine Rolle (Pro Familia, 2011, S. 12 ff.).

2.2.3 Sexualität und die Menschenrechte

Innerhalb der UN - Menschenrechtskonvention wird ein Menschenrecht auf Sexualität nicht explizit erwähnt. Dennoch lässt sich argumentieren, dass beispielsweise die Rechte auf Selbstbestimmung, Meinungsfreiheit, Freiheit und Sicherheit, Nicht-

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Diskriminierung und Gleichberechtigung gegenüber dem Gesetz, den Genuss an physischer und mentaler Gesundheit sowie der Schutz vor grausamen, unmensch- lichen oder entwürdigenden Behandlungen auf ein Recht auf Sexualität und dessen unterschiedlichen Aspekte schließen lassen.5

Die UN- Behindertenrechtskonvention adressiert indirekt ein Recht auf Sexualität mit dessen unterschiedlichen Ebenen. In Artikel 22 wird die Achtung der Privatsphäre zugesichert. Dort steht explizit in Absatz 1 geschrieben:

Menschen mit Behinderungen dürfen unabhängig von ihrem Aufenthaltsort oder der Wohnform, in der sie leben, keinen willkürlichen oder rechtswidrigen Eingriffen in ihre Privatleben, ihre Familie, ihre Wohnung oder ihren Schriftverkehr oder andere Arten der Kommunikation oder rechtswidrigen Beeinträchtigungen ihrer Ehre oder ihres Rufes ausgesetzt werden. (Blockzitat) (UN, 2006, Artikel 22)

Auch wenn Sexualität nicht ausdrücklich erwähnt wird, so beinhaltet die Privatsphäre auch die Sexualität mit ihren unterschiedlichen Facetten. Sei es beispielsweise die Achtung der Privatsphäre, wenn ein Bewohner in der stationären Eingliederungshilfe nackt ist oder auch das gewollte, ungestörte Zusammensein von zwei Bewohnern.

In Artikel 23 mit der Überschrift „Achtung der Wohnung und Familie“ wird Menschen mit Behinderung darüber hinaus gewährleistet, dass sie das Recht haben im heiratsfähigen Alter „auf der Grundlage des freien und vollen Einverständnisses des künftigen Ehegatten eine Ehe zu schließen und eine Familie zu gründen“. Darüber hinaus wird ihnen auch das Recht „auf freie und verantwortungsbewusste Ent- scheidung über die Anzahl ihrer Kinder und die Geburtenstände sowie auf Zugang zu altersgemäßer Information sowie Aufklärung über Fortpflanzung und Familienplanung“

sowie den Erhalt ihrer Fruchtbarkeit anerkannt (UN, 2006, Artikel 23).

In Artikel 25 wird Menschen mit Behinderungen zudem das erreichbare Höchstmaß an Gesundheit sowie gleichberechtigte Qualität und Standard innerhalb der Gesundheits- versorgung zugestanden. Ausdrücklich wird dort sexual- und fortpflanzungs- medizinische Gesundheitsleistungen mit eingeschlossen und wörtlich hervorgehoben (UN, 2006, Artikel 25).

Ferner hebt das International Council for Human Rights in seinem Diskussionsartikel über Sexualität hervor, dass:die Frage heutzutage nicht mehr die ist, ob die 5 Ruth Dixon Mueller stützt diese Aussage wie folgt: „Sexual rights also derive from principles of gender equality as a rmed in the 1979 Convention on the Elimination of All Forms of Discrimination Against Women and other documents, and from principles of non-discrimination based on sexual orientation and gender identity as proposed in the 2007 Yogyakarta Principles, among othersources “ (2009, S.

111).

(13)

Menschenrechte sich mit Sexualität befassen werden, sondern eine viel präzisere:

unter welchen Bedingungen, für wen, zu welchem Zweck, über welche Aspekte der Sexualität und innerhalb welcher Grenzen“ (eigene Übersetzung, 2009, S. 7). Eine andere Facette eines Menschenrechts auf Sexualität erwähnt Ruth Dixon-Mueller. Sie argumentiert, dass das Konzept der sexuellen Verantwortungen, sprich die Verant- wortungen der Individuen gegenüber ihren Mitmenschen, immer noch entsprechend der jeweiligen Kommentatoren differenziert (2009, S. 116).

2.3 Selbstbestimmung

Der Begriff der Selbstbestimmung meint im Bereich der Politik und Soziologie „die Unabhängigkeit des bzw. der Einzelnen von jeder Art der Fremdbestimmung (z.B.

durch gesellschaftliche Zwänge, staatliche Gewalt)“ (Duden Online, 2018, o. S.). Im Bereich der Philosophie versteht man unter Selbstbestimmung die „Unabhängigkeit des Individuums von eigenen Trieben, Begierden u.Ä.“ (Duden Online, 2018, o. S.).

In diesem Sinne definieren Schneider und Toyka-Seid (2018) Selbstbestimmung wie folgt: „Mit Selbstbestimmung ist gemeint, dass jeder Mensch selbst darüber entscheiden darf, wie er leben möchte“ (o. S.). Diese Freiheit sei ein Menschenrecht, welches durch das Grundgesetz und dem Verweis auf das Recht der freien Entfaltung der Persönlichkeit gestützt sei. Dennoch sei das Recht auf Selbstbestimmung nicht ohne Rücksicht auf andere zu verwirklichen und mit Verantwortung verbunden. Die eigene Freiheit ende nach dem Grundgesetz dort wo die Rechte anderer verletzt oder wo sie gegen die Vorschriften der Verfassung verstoße (ebd., o. S.).

