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Wirtschafts-, Finanz- und Steuerpolitik

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Herausgeber:

DGB-Bundesvorstand Abteilung Wirtschafts-, Finanz- und Steuerpolitik

Verantwortlich:

Claus Matecki

Henriette-Herz-Platz 2 10178 Berlin

Fragen an:

Martin Stuber &

Florian Moritz Tel.: 0 30/2 40 60-247 Fax: 0 30/2 40 60-218 E-Mail: florian.moritz@dgb.de

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1. Einführung

Der Rat hat in seinen Integrierten Leitlinien zu Europa 2020 festgeschrieben, die Strategie Europa 2020 solle „in enger Zusammenarbeit mit den Parlamenten, den Sozialpartnern sowie den Vertretern der Zivilgesellschaft umgesetzt werden, die in die Erarbeitung der nationalen Reformprogramme, ihre Umsetzung und die umfassende Kommunikation über die Strategie einbezogen werden sollten.“

Aus Sicht des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) sollte die Beteiligung der Sozialpartner und der

zivilgesellschaftlichen Akteure an der Erarbeitung der Nationalen Reformprogramme (NRP) deutlich ausgebaut und von der Bundesregierung künftig seriöser gestaltet werden. Beispielsweise wurde der aktuelle Entwurf des Nationalen Reformprogramms (NRP) dem DGB vom Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) am Freitag, den 24.

Februar 2012 nachmittags zugeleitet. Die Frist für die Abgabe der vorliegenden Stellungnahme wurde vom BMWi auf den 29. Februar gelegt. Für eine Stellungnahme zum 78 Seiten starken, verschiedenste Themenbereiche umfassenden Entwurf des NRP standen also drei Arbeitstage zur Verfügung. Dieser Zeitraum ist viel zu kurz und ermöglicht lediglich eine grundsätzliche Kommentierung des Text-Entwurfs.

Der DGB kritisiert an diesem Entwurf insbesondere, dass gravierende bestehende Probleme von der

Bundesregierung nicht angesprochen werden. Der NRP-Entwurf erweckt den Eindruck, die Bundesregierung wolle vor allem vermeintliche Erfolge darstellen, anstatt die tatsächlich existenten Herausforderungen in Deutschland zu benennen und anzugehen. Nach Ansicht des DGB kann es nicht Sinn des NRP sein, der Bundesregierung Raum für Selbstlob zu geben. Stattdessen sollten dort Probleme klar und nüchtern benannt und mögliche Lösungswege gesucht werden. Die Bundesregierung sollte dabei auch den Mut haben, bisherige Versäumnisse einzugestehen.

In vielen Punkten – insbesondere bei den wirtschafts- und arbeitsmarktpolitischen Komplexen – weicht der DGB bei Analyse, Einschätzung und Bewertung zum Teil erheblich von der Position der Bundesregierung ab. Im Folgenden werden die verschiedenen Bereiche deshalb im Einzelnen kommentiert.

2. Konjunkturelle Entwicklung: bleibende Konsumschwäche und Ungleichgewichte Die Bundesregierung betont an verschiedenen Stellen, die Wachstumskräfte hätten sich in Deutschland

„zunehmend zur Binnenwirtschaft verlagert“, die deutsche Binnenwirtschaft sei „robust“ und „kräftig“.

Tatsächlich mangelt es aber weiter an Endnachfrage in Deutschland. Bei der inländischen Nachfrage waren es vor allem die Investitionen, die seit 2010 annehmbar wuchsen – die Bruttoanlageinvestitionen stiegen 2010 und 2011 um preisbereinigt durchschnittlich 6 Prozent. Die inländischen Konsumausgaben wuchsen im selben Zeitraum durchschnittlich nur um 1,2 Prozent. Im vierten Quartal 2011 ging die private Konsumnachfrage sogar zurück – sie sank im Vergleich zum Vorquartal preis-, saison- und kalenderbereinigt um 0,2 Prozent. Weitere Anzeichen für die nach wie vor viel zu geringe Endnachfrage in Deutschland sind beispielsweise die seit

Jahrzehnten stagnierenden bis sinkenden Einzelhandelsumsätze und die stagnierenden Umsatzsteuer-Einnahmen des Staates. Nach wie vor hängt die deutsche Konjunktur stark von den Exporten und vom Exportüberschuss ab:

Die Exporte wuchsen 2010 und 2011 preisbereinigt um durchschnittlich 11 Prozent und damit schneller als die Importe (9,6 Prozent).

Ursache für die dauerhaft schwache Konsumnachfrage ist zum einen die politisch voran getriebene Ausweitung des Niedriglohnsektors und der damit einhergehende Druck auf die Arbeitnehmerentgelte, sowie die

zunehmende Ungleichheit in der Einkommensverteilung. Zum anderen trägt ein öffentlicher Sparkurs zu einer Reduktion der staatlichen Nachfrage bei. Entsprechend muss die Bundesregierung aus Sicht des DGB auch an diesen Punkten ansetzen, um endlich eine Stabilisierung der Binnennachfrage zu erreichen. Wichtig sind also zum einen insbesondere die Austrocknung des Niedriglohnsektors und die Zurückdrängung der prekären

Beschäftigung (siehe dazu Abschnitt 3).

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Zum Anderen bedarf es auch direkter öffentlicher Investitionen. Der einseitige öffentliche Sparkurs muss beendet werden. Sehr bedenklich ist diesbezüglich, dass die Bundesregierung eine Bekämpfung der Staatsverschuldung laut NRP-Entwurf insbesondere durch „Ausgabendisziplin“ erreichen will, anstatt auf der Einnahmenseite mit einem gerechten Steuersystem – einer stärkeren Belastung von hohen Einkommen und Vermögen – anzusetzen.

Die Ankündigung der Bundesregierung, das Unternehmenssteuerrecht noch unternehmensfreundlicher ausgestalten zu wollen, deutet darauf hin, dass sie die enorm wichtige steuerliche Einnahmebasis des Staates weiter aushöhlen will. Nicht nachvollziehbar ist es, warum es sich die Bundesregierung zum Ziel setzt, „die Staatsquote anhaltend zurückzuführen“. Die Staatsquote hat weder etwas mit der Staatsverschuldung oder dem öffentlichen Defizit zu tun, noch trägt eine niedrigere Staatsquote zu einer Verbesserung der Lebensbedingungen der Menschen bei. Im Gegenteil – der Abbau öffentlicher Leistungen in den vergangenen Jahrzehnten hat die Lebensqualität in Deutschland für viele verschlechtert, wichtige Angebote für die Bürgerinnen und Bürger sind weggefallen und der Mangel an öffentlichen Investitionen führt zu schlechterer Infrastruktur.

Eine Stärkung der Binnennachfrage durch höhere Löhne und mehr öffentliche Investitionen würde auch zu einem Abbau des Exportüberschusses – also der Differenz zwischen Exporten und Importen – führen. Dieser Überschuss ist seit der Jahrtausendwende stark angestiegen und seine Höhe lag auch in den vergangenen Jahren – anders als der NRP-Entwurf suggeriert – stets im dreistelligen Milliardenbereich bzw. bei mindestens fünf Prozent des BIP. Den Exportüberschüssen, bzw. den damit einhergehenden Leistungsbilanzüberschüssen stehen zwangsläufig Defizite in anderen Staaten gegenüber. Es ist also schlicht unlogisch, wenn die Bundesregierung in ihrem NRP- Entwurf versucht, den Ländern mit Leistungsbilanzdefiziten die Schuld an gefährlichen Ungleichgewichten im Euro-Raum zu geben. Es ist höchst bedauerlich, dass die Bundesregierung ihre Position auf europäischer Ebene mit aller Macht durchgesetzt und dafür gesorgt hat, dass der neue Mechanismus gegen makroökonomische Ungleichgewichte asymmetrisch ausgefallen ist und einseitig Länder mit Defiziten sanktioniert. Das führt letztendlich dazu, dass in den Defizit-Ländern Druck auf die Masseneinkommen gemacht wird, wodurch dort die Binnennachfrage sinkt, was zu niedrigeren Importen und damit insgesamt zu Wohlfahrtsverlusten führt. Dagegen würde eine Stärkung der Konsumnachfrage in Deutschland auch zu höheren Importen in Deutschland und damit zu mehr Wachstum in anderen Staaten, also insgesamt zu Wohlstandsgewinnen führen.

Der DGB hat bereits auf seinem Kongress im Mai 2010 beschlossen, dass Europa ein ambitioniertes Investitions- und Innovationsprogramm braucht, um aus der Krise herauszuwachsen. Dazu muss auch Deutschland seinen Beitrag leisten. Aus Sicht des DGB ist es notwendig, die enormen privaten finanziellen Vermögen endlich zu mobilisieren, damit sie nicht länger in zweifelhafte Finanzanlagen, sondern in Investitionen in die reale Wirtschaft fließen. Wir wollen einen „New Deal“ zu Gunsten sozialer und ökologischer Zukunftsinvestitionen schaffen, der durch die Ausgabe einer europäischen Zukunftsanleihe finanziert wird. Diese wird am europäischen Kapitalmarkt von der Europäischen Investitionsbank platziert. Das dadurch organisierte Kapital wird einem zu diesem Zweck zu gründenden „Europäischen Zukunftsfonds“ zugeführt. Das haftende Eigenkapital des Fonds soll dabei entweder durch ein einmaliges zinsloses Darlehen der Reichen mit einem Vermögen ab 500.000 Euro (Ledige) bzw.

