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Fehlbeurteilung der Wirklichkeit

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116 DIE PTA IN DER APOTHEKE | Oktober 2019 | www.diepta.de

PRAXIS

W

ahngedanken stellen

an sich kein eigen- ständiges Krank- heitsbild dar, son- dern kommen im Rahmen zahl- reicher Erkrankungen vor. Kunden mit Wahnvorstellungen fühlen sich verfolgt oder haben Angst, vergiftet zu werden, manchmal sind sie da- von überzeugt, unheilbar krank zu sein.

„Der spinnt!“ Einige Menschen lei- den im höheren Lebensalter unter Wahnvorstellungen, die für Betrof- fene und Angehörige sehr belastend sein können. Der Wahnkranke wird häufig als Spinner bezeichnet, wäh- rend die gesunde Bezugsperson bis- weilen mit Anschuldigungen des Be- ziehungspartners konfrontiert wird.

Angehörige empfinden nicht selten Gefühle wie Ärger, Wut und Unver-

ständnis, da sie wissen, dass die Äu- ßerungen nicht der Wahrheit ent- sprechen. Sie sind aufgrund der Vorwürfe enttäuscht und deuten die Aussagen als Undankbarkeit.

Umgang mit Betroffenen Häufig sind wahnhafte Senioren von ihren Vorstellungen so stark überzeugt, dass ihre subjektive Gewissheit nicht korrigierbar ist. Sie sind nicht von ihren Gedanken abzubringen und weisen jede Art von Hilfe zurück.

Vermuten PTA und Apotheker bei älteren Kunden eine wahnhafte Stö- rung, sollten sie sich nicht vehement gegen die Wahninhalte stellen, son- dern das Vertrauen der Kunden ge- winnen. Wichtig ist, Betroffene an ihren Hausarzt zu verweisen und sich dabei möglichst neutral zu verhalten. Für Angehörige empfiehlt es sich, auf Hilfe und Unterstüt- zung, etwa bei Sozial- und Geronto- psychiatrischen Diensten, zurück- zugreifen.

Definition Wahnvorstellung Unter einem Wahn versteht man eine objektiv falsche, aus krankhafter Ur- sache entstehende Überzeugung, die sich ohne entsprechende Anregung von außen entwickelt und trotz ver- nünftiger Gegenargumente bestehen bleibt. Die Störung, die im hohen Alter auftritt, wird im ICD-10 der Gruppe der anhaltenden wahnhaften Störungen (F22.8) zugeordnet. Sie erfüllt nicht die Kriterien für die wahnhaften Störungen (F22), da bei- spielsweise die formalen Denkstö- rungen oder die Negativsymptoma- tik fehlen. Die Wahnsymptomatik

WAHNSYMPTOME IM ALTER

Die Zunahme der Lebenserwartung führt zu einer höheren Inzidenz von organischen, psychischen und neurologischen Erkrankungen.

Gelegentlich können diese mit Wahnsymptomen einhergehen.

Fehlbeurteilung der Wirklichkeit

© Highwaystarz-Photography / iStock / Getty Images

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118 DIE PTA IN DER APOTHEKE | Oktober 2019 | www.diepta.de

PRAXIS WAHNSYMPTOME IM ALTER

ist hierbei das auffälligste Charak- teristikum; um eine Schizophrenie zu diagnostizieren, reicht diese aller- dings nicht aus. Auch im ICD-11 wird die Abgrenzung der Schizo- phrenie, der schizoaffektiven Störun- gen und der akuten und vorüberge- henden psychotischen Störungen von den wahnhaften Störungen auf- rechterhalten.

Normalerweise zählen Wahnsymp- tome zu den schizophrenen Psycho- sen, treten sie im höheren Lebensal- ter jedoch erstmalig und isoliert auf, stehen sie nur selten mit einer Schi- zophrenie im Zusammenhang. Es kommen jedoch auch Spätmanifesta- tionen von Psychosen in der Geron- topsychiatrie vor, Gründe hierfür sind abnehmende Sinnesleistungen, soziale Isolation, altersbedingte Ver- änderungen des frontotemporalen Kortex, kognitiver Abbau sowie Po- lypharmazie. Meist sind die Patien- ten nicht leicht zu betreuen, werden schnell aggressiv und suchen Kon- flikte.