Der Begriff selbst verweise von seiner Wortgeschichte her „auf ein einzelnes Wesen, das sich erkennt, in dem es sich definiert und zugleich Macht über sich ausübt“

(Waldschmidt, 2003, S. 2). Nach Kant sei jedoch nur der zu Selbstbestimmung fähig, der über praktische Vernunft verfüge. Als praktische Vernunft wird das Vermögen verstanden, „das eigene Handeln unabhängig von Bedürfnissen, Emotionen und Motivation, kurz, unabhängig von der 'Sinnenwelt' auszurichten“ (ebd., S. 3). Dies sei jedoch kritisch zu sehen. Da Menschen mit einer geistigen Behinderung oftmals „ein vernünftiger Wille nicht zuerkannt wird“, könnten sie demnach per se keine selbstbestimmten Wesen sein (ebd., S. 3). Waldschmidt (2012) formuliert dies an anderer Stelle erneut ähnlich: „Tatsächlich scheint der Gesundheitsstatus eine der Bedingungen zu sein, unter denen die Gesellschaft dazu neigt, das Recht auf Selbstbestimmung ganz oder teilweise zu suspendieren“ (S. 17).

Menschen mit einer geistigen Behinderung ständen demnach ganz unten in der

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Hierarchie der Menschen mit Behinderungen. Diese Hierarchie richte sich nach der Vernunftfähigkeit, sprich der „Teilhabe an geistigen Fähigkeiten und damit verbunden das Vermögen, an der gesellschaftlichen Rationalität zu partizipieren“, aus (Waldschmidt, 2012, S. 30). Laut Waldschmidt seien Menschen mit chronischen Erkrankungen sowie Menschen mit Behinderung im Konzept der Selbstbestimmung die Anderen:

„Sie stehen sozusagen dem autonomen Subjekt gegenüber, das sich gerade im Kontext zu ihnen als Gegenpart konstituiert: kühl und sachlich, überlegend, reflektiert und logisch handelnd. Gesundheitlich beeinträchtigte Männer und Frauen werden dagegen dem Reich der Natur und der Sinne zu geordnet:

passiv und leidend, irrational und verletzlich, verrückt und gefühlsbetont“ (ebd., S. 32).

Im Sinne dieser Kritik an dem Status Quo des gesellschaftlichen Verständnisses von Selbstbestimmung ist für Theunissen (2013) Selbstbestimmung ein Grundwert für das Konzept des Empowerments in Bezug auf Menschen mit Behinderungen (S. 39).

Selbststimmung sei jedoch nur dann ein Grundwert, wenn der Begriff nicht im Handeln im Eigeninteresse verstanden werde, sondern damit das „eigenverantwortliche Entscheiden und autonomes Handeln in der Beziehung zum Du“ gemeint sei (ebd., S.

43). Theunissen sieht Selbstbestimmung zudem als einen Entwicklungsprozess an,

„der das ganze Leben anhält und sich auf Handlungen bezieht“ (ebd., S. 43).

Demnach ist Selbstbestimmung kein Merkmal über das ein Mensch permanent verfügt oder nicht, sondern vielmehr das kontinuierliche Lernen seine Handlungen autonom in Beziehung mit seinen Mitmenschen durchzuführen. Daraus kann geschlossen werden, das unabhängig davon, ob ein Mensch eine Behinderung hat oder nicht, jede/r in seinen / ihren Handlungen erneut die eigene Verantwortlichkeit zu sich selbst und zum Gegenüber unter Beweis stellen muss.

2.4 Althusser's Ideologie und ideologische Staatsapparate

Mit Rückgriff auf Marx definiert Althusser (2016) den Begriff der „Ideologie“ wie folgt:

„Die Ideologie ist nun das System von Ideen und Vorstellungen, das den Geist eines Menschen oder einer gesellschaftlichen Gruppe beherrscht“ (S. 71). Althusser ist der Auffassung, dass die Ideologie durch ihre Struktur und Funktionsweise zu einer omnihistorischen Realität gemacht werde. Die herrschenden Ideologien selbst hätten dabei eine eigene Geschichte, die durch den Klassenkampf bestimmt sei und das Ergebnis eben jener langen und harten Kämpfe seien. Im Allgemeinen jedoch habe die Ideologie selbst keine Geschichte (ebd., S. 74, 104). Mit anderen Worten sei die Ideologie ewig in dem Sinne, dass die herrschenden oder abgelösten Ideologien „in ihrer unveränderlichen Form in der gesamten Geschichte (…) allgegenwärtig sind“

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(ebd., S. 75).

Als Beispiel kann hier die Ideologie des Nationalsozialismus unter Hitler genannt werden. Auch wenn die Ideologie der „Reinheit des Deutschen Volkes“ in diesem Moment der Geschichte nicht eine herrschende Ideologie präsentiert, ist sie jedoch in ihren Ideen weiterhin präsent, beispielsweise in Form von Dokumentationen, Sub- Kulturen, Geschichtsbüchern, Erzählungen älterer Generationen oder Parteien, die Gedanken oder Ideen aus dieser Ideologie aufgreifen. Darüber hinaus hat sich die Bundesrepublik Deutschland als ein demokratisches Land entwickelt, das sich nach dem Zweiten Weltkrieg von der nationalsozialistischen Ideologie distanzierte. Zugleich entstand dabei aus der nationalsozialistischen Ideologie heraus eine neue, zwar entgegengesetzte, herrschende Ideologie, jedoch kann die abgelöste national- sozialistische Ideologie nicht mehr nicht-sichtbar gemacht werden.

Für Althusser (2016) repräsentiert die Ideologie nicht die Realität zwischen den Individuen und den realen Verhältnissen, sondern vielmehr „das imaginäre Verhältnis dieser Individuen zu den realen Verhältnissen, unter denen sie leben“ (S. 78). Glaube ein Subjekt an die Ideen einer Ideologie, werden jene freiwillig akzeptiert und es müsse entsprechend der Ideen gehandelt werden (ebd., S. 81). Folglich habe die Ideologie eine materielle Existenz durch die Taten des Subjekts in seiner materiellen Praxis (ebd., S. 80).

Das vorangegangene Beispiel wieder aufgreifend, kann die materielle Praxis der nationalsozialistischen Ideologie der „Reinheit des Deutschen Volkes“ als Taten durch die Vernichtung der Juden in Konzentrationslagern, dem Ausschluss von Juden im alltäglichen gemeinschaftlichen Leben oder dem Preisgeben eines Verstecks, in dem Menschen mit jüdischen Glauben sich aufgehalten haben, angesehen werden.

