Amt für Versorgung und Rehabilitation
Az.: 32; 32.1-013.431; 430.02-3722177
Sitzungsvorlage JHA/SA/26/2017
Ambulante und stationäre Angebote für jüngere Menschen mit Pflegebedarf und Teilhabeeinschränkungen (Junge
Pflege)
TOP Gremium Sitzung am Öffentlichkeitsstatus
5 Jugendhilfe- und Sozialausschuss 11.12.2017 öffentlich
keine Anlagen
Beschlussvorschlag
Der Jugendhilfe- und Sozialausschuss
1. nimmt Kenntnis von den Unterstützungsangeboten für jüngere pflegebedürftige Men- schen mit Teilhabeeinschränkungen im Landkreis Karlsruhe.
2. beauftragt die Verwaltung, dieses Thema bei der Fortschreibung der Teilhabepla- nung für Menschen mit Behinderungen und der Kreispflegeplanung verstärkt aufzu- nehmen.
I.Sachverhalt
1. Ausgangslage
Die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen hat in der Haushaltsrede zum Haushalt 2017 angeregt, im Rahmen der Sozialplanung eine spezielle Einrichtung für jüngere Men- schen mit Pflegebedürftigkeit zu schaffen. Dies wird zum Anlass genommen, die aktuel- le Situation darzustellen.
Die Situation jüngerer pflegebedürftiger Menschen mit mehr oder weniger einge- schränkter Fähigkeit zur selbständigen Lebensführung tangiert sowohl die Kreispflege- planung wie auch die Teilhabeplanung für Menschen mit Behinderungen.
Leistungsrechtlich sieht das Sozialgesetzbuch XII keine klare Abgrenzung zwischen der Hilfe zur Pflege und der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen vor und auch das Bundesteilhabegesetz strukturiert das Verhältnis der Eingliederungshilfe zum Pflege- recht nicht grundlegend neu. Weiterhin ist ein nebeneinander beider Leistungen vorge- sehen, lediglich die administrativen Abläufe werden durch eine Bündelungszuständig-
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Seite 2 keit bei der Eingliederungshilfe vorgegeben. Für beide Leistungsbereiche bleiben in Baden-Württemberg auch künftig die Stadt- und Landkreise in der Finanz- und Pla- nungsverantwortung.
Eine kürzlich durchgeführte Umfrage bei den 49 stationären Pflegeeinrichtungen im Landkreis Karlsruhe ergab, dass von über 4.000 Bewohnerinnen und Bewohnern 108 jünger als 60 Jahre alt sind. Bei ihnen liegt in der Mehrzahl der Fälle
- eine psychische Erkrankung - ein chronischer Alkoholabusus - eine Immobilität
- ein Schädeltrauma nach Sturz/Wachkoma - eine Epilepsie
- ein Hirnschaden nach Reanimation
vor, in Einzelfällen zeigen sich auch Selbstversorgungsdefizite bzw. Verwahrlosungs- tendenzen.
Diese Krankheitsbilder sind in der Regel mit einer erhöhten Pflegebedürftigkeit verbun- den, die Fähigkeit zu einer eigenständigen Lebensführung dürfte nur noch in geringem Maße vorhanden sein. Ungeachtet dessen ist nicht auszuschließen, dass die Aufnah- me in das Pflegeheim mangels geeigneter Alternativen erfolgt ist.
Soweit die Sozialhilfe tangiert ist, wird im Rahmen des Fallmanagements immer ge- prüft, ob eine ambulante Unterstützung noch möglich bzw. eine Betreuungsform im Rahmen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen sinnvoller ist. Allerdings sind 75 % der Pflegeheimbewohner aus dem Landkreis Selbstzahler, d.h. die Aufnahme in einem Pflegeheim erfolgt ohne Kenntnis der Sozialverwaltung.
2. Angebote im Landkreis Karlsruhe
Werden junge Menschen aufgrund eines Unfalls oder Krankheit pflegebedürftig und wird eine vollstationäre Pflege erforderlich, weil die familiäre Situation eine ausreichen- de Betreuung nicht zulässt, ist die Aufnahme in einer Seniorenpflegeeinrichtung subop- timal. Menschen im Alter zwischen 20 und 60 Jahren in einem Umfeld von Hochbetag- ten mit unterschiedlichsten und zum Teil schweren Erkrankungen, wie beispielsweise Demenz, zu betreuen, gestaltet sich häufig schwierig. Es bedarf daher auch spezieller Angebote für junge Pflegebedürftige.
Der Badische Landesverein für Innere Mission als Träger des Martinshauses Berghau- sen wird in Abstimmung mit der Sozialplanung des Landkreises am Standort in Pfinztal- Berghausen neben dem geplanten Neubau des Wohnheims für Menschen mit einer geistigen und körperlichen Behinderung eine Pflegeeinrichtung errichten, die in einem separaten Gebäudeteil 16 Plätze für „Junge Pflege“ vorsieht.