1 Mio. Euro (Verheiratete) oder durch eine einmalige Vermögensabgabe der Reichen finanziert werden (vgl. Vier- Punkte-Programm für einen Kurswechsel in Europa1).

3. Entwicklung am Arbeitsmarkt: Anstieg prekärer Beschäftigung

Der DGB kann sich der im NRP-Entwurf geäußerten ungetrübten Freude der Bundesregierung über die

Entwicklung am Arbeitsmarkt nicht vorbehaltlos anschließen. Das Hauptproblem des deutschen Arbeitsmarktes – die zunehmende Prekarisierung von Arbeit und die Verlagerung von Risiken auf die Beschäftigten (bei

gleichzeitiger Entlastung der Arbeitgeber) – wird im nationalen Reformprogramm nicht angesprochen. Auch auf

1 http://www.dgb.de/presse/++co++9708d480-2632-11e1-5678-00188b4dc422

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dem Arbeitsmarkt werden Gewinne privatisiert und Risiken verallgemeinert. Dieser Vorgang wird systematisch verharmlost und die Verlagerung von Risiken wird zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit in Kauf genommen.

Gleichzeitig werden andere Staaten in Europa unter Druck gesetzt, dieser Politik zu folgen. Auch im nationalen Reformprogramm gibt es keine Hinweise darauf, dass dieser Vorgang von der Regierung ausreichend gewürdigt wird, bzw. Abhilfen eingeleitet werden.

Der – auch von der Bundesregierung in den Vordergrund gestellte – Rekord bei der Erwerbstätigkeit in Deutschland wird überinterpretiert, da er insbesondere auf die gestiegene Zahl von Kleinstarbeitsverhältnissen und prekärer Beschäftigung zurück zu führen ist. So blieb das von allen geleistete gesamtwirtschaftliche

Arbeitsvolumen deutlich hinter dem Anstieg der Erwerbstätigenzahl zurück. Auch 2011 war es noch niedriger als in der ersten Hälfte der 90er Jahre. Ein niedrigeres Arbeitsvolumen wurde demzufolge auf mehr Schultern verteilt.

Während sich die Zahl der im Normalarbeitsverhältnis stehenden Beschäftigten über die Konjunkturzyklen verringerte, zeigten sich deutliche Zuwächse beispielweise bei den Minijobs. Bereinigt man die Gesamtzahlen um diejenigen, die nur einer geringfügigen Beschäftigung nachgehen, so liegt die Zahl der verbleibenden

Erwerbstätigen auch absolut noch unter dem Niveau von 1991 und 1992. Nach Berechungen des Statistischen Bundesamtes von 2008 arbeitet von den 30 Millionen abhängig Beschäftigten gut ein Viertel atypisch.

Über viele Jahre wurden Sonderregelungen für vermeintliche Aushilfstätigkeiten propagiert und geschaffen. Diese sollten möglichst einfach geregelt und weitgehend sozialversicherungs- und steuerfrei sein. Das führte in der Praxis zu einer Spaltung der Beschäftigung in reguläre, tariflich bezahlte Arbeit und geringfügige Beschäftigung, also in Minijobs. Heute sind in Branchen wie dem Handel, der Gastronomie und der Gebäudereinigung Minijobs weit verbreitet. Mit mehr als 7 Millionen geringfügig Beschäftigten sind dies die wesentlichen Sektoren prekärer Beschäftigung. Und es sind vor allem Branchen, in denen viele Frauen ihr Einkommen erwerben.

Die Zielsetzungen der Reformen, Übergänge in den ersten Arbeitsmarkt zu erleichtern oder die Beschäftigung Geringqualifizierter zu forcieren, haben sich nicht erfüllt. Minijobs sind heute weder in großem Maße

Aushilfstätigkeiten noch Möglichkeiten des Zuverdienstes für Menschen, die im Haushaltskontext abgesichert sind. Minijobs sind eine Sonderform der Beschäftigung am Arbeitsmarkt, die insbesondere Frauen um die Möglichkeit bringt, eine eigenständige Existenzsicherung zu erwerben. Sie sind in vielen Branchen längst vom Ausnahmefall zur alltäglichen Form der Beschäftigung geworden; sie führen im Zeitverlauf zu gravierenden Lücken in der Altersversorgung der Betroffenen und zementieren das tradierte Modell geschlechtsspezifischer Arbeitsteilung.

Die in den letzten Jahren geschaffenen Arbeitsplätze gehören überwiegend zum Niedriglohnsektor und halten die Prekarisierung der Arbeitswelt nicht auf. Sie führen zu großen Löchern in den Sozialkassen. In den Segmenten prekärer Beschäftigung sind Männer und Frauen unterschiedlich vertreten. Männer dominieren z. B. die

Leiharbeit, auch wenn sich diese in den Dienstleistungssektoren mehr und mehr durchsetzt. Frauen sind vor allem in Sektoren wie der geringfügigen und der – oft unfreiwilligen und marginalen – Teilzeitbeschäftigung deutlich überrepräsentiert. Besonders fällt ins Auge, dass knapp 68 Prozent der geringfügig beschäftigten Frauen ausschließlich in diesem Bereich ein Einkommen erzielen müssen.

Neben der Schaffung von neuen Arbeitsplätzen – beispielsweise durch die Stärkung der Binnennachfrage (vgl.

Abschnitt 2) – muss es also insbesondere darum gehen, den Sektor der prekären Beschäftigung und den Niedriglohnsektor auszutrocknen. Der DGB fordert diesbezüglich beispielsweise die Gleichbehandlung aller Arbeitsverhältnisse und deren Einbindung in die Systeme der sozialen Sicherung vom ersten Euro an. Eine Dynamisierung der Geringfügigkeitsgrenze von derzeit 400 Euro ist der falsche Weg.

Auch beim Thema Mindestlohn müssen endlich Fortschritte erzielt werden. Die Änderung des

Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes und die Einführung von Branchen-Mindestlöhnen können allenfalls als Tropfen auf den heißen Stein bezeichnet werden. Das Hauptproblem bei der Arbeitnehmerüberlassung, der gravierende Lohnunterschied zwischen Stammbeschäftigten und Leiharbeitern, ist auch durch die

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Gesetzesänderung nicht beseitigt worden. Nach Ansicht des DGB ist damit die EU-Leiharbeitsrichtlinie nur unzureichend umgesetzt worden. Faktisch wird die Leiharbeit dazu missbraucht, geltende Gesetze und

Schutzbestimmungen für die Beschäftigten zu unterlaufen. Die Löhne sind zum Teil so niedrig, dass aufstockend Leistungen der Grundsicherung in Anspruch genommen werden müssen.

Zwar gibt es in elf Branchen branchenbezogene Mindestlöhne, jedoch reicht dies keinesfalls aus, um das gravierende Lohndumping zu bekämpfen. Neben branchenbezogenen Mindestlöhnen, die weiter ausgebaut werden müssen, fordert der DGB die Einführung eines allgemeinen Mindestlohnes, um das Lohnniveau im unteren Einkommensbereich zu stabilisieren und eine Stärkung der tarifvertraglichen Vereinbarungen zum Beispiel durch die Aufnahme weiterer Branchen in das Entsendegesetz.

Die Bundesregierung sollte sich bei allen arbeitsmarktpolitischen und arbeitsrechtlichen Vorhaben vor Augen führen, dass es eben gerade nicht einer Deregulierung des Arbeitsmarktes und einem Abbau des

Arbeitnehmerschutzes zu verdanken war, dass sich Entlassungen bei den Stammbelegschaften (Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter wurden ja zahlreich entlassen) in der Krise 2008/2009 in Grenzen hielten. Vielmehr zahlten sich erneut die interne Flexibilisierung und die Anwendung der Kurzarbeitergeld-Regelung bei gleichzeitigem

gesetzlichem Schutz der Arbeitnehmer vor Entlassungen aus, (über Jahre hinweg von neoliberalen Ökonomen und ihre Institutionen als unflexibel und rigide angesehen und bekämpft).

4. Armutsbekämpfung: Ungleichverteilung wird vernachlässigt

Die Bundesregierung will im NRP-Entwurf den Eindruck erwecken, als würde sich die Armutsproblematik mit der

„außerordentlich positiven Beschäftigungsentwicklung in Deutschland“ von allein erledigen. Das gewählte Ziel, die Langzeitarbeitslosigkeit bis 2020 um 20 Prozent zu senken, ist derzeit zu drei Vierteln erfüllt. Entsprechend ist das NRP auch im Maßnahmenkapitel weitgehend auf „Arbeitsmarktintegration“ fixiert. „Armut bekämpfen“

wird nur noch in der Überschrift behauptet, ist aber mehr als nur irgendwelche Jobs zu schaffen. Die

Bundesregierung unterschätzt zudem die Folgen, die die seit zwei Jahrzehnten wachsende Ungleichheit für die Wirtschaftskraft Deutschlands hat. Deutschland ist mittlerweile „zum Mutterland der Ungleichheit geworden.“

(G. Horn, IMK).