Innerhalb eines Staates gibt es für Althusser neben dem repressiven Staatsapparat (kurz: SA) auch die ideologischen Staatsapparate. Der repressive Staatsapparat umfasse u.a. die Polizei, die Gerichte und die Gefängnisse sowie die Armee, worüber sich der Staatschef, die Regierung und die Verwaltung befinde (ebd., S. 47 f., 59). Die ideologischen Staatsapparate (kurz: ISA) dagegen seien „eine bestimmte Anzahl von Realitäten, die sich dem unmittelbaren Beobachter in Form von unterschiedlichen und spezialisierten Institutionen darbieten“ (ebd., S. 54).

Für Althusser (2016, S. 54) fallen darunter: der religiöse ISA (das System der verschiedenen Kirchen), der schulische ISA (das System der unterschiedlichen

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öffentlichen und privaten Schulen), der familiale ISA, der juristische ISA, der politische ISA (das politische System, zu dem die verschiedenen Parteien gehören), der ISA der Interessenverbände, der ISA der Information (Presse, Radio, Fernsehen usw.) sowie der kulturelle ISA (Literatur, die schönen Künste, der Sport usw.). Innerhalb der kapitalistischen Gesellschaftsformen sei die Schule der beherrschende ideologische Staatsapparat (ebd., S. 66).

Der repressive SA gehöre ganz zum öffentlichen Bereich, wobei die vielen ISA zum einen in ihrer Vielzahl nicht unmittelbar sichtbar sind, zum anderen zum privaten Bereich gehören. Der repressive SA funktioniere „in erster Linie durch Rückgriff auf Repression, wenn (...) auch in zweiter Linie durch Rückgriff auf Ideologie“ (ebd., S. 56).

Nur durch Rückgriff auf Repression allein könne der repressive SA nicht funktionieren.

Die ideologischen Staatsapparate dahingehend funktionieren in erster Linie „massiv“

durch den Rückgriff auf Ideologie. In zweiter Linie jedoch auch mit Rückgriff auf Repression, „aber eben nur im Grenzfall in einer sehr abgemilderten Form“ (ebd., S.

57).

Auf das oben genannte Beispiel zurückgreifend, kann der „Bund der deutschen Mädchen“ als ein ideologischer Staatsapparat interpretiert werden. Diesem konnte man, wenn man deren Ideen und Ideologien nicht entsprach, ausgeschlossen werden.

Wobei der repressive Staatsapparat der nationalsozialistischen Regierung dagegen zu anderen Mitteln greifen konnte wie beispielsweise das Entwenden des Passes durch die Polizei sowie der Unterbringung in ein Arbeits- oder Konzentrationslager. Auf das heutige Zeitgeschehen angewendet kann der ideologische Staatsapparat der Schule z.B. bei Körperverletzung eines Mitschülers / einer Mitschülerin als nicht-Einhaltung der Ideologie seinen Mitmenschen keinen physischen Schaden zuzufügen mit einem Verweis von der Schule handeln. Dahingehend kann der repressive Staatsapparat der Gerichte demjenigen, der Körperverletzung begangen hat, einen Freiheitsentzug auferlegen. Der Verweis der Schule ist in diesem Grenzfall eine abgemilderte Form der Repression als es ein Freiheitsentzug darstellt.

Damit eine Klasse dauerhaft an der Staatsmacht bleiben könne, müsse diese auch ihre Ideologie über und in den ideologischen Staatsapparaten ausüben (Althusser, 2016, S.

57). Die ideologischen SA seien damit auch der Ort des Klassenkampfes. Anders als beim repressiven Staatsapparat, befänden sich in den ISA jedoch neben der Ideologie der herrschenden Klasse auch die Ideologien der abgelösten herrschenden Klassen sowie der Widerstand der ausgebeuteten Klassen (ebd., S. 59). Dieser Widerstand entstehe, weil es Kampf gibt, und dieser Kampf „ist letzten Endes das direkte oder

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indirekte, unmittelbaren oder (häufig) weit davon entfernte Echo des Klassenkampfes“

(ebd., S. 108). Auf Grund des Widerstands bestehe die Funktion der ISA darin, die herrschende Ideologie in den Köpfen zu verankern (ebd., S. 59).

Für die vorliegende Arbeit liegt der Fokus nicht auf dem repressiven Staatsapparat, sondern auf den ideologischen Staatsapparaten. Dies liegt einerseits in der Forschungsfrage begründet, die auf die herrschende Ideologie um die Sexualität von Menschen mit Behinderungen abzielt. Nach Althusser spielen die ideologischen Staatsapparate eine prägnante Rolle darin die herrschende Ideologie in den Köpfen zu verankern. Andererseits würde das zusätzliche Durchleuchten der Ideologie um die Sexualität von Menschen mit einer geistigen Behinderung seitens des repressiven Staatsapparat den Rahmen dieser Arbeit übersteigen.

3 Ideologie und Erfahrungswelt versus Selbstbestimmung – ein Widerspruch?

Althusser identifiziert verschiedene ideologische Staatsapparate. Auf Grund des Rahmens dieser Arbeit kann im folgenden Abschnitt nur auf zwei von ihnen eingegangen werden. Anschließend wird an Hand von Gesprächsausschnitten der Versuch unternommen die Erfahrungswelt „Sexualität“ von Menschen mit einer geistigen Behinderung zu erfassen. Im letzten Abschnitt des Kapitels findet eine Reflexion über die sexuelle Selbstbestimmung der Befragten statt.

