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Selbstbestimmung bis zum Tod

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Bayerisches Ärzteblatt 5/2005 335

BLÄK informiert

Das jüngste Medienspektakel um die Koma-Pa- tientin Terri Schiavo hat die Diskussion über Pa- tientenverfügungen und Vorsorgevollmachten er- neut entfacht. Der Fall zeigte vielen Menschen, dass nur eine frühzeitige Auseinandersetzung mit dem Thema „Patientenwille“ die Selbstbe- stimmung über Leben und Tod gewährleisten kann. Den Fragen der Öffentlichkeit zu medizini- schem und juristischem Hintergrund stellte sich nun das Interdisziplinäre Zentrum für Palliativme- dizin (IZP) und das Institut der Rechtsmedizin der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München in Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Staatsmi- nisterium der Justiz.

„In Würde leben und in Würde sterben dür- fen“ sah Dr. Beate Merk, Bayerische Staats- ministerin der Justiz, als eines der wichtigs- ten, im Grundgesetz verankerten Rechte für den Menschen. Die Debatte über die Ver- bindlichkeit von Patientenverfügungen veran- lasste die Bayerische Justizministerin, das Ur- teil des Bundesgerichtshofs vom 10. April 2003 nochmals zu interpretieren. Dieses be- sage, dass der beispielsweise in einer Patien- tenverfügung geäußerte Wille eines Patien- ten, dessen „Grundleiden einen irreversiblen tödlichen Verlauf angenommen habe“, in die- sem Augenblick Gültigkeit erlange. Diese Beschreibung beziehe sich nicht nur auf die unmittelbare Sterbephase, sondern auch auf eine Situation, in der klar sei, dass ein Mensch nicht mehr als bewusste Persönlichkeit ins Leben integriert werden könne, wie dies bei einem so genannten Wachkomapatienten der Fall sei, so Merk. Professor Dr. Wolfgang Eisenmenger, Vorstand des Instituts für Rechtsmedizin der LMU, sah in dieser Be- grifflichkeit ohnehin ein Problem der Defini- tion, was eine Verwässerung der Lage mit sich bringe. „Bereits mit dem Leben beginnt der irreversible Verlauf, mehr kann man nicht definieren“, betonte Eisenmenger.

Aktive und passive Sterbehilfe

Die Angst vor strafrechtlichen Konsequenzen für die Ärzte, eine verbreitete Unsicherheit aufgrund der nicht eindeutigen Gesetzeslage und zu wenig Wissen auf dem Gebiet der Palliativmedizin sei die Ursache dafür, dass manchen Patienten beispielsweise eine Schmerzbehandlung mit Morphin bei Atem- not verwehrt bleibe, meinte Professor Dr.

Gian Domenico Borasio, Palliativmediziner und Neurologe, Geschäftsführer des IZP, Kli-

nikum Großhadern der LMU. Dagegen helfe nur, den Wissensstand der Beteiligten zu ver- bessern und Termini wie „passive“ gegen „ak- tive Sterbehilfe“ eindeutig abzugrenzen. Das Unterlassen einer lebenserhaltenden Maß- nahme sei dabei zweifelsfrei eine passive Handlung, das „Eingreifen in ein Leben, um den Tod zu beschleunigen, auch wenn der Pa- tient dies so wolle“, dagegen eine aktive, er- klärte Professor Dr. Heinz Schöch, Lehrstuhl für Strafrecht, Kriminologie, Jugendrecht und Strafvollzug, Juristische Fakultät der LMU.

Um der Unwissenheit auf diesem Gebiet ent- gegenzuwirken, wurde an der LMU bereits eine Pflichtvorlesung „Palliativmedizin“ ein- geführt, in der unter anderem auch Prüfungs- wissen zu Sterbebegleitung und Patientenver- fügung vermittelt wird. Denn „solange ele- mentare Grundsätze der Palliativmedizin wie zum Beispiel die Tatsache, dass Menschen in der Sterbephase in der Regel keinen Hunger verspüren, den meisten Ärzten unbekannt bleiben, erschwert dies die Entscheidungs- prozesse am Lebensende“, stellten Borasio und Eisenmenger unisono fest.

Frühzeitig vorsorgen

Um die Selbstbestimmung eines Patienten auch noch dann garantieren zu können, wenn dieser selbst seinen Willen nicht mehr äußern kann, müsse sich der Arzt, sofern eine Patien- tenverfügung vorliegt, dieser fügen. Eigent- lich sollte sich jeder ab 18 Jahren um eine sol- che Verfügung bemühen und diese ständig aktualisieren, so die Justizministerin. „Keine Patientenverfügung ohne Vorsorgevollmacht“

riet zudem die Palliativmedizinerin Dr. Elisa- beth Albrecht im Rahmen der Pressekonfe-

renz „Patientenwille und Selbstbestimmung“, die der Bayerische Notarverein e. V. veran- staltete. Die beiden Instrumente würden sich gut ergänzen und die Treuhandperson könnte bei Lücken in der Patientenverfügung dem Willen des Patienten entsprechend für diesen entscheiden. Wichtig sei beim Verfassen einer solchen Verfügung der stete Dialog mit dem Arzt und einer Person des Vertrauens, waren sich alle Experten einig.

Elektronische Registrierung

Für einen schnellen und unkomplizierten Zu- griff auf Vorsorgeverfügungen sorge das seit 2003 verfügbare Zentrale Vorsorgeregister der Bundesnotarkammer (ZVR). Dort würden Vorsorgevollmachten sowie damit kombinier- te Patientenverfügungen für eine einmalige Gebühr von höchstens 18,50 €dauerhaft re- gistriert. Mit einem Internetzugang als Vor- aussetzung könne dann das Vormundschafts- gericht im Ernstfall schnell auf elektroni- schem Weg herausfinden, ob eine Verfügung vorliege und wer bevollmächtigt sei, da die Vertrauensperson direkt mit Adresse registriert und nicht, wie bei der Patienten- verfügung, beim Notar hinterlegt sei (www.vorsorgeregister.de).

Eine Broschüre zum Thema Patientenverfü- gung kann auf der Internetseite des Ministe- riums unter www2.justiz.bayern.de/daten/

pdf/vorsorge2004.pdf heruntergeladen wer- den.

Sabine Eigen (BLÄK)

Selbstbestimmung bis zum Tod

Stellten sich medizinischen wie juristischen Fragen:

Professor Dr. Heinz Schöch, Dr. Beate Merk, Dr. Bernhard Knittel, Professor Dr. Wolfgang Eisenmenger, Professor Dr. Gian Domenico Borasio (v. li.).

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