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P 9 3 -1 0 9

Ö

konomische

V

erhaltensweisen UND POLITISCHE EINSTELLUNGEN

IM VEREINTEN DEUTSCHLAND

Wolfgang Seifert,

Richard Rose, Wolfgang Zapf

Arbeitsgruppe Sozialberichterstattung Wissenschaftszentrum Berlin

für Sozialforschung (WZB) Berlin • Oktober 1993

(2)

Ökonomische Verhaltensweisen und politische Einstellungen im

vereinten Deutschland

Wolfgang Seifert Richard Rose Wolfgang Zapf

Zusammenfassung

Basierend auf einer repräsentativen Stichprobe von 1.966 westdeutschen und 1.117 ostdeut­

schen Befragten wird untersucht, wie die politischen und ökonomischen Veränderungen in Ostdeutschland in Abhängigkeit von der individuellen wirtschaftlichen Situation durch die Individuen bewertet werden und außerdem der Frage nachgegangen, ob auch Westdeutsche in der Folge der deutschen Vereinigung Veränderungen wahrnehmen. Es zeigte sich, daß die Ostdeutschen das wirtschaftliche System der ehemaligen DDR auf einer Skala von minus 10 bis plus 10 ablehnend beurteilen. Der Durchschnitt für das gegenwärtige wirtschaftliche System liegt im positiven Bereich, und für die kurzfristige Entwicklung innerhalb der nächsten fünf Jahre werden weitere Verbesserungen erwartet. DieBewertung des politischen Systems folgt der gleichen Linie, doch ist der Winkel weniger steil. Westdeutsche nehmen gegenüber der Zeit vor der Vereinigung ein ungünstigeres ökonomisches Klima und eine allgemeine Verschlechterung der politischen Landschaft wahr. Darüber hinaus zeigte sich, daß die große Mehrheit in Ost- und Westdeutschland autoritäre Strukturen ablehnt. Bezogen auf zentrale Charakteristika des Systems der Bundesrepublik und der DDR zeigte sich, daß Ostdeutsche die DDR keineswegs durchweg ablehnend beurteilen. In bezug auf soziale Sicherheit und „Ordnung“ wird der DDR mehr Kompetenz zugesprochen. Redefreiheit ist dagegen eindeutig ein Attribut der bundesrepublikanischen Gesellschaft.

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Seite 2 Wolfgang Seifert, Richard Rose, Wolfgang Zapf

Inhalt

1 Einleitung... S. 3 2 Die wirtschaftliche Situation der Haushalte in Ost- und West­

deutschland und individuelle Anpassungsformen

an wirtschaftliche Rahmenbedingungen... ...S. 7 2.1 Arbeitsmarkt und wirtschaftliche Situation der H aushalte...S. 8 2.2 Individuelle Flexibilität und Mobilitätsbereitschaft... ...S. 14 2.3 Spezifische Adaptionsformen...S. 20 2.3.1 Multiple Wirtschaftssysteme... S. 20 2.3.2 „Pendeln“ in die alten Bundesländer... S. 23 3 Einstellungen zum ökonomischen und politischen

System und zu sozialen Problem en... S. 25 3.1 Einstellungen gegenüber der M arktwirtschaft...S. 25 3.2 Globale Bewertung des wirtschaftlichen Systems... S. 33 3.3 Einstellungen gegenüber dem System der DDR

und der Bundesrepublik...S. 39 3.3.1 Bewertung zentraler Charakteristika des DDR-Systems

durch O stdeutsche... S. 39 3.3.2 Bewertung zentraler Charakteristika der Bundesrepublik

durch Ost- und W estdeutsche... S. 43 3.3.3 Bewertung zentraler Charakteristika der DDR

im Vergleich zur Bundesrepublik durch Ostdeutsche...S. 48 3.4 Die globale Bewertung des politischen System s... S. 49 3.5 Einstellungen zum parlamentarischen System... S. 57

3.6 Einstellungen gegenüber Ausländern und

sozialen Minderheiten...S. 61 4 Ausblick - internationale V ergleiche...S. 64 5 Schlußbemerkung...S. 66

Literatur... S. 69 Anhang: Dokumentation der wichtigsten Fragen... S. 71

(4)

1 Einleitung

O

steuropa befindet sieb im Umbruch. Innerhalb kurzer Zeit sind alle totalitären Systeme zusammengebrochen. Die Staaten des ehemaligen Warschauer Pak­

tes befinden sich in einem Transformationsprozeß von der Planwirtschaft in die Marktwirtschaft und von einem Einparteiensystem hin zu demokratischer Pluralität.