3.1 Die herrschende Ideologie um die Sexualität von Menschen mit einer geistigen Behinderung

Althusser (2016) benennt acht ideologische Staatsapparate (kurz: ISA). Im Folgenden wird auf zwei von ihnen ausführlicher eingegangen: der ISA der Interessenverbände sowie der ISA der Information. Die Auswahl dieser beiden ISA geschah zum einen durch die auf den ersten Blick scheinbare gegensätzliche ausgeübte Ideologie, zum anderen auf Grund der Annahme, dass Menschen mit einer geistigen Behinderung in ihrem Alltag häufig mit diesen zwei ISA auf die ein oder andere Weise in Berührung kommen. Im Anschluss wird kurz der juristische ISA thematisiert. Die Analyse der verschiedenen ISA und deren ausgeübter Ideologie geschieht auf Basis von Stichproben. Es wird hervorgehoben an welchen Stellen eine intensivere Daten- erhebung von Nöten ist sowie welche Fragen sich aus der ersten Analyse ableiten lassen. Im abschließenden Teil dieses Abschnitts wird ein erster Versuch unternommen die Kategorien analog zu Althusser in Beziehung zu setzten und einzuordnen.

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3.1.1 ISA der Interessenverbände

Als Teil desISA der Interessenverbändekann Pro Familia gezählt werden. Pro Familia ist laut ihrer Internetseite „die größte nichtstaatliche Organisation für Sexual-, Schwangerschafts- und Partnerschaftsberatung in Deutschland“ (o. A., o. S.). Der gemeinnützige Verein engagiert sich seit 1952 für eigenverantwortliche Familien- planung und selbstbestimmte Sexualität. Neben Beratung und Information bietet Pro Familia auch sexualpädagogische Unterstützung an (Pro Familia, o. A., o. S.). Ihre Internetseite ist zudem sowohl in leichter Sprache als auch in Gebärdensprache verfügbar.

Pro Familia (2011) schreibt in einer Publikation über Sexualität und geistige Behinderung, dass es im Umgang mit der Sexualität von Menschen mit einer geistigen Behinderung viele Unsicherheiten gebe (S. 4). So würden Eltern und Fachkräfte die Sexualität von Menschen mit einer geistigen Behinderung als problematisch ansehen.

Gründe dafür seien auf Seiten der Eltern die Sichtweise, ihre Kinder als ewige Kinder anzusehen sowie das gewissenhafte Schützen ihrer behinderten Kinder (ebd., S. 5).

Auch Pädagogen/innen stießen an Grenzen wie beispielsweise in Form von Heimordnungen und Baugegebenheiten oder sozialpädagogischen Auffassungen von Kollegen und Kolleginnen, Vorgesetzten oder Verwandten der Bewohner/innen sowie

„dadurch, dass die eigene theoretische Offenheit in der Umsetzung in Widerstreit mit persönlichen Wertungen gerät“ (ebd., S. 5). Jedoch sei Sexualität nicht behindert. Pro Familia adressiert in jener Publikation Aspekte von Sexualität im Kontext von Menschen mit geistiger Behinderung, um „Angehörigen und Betreuern dazu ermutigen, ein unbefangenes Verhältnis zur Sexualität geistig behinderter Menschen zu entwickeln und ihnen ein selbstbestimmtes und erfülltes Sexualleben zuzugestehen“

(ebd., S. 4). Des Weiteren sind auf ihrer Internetseite drei weitere Publikationen in leichter Sprache zu den Themen „Sexualität – was sind unsere Rechte?“, „Verhütung“

und „Liebe und Sexualität“ zu finden. In allen Publikationen sind weitere Publikationen, auch in leichter Sprache, vermerkt sowie Beratungsstellen, an die man sich mit Fragen und Problemen wenden kann.

Als einen weiteren Interessenverband kann die Bundesvereinigung der Lebenshilfe gezählt werden. Die Bundesvereinigung der Lebenshilfe setzt sich für die Gleichberechtigung und Barrierefreiheit von Menschen mit geistiger Behinderung seit 1958 ein. Auf der Internetseite der Bundesvereinigung der Lebenshilfe lässt sich unter der Rubrik „Aus dem Leben - Familie“ ein Artikel mit der Überschrift „Aufklärung in leichter Sprache“ finden. Dieser führt zu drei Heften in leichter Sprach über Sex, Schwangerschaft und Geburt. Die Broschüren stammen von dem Verein donum vitae.

Dieser setzt sich laut Internetseite auf „der Grundlage des christlichen Menschenbildes

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(…) für den Schutz des ungeborenen Lebens und für die Würde von Frau, Mann und Kind“ ein (donum vitae, o.A., o. S.). Donum vitae startete im März 2013 das Inklusionsprojekt „Ich will auch heiraten!“. Ziel jenes Projektes sei es passgenaue Angebote bei Menschen mit geistiger Behinderung in Beratung und Sexualpädagogik zu entwickeln. So wird in der Beschreibung des Projekts hervorgehoben:

Im Beratungssetting muss berücksichtigt werden, dass Frauen und Männer mit geistiger Behinderung häufig unter gesetzl. Betreuung stehen. (…) Sensibel zu betrachten sind dabei auch die Fragen nach Verhütung und Kinderwunsch. In diesen Fragen kann es zu Interessenkollisionen kommen durch das z.T.

bestehende Abhängigkeitsverhältnis der Erwachsenen mit geistiger Behinderung von den gesetzlichen Betreuern und ggf. auch MitarbeiterInnen der Einrichtungen. (Blockzitat)

(donum vitae, o. A., o. S.)

Das Vorangegangene zeigt, dass Interessenverbände um die Aufklärung der Menschen mit einer geistigen Behinderung bemüht sind. Zugleich weisen sie in ihren Veröffentlichungen und Internetseiten auf Probleme hin, die es im Hinblick auf die Wahrnehmung von und den Umgang mit der Sexualität von Menschen mit einer geistigen Behinderung gibt. Drei Kategorien lassen sich aus dem oben Genannten bezüglich der ausgeübten Ideologie seitens der ISA der Interessenverbänden mit den vorläufigen Arbeitstiteln „Sexualität als Problem“, „Sexualität im Wandel“ sowie

„Normale Sexualität“ ableiten. Eine Tabelle mit den einzelnen Kategorien und ihren Eigenschaften sowie die für die weitere Datenerhebung relevanten Fragen befindet sich in Anhang 1. Diese Tabelle bezieht auch Erkenntnisse aus Abschnitt 2.2.2 mit ein.