Eine weitere Wohngruppe (12 Plätze) auch für jüngere intensivpflegebedürftige Men- schen (beatmet/unbeatmet) mit 24-Stunden-Betreuung ist im Rechberg-Campus in
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Seite 3 Bretten geplant. „Das Grüne Haus“ soll u.a. Betreutes Wohnen und ein Kita-Angebot beherbergen und ist daher stark „inklusiv“ ausgerichtet.
Das derzeit im Bau befindliche Seniorenzentrum Dettenheim sieht ebenfalls einen Spe- zialbereich für junge Pflegebedürftige vor.
Für jüngere Menschen, die wegen einer kognitiven Beeinträchtigung und höherem Pflegebedarf eine stationäre Unterstützung benötigen, gibt es im Stadt- und Landkreis Karlsruhe die Einrichtungen der Behindertenhilfe von Reha Südwest in Karlsruhe und Waghäusel, das AWO Haus in Karlsbad - Spielberg und die beiden Wohnheime des Heilpädagogischen Wohn- und Beschäftigungsverbundes (HWBV) in Oberhausen- Rheinhausen und in Karlsruhe-Stupferich. Hinzu kommen die klassischen Wohnhei- mangebote der Lebenshilfe Bruchsal-Bretten und der Hagsfelder Wohngemeinschaf- ten.
Für junge Menschen mit Handicap und dem Bedarf an pflegerischen Unterstützungs- leistungen kann aber auch eine zumindest teilweise unabhängige Lebensführung au- ßerhalb stationärer Wohnformen erstrebenswert sein. Erforderlich hierfür sind barriere- freie private Wohnmöglichkeiten, Unterstützung durch ambulante Pflege- und Betreu- ungsdienste, individuelle Assistenz damit ein Leben in der Gemeinschaft zumindest teilweise selbstbestimmt gelebt werden kann und technische Hilfen bei Bedarf. Um ei- ner Vereinzelung entgegenzuwirken macht es Sinn, barrierefreien Wohnraum für meh- rere Betroffene an einem Ort zu konzentrieren. So können soziale Kontakte unterei- nander besser ermöglicht und die notwendigen Unterstützungsleistungen wirtschaftlich abgebildet werden.
Die AWO Soziale Dienste gGmbH Bruchsal hat seit kurzem im Jacob-Giesser-Haus in Waghäusel-Wiesental ein solches Angebot geschaffen. Im Dachgeschoss des Jacob- Giesser-Hauses befinden sich 9 barrierefreie Einzimmer-Appartements und ein Zwei- zimmer-Appartement für junge Menschen mit Handicap und Bedarf an körperbezoge- nen Pflegemaßnahmen und pflegerische Betreuungsmaßnahmen sowie Hilfen bei der Haushaltsführung. Über die vorgehaltene Individuelle Schwerstbehinderten Assistenz können Unterstützungs- und Teilhabeleistungen angeboten werden, die sich an den Bedürfnissen der Betroffenen orientieren. Notwendige pflegerische Leistungen bzw.
hauswirtschaftliche Versorgungsleistungen können über die Sozialstation oder private Pflegedienste im Rahmen der Pflegeversicherung nach SGB XI bzw. in Form von Be- handlungspflege nach SGB V abgedeckt werden.
Die Assistenzleistungen werden im Rahmen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen als Hilfen zu selbstbestimmtem Leben in betreuten Wohnmöglichkeiten bzw.
zur Teilhabe am gemeinschaftlichen und kulturellen Leben oder - nachrangig zu den Leistungen der Pflegeversicherung - als Hilfe zur Pflege erbracht.
Künftig wird es verstärkt darum gehen, neue altersgerechte Wohnformen für pflegebe- dürftige Menschen mit einer körperlichen und/oder geistigen Behinderung und für pfle- gebedürftige chronisch psychisch kranke Menschen, in Abgrenzung zur klassischen Heimbetreuung, in den Blick zu nehmen. In der Fortschreibung der Kreispflegeplanung wie auch der Teilhabeplanung wird diesem Thema deshalb verstärkt Aufmerksamkeit geschenkt werden.
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Seite 4 II. Finanzielle / Personelle Auswirkungen
Die Ausdifferenzierung der Betreuungsangebote in der Pflege und in der Behinderten- hilfe wird tendenziell zu einer Verteuerung der Angebote führen.
III. Zuständigkeit
Die Zuständigkeit des Jugendhilfe- und Sozialausschusses ergibt sich aus § 4 Abs. 3 der Hauptsatzung des Landkreises Karlsruhe.