Es existieren verschiedene Arten von Wahn, die bei älteren Menschen auf- treten: Beim Eifersuchtswahn be- schuldigen Betroffene ihren Le- benspartner völlig unberechtigt der Untreue, beim Verarmungswahn wird die eigene Vermögenssituation falsch eingeschätzt, diese Form tritt häufig im Zusammenhang mit schweren Depressionen auf. Der Lie- beswahn kennzeichnet sich dadurch, dass Patienten meinen, sie befänden sich in einer Liebesbeziehung, die es in der Realität allerdings nicht gibt.

Sind Kunden der Ansicht, sie wür- den über außergewöhnliche Fähig- keiten verfügen oder den Status ei- nes Königs oder Herrschers genie- ßen, handelt es sich um einen Grö- ßenwahn. Bei einem hypochondri- schen Wahn vermuten Betroffene bei sich eine schwere Krankheit, ohne dass ein medizinischer Befund vor- liegt, während sie bei einem Der- matozoenwahn meinen, sie seien von unter der Haut lebenden Parasiten befallen.

An Demenz denken Der Arzt un- tersucht Betroffene auch auf orga- nische Ursachen, die zu Wahnsymp- tomen führen können. Den Be- schwerden liegen die unterschied- lichsten Auslöser zugrunde, wie etwa endokrine oder Autoimmunerkran- kungen, Erkrankungen des Gehirns (zum Beispiel traumatische ZNS- Verletzungen, Epilepsie oder De- menz) – immerhin die Hälfte der Demenzkranken zeigt wahnhafte Be- schwerden. Dies trifft vor allem dann zu, wenn Patienten alleine leben, sich die geistigen Fähigkeiten verschlech- tern oder Seh- und Hörprobleme auftreten.

Körperliche Ursachen Auch Stö- rungen des Stoffwechsels, Krebs- erkrankungen, Vergiftungen, Blutar- mut oder Hormonstörungen sind für Wahnsymptome verantwortlich.

Beschwerden mit organischer Ur- sache sind der Kategorie F06.2 des ICD-10 (organische wahnhafte Störung) zuzuordnen. Neben den Wahnideen können auch Halluzi- natio nen oder formale Denkstörun- gen auftreten, während das Bewusst- sein sowie das Gedächtnis nicht beeinträchtigt sind.

Subjektive Gewissheit Charakte- ristisch für Wahnvorstellungen ist, dass sie unverrückbar sind und die Betroffenen stur an ihnen festhalten – es ist demnach nicht möglich, Pa- tienten von ihren Ideen abzubringen.

Stattdessen wird der behandelnde Arzt versuchen, das Wahnthema zu umgehen und sich Bereichen zu wid- men, in denen Betroffene bereit sind, Hilfe anzunehmen. Beispielsweise könnte der Hausarzt die mit dem Wahn in Verbindung stehenden Schlafstörungen thematisieren und eine psychiatrische Behandlung ein- leiten.

Wahnsinnige Aussagen Folgende Äußerungen sind typisch für wahn- kranke Senioren:

„Meine Kinder wollen mich ins Heim abschieben und an mein Vermögen.“

„Sie wollen mich hier vergiften.“

„Ich werde arm und ich werde ver- hungern.“

„Ich werde bestohlen.“

„Wenn ich nicht aufpasse, betrügt mich mein Mann.“

„Ich werde sexuell belästigt.“

„Alle verschwören sich gegen mich.“

Wahnerkrankungen schränken die Urteils- und Kritikfähigkeit Betrof- fener stark ein und beeinflussen dar- über hinaus die Willensbildung ne- gativ, sodass Patienten nicht mehr in der Lage sind, rational zu handeln.

In einigen Fällen ist eine Betreuung erforderlich, außerdem kann sich eine Gefährdung der Patienten selbst oder sogar anderer Menschen er- geben, sodass in diesen Fällen eine Einweisung in die Psychiatrie, not- falls unter Einschaltung der Ord- nungsbehörden, erfolgt.

Start low, go slow Die Symptome werden auch bei älteren Personen mit (atypischen) Neuroleptika be- handelt, allerdings ist bei ihnen die höhere Neigung zu Nebenwirkungen zu beachten. Der Arzt verordnet zu- nächst eine möglichst niedrige Do- sierung, die langsam und schritt- weise erhöht wird. Atypische Neuro- leptika zeichnen sich durch eine hohe Bindungsaffinität an dopami- nergen, muskarinergen und seroto- nergen Rezeptoren aus. Zu Beginn der Therapie steht die dämpfende Wirkung im Vordergrund und die Wahnvorstellungen gehen langsam zurück.  n

Martina Görz, PTA, M.Sc. Psychologie und Fachjournalistin a

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