Darüber hinaus sind meines Erachtens Gespräche mit Verantwortlichen, Angehörigen sowie Fachkräften über deren Ansichten und Erfahrungen um die herrschende Ideologie, deren Entwicklung sowie ihrer Wahrnehmung der Sexualität von Menschen mit einer geistigen Behinderung von Nöten. Diese Gespräche könnten dazu dienen die einzelnen Kategorien mit Bedeutungen zu füllen und sie zueinander in Verbindung setzen zu können. Zudem verweist Ortland beispielsweise auf weitere wissen- schaftliche Studien rund um Sexualität im Kontext von Menschen mit einer Behinderung (2016, S. 16 f.). Diese Studien sind als weitere Quellen für die Datensammlung anzusehen und zu studieren. Nicht nur im Kontext der ausgeübten Ideologie durch den ISA der Interessenverbände, sondern auch im Hinblick auf die übrigen ISA ist dies notwendig.

3.1.2 ISA der Information

Im Folgenden wird auf zwei Fernsehsendungen rund um Sexualität eingegangen.

Augenmerk dabei ist die Darstellung der Sexualität von Menschen mit einer geistigen Behinderung.

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In der Aufklärungs-Serie „Make Love“ der Sender MDR und ZDF trifft die Sexologin Ann-Marlene Henning unterschiedliche Paare und Menschen. In den einzelnen Folgen geht es um verschiedene Aspekte rund um Sexualität, von dem Verständnis für die Geschlechtsorgane über die Vielfältigkeit im sexuellen Ausleben bis hin zu Problemen innerhalb des eigenen bzw. gegenseitigen Erlebens von Sexualität. Bei Durchsehen der Staffel 1 bis 5 fällt auf, dass in keiner Folge in irgendeiner Weise die Sexualität von Menschen mit einer geistigen Behinderung erwähnt wird. In Staffel 3, Folge 2 „Sex trotz Hindernissen“ wird ein Paar gezeigt bei dem einer der Partner eine körperliche Beeinträchtigung durch einen Bandscheibenvorfall erlangt hat.

Ähnliches fällt bei der auf dem Sender Sixx ausgestrahlten Sendung „Paula kommt – Sex und gute Nacktgeschichten“ auf. In dieser spricht die Moderatorin Paula Lambert mit Frauen und Männern über ihre sexuellen Erfahrungen, Ansichten und Wünsche.

Die Sendung umfasst insgesamt 58 Folgen in 8 Staffeln. In Staffel 6, Episode 4 lautet das Thema „Sex mit Handicap“. In dieser unterhält sich Lampert mit einem Pärchen, bei dem beide Partner eine Querschnittslähmung haben. Beide Partner erlangten ihre Querschnittslähmung erst im Laufe der Zeit. Der Mann in Folge eines Unfalles, die Frau auf Grund einer angeborenen Spina Befida. Lampert sagt in der Sendung folgendes über Sexualität von Menschen mit einer Behinderung: „In den Köpfen der Menschen ist Behinderung und Sexualität immer noch ein totales Tabu. (…) Wer im Rollstuhl sitzt hat auf gar keinen Fall mehr Sex, es geht nicht, es ist komisch, es ist irgendwie blöd“ (Lampert, 2017, Teil 1, Minute 8:51 f. ). Das Paar berichtet von ähnlichen Erfahrungen über die Wahrnehmung ihres Sexuallebens (ebd., Minute 9:11 f.). So spiele beispielsweise auch in einer Reha Sexualität keine Rolle (ebd., Minute 12:00 f). Jedoch auf der anderen Seite sei beispielsweise das Nachtleben in Berlin gegenüber Menschen in einem Rollstuhl offen. Es sei relativ einfach zu flirten. Als Grund dafür wird u.a. das Auffallen durch den Rollstuhl genannt (Lampert, 2017, Teil 2, Minute 2:00 f.).

Ob und inwieweit in anderen Folgen Menschen mit einer Behinderung im Allgemeinen und Menschen mit einer geistigen Behinderung im Speziellen auf die ein oder andere Weise Erwähnung finden, kann hier nicht stichhaltig aufgezeigt werden, da der zeitliche Rahmen es nicht hergab, alle Folgen der Serie komplett anzuschauen. Bei oberflächlicher Betrachtung der einzelnen Folgen und ihrer Beschreibung erscheint es, dass Menschen mit einer geistigen Behinderung keine Erwähnung finden.

Aus dem oben ausgeführten lässt sich eine weitere Kategorie im Hinblick auf die Sexualität von Menschen mit einer geistigen Behinderung bilden: „Sexualität als Nicht- Existent“. Eine Übersicht mit den Eigenschaften und den daraus resultierenden Fragen ist in Anhang 2 zu finden. Des Weiteren kann auch die Frage, ob die Ideologie um die

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Sexualität von Menschen mit einer Behinderung auf dem Land eine andere ist als in der Stadt, aus den Daten abgeleitet werden. Darüber hinaus erscheint es bei erster Betrachtung der Aufklärungs-Serie „Make Love“ sowie oberflächlicher Beschäftigung mit den anderen Folgen der Serie „Paula kommt – Sex und gute Nacktgeschichten“, dass sich ähnliche Kategorien zu der ausgeübten Ideologie über Sexualität im Allgemeinen bilden lassen könnten. Folglich ergibt sich hier auf nächster Ebene um von einer materialen Theorie zu einer formalen zu gelangen die Frage inwieweit sich die einzelnen Kategorien um die ausgeübte Ideologie über die Sexualität von Menschen mit einer geistigen Behinderung von der ausgeübten Ideologie über Sexualität im Allgemeinen unterscheiden. In welcher Beziehung stehen sie zueinander?