Der von der Bundesregierung gewählte Indikator Langzeitarbeitslosigkeit war von Beginn an umstritten. Er ist wenig aussagefähig, da die Langzeitarbeitslosigkeit oft nur statistisch beendet wird (z.B. wg. Erkrankungen oder kurzen Eingliederungsmaßnahmen). Aussagekräftigere Indikatoren sind die letzte zurückliegende

sozialversicherungspflichtige Beschäftigung bei Arbeitslosen sowie der über die Bundesagentur für Arbeit verfügbare Indikator der faktischen Dauer der Arbeitslosigkeit, der kurze statistische Unterbrechungen der Arbeitslosigkeit ausklammert.

Eine wesentliche Armutsursache der vergangenen Jahre ist die Ausbreitung des Niedriglohnsektors. Offensichtlich ist der Niedriglohnsektor kein „Sprungbrett“ in den regulieren Arbeitsmarkt, sondern eher eine „Falle“. Eine Untersuchung des IAB unter Vollzeitbeschäftigten ergab, dass über einen Zeitraum von sechs Jahren nur jeder achte Niedriglohnempfänger aus dem Niedriglohnsektor aufstieg. Einiges spricht dafür, dass sich die

Aufstiegschancen für Geringverdiener noch verschlechtert haben und auch im internationalen Vergleich gering sind. Die Frage des Verbleibs im Niedriglohnsektor ist nicht zuletzt mit Blick auf die zunehmende Altersarmut eine gesellschaftliche Schlüsselfrage.

Am Beispiel der „Working poor“ wird am Deutlichsten, dass Erwerbstätigkeit allein noch keinen ausreichenden Schutz vor Armut darstellt. Die Entwicklung der so genannten Aufstockerzahlen im Hartz IV-System ist hier aufschlussreich. Selbst Vollzeitarbeit bietet in vielen Fällen noch keinen ausreichenden Schutz vor

Einkommensarmut. Mit dem starken Anstieg atypischer Beschäftigung hat sich das Armutsrisiko generell deutlich erhöht. Berücksichtigt man nicht nur das individuelle Erwerbseinkommen, sondern das gesamte

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Haushaltsnettoeinkommen und die Größe des jeweiligen Haushalts, zeigt sich zugleich ein überdurchschnittliches Armutsrisiko atypisch Beschäftigter. Nach Berechnungen des Statistischen Bundesamtes waren 2008 bereits mehr als 1 Mio. bzw. 14,3 Prozent aller atypisch Beschäftigten armutsgefährdet. 1998 lag der Anteil noch bei knapp 10 Prozent. Der Anteil der armutsgefährdeten Personen hat sich generell bei allen Formen atypischer Beschäftigten erhöht und ihre Zahl absolut mehr als verdoppelt.

Die Armutsgefährdung hat über die atypisch Beschäftigten hinaus auch bei den anderen Beschäftigungsformen zugenommen. Das Risiko und der Anstieg bei Beschäftigten mit Normalarbeitsverhältnis sind deutlich geringer.

Bei den Soloselbständigen ist die Armutsgefährdung gleichfalls moderater gestiegen. Das Risiko der

Selbständigen ohne Beschäftigte ist aber dreimal höher und für atypisch Beschäftigte sogar fast fünfmal so hoch wie für Normalbeschäftigte.

Insgesamt hat sich die Zahl der armutsgefährdeten Erwerbstätigen nach Daten des Statistischen Bundesamtes von 1998 bis 2008 um fast 60 Prozent erhöht. In diesem Zehnjahreszeitraum hat sich die Zahl der

Erwerbstätigen insgesamt um zwei Mio. erhöht. Mehr als ein Drittel (35,5 %) dieses Anstiegs geht auf armutsgefährdete Erwerbsformen zurück. Der Nachkriegsrekord bei der Erwerbstätigkeit geht mit sinkendem Anteil der Normalbeschäftigung und überdurchschnittlichem Wachstum atypischer Beschäftigung einher. Zugleich steigt Armutsgefährdung in allen Erwerbsformen, was sich in steigender Armut trotz Erwerbstätigkeit

niederschlägt.

Dass sich die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter öffnet, liegt aber auch an der

Vermögenskonzentration. Armut und Reichtum sind zwei Seiten derselben Verteilungsmedaille. Das Vermögen konzentriert sich in immer weniger Händen. Die reichsten zehn Prozent der Bevölkerung verfügen über

61 Prozent, das wohlhabendste Prozent über 23 Prozent des gesamten Nettovermögens. Auf der anderen Seite der Vermögensspirale sieht das Bild ganz anders aus. 70 Prozent der Erwachsenen besitzen gerade einmal neun Prozent des Gesamtnettovermögens. 27 Prozent der Bevölkerung verfügen über kein Vermögen oder haben gar Schulden. Dabei ist der zu verteilende Kuchen insgesamt größer geworden. Aber auch die Einkommen gehen auseinander. So legten die Einkommen der stärksten Einkommensbezieher in den Jahren von 2004 bis 2009 um jährlich 3,7 Prozent zu, die Einkommen der Einkommensschwachen hingegen nur um 0,9 Prozent Diese

Entwicklung war in dem Konjunkturzyklus von 1997-2003 noch ausgeglichener.

Die in den letzten zehn Jahren gesunkenen realen Bruttolöhne sind nicht zuletzt auf eine unzureichende

Primärverteilung zurückzuführen. Die staatlichen Eingriffe durch Steuer- und Sozialpolitik haben zwar zum Abbau sozialer Ungleichheit beigetragen, aber diese Wirkung hat nachgelassen. Die Spreizung zwischen hohen und niedrigen Markteinkommen hatte zwischen 1998 und 2005 um 10 Prozent zugenommen. Die Spreizung nach staatlicher Umverteilung über Steuern, Abgaben und Transfers ist jedoch im gleichen Zeitraum sogar um 17 Prozent gestiegen. Der aktuelle Datenreport 2011 konstatiert2:“Die langjährig zu beobachtende Zunahme an Ungleichheit ging zunächst in erster Linie auf eine zunehmende Spreizung der Markteinkommen zurück; ab 2005 allerdings wirken sich darüber hinaus offenbar auch die Reformprozesse im Bereich der sozialstaatlichen

Sicherung aus.“ Die Eingriffe im Rahmen der so genannten Agenda 2010 haben also die soziale Spreizung verstärkt. Und sie tragen zu einer Vergrößerung der Unterschiede bei den Markteinkommen bei, indem die Ausweitung des Niedriglohnsektors durch Zwang bzw. falsche Anreize forciert wurde.

Vor diesem Hintergrund muss in jedem Nationalen Reformprogramm auch der Armuts- und Reichtumsbericht Erwähnung finden, zumal die Bundesregierung das NRP eh vornehmlich dazu nutzt, eine Erfolgsbilanz ihrer Politik zu ziehen. Offensichtlich dominiert aber weiterhin ein eher taktischer Umgang mit den Armutsberichten dergestalt, dass die jeweilige Regierungspolitik als Beitrag zur Armutsvermeidung eingeordnet wird, ohne dass eine Strategie der Armutsbekämpfung erkennbar wird. Der DGB regt deshalb an, nach Vorlage des neuen

2 Datenreport 2011. Ein Sozialbericht für die Bundesrepublik Deutschland, Band 1, Herausgegeben vom Statistischen Bundesamt und Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung, Seite 164.

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Armuts- und Reichtumsberichts eine gemeinsame Initiative von Bund, Ländern und Kommunen gegen Armut zu starten. Dabei sollte es insbesondere darum gehen, die Kinderarmut zu bekämpfen, also den Nachwuchs an Menschen mit unzureichenden Teilhabemöglichkeiten möglichst von Anfang an „abzuschneiden“. Die dafür notwendigen Schritte müssen auf allen staatlichen Ebenen sowie in der Zivilgesellschaft ansetzen. Deshalb ist ein abgestimmtes Vorgehen sinnvoll. Relevante Akteure der Zivilgesellschaft wie Kirchen, Sozialpartner und

Wohlfahrtsverbände sollten beteiligt werden. Im Rahmen der gemeinsamen Initiative sollten möglichst verbindlich Ziele und Zeitplanung verabredet werden.

5. Soziale Eingliederung: Rente mit 67 ist kontraproduktiv, Pflegereform bleibt problematisch Dass die Bundesregierung ausgerechnet die Erhöhung des Renteneintrittsalters unter die Überschrift „Soziale Eingliederung fördern und Armut bekämpfen“ stellt, ist dreist. Die Erhöhung des gesetzlichen Rentenalters ab dem Jahr 2012 (Rente mit 67) ist angesichts der weiterhin geringen Erwerbschancen Älterer nicht zu akzeptieren.

Die Kluft zwischen dem Ende des Erwerbslebens und dem Anfang der Rente ist schon bei einem gesetzlichen Renteneintrittsalter von 65 für viele Versicherte zu groß; derzeit erfolgt der Renteneintritt durchschnittlich mit 63,5 Jahren. Die Rente mit 67 wird die Kluft noch vergrößern. Zudem wirkt die Erhöhung des gesetzlichen Rentenalters sozial selektiv, da die Chancen auf eine längere Erwerbstätigkeit in hohem Maße von der Qualifikation und dem Wirtschaftsbereich abhängig sind.