Während die Einführung pluraler Regierungssysteme in den meisten osteuropäi­

schen Staaten binnen kurzer Zeit erfolgte, vollzieht sich der Übergang zu funktionie­

renden marktwirtschaftlichen Systemen nur langsam. Insbesondere der ökonomi­

sche Umwälzungsprozeß hat für breite Bevölkerungsgruppen erhebliche Beein­

trächtigungen zur Folge. Kaufkraftverluste, steigende Preise, Dequalifizierung und hohe Arbeitslosigkeit zählen in vielen osteuropäischen Ländern zu den negativen Begleiterscheinungen des ökonomischen Transformationsprozesses. Für viele Haus­

halte hat dies zu einem weiteren Absinken des ohnehin niedrigen Lebensstandards geführt. Es stellt sich die Frage, wie Individuen in Zeiten des strukturellen wirt­

schaftlichen Umbruchs die Anpassung an die sich wandelnden Verhältnisse gelingt.

Die unzureichende Güterversorgung in planwirtschaftlichen Systemen führte zur Herausbildung informeller - legaler wie illegaler - Schattenökonomien. Schwarzar­

beit, Eigenproduktion von Lebensmitteln, Austausch von Hilfeleistungen in infor­

mellen Netzwerken, Bestechlichkeit und illegaler Devisenhandel bildeten zusätzli­

che Einnahmequellen. In Zeiten wirtschaftlicher Instabilität kann die Bedeutung der informellen Wirtschaftssektoren aufgrund der geringen Möglichkeiten, die die offizielle Ökonomie bietet, bzw. wegen der geringen sozialen Absicherung sogar noch zunehmen.

Der Wandel in den osteuropäischen Ländern vollzieht sich trotz der gemeinsa­

men Ausgangsbasis, der Erfahrung von nahezu einem halben Jahrhundert Sozialis­

mus mit unterschiedlicher Intensität, Form und Geschwindigkeit. Entsprechend unterscheiden sich auch die individuellen Lebensverhältnisse, Anpassungs- und Bewältigungsstragien. Der Entwicklung in der ehemaligen DDR kommt dabei eine Sonderrolle zu. Durch die staatliche Einheit Deutschlands war eine Bestandssiche-

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Seite 4 Wolfgang Seifert, Richard Rose, Wolfgang Zapf

rung der volkseigenen Betriebe und Kombinate durch eine protektive Außenhan­

delspolitik nicht möglich. Außerdem führte die Währungsunion zum Zusammen­

bruch der traditionellen osteuropäischen Handelsbeziehungen, da diese Abnahme­

länder nicht über die nötigen „harten“ Devisen verfügten. Dadurch wurde der Zusammenbruch von nach marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten nicht konkur­

renzfähigen Betrieben beschleunigt und die Dynamik der wirtschaftlichen Transfor­

mation erhöht. Die damit verbundenen Folgen wie hohe Arbeitslosigkeit konnten durch die staatliche Einheit abgefedert werden, da das System der sozialen Siche­

rung, wie es in den alten Bundesländern bestand, auch auf die neuen Bundesländer ausgedehnt wurde.

Die Transformation in Ostdeutschland wirft fundamentale Fragen auf über die Geschwindigkeit, in der sich ein planwirtschaftliches Wirtschaftssystem zu einem marktwirtschaftlichen System wandeln kann, auch wenn dabei die Spezifika des deutschen Einigungsprozesses berücksichtigt werden müssen, etwa der weitgehen­

de Austausch der Wirtschafts- und Funktionseliten, der zu einer raschen Etablierung des westdeutschen Systems in Ostdeutschland beigetragen hat. Neben den vielfäl­

tigen Problemstellungen, aber auch Anpassungs- und Bewältigungsformen, die sich auch in anderen osteuropäischen Ländern finden, sind für viele Ostdeutsche durch die nationale Einheit auch spezifische Wege möglich, wie etwa das Pendeln in die alten Bundesländer.

Der Umbau des politischen und insbesondere des ökonomischen Systems wird von verschiedenen Bevölkerungsgruppen unterschiedlich wahrgenommen und be­

wertet. Es kann angenommen werden, daß die Bewertung des gesamten ökonomi­

schen Systems in hohem Maße von der wirtschaftlichen Situation eines Haushalts abhängt. Darüber hinaus kann vermutet werden, daß sich diejenigen in dem neuen System am besten zurechtfinden, die über Ressourcen verfügen, die durch den Systemwechsel nicht entwertet wurden, und zusätzlich zu einem gewissen Grad flexibel sind. Dennoch ist anzunehmen, daß mit dem Zusammenbruch des realsozia­

listischen Systems Spezifika der Sozialstruktur auch über einen längeren Zeitraum hinweg konserviert werden, „(...) bleibt doch für längere Zeit die Gesellschaft mit ihren spezifischen sozialen Strukturen, Mechanismen, Kommunikationsnetzen, bleiben doch vor allem die Akteure und Individuen mit ihren spezifisch geprägten, Sozialisations-, Deutungs-, und Handlungsmustem, mit ihren Mentalitäten und Sozialverhalten bestehen“ (Reißig 1993:18).

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Doch trotz bestehender Unterschiede in der ost- und westdeutschen Sozialstruk­

tur ist offensichtlich, daß sich in Ostdeutschland derzeit ein sozialer Wandel vollzieht. Es stellt sich die Frage