3.1.3 Der juristische ISA

Im folgenden Abschnitt wird kurz auf Gesetze innerhalb des juristischen ISA eingegangen ohne Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben.

Wie bereits in Abschnitt 2.2.3 erwähnt, adressiert die UN-Behindertenrechtskonvention indirekt ein Recht auf Sexualität auf verschiedenen Ebenen: in Artikel 22 wird die Achtung der Privatsphäre zugesichert, in Artikel 23 wird Menschen mit einer Behinderung das Recht zu heiraten und Kinder zu bekommen zugestanden sowie in Artikel 23 der Zugang zu sexual- und fortpflanzungs-medizinische Gesundheits- leistungen gewährleistet. Die Bundesrepublik Deutschland hat die UN-Behinderten- rechtskonvention im März 2009 ratifiziert. Im Juni 2016 hat das Bundeskabinett eine zweite Auflage des Nationalen Aktionsplans zur Umsetzung der UN-Behinderten- rechtskonvention verabschiedet (Bentele, 2017, S. 2).

Darüber hinaus steht im Grundgesetz in Artikel 2 geschrieben: „Jeder hat das Recht auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder Sittengesetz verstößt“ (GG, Artikel 2). Zugleich enthält das Grundgesetz auch in Artikel 3 ein Verbot zu Benachteiligung von Menschen mit Behinderungen (GG, Artikel 3).

Folglich lassen sich weitere Eigenschaften der Kategorie „Sexualität als Normalität“

zuordnen: freie Entfaltung der Persönlichkeit, Achtung der Privatsphäre, Zugang zu sexual- und fortpflanzungs-medizinische Gesundheitsleistungen sowie die Möglichkeit heiraten zu dürfen und Kinder zu bekommen.

3.1.4 Weiterführende Bemerkungen

Für Althusser befinden sich in den ISA neben der Ideologie der herrschenden Klasse auch die Ideologien der abgelösten herrschenden Klassen sowie der Widerstand der

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ausgebeuteten Klassen (2016, S. 59). Analog zu Althusser stellt sich hier die Frage, was dieses für die einzelnen bereits herauskristallisierten Kategorien bedeutet.

Inwieweit können sie analog zu Althusser eingruppiert werden? Eine Eingruppierung analog zu Althusser hilft dem weiteren Forschungsvorhaben einerseits herauszufinden welche der Kategorien als Kernkategorie identifiziert werden kann, andererseits zu erkennen in welcher Verbindung die einzelnen Kategorien zueinander stehen. Die folgende Abbildung zeigt einen ersten Versuch diese analog zu Althusser zuzuordnen und in Beziehung zueinander zu setzen:

Abb.1: Erster Versuch die Kategorien analog zu Althusser in Beziehung zu setzen und einzuordnen

3.2 Gespräche mit Menschen mit einer geistigen Behinderung über die Erfahrungswelt „Sexualität“

Ich sprach mit sechs Bewohnern/innen, die in Einrichtungen der stationären Eingliederungshilfe der Lebenshilfe Osterholz leben. Die Gespräche mit den Bewohner/innen sowie ihren Betreuer/innen fand in einem Zeitraum von Mitte Dezember bis Mitte Januar statt. Die Gespräche wurden digital aufgezeichnet. Im folgenden Abschnitt werde ich zentrale Aussagen der Bewohner/innen hervorheben und analysieren. Dabei ist zu beachten, dass die Auswahl dieser Aussagen als zentrale Aussagen dieser Gespräche auf einer ersten Analyse beruht und gegebenenfalls in einem weiteren Verlauf der Forschung intensiver betrachtet werden müssten. Zudem sollte eine intensivere Beschäftigung mit anderen Aussagen dieser

Ideologien der abgelösten herrschenden

Klassen

Widerstand derausgebeuteten Klassen Ideologie

der herrschenden

Klasse

Sexualität im Wandel

Sexualität als Normalität Sexualität

als Nicht-Existent

Sexualität

Problemals Bedin

gt die Ideologie

“Sexualität alsNormalität”

den Wandel

? Resultiert

aus dem Kampf

zwischen denIdeologien

derWandel?

ODER

Welche Beziehung?

ODER

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Gespräche stattfinden. Eine Tabelle mit den daraus hervorgegangenen Kategorieren und Eigenschaften sowie Fragen befindet sich in Anhang 3.

Vier dieser Bewohner/innen leben in einem Wohnhaus, zwei von ihnen in einer Wohngruppe.6 Unter den Befragten befinden sich fünf Frauen und ein Mann. Zwei von den Befragten sind unter 30, die anderen vier entweder fast 50 oder älter. Die Gespräche dauerten im Durchschnitt zwischen 20 und 30 Minuten. Das Setting war bei allen vieren außerhalb des allgemeinen Gruppensettings: bei dreien in einem abgelegnen Raum mit einer Tasse Kaffee, bei den anderen in ihrem Zimmer. Im Folgenden werden die Befragten mit A, B, C, D, E und F gekennzeichnet.

Die Einstiegsfrage war bei allen Gesprächen die gleiche: „Was ist für dich Sexualität?“.

Der weitere Gesprächsverlauf unterschied sich entsprechend der verbalen Fähigkeiten der einzelnen Bewohner/innen, ihrem Verständnis von einzelnen Begriffen sowie den Themen, die sie von sich aus ansprachen. In den meisten Fällen war es nicht möglich ein narratives Interview zu führen, da die Gespräche immer wieder ins Stocken gerieten, sodass ich mit einfachen Fragen nachhaken musste. Des Weiteren fragte ich auch entsprechend des Verlaufs nach den Wünschen in Bezug auf Sexualität, Partnerschaft, Privatsphäre, Heirat und Kinder. Spätestens nach zwanzig bis fünfundzwanzig Minuten ließ bei allen Befragten die Konzentration auf das Thema nach. Es kam auch des öfteren vor, dass das Thema gewechselt wurde. Bei zweien stellte ich außerdem fest, dass die verbalen Fähigkeiten weitaus besser wurden, wenn wir auf für sie alltägliche Themen wie beispielsweise die Mitbewohner/innen kamen.