In der Folge wird die Rente mit 67 für viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu zusätzlichen

Rentenabschlägen von bis zu 14,4 Prozent führen, weil sie keine Möglichkeit haben, so lange zu arbeiten. Davon werden besonders häufig solche Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer betroffen sein, die ohnehin nur geringe Arbeits- und daraus folgend Alterseinkommen haben. So aber gefährdet die Erhöhung des gesetzlichen Rentenalters durch misslungene Übergänge von Arbeit in den Ruhestand die Sicherung des Lebensstandards im Alter. Sie erhöht das Risiko von Altersarmut und Bedürftigkeit und trägt zur Polarisierung der

Einkommenssituation innerhalb der älteren Generation bei. Deshalb muss die Erhöhung des gesetzlichen Rentenalters zumindest ausgesetzt werden.

Statt der Rente mit 67 fordert der DGB einen Ausbau flexibler Übergänge in den Ruhestand. Der Übergang zwischen Erwerbstätigkeit und Rente muss so gestaltet werden, dass er in möglichst vielen Fällen bruchlos gelingt. In diesem Zusammenhang fordern wir unter anderem die Einführung eines Rechtsanspruchs auf sozialversicherungspflichtige Teilzeit im Alter, die Option zum Bezug einer Teilrente bereits ab 60 Jahren, eine großzügigere Gestaltung der Hinzuverdienstgrenzen bei Teilrenten, um damit mehr Teilzeitarbeit im Alter zu ermöglichen, sowie die Verbesserung der Möglichkeit für Aufstockungsbeiträge in der gesetzlichen

Rentenversicherung. Darüber hinaus sind in diesem Zusammenhang notwendige Verbesserungen bei der Erwerbsminderungsrente zu nennen.

Mit dem Versorgungsstrukturgesetz zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen

Krankenversicherung sollte die flächendeckende bedarfsgerechte und wohnortnahe medizinische Versorgung der Bevölkerung gesichert und verbessert werden. Das grundlegende Ziel teilt der Deutsche Gewerkschaftsbund im Interesse der medizinischen Versorgung der GKV-Mitglieder und ihrer Angehörigen. Gleichzeitig legt der DGB Wert auf die Feststellung, dass die Versicherten sich diese Versorgung auch leisten können müssen.

Leider muss der DGB feststellen, dass mit diesem Gesetzentwurf folgende Fehlentwicklungen zementiert wurden:

• Ausbau der Ärzteversorgung statt Abbau der Fehl- und Überversorgung,

• Kopfpauschalen werden größer und der Solidarausgleich eine Luftbuchung,

• Preiswettbewerb zwischen den Krankenkassen wird verschärft,

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• politisch bedingte Pleiten verunsichern Bevölkerung,

• nachhaltige Schwächung empirischer Grundlagen für Versorgung,

• ein neuer Verschiebebahnhof wird eröffnet.

Der DGB fordert, die Unter-, Fehl- und Überversorgung zu reduzieren sowie die Integration zu fördern.

Stattdessen bekämpft das Gesetz mit seinen Maßnahmen allein die ärztliche Unterversorgung vor allem in ländlichen Regionen weitgehend mit weiteren Versichertengeldern, ohne Fehl- und Überversorgung zu beseitigen.

Der DGB fordert eine Rückkehr zur realen paritätischen Finanzierung sowie die Abschaffung der Kopfpauschalen, um sowohl die einseitigen Belastungen der Versicherten zu beenden als auch die finanzielle Verantwortung der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber zu stärken. Ebenso fordert der DGB nachdrücklich die Bundesregierung auf, die Regelversorgung nicht dem Wettbewerbsdumping auszusetzen. Derzeit ist das vorrangige Ziel aller

gesetzlichen Krankenkassen ruinöse Kopfpauschalen (von der Bundesregierung beschönigend kassenindividuelle Zusatzbeiträge genannt) zu vermeiden. In dieser Situation neue Leistungen als freiwillige Satzungsleistungen einzuführen, dient weder dem Qualitätswettbewerb noch der Sicherung des bisherigen Versorgungsniveaus.

Der DGB schlägt folgende Punkte zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen vor:

• die strukturellen, das heißt auch dauerhaften Mehrausgaben müssen paritätisch finanziert werden;

• den Ausbau der integrierten Versorgung und Abbau der doppelten Facharztschiene;

• eine bessere Verteilung der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte;

• die generelle Öffnung der Krankenhäuser für die ambulante Versorgung;

• die Konnexität zwischen Steuerung und Finanzierung der Gesundheitsversorgung;

• eine Aufwertung nichtärztlicher Berufe durch die Übertragung weiterer bisher von Ärztinnen und Ärzten wahrgenommenen Aufgaben;

• eine bessere Ausbildung der Medizinerinnen und Mediziner;

• die Kopplung von Honorar- und Qualitätsfortschritt in der medizinischen Versorgung;

• die Möglichkeit für Krankenkassen, Arztsitze aufkaufen zu können.

Mit diesen Maßnahmen werden auch Probleme der Über- und Fehlversorgung angegangen, nicht nur die der Unterversorgung und zukunftsfähige Versorgungsstrukturen geschaffen. Der DGB bleibt darüber hinaus bei seiner Auffassung, dass alle Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen paritätisch finanziert werden müssen.

Die Pflegeversicherung hat sich bewährt. Um eine qualitativ gute und menschenwürdige Pflege dauerhaft sicherzustellen, müssen die Qualität und Struktur der Leistungen für Pflegebedürftige weiterentwickelt, die Arbeits- und Entlohnungsbedingungen für pflegerische Tätigkeiten verbessert und die solidarische Finanzierung dauerhaft gesichert werden. Der DGB setzt sich daher für folgende Entwicklungen ein:

• Absicherung einer qualitativ hochwertigen pflegerischen Versorgung; dabei müssen die kommenden Bedarfs- und Kostensteigerungen von der sozialen Pflegeversicherung abgedeckt werden;

• Zeitnahe Umsetzung des bereits erarbeiteten Pflegebedürftigkeitsbegriffes;

• Bessere Rahmenbedingungen für die in der Pflege beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer;

• Absicherung des Pflegerisikos durch einkommensabhängige und paritätisch finanzierte Beiträge;

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• Erweiterung der solidarischen Finanzierungsgrundlagen durch eine Weiterentwicklung der sozialen Pflegeversicherung zu einer Bürgerversicherung Pflege

Die geplante Pflegereform des Bundesgesundheitsministeriums bringt Leistungsverbesserungen, vernachlässigt aber den strukturellen Reformbedarf und trägt möglicherweise sogar zu einer weiteren Zersplitterung in der ohnehin unübersichtlichen Versorgungslandschaft der Pflege bei. Der Reformentwurf versäumt auch, die Rahmenbedingungen für eine engere Kooperation von Pflegekassen und Kommunen bei der Entwicklung quartiersnaher Pflegestrukturen zu verbessern. Für die pflegebedürftigen und pflegenden Menschen wären dringend Entscheidungen notwendig, die – wie der Titel des Gesetzes es verspricht – tatsächlich zu einer Neuausrichtung des Leistungsspektrums führen.

Das Kernstück der lang angekündigten Pflegereform, die Umsetzung des gesellschaftlich bereits konsentierten Pflegebedürftigkeitsbegriffes, bleibt weiter außen vor. Nur diese Umsetzung kann aber dafür sorgen, dass demenziell erkrankte Menschen im Vergleich zu körperlich eingeschränkten Personen nicht mehr benachteiligt werden, sondern endlich einen gleichberechtigten Zugang zu Leistungen der Pflegeversicherung bekommen. Der neue Pflegebedürftigkeitsbegriff ist auch Voraussetzung dafür, dass besser aufeinander abgestimmte ambulante und stationäre Leistungsangebote für die Versorgung der betroffenen Menschen geschaffen werden.

Die Verschiebung der Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs und die Gewährung zusätzlicher Leistungen für pflegebedürftige Menschen der Pflegestufen 0, I und II könnten zu neuen

Bestandsschutzansprüchen führen und damit unter Umständen sogar die notwendige Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs erschweren. Ob und wie die zusätzlichen Leistungen zum neuen

Pflegebedürftigkeitsbegriff und den noch zu definierenden Leistungsstrukturen passen, ist nämlich völlig unklar.

Problematisch ist außerdem, dass der Schwerpunkt allein auf der Stärkung der familiären Pflege liegt. Die Unterstützung der pflegenden Angehörigen ist ein wichtiges Ziel, darf aber den Aufbau einer besseren sozialen Infrastruktur nicht in den Hintergrund drängen.

Auch die solidarische Weiterentwicklung der Finanzierungsbasis der Sozialen Pflegeversicherung ist nicht angegangen worden, obwohl sie dringend geboten wäre. Insgesamt ergibt sich als Preis für spürbare und notwendige Leistungsverbesserungen, die mit dem neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff und einer angemessenen Leistungsdynamisierung verbunden sind, eine Beitragssteigerung auf ca. 2,8 Prozent. Dieser notwendige Beitragsanstieg lässt sich jedoch durch die Einführung einer Bürgerversicherung Pflege auf moderate 2,35 Prozent begrenzen. Mit einer Anhebung von je 0,2 Beitragspunkten für Arbeitnehmer und Arbeitgeber wäre im Rahmen einer Bürgerversicherung ein echter Durchbruch erreichbar, denn die heutigen und künftigen

Herausforderungen wären auf lange Sicht finanzierbar. Notwendig wären dazu die Steuerfinanzierung

versicherungsfremder Leistungen in der Pflegeversicherung, die Beteiligung der Privaten Pflegeversicherung am solidarischen Ausgleich sowie die Einbeziehung von Kapitaleinkünften in die Beitragspflicht.

