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Archiv "Die Selbstbestimmung des Patienten: Medizinethik im 21. Jahrhundert" (25.11.2011)

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A 2520 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 108

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Heft 47

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25. November 2011

DIE SELBSTBESTIMMUNG DES PATIENTEN

Medizinethik im 21. Jahrhundert

Mit den Themen verfügter und natürlicher Wille bei Kindern und Demenzkranken, Patientenverfügungen bei Wachkomapatienten und der Rolle von

Public Health Genomics beschäftigte sich die Akademie für Ethik in der Medizin.

J

uli Zeh entwirft in ihrem Ro- man „Corpus Delicti“ das Science-Fiction-Szenario einer Ge- sundheitsdiktatur im Jahr 2057.

Die Schriftstellerin beschreibt dar - in ein System, in dem alle und al- les kontrolliert werden und in dem Gesundheit zur obersten Bürger- pflicht geworden ist. Sicher nicht ohne Grund hat die Akademie für Ethik in der Medizin Juli Zeh zu ei- ner Lesung aus ihrem Buch nach Göttingen eingeladen. Dort be- schäftigten sich auf der 25. Jahres- tagung der Akademie Ärzte, Politi- ker und Juristen vor kurzem mit dem Thema „Die Selbstbestim- mung des Patienten und die Medi- zin der Zukunft – Perspektiven ei- ner Medizinethik des 21. Jahrhun- derts“. Es ging dabei unter ande- rem um Patientenverfügungen und den sogenannten natürlichen Wil- len von Patienten, aber eben auch, anknüpfend an Juli Zehs Szenario, um die Frage, inwieweit der Staat individuelle Rechte einschränken kann und darf.

Der Arzt als Coach?

Prof. Dr. med. Angela Brand vom European Institute for Public Health Genomics in Maastricht, Nieder- lande, berichtet, wie Public Health Genomics zur Verbesserung der Gesundheit der Gesamtbevölkerung beitragen kann. „Mit Hilfe eines ei- genen virtuellen Zwillings lässt sich dann beispielsweise testen, wie man auf bestimmte Nahrungs- mittel und Noxen reagiert.“ Solche Modelle seien bereits in der Ent- wicklung. „Die Tendenz geht dazu zu sagen, dass die personalisierte Ernährung auch Teil eines sozia- len Paradigmenwechsels wird. Es geht darum, meine Gesundheit selbst in die Hand zu nehmen.“

Doch damit stellten sich auch eine

Reihe von neuen Fragen: Was wird dann die Rolle des Arztes sein? Ist er mein Coach? Können die Kran- kenkassen mir bestimmte Präventi- onsmaßnahmen vorschreiben?

Zeichen eines Lebenswillens Die Mündigkeit und Selbstbestim- mung von Patienten drückt sich zu- nehmend auch in Patientenverfü- gungen aus, einem weiteren Thema der Göttinger Tagung. So gingen Katja Kühlmeyer, Prof. Dr. med.

Gian Domenico Borasio und Dr.

med. Dr. phil. Ralf J. Jox, Mün- chen, der Frage nach, inwieweit die prospektive Selbstbestimmung von Wachkomapatienten respektiert wird.

Die meisten Angehörigen orientier- ten sich vornehmlich am gegenwär- tigen Zustand des Patienten. Dabei offenbarten sie „ein vom medizini- schen Verständnis abweichendes Krankheitsverständnis, interpretier- ten das Verhalten des Patienten als zielgerichtet, sein Bewusstsein als intakt und hielten über Jahre die Hoffnung auf eine späte Rehabilita- tion der Kommunikationsfähigkeit aufrecht“. In vielen Familien seien Patientenverfügungen, mündliche oder mutmaßliche Behandlungs- wünsche von diesen Faktoren über- stimmt worden. Die Angehörigen beriefen sich auf einen natürlichen Lebenswillen des Patienten.

Dieses Konzept des natürlichen Willens spiele auch bei der Behand-

lung von Neugeborenen und Säug- lingen sowie in der Therapie von Patienten mit fortgeschrittener De- menz eine entscheidungsrelevante Rolle, betonte Jox. Bei den Kin- dern werde oft das Überstehen einer lebenskritischen Akutsituation als Zeichen eines natürlichen Lebens- willens gedeutet. Bei Demenzkran- ken seien es konkrete Verhaltens- merkmale wie Lächeln, Weinen oder abwehrende Gesten, die als Zeichen eines Lebenswillens inter- pretiert würden. Beide Formen er- füllen jedoch nach Auffassung von Jox nicht die Bedingungen für den bioethischen Begriff der Autonomie.

Juristisch könne zwar ein sogenann- ter natürlicher Wille aus nonver - balem Verhalten abgeleitet werden.

Dessen Verbindlichkeit sei aller- dings im Vergleich zum verbal ge- äußerten, verfügten oder morali- schen Willen unklar.

Dass sich dagegen Patientenver- fügungen bewährt hätten, berichte- ten Daniela Ritzenthaler-Spielmann und Patrizia Kalbermatten-Casarot- ti, Zürich. Seit den ersten Formulie- rungen von Patientenverfügungen in der Schweiz vor 30 Jahren sei vie- les geschehen: „Das Arzt-Patienten- Verhältnis hat sich verändert, der Selbstbestimmung wird dabei ein starkes Gewicht verliehen, der ,in- formed consent’ ist als Basis der ärztlichen Handlungen etabliert.“

Gisela Klinkhammer

Die Akademie für Ethik in der Medizin, die wis- senschaftliche Gesellschaft für Medizinethik in Deutschland, Österreich und der Schweiz, wurde am 5. Dezember 1986 in Göttingen gegründet. In diesem Jahr feiert sie ihr 25-jähriges Bestehen.

Die Akademie fördert nach eigenen Angaben den interdisziplinären gesellschaftlichen Dialog zu den brisanten Fragen der modernen Medizin. Präsi- dentin der Akademie für Ethik in der Medizin ist Prof. Dr. med. Claudia Wiesemann, Göttingen.

AKADEMIE FÜR ETHIK IN DER MEDIZIN

P O L I T I K

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