Aus dieser Erfahrung schlussfolgere ich, dass narrative Interviews mit Menschen mit einer geistigen Behinderung zum Einen gegebenenfalls Hilfsmittel in Form von beispielsweise Piktogrammen bedürfen, zum anderen dass diese Gespräche gesplittet werden sollten. Damit meine ich, dass man über einen gewissen Zeitraum in regelmäßigen Abständen für einen kürzeren Zeitraum mit den Bewohnern/innen ins Gespräch zu gehen ist. Eine entsprechende Erfahrung machte ich auch mit einer der Befragten: Nach unseren Gespräch kam sie zwei Mal von sich aus wieder auf mich zu und erzählte mir von Themen, die sie im Kontext von Sexualität beschäftigen. Es machte auf mich den Eindruck, dass sie Raum und Zeit benötigte, das Besprochene zu verarbeiten und entsprechende für sie relevante Themen zu verbalisieren. Dieser Aspekt ist für das weitere Forschungsvorgehen wichtig.

Auffallend bei den meisten Gesprächen war, dass die Befragten mit Begriffen wie Privatsphäre, Intimität sowie Selbstbestimmung nichts oder nur zum Teil etwas anfangen konnten. So könnte man argumentieren, dass sie auf Grund ihrer kognitiven 6 Der Hilfebedarf der einzelnen Bewohner/innen entscheidet über die Wohnform. So sind bei der Lebenshilfe Osterholz jene Bewohner/innen mit einem höheren Unterstützungsbedarf im „Wohnheim“

untergebracht. Die selbstständigeren Bewohner/innen dahingehen leben in Wohngruppen.

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Fähigkeiten kein Verständnis für die Begriffe entwickeln können, da es sich um komplizierte Wörter handele. Jedoch möchte ich dem entgegensetzen, dass sie alle trotz kognitiver Einschränkungen nach meinem Versuch diese Begriffe ihnen in ihrer Bedeutung so einfach wie möglich zu erklären, sagten, dass sie diese nun verstünden.

Teilweise erzählten sie mir im Anschluss über für sie relevante und dazu passende Themen. Folglich schlussfolgere ich hieraus, dass niemand ihnen diese Begriffe in einer Häufigkeit und Form erklärt hat, sodass sie in der Lage waren diese Wörter und die dahinter stehende Bedeutung behalten zu können. Eine weitere Kategorie auf einer persönlichen Dimension ist daher hier zu finden, nämlich die der „unaufgeklärte/

teilweise-aufgeklärte Sexualität“.

Auf meine Einstiegsfragen „Was ist für dich Sexualität?“ antworteten mir die Befragten folgendes:

A:Wenn eine Frau und ein Mann zusammen ist…Sex. (…) Die Beziehung ist ziemlich gut mit meinem Freund. Wir sind befreundet.

B:Du meinst Sex. (…) Also ich habe auch einen Freund, den siehst du auch auf den Fotos…Mit ihm war ich auch mal weggefahren, so richtig in Urlaub, dann haben wir uns alles ausgezogen. Komplett. Er auch. Und ist auf meinen Bauch gekommen und seinen Penis in meine Scheide gesteckt.

C Was ist das?

D :Ich hatte noch keinen Freund...Ich weiß es auch nicht. (…) Liebe ist zusammen sein oder eine Rose und mit Herz.

E :Wenn sich jemand...Freundschaft glaube ich...nehme ich mal an. Wenn jemand eine Freundin hat, ich sage mal so wie X hat, der immer mit ihr zusammen ist und wie man das mit der am besten machen kann. Das wurde mir mal erzählt.

F:Oh Gott wie soll ich das erklären. Ich war ja mal in einer Beziehung und bin jetzt wieder in einer neuen Beziehung sag ich jetzt einfach mal so und verstehe unter Sexualität, dass man mit einem Partner kuscheln tut, dass man sich halt versteht recht gut so, dass wenn man Streitigkeiten hat, dass man diese halt klären kann, das verstehe ich halt unter Sexualität.

Bis auf C konnten alle der Befragten mit dem Wort Sexualität auf Anhieb etwas anfangen.

Aus den oben angeführten Aussagen lassen sich verschiedene Eigenschaften innerhalb der persönlichen Erfahrungswelt schlussfolgern. So setzten A und B Sexualität mit Sex gleich, wobei E und F Sexualität mit einer/m Freund/in bzw.

Partner/in zu haben in Verbindung bringen. Auch A, B und D ziehen einen Zusammenhang zwischen Sexualität und einer Partnerschaft. Zugleich jedoch scheint es, dass es für A und E keinen Unterschied zwischen einer Freundschaft und einer Liebesbeziehung gibt oder ihnen der Unterschied nicht ganz klar ist. A beispielsweise spricht von „meinem Freund“ und einer guten Beziehung, im nächsten Moment sagt sie: „Wir sind befreundet“. Anders als B, die klar unterschiedet im weiteren

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Gesprächsverlauf: „Mit S. bin ich richtig befreundet. J. ist mein richtiger Freund. Mit S.

bin ich nur befreundet.“ Es erscheint, dass keiner der Befragten Sexualität auch als die eigene Sexualität versteht, sondern dass Sexualität für sie mit jemand anderem stattfindet. Folglich lässt sich hier eine weitere Eigenschaften der Kategorie

„unaufgeklärte/teilweise-aufgeklärte Sexualität“ finden. So auch im Folgenden:

B :Und ich möchte später auch Kinder haben. Aber vorher muss ich erstmal Pflegekinder kriegen, damit ich lernen kann wie das geht für ein Kind zu sorgen. Eigentlich weiß ich das ja alles, aber ich muss weiterlernen. Auch Erwachsene müssen weiterlernen. Zwischen mir und J. mir gefällt das sehr gut von ihm. (…) Ich möchte, dass er später mal mein Mann wird. (…) Nur ein Lehrer hat mit mir über Sex gesprochen. Irgendwas mit Frauen und Brust, das alle am Anfang zu platt, die Männer Brustwarzen, werden größer und größer und fangen an zu wackeln. (…) Bei der Frau geht es da unten raus.