Zu kritisieren ist darüber hinaus, dass zur Minderung des Fachkräftemangels in der Pflege keine Schritte eingeleitet werden. Notwendige Anpassungen in der Personalbemessung gegenüber der immer stärker

steigenden Zahl an Pflegebedürftigen und dem steigenden Pflegebedarf fehlen ebenso wie praktikable Lösungen, um die Arbeits- und Lohnsituation der in der Pflege Beschäftigten entscheidend zu verbessern.

Davon abgesehen begrüßt der DGB, dass das Vorhaben im Koalitionsvertrag, eine private und obligatorische, kapitalgedeckte private Vorsorge zu schaffen, aufgegeben wurde. In der Begründung des Referentenentwurfs wird eine steuerliche Förderung freiwilliger Vorsorge angekündigt. Der DGB warnt vor einer solchen Regelung, da eine steuerliche Förderung von Personen mit höheren Einkommen bevorzugt und Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit geringen Einkommen sowie Rentnerinnen Rentnern und mit kleinen Renten davon nicht profitieren können.

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6. Fachkräftemangel und Erwerbsbeteiligung: Frauen arbeiten noch oft prekär

Das Konzept zur Fachkräftesicherung der Bundesregierung setzt erkennbar insbesondere auf qualifizierte Zuwanderung, wenig aber auf Aus- und Weiterbildung und Aktivierung des inländischen

Erwerbspersonenpotentials. Besonders in der Gruppe der Langzeitarbeitslosen gibt es erhebliches Potential für Qualifizierung. Vor allem aus finanziellen Gründen wird dieses Arbeitskräftepotential ignoriert. Die massiven Einsparungen bei der aktiven Arbeitsmarktpolitik machen deutlich: die Vermeidung unterwertiger Beschäftigung und die Verbesserung der individuellen Beschäftigungsfähigkeit haben offensichtlich nur noch untergeordnete Bedeutung. Diese Arbeitsmarktpolitik ist kurzsichtig und verlagert Risiken des Arbeitsmarktes in die Zukunft. Die Vernachlässigung von Ausbildung und Qualifizierung hat in der Zukunft hohe Folgekosten durch Sozialleistungen zur Folge.

Die Ausschöpfung des bestehenden Arbeitskräftepotentials wird durch weitere institutionelle Regelungen behindert. Vor allem die bestehende Minijobregelung stellt insbesondere für Frauen in Dienstleistungsbereichen eine erhebliche Beschäftigungsbremse dar. „Die Regelung führt dazu, das Arbeitsvermögen mehrheitlich qualifizierter Frauen quasi ‚stillzulegen’ – mit allen negativen Folgen für deren materielle und soziale

Absicherung“3, schreibt das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut des DGB in einer aktuellen Analyse.

Wenn der Bundesregierung tatsächlich an der Erweiterung des Erwerbspersonenpotentials gelegen ist, muss dieser deutsche Sonderweg in Europa beendet werden. Die Unterstützung von Familien mit erwerbstätigen Eltern durch familienbewusste Arbeitszeiten und Maßnahmen, um Familie und Beruf besser in Einklang zu bringen, sind sinnvoll und richtig, werden aber so lange nur begrenzt Wirkung zeigen, wie das Erwerbspotential von Frauen nicht ausreichend ausgeschöpft wird.

Die Erwerbstätigenquote von Frauen in Deutschland stieg zwar kontinuierlich und lag 2010 bei 66,1 %. Hinter einer enormen Annährung der Erwerbsquoten von Frauen und Männern – die Differenz liegt gegenwärtig nur noch bei rund 10 % – verbergen sich aber tiefgreifende Unterschiede. Drei von ihnen prägen das Arbeitsleben besonders:

• die horizontale Segregation; Frauen und Männer üben verschiedene Berufe aus,

• die vertikale Segregation; Frauen und Männer arbeiten in diesen Berufen auf verschiedenen Positionen,

• die Kluft zwischen den Arbeitsvolumina, die beide Geschlechter ableisten.

Von den gut fünf Millionen sozialversicherungspflichtigen Teilzeitbeschäftigten Mitte 2011 waren 85 % Frauen.

Davon arbeiteten nicht wenige unter 18 Stunden die Woche. Von den Frauen mit einer

sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung arbeitete jede Dritte in Teilzeit, von allen erwerbstätigen Frauen jede Zweite. Mit Blick auf die zunehmende Flexibilisierung der Lebenskonstellationen und die steigende Prekarisierung von Erwerbsbiographien von Frauen und Männern ist die Frage nach der Möglichkeit, eine eigenständige Existenzsicherung zu erwerben, von zentraler Bedeutung.

7. Vereinbarkeit von Familie und Beruf: Keine falschen Wege einschlagen

Die Vorhaben der Bundesregierung, Familien mit erwerbstätigen Eltern durch veränderte Rahmenbedingungen bei haushaltsnahen Dienstleistungen zu entlasten, können Probleme mit sich bringen und blenden wichtige Punkte aus. Der Bedarf privater Haushalte an Hilfe bei Haushaltsführung, Kinderbetreuung und bei der Pflege von Angehörigen steigt zwar unbestritten. Er wird in Deutschland aber überwiegend durch irreguläre Arbeit gedeckt.

Ziel der Debatte um die Qualität haushaltsnaher und personenbezogener Dienstleistungen muss deshalb sein,

3 WSI Mitteilungen 01 /2012, S 7

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praxistaugliche Regulierungen für Beschäftigte in Haushalten und für Haushalte als Arbeitgeber zu diskutieren und zu erarbeiten.

Dabei sind folgende Aspekte wichtig: Aus Sicht der Haushalte stellt sich die zentrale Frage, ob und wie bezahlbare haushaltsnahe Dienstleistungen bedarfsnah, unbürokratisch und legal in Anspruch genommen werden können. Aus Sicht der Beschäftigten besteht der Anspruch, dass auch sie ein Recht auf gute und existenzsichernde Arbeit, auf Tariflöhne und Arbeitsschutz haben. Dabei sind die gegenwärtig geltenden Tarifverträge, die sowohl für den Privathaushalt als auch für Dienstleistungsagenturen, deren Einsatzort der private Haushalt ist, zu beachten. Aus Sicht der sozialen Sicherung muss es Ziel sein, Beschäftigten im Haushalt eine versicherte Tätigkeit zu ermöglichen und vorhandene nicht angemeldete Beschäftigungsverhältnisse (derzeit ca. 3,75 Mio.) zu legalisieren. Eine Befreiung von Sozialversicherungsbeiträgen ist nach Ansicht des DGB nicht der richtige Weg. Grundsätzlich muss gelten: Haushalte sind Arbeitgeber, sie haben Rechte und Pflichten. Der steigende Bedarf an Dienstleistungsangeboten bedarf guter Angebote, die mit der Schaffung

sozialversicherungspflichtiger Arbeit einhergehen müssen.

Zentraler Ansatz zur Förderung regulärer Beschäftigung im Haushalt ist nach Ansicht des DGB der Ausbau einer kostengünstigen und bedarfsgerechten Infrastruktur für die Betreuung von Kindern und älteren Menschen.

Ergänzend könnten Dienstleistungsunternehmen die (meist kleineren) Jobs im Haushalt zu

sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung bündeln – und zwar in (geförderten) Dienstleistungsagenturen.

Auch wenn die Bundesregierung davon überzeugt ist, dass das Familienpflegezeitgesetz der große Wurf für die Vereinbarkeit von Beruf und Pflege ist, stellt sich die Frage, warum dieses Gesetz keinen Rechtsanspruch auf Familienpflegezeiten beinhaltet. An dieser Stelle muss die Bundesregierung noch einmal nacharbeiten. Aus Sicht des DGB funktioniert der gesamte Ansatz von Familienpflegezeiten bestenfalls theoretisch, aber sicher nicht in der Praxis. Denn die Pflegebedürftigkeit eines Angehörigen ist nicht planbar. Besonders kritikwürdig ist, dass das gesamtgesellschaftliche Risiko der Pflegebedürftigkeit mit Familienpflegezeiten individualisiert wird. Bei vollem Ausschöpfen der gesetzlich förderungsfähigen Familienpflegezeit erhält der/die Beschäftigte über einen Zeitraum von vier Jahren nur 75 % des ursprünglichen Gehalts. Dass die Bundesregierung die von den Arbeitnehmer/innen abzuschließende Pflichtversicherung nicht erwähnt, ist verständlich. Denn dass sich diejenigen, die

Familienpflegezeiten in Anspruch nehmen wollen, gegen Berufsunfähigkeit und den eigenen Tod mit einer Privatversicherung absichern müssen, ist einfach nur geschmacklos.

Ab 2013 soll es für alle Kinder unter drei Jahren einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz geben. Für junge Mütter und Väter wäre die Umsetzung dieses Vorhabens ein wichtiger Schritt: Sie könnten sich endlich für Familie undBeruf entscheiden. Doch der Ausbau geht nur schleppend voran. 2011 war die Zahl neuer

Betreuungsplätze deutlich geringer als im Vorjahr. Selbst wenn der Ausbau konsequent und kontinuierlich vorangetrieben würde, könnten die bis 2013 notwendigen 750.000 Plätze kaum noch realisiert werden.

Bundesweit fehlen etwa 230.000 Betreuungsplätze und jährlich mindestens 9.000 Erzieherinnen und Erzieher, wie das Deutsche Jugendinstitut berechnet hat.

Die schlechte Bezahlung der Erzieherinnen und Erzieher steht im krassen Widerspruch zu den gestiegenen Anforderungen an den Beruf. Teilzeitbeschäftigte müssen nicht selten mit Transferleistungen nach Hartz IV aufstocken, Neueinsteiger/-innen werden fast nur noch befristet eingestellt. Zu den derzeitigen Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen lässt sich qualifiziertes Personal kaum gewinnen. Eine grundlegende Qualitätsoffensive in der frühkindlichen Erziehung und Bildung ist arbeitsmarktpolitisch sinnvoll und bildungspolitisch geboten. Die Arbeitsbedingungen, das Einkommen und die Berufsperspektiven müssen deutlich verbessert werden.

Wer gute Betreuung und frühkindliche Bildung will, muss nicht nur in den Kindertagesstätten, sondern auch in der Tagespflege für ein angemessenes Ausbildungsniveau sorgen. Zwar absolvieren immer mehr

Tagespflegekräfte den erforderlichen Qualifikationskurs von 160 Stunden, doch verfügen noch immer 55 Prozent der Tagespflegepersonen in Westdeutschland und 36 Prozent in Ostdeutschland nicht über diese

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Minimalqualifikation. Wer echte Qualität in der frühkindlichen Bildung will, darf diesem Problem nicht länger aus dem Weg gehen. Der Ausbau der frühkindlichen Bildung darf jedoch nicht vor allem über Tagespflegepersonen erfolgen. Tagesmütter und Tagesväter können gute Kitas nur ergänzen, nicht ersetzen. Auch aus diesem Grund muss der Ausbau von Kindertagesstätten für Kinder, die jünger als drei Jahre sind, forciert werden.

Um den Ausbau schnell voranzubringen, fehlt jedoch das Geld. Einige Kommunen klagen bereits, weil die Länder kaum Geld geben. Die Länder hingegen monieren, dass der Anteil des Bundes zu gering sei und der Bund fordert die Länder auf, endlich ihre Verantwortung wahrzunehmen.

Vor diesem Hintergrund wäre es politisch verantwortungslos, das geplante Betreuungsgeld für Eltern, die ihren Anspruch auf einen Betreuungsplatz nicht wahrnehmen, einzuführen. Wenn Länder und Kommunen die finanzielle Last des Ausbaus nicht tragen können, muss der Bund seinen Anteil aufstocken. Die für das Betreuungsgeld veranschlagten zwei Milliarden Euro pro Jahr sollten in eine dauerhafte und zukunftsfähige Bildungsinfrastruktur investiert werden, von der alle Kinder profitieren. Das Betreuungsgeld widerspricht dem erklärten Ziel der Bundesregierung, die Erwerbsbeteiligung von Frauen zu erhöhen, den beruflichen

Wiedereinstieg zu erleichtern und den Frauenanteil in Führungspositionen zu steigern. Eine Mehrheit der Gesellschaft lehnt die Einführung des Betreuungsgeldes ab.

Der DGB, die Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft und die Bundesregierung haben sich in der „Charta für familienbewusste Arbeitszeiten“ verpflichtet, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern.

Insbesondere haben sie vereinbart, dass „(…) die familienbezogenen Leistungen des Staates überprüft und wo nötig weiter angepasst und Fehlanreize beseitigt werden.“ Die Einführung des Betreuungsgeldes wäre das genaue Gegenteil dessen, worauf sich die Unterzeichner verpflichtet haben.

Der DGB fordert, schnell einen Krippengipfel einzuberufen, bei dem sich Bund, Länder und Kommunen auf einen gemeinsamen Ausbau- und Finanzierungsplan einigen. Er ist notwendig, damit der Krippenausbau nicht länger stagniert und ab 2013 eine teure Klagewelle seitens der Eltern droht. Eltern wollen heute ihre berufliche Entwicklung kontinuierlich fortsetzen und brauchen dafür Unterstützung durch ein hochwertiges Angebot an Kinderbetreuung. Auch bildungspolitisch ist der Krippenausbau unverzichtbar, denn in dieser Phase wird der Grundstein für den Bildungserfolg der Kinder gelegt.

8. Bildung und Ausbildung

Auch hinsichtlich des Bildungs- und Ausbildungssystems geht die Bundesregierung im NRP-Entwurf nicht ausreichend auf die anhaltenden Probleme ein: Noch immer leben in Deutschland 7,5 Millionen Menschen, die nicht richtig lesen und schreiben können. 17 Prozent der Menschen im Alter von 20 bis 29 Jahren haben keine abgeschlossene Ausbildung. Rund 60.000 Jugendliche verlassen Jahr für Jahr die Schule ohne einen Abschluss.

Selbst bei gleicher Leistung hat das Kind eines Akademikers gegenüber einem Arbeiterkind eine drei Mal so große Chance das Gymnasium zu besuchen. Gute Bildung bleibt ein vererbtes Privileg der höheren Schichten. Der Weg in die Bildungsrepublik Deutschland ist weit. Eine Bilanz – drei Jahre nach dem Bildungsgipfel in Dresden – zeigt:

Dem gesetzten Ziel der Steigerung der öffentlich und privat getragenen Bildungsausgaben auf 10% des Bruttoinlandsprodukts scheint Deutschland im Jahr 2009 auf den ersten Blick nahe gekommen zu sein.

Berücksichtigt man allerdings die Tatsache, dass die Bezugsgröße, das Bruttoinlandsprodukt, durch die Wirtschaftskrise des Jahres 2009 deutlich geschrumpft ist und dass zugleich im damaligen Konjunkturpaket II Bildungsausgaben zeitlich befristet gesteigert wurden, so bleibt von 2008 nach 2009 nur noch eine Steigerung des Anteils der Bildungsausgaben am Bruttoinlandsprodukt von 8,6 auf 8,7%. Das 10%-Ziel bleibt in weiter Ferne.

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Die angestrebte Halbierung der Quote der Absolventen allgemein bildender Schulen ohne Hauptschulabschluss ist nicht einmal ansatzweise erkennbar. In den Jahren von 2000 bis 2009 ist diese Quote um gerade einmal 2,4 Prozentpunkte gesunken – von 9,4 auf 7,0 Prozent. Auch die gleichfalls angestrebte Halbierung der Quote junger Erwachsener, die keinen Berufsabschluss erwerben, ist nicht in Sicht: Im Jahr 2010 liegt diese Quote nach wie vor bei 17,2%.

Das Ziel der Anhebung der Quote der Studienanfänger auf 40% wurde inzwischen mit 46,0% (2010)

übertroffen: 2010 nahmen 442.600 ein Studium auf. Diese Entwicklung macht allerdings auch deutlich, dass die Ausbauplanung der Hochschulen, wie sie im Hochschulpakt vereinbart wurde, die Nachfrage nach Studienplätzen erheblich unterschätzt.

Ob die Steigerung der Quote der Erwerbstätigen, die an Weiterbildung teilnehmen, von 43% auf 50%

tatsächlich erfolgt, lässt sich mangels einer statistischen Grundlage, die auch den Zeitraum nach 2007 einbeziehen würde, nicht beurteilen.

Trotz guter Wirtschaftsentwicklung bleibt die Lage auf dem Ausbildungsmarkt enttäuschend. Vor allem der demographische Wandel verhindert, dass noch mehr Jugendliche in Warteschleifen geparkt werden. Die

Wirtschaft hat ihre satten Gewinne aus dem Jahr 2011 kaum genutzt, um die jungen Menschen auszubilden, die bisher keine Chance hatten. Jeder junge Mensch sollte die Chance erhalten, seinen Lebensunterhalt durch eigene Anstrengungen sicherzustellen. Davon sind wir noch weit entfernt. Das Plus von 1,8 Prozent bei den

abgeschlossenen Verträgen liegt weit hinter den Erwartungen und Ankündigungen der Arbeitgeber zurück. Die Zahl der Neuverträge liegt mit 570.140 weit unter dem Niveau des Vorkrisenjahres 2008. Damals erhielten 616.342 junge Menschen einen neuen Ausbildungsvertrag. Zwar rechnet der Ausbildungspakt nur mit rund 5.700 unversorgten Bewerbern. Er zählt aber mehr als 65.000 Bewerberinnen und Bewerber als versorgt, die keinen Ausbildungsplatz bekommen haben und sich mit Bewerbungstrainings, Einstiegsqualifizierungen und Praktika über Wasser halten. Und das bei nur 29.500 offenen Plätzen. In Wahrheit übersteigt die Zahl der unversorgten Bewerberinnen und Bewerber die Zahl der offenen Plätze um mehr als das Doppelte. Allein im Jahr 2011 fehlten folglich mehr als 40.000 Ausbildungsplätze.

Viele Branchen, die lautstark über fehlende Auszubildende klagen, haben oft inakzeptable

Ausbildungsbedingungen. Viele Betriebe sind einfach nicht ausbildungsreif: Sie bieten eine niedrige Vergütung.