So kann B in diesem Auszug benennen, dass ein Lehrer mit ihr über Sex gesprochen habe. Jedoch ist das, woran sie sich erinnern kann, auf die körperlichen Unterschiede zwischen Mann und Frau beschränkt. Ihre Aussage über die Pflegekinder und eigenen Kinder erscheint zudem eher danach, dass sie irgendwo gesehen, miterlebt oder gehört hat, dass jemand erst ein Pflegekind hatte und dann ein eigenes Kind zur Welt brachte. Sie scheint folglich dieses als einen üblichen Vorgang im Prozess des eigenen Kinderkriegens anzunehmen. Es macht nicht den Anschein, dass jemand mit ihr bezüglich ihres Kinderwunsches ins Gespräch gegangen ist und einen entsprechenden pädagogischen Prozess initiiert hat.

Einen entgegengesetzten Eindruck bezüglich „Aufklärung im Zusammenhang der Familienplanung“ macht folgender Gesprächsauszug, der auf meine Frage an F bezüglich des Wunsches nach Heirat antwortet:

F: Irgendwann mal ja, aber jetzt noch nicht. (…) Ja, weil ich eben Angst habe, dass es jetzt noch alles gut läuft und so und irgendwann runter kühlt und man sich dann unglücklicherweise sich dann vielleicht irgendwann trennt. Kann ich nicht so.…Dass wenn man verheiratet, dass man den Bund der Ehe eingeht, lebenslänglich halt … und nicht nach zwei Jahren sagt ich trenne mich jetzt von dem Idioten. Das geht dann halt nicht...Und das traurige denn, wenn man sich dann trennt in der Ehe dann so, relativ dann schwer, wenn man Kinder hat, wer will dann die Kinder haben und dann gibt es da dieses Sorgerecht...und wenn dann der eine das haben will und dann der andere doch lieber. Das will ich nicht mitmachen. Ehrlich gesagt.

Das Gespräch mit C bringt eine persönliche Dimension der Eigenschaft „Sexualität als ein Tabu-Thema“ der Kategorie „Sexualität als Nicht-Existent“ zum Vorschein wie der folgende Gesprächsauszug zeigt. Zudem war das Gespräch sehr davon geprägt, dass im Vergleich zu den anderen Gesprächen mehr Fragen gestellt wurden:

Ich: Warst du denn schonmal verliebt?

C: Nein, noch nicht.

Ich: Wärst du denn gerne mal verliebt?

(26)

C: Sagen wir mal so, halb, halb. Einmal ja, einmal nein.

(...)

Ich: Verliebt sein bedeutet ja auch so ein bisschen jemanden küssen zu wollen.

C: Also das tue ich nicht.

Ich: Findest du das doof?

C: Also eigentlich nein.

Ich: Würdest du gerne jemanden mal küssen?

C:Also das tue ich nicht. Nein.

C's Aussagen zum Verliebt-sein und Küssen sind widersprüchlich. Zudem schwingt im

„Also das tue ich nicht“ etwas von „Küssen als Tabu“ mit. Hier stellt sich die Frage, woher bei C dieser Widerspruch beziehungsweise diese Unklarheit kommt. Welche Gründe hat C dafür, dass C das nicht tut? Inwieweit ist beispielsweise C's Aussagen durch ihren familialen ideologischen Staatsapparat geprägt?

Widersprüchliche Aussagen lassen sich auch bei A finden, wenn A über den Freund erzählt:

Wir sehen uns zu Geburtstagen oder wenn mal was ist, aber sonst sehen wir uns gar nicht. Weihnachten nicht. (…) Ich finde das gut so. Anders geht es ja wohl schlecht, er kann ja schlecht hierher ziehen. (…) Weil hier ja nichts mehr frei ist. Ich könnte mir das aber gut vorstellen, dass er hier einziehen könnte.

(…) [Heiraten] wollen wir nicht. (…) Weil wir beide doch verschiedene...Er kriegt Anfälle und ich habe Diabetes. Ich hätte wohl Lust zu heiraten, aber ich weiß nicht wegen meiner Diabetes, ob das so gut ist.

Auf der einen Seite findet sie es gut, dass sie ihn nur so selten sieht, auf der anderen Seite kann sie sich gut vorstellen ihn öfter zu sehen. Dieser Widerspruch könnte darin begründet liegen, dass es nach ihrer Wahrnehmung schlecht gehe, weil in dem Wohnhaus in dem sie lebt kein Platz mehr frei sei. Als wir auf das Thema Heiraten zu sprechen kamen scheint die gleiche Dynamik zu greifen: zum einen sagt sie, dass sie nicht heiraten wollen und begründet dies in der beidseitigen Behinderung, zum anderen sagt sie daraufhin, dass sie Lust hätte zu heiraten.

Eine ähnliche Begründung in der eigenen Behinderung lässt sich auch bei B finden, wenn sie sagt:

So wirklich frei nun auch wieder nicht. Wir haben beide verschiedene Krankheiten. Meine Krankheit ist so, dass ich jeden Abend schon an den nächsten Tag denke. Und das ist eigentlich nicht so schön, das ist nicht so gut... Die Behinderung steht mitten im Weg. Wir können uns überhaupt nicht zusammen unterhalten. Ich male ganz gerne, er nämlich auch. Er stottert immer, wenn er redet. Das ist ja das Problem...Und er hört nicht zu.

Das Ausleben der Sexualität scheint hier auf einer persönlichen Dimension als Problem gesehen zu werden auf Grund der eigenen Behinderung. Woher kommt diese Wahrnehmung? Besonders bei B stellt sich mir bei ihrer Beschreibung ihrer Behinderung die Frage wieso sie die Probleme mit ihrem Freund als Konsequenz ihrer

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