Sie halten viele Überstunden und unregelmäßige Arbeitszeiten für normal. Hohe Abbrecherquoten von mehr als 40 Prozent und geringe Übernahmequoten sind nicht selten, gerade in Hotels und Gaststätten. Wenn junge Menschen als billige Arbeitskräfte ausgenutzt werden, bewerben sie sich in diesen Unternehmen nicht mehr. So kommen auf 100 gemeldete Stellen in der Gastronomie nur 37 registrierte Bewerber. Wenn Betriebe für Bewerber attraktiv sein wollen, müssen sie ihre Azubis besser bezahlen, die Qualität der Ausbildung verbessern und mehr Azubis übernehmen.

Während der Ausbildungspakt Jahr für Jahr eine entspannte Lage verkündet, ist gleichzeitig laut Statistischem Bundesamt die Zahl der jungen Menschen im Alter von 20 bis 29 Jahren ohne abgeschlossene Ausbildung mittlerweile bei 1,5 Millionen angekommen. Das sind immerhin rund 17 Prozent dieser Altersgruppe.

9. Finanzmarktregulierung: Effektive Maßnahmen lassen auf sich warten

Nach wie vor bestimmen massive Unsicherheiten das Geschehen an den europäischen Finanzmärkten. Seit Mitte 2011 steigt das Misstrauen der Banken untereinander wieder an und die Inanspruchnahme der Einlagenfazilität bei der Europäischen Zentralbank nimmt zu. Die Finanzkrise ist alles andere als vorbei. Gleichzeitig sind hochspekulative Geschäfte weiter an der Tagesordnung. Die eigentlich notwendige, grundlegende Neuordnung und Regulierung des Finanzsektors hat nicht stattgefunden.

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Dennoch beschränkt sich die Bundesregierung bei der Behandlung des Themas „Finanzstabilität“ im NRP im Wesentlichen auf die Darstellung des Anlegerschutzgesetzes und des Restrukturierungsgesetzes, sowie auf kurze Hinweise zur Entwicklung im Landesbank-Sektor und hinsichtlich des Entwurfs zum zweiten

Finanzmarktstabilisierungsgesetz.

Am Anlegerschutzgesetz wurde aus Gewerkschaftssicht seinerzeit vor allem kritisiert, dass mit ihm die

Verantwortung für Produkte zum Teil von den Unternehmen auf die Beraterinnen und Berater selbst abgewälzt wurde, der Druck auf Bankmitarbeiter und -mitarbeiterinnen also erhöht wurde. Davon abgesehen kann das Gesetz zwar – wie auch die Reform des Finanzanlagenvermittlerrechtes – einen Beitrag zur Verbesserung des finanziellen Verbraucherschutzes leisten. Hinsichtlich einer wirklichen Stabilisierung der Finanzmärkte ist davon aber nicht viel zu erwarten. Ähnlich verhält es sich mit dem Restrukturierungsgesetz und der

Restrukturierungsfondsverordnung. Diese sollen zwar künftig ins Strudeln geratene Banken auffangen helfen, ohne dass Ansteckungseffekte sofort zu einer Finanzkrise führen. Allerdings ist ein wirklicher Erfolg des neuen Systems keineswegs garantiert: Das mit dem Restrukturierungsgesetz geschaffene Reorganisationsverfahren weist an entscheidenden Punkten keinen Unterschied zum für Banken per se sanierungsfeindlichen

Insolvenzplanverfahren auf. Damit ist die Gefahr eines unkontrollierten Mittelabflusses („bank-run“) nicht gebannt. Ferner harmoniert es nicht mit dem Insolvenzrecht anderer Staaten, was bei systemrelevanten Instituten aber regelmäßig erforderlich sein dürfte. Schließlich wäre, im Falle einer Inanspruchnahme des Restrukturierungsfonds, dieser noch auf längere Sicht wegen unzureichender Mittelausstattung auf staatliche Unterstützung angewiesen. Die Volatilität der Finanzmärkte, Blasenbildung und sinnlose, schädliche Spekulation werden durch die Regeln ohnehin nicht angegangen.

Für eine effektive Finanzmarktregulierung wären aus Sicht des DGB dringend andere, weitergehende

Maßnahmen notwendig. Zum einen sind die aktuellen Liquiditätsprobleme der notleidenden Banken durch die EZB zu beheben. Gleichzeitig muss die Eigenkapitalquote der Banken massiv angehoben werden, um die künftigen Risiken mit eigenen Mitteln der Bank aufzufangen. Das Ziel muss sein, die Schuldentragfähigkeit der Banken wesentlich zu erhöhen. Alle am Finanzmarkt aktiven Finanzinstitute (Banken, Investmentfonds und Versicherungen) müssen unter die gleichen Mindest-Regulierungsvorschriften gestellt werden, damit keine Schattenbanksysteme entstehen. Zum Schutze des Gemeinwohls sollten manche Branchen z.B. Versicherungen nach wie vor strenger reguliert sein. Die systemrelevanten Banken und Finanzinstitute sollen schrittweise zerschlagen werden, damit die Insolvenz eines einzigen Finanzinstituts nicht zur Insolvenz ganzer

Volkswirtschaften führt. Banken sollen zu ihrer dienenden Funktion für die Realwirtschaft als Brücke zwischen Ersparnissen der Bürger und den Investitionen zurückgeführt werden. Deshalb muss das Investmentbanking massiv eingedämmt und der Eigenhandel der Banken mit ihren Finanzprodukten untersagt, zumindest aber stark eingeschränkt werden.

Wir brauchen endlich eine Finanztransaktionssteuer, die schädliche Spekulation eindämmt. Zur Not muss diese von einer Gruppe von Staaten eingeführt werden, falls die kurzfristige Einführung in der Europäischen Union am Veto einzelner Staaten scheitern sollte. Finanztransaktionen, die nichts mit realen Geschäften zu tun haben, müssen verboten werden. Dazu gehören Leerverkäufe, Kreditausfallversicherungen (CDS) und andere

„Finanzinnovationen“, mit denen gegen einzelne Staaten oder ihre Währungen spekuliert wird.

Ein öffentlich-rechtlicher Finanz-TÜV, für die Zulassung von komplexen Finanzprodukten als Bestandteil der Finanzaufsicht, muss eingerichtet werden. Mit dieser Maßnahme würde dem Grundproblem – der

unüberschaubaren Zahl von „Finanzinnovationen“ und deren oft nicht zu durchschauende Konstruktion – weitaus effektiver begegnet, als mit einer Strategie, die im Wesentlichen auf bessere Informationen und Transparenz für Verbraucherinnen und Verbraucher setzt.

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10. Verwendung der EU-Strukturmittel

Herausforderung sozial-ökologischer Wandel gestalten

Die Kommission fordert bereits in der laufenden Förderperiode 2007-2013 eine strategische Ausrichtung der Strukturfonds auf die EU-2020-Strategie. Die Kohäsionspolitik soll eine entscheidende Rolle bei der

Verwirklichung eines intelligenten, nachhaltigen und integrativen Wachstums spielen. Für den Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) und seine Mitgliedsgewerkschaften ist die Strukturpolitik ein wesentliches Handlungsfeld der Industriepolitik sowie der Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik.

Seitens der Kommission wird die Kohäsionspolitik als Bestandteil einer europäischen Industriepolitik betrachtet:

„Eine integrierte Industriepolitik für das Zeitalter der Globalisierung“ lautet der Titel der Mitteilung, die eine Diskussion in Gang gebracht hat, welche in Deutschland auf nationaler Ebene aufgegriffen wurde. Der DGB begrüßt dieses politische Signal, das die Rolle der Industriepolitik aufwertet und Wege für die Herausforderungen der nächsten Jahre aufzeigt.

Der DGB begrüßt, dass die Kommission in jüngster Zeit verstärkt auf die Wirtschafts- und Sozialpartner setzt und die positive Rolle der Sozialpartnerschaft in Deutschland bei der Bewältigung der Krise hervorhebt. Dies gilt auch für Initiativen zur Bewältigung des Strukturwandels. Aber die Wirtschafts- und Sozialpartner benötigen

institutionelle und ordnungspolitische Rahmenbedingungen, die ihre Handlungsmöglichkeiten unterstützen und zur Entfaltung bringen: Die europäische Industriepolitik soll für die europäischen Unternehmen einen fairen Wettbewerb mit gleichen Spielregeln schaffen. Ein aktiver Staat muss den stattfindenden Strukturwandel an traditionellen Industriestandorten nachhaltig, das heißt ökonomisch erfolgreich, sozial und ökologisch

ausgerichtet, gestalten. Dazu ist eine grundsätzliche Abkehr vom bisherigen Ansatz nötig, der mehr und bessere Arbeitsplätze allein durch die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit verspricht.

Wie einerseits der sozial-ökologische Wandel bewältigt werden kann und andererseits die Beschäftigten die hierfür notwendigen Qualifikationen erhalten, sind für die Gewerkschaften entscheidende Fragen, auf welche die Kohäsionspolitik Antworten geben muss. Damit dies gelingen kann, ist eine verbesserte Beteiligung der

Wirtschafts- und Sozialpartner (WiSo-Partner) in den Begleitgremien für die Strukturfonds unabdingbar. Aus Sicht des DGB ist die Qualität der partnerschaftlichen Beteiligung zentrale Voraussetzung für das Gelingen einer nachhaltigen Strukturpolitik in den Mitgliedsstaaten und Regionen, denn das Wissen der Akteure vor Ort ist durch nichts zu ersetzen.

Rückblickend hat die Weltwirtschaftskrise in Deutschland und weit darüber hinaus dafür gesorgt, dass von einer Renaissance der Industriepolitik die Rede ist. DGB und Gewerkschaften betrachten die Industriepolitik nicht nur als kurzfristiges Instrument zur Arbeitsplatzsicherung und zum Unternehmenserhalt in der Krise: Eine gezielte Beeinflussung des Strukturwandels durch industrie- und strukturpolitische Interventionen muss aus

gewerkschaftlicher Sicht jetzt die Weichen für zukunftsfähige Strukturen stellen.

Die EU-2020-Strategie betont zwar den ökologischen Umbau der Industrie, jedoch gehen die avisierten Ziele (Stichwort „20-20-20“) nicht weit genug. Der DGB spricht sich für eine nachhaltige Industriepolitik aus, die eine konsequente Umsteuerung voranbringt. Innovation, grüne Förderpolitik und ein neues (Umwelt-)Bewusstsein sind hierfür nötig. Die Unternehmen in der Umweltindustrie müssen massiv gefördert werden, damit die EU (Deutschland: 16% Weltmarktanteil) wettbewerbsfähig bleibt und den ökologischen Know-how-Vorsprung künftig nicht einbüßt.

Strukturwandel gestalten – Gute Arbeit schaffen

Die Strukturfonds sind ein zentrales Instrument, um den strukturellen Wandel in Europa zu bewältigen, regionale Disparitäten zu verringern und ein soziales Europa zu schaffen. Die Europäische Union steht vor vielen

Herausforderungen. Dazu gehören der verstärkte wirtschaftliche Druck der globalen Konkurrenz, der für 2020

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erwartete – und in vielen Regionen bereits stattfindende – Rückgang der Bevölkerungszahlen und Alterungsprozess, steigende Energiepreise sowie Klimawandel und soziale Polarisierung.

Laut Beschluss des Europäischen Rates sind die Strukturfonds die notwendigen finanziellen Instrumente zur Umsetzung der Lissabon-Strategie, wobei die beruflich am geringsten qualifizierten Menschen und diejenigen, die beim Zugang zur aktiven nationalen Beschäftigungspolitik die größten Schwierigkeiten zu überwinden haben, im Mittelpunkt stehen sollten.4 In diesem Zusammenhang ist der ESF das vorrangige Instrument zur Umsetzung der europäischen Beschäftigungsleitlinien und muss es auch zukünftig im Rahmen der EU-2020-Strategie bleiben.

Ebenso muss der wirtschaftliche, soziale und territoriale Zusammenhalt weiterhin im Zentrum der EU-2020- Strategie stehen, um sicherzustellen, dass alle Fähigkeiten und Kräfte mobilisiert und für die Umsetzung der Strategie eingesetzt werden. Die Strukturfonds sind die zentralen Instrumente für die Verwirklichung der als

„intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum“ bezeichneten Priorität in den Mitgliedstaaten, Regionen und Gebieten.

Qualifizierung fördern – Armut und Ausgrenzung bekämpfen

Bei der Bewältigung des sozial ökologischen Umbaus spielt der ESF als eines der wichtigsten Instrumente eine bedeutende Rolle. Das Europäische Parlament hat darauf hingewiesen, „dass alle erdenklichen Anstrengungen unternommen werden, um zu gewährleisten, dass die politischen Maßnahmen der EU koordiniert

ineinandergreifen und sich gegenseitig ergänzen, damit die Menschen in Europa dabei unterstützt werden, gute(!) Arbeitsplätze zu finden, beruflich voranzukommen, der Armut durch die Einbindung in das Arbeitsleben mittels Aus- und Fortbildung zu entfliehen, allen Formen der sozialen Ausgrenzung zu entgehen und generell von den Vorteilen künftigen Wachstums zu profitieren…“.

Der ESF als Instrument der Umsetzung der europäischen Beschäftigungsleitlinien muss auf die in den Leitlinien 7, 8 und 10 enthaltenen Ziele ausgerichtet werden und zu ihrer Verwirklichung beitragen. In der Arbeitsmarktpolitik muss die Förderung sozial abgesicherter Beschäftigungsübergänge sowie Maßnahmen zur Abfederung der Krisenfolgen, die Zurückdrängung prekärer Arbeitsverhältnisse, die Erhöhung der Erwerbsquote von Frauen, die Bekämpfung von „Armut trotz Arbeit“ und die Integration benachteiligter Gruppen in den Arbeitsmarkt im Vordergrund stehen (LL7). In der Qualifizierungspolitik muss der ESF dazu genutzt werden jedem Menschen, ob beschäftigt oder nicht, Angebote zur Weiterbildung und Höherqualifizierung zu unterbreiten, die den neuen Anforderungen des strukturellen Wandels gerecht werden.

Der Erwerb breiter Fähigkeiten und Kompetenzen muss dabei Ziel sein, nicht jedoch eine reine

Anpassungsqualifizierung. Der Zugang zur Aus- und Weiterbildung muss erleichtert und die Bildungs- und Berufsberatung verbessert werden besonders für junge Menschen und Berufseinsteiger. Der DGB unterstützt ausdrücklich die Finanzierung gemeinsamer Weiterbildungsprogramme der Sozialpartner aus Mitteln des ESF, wie es in den Beschäftigungsleitlinien empfohlen wird (LL 8). Ebenso ist die Integration ausgegrenzter Menschen und die Bekämpfung der Armut ein Ziel, das der ESF unterstützen muss. Die Langzeitarbeitslosigkeit, eine wesentliche Ursache der Armut, muss dabei vorrangig angegangen werden (LL10). Aus den genannten Gründen muss der ESF gestärkt werden. Hierfür ist ein berechenbarer ESF-Betrag für die Mitgliedstaaten erforderlich.

11. Sonstiges

Verbraucherschutz: Die Kostenbelastung für Unternehmen aus erweiterten Informationspflichten um 25 % zu senken, ist aus Sicht des DGB nicht das vordringlichste Problem. Vielmehr wäre es aus verbraucherpolitischer

4 Vgl. Stellungnahme des EWSA vom 12. Juli 2010 zum Thema "Beschäftigung für vorrangige Bevölkerungsgruppen (Lissabon Strategie)" (SOC/251) Berichterstatter: Wolfgang GREIF (Abl. C 256, 27.10.2007 ).

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Perspektive notwendig das Verbraucherinformationsgesetz (VIG) verbraucherfreundlich auszugestalten. Im Bereich der Finanzmarktregulierung ist es aus verbraucherpolitischer Perspektive dringend erforderlich, die Zersplitterung der deutschen Finanzaufsicht zu beenden und eine einheitliche Finanzaufsicht zu schaffen!

Ehegattensplitting: Der DGB teilt die Einschätzung, das Ehegattensplitting sei ein geschlechtsneutrales Verfahren, nicht. Das derzeit praktizierte Ehegattensplitting ist unzeitgemäß und ungerecht. Es begünstigt zum einen unabhängig vom Vorhandensein von Kindern die Alleinverdienerehe und bevorteilt Bezieherinnen und Bezieher hoher Einkommen. Zum anderen wirkt das Ehegattensplitting als ein wesentlicher Mechanismus, mit dem Frauen vom Arbeitsmarkt ferngehalten oder in – oft marginale – Teilzeitbeschäftigung abgedrängt werden.

Das Ehegattensplitting muss daher schrittweise in Richtung Individualbesteuerung umgeformt werden. Die Bundesregierung sollte die von der Europäischen Kommission in ihren länderspezifischen Empfehlungen gemachten diesbezüglichen Äußerungen nochmals überprüfen.

Energiewende: Die Bundesregierung hat als Reaktion auf den Atomunfall in Japan eine schnelle Energiewende eingeleitet, mit der ein beschleunigter Ausstieg aus der Atomenergie und ein Übergang auf erneuerbare Energien umgesetzt werden soll. Diese Umorientierung wird vom DGB unterstützt. Deutschland geht mit der Energiewende einen mutigen und fortschrittlichen Weg, der beispielgebend für andere Länder sein kann.

Wird die Energiewende richtig gesteuert, bietet sie große Chancen für nachhaltiges Wachstum und gerechten Wohlstand.

Dafür sind verlässliche Rahmenbedingungen die Grundlage. Nur so können die Akteure in Wirtschaft und Gesellschaft in zukunftsfähige Technologien investieren. Doch die sicher geglaubten Rahmenbedingungen werden teilweise schon wieder revidiert. So hat die Bundesregierung seit Ende letzten Jahres und somit schon vor Inkrafttreten des novellierten Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) über weiteren Änderungsbedarf gestritten.

Dadurch wird das Vertrauen in die Politik der Bundesregierung nachhaltig geschädigt. Die jüngst vorgelegten Änderungsvorschläge sehen drastische Kürzungen der Förderung von Photovoltaik vor. Werden diese Vorschläge tatsächlich vom Parlament beschlossen, droht einem zukunftsträchtigen Wirtschaftszweig ein erheblicher Einbruch mit großen Arbeitsplatzverlusten. Auch der weitere Ausbau dieser Technologie droht dadurch massiv gebremst zu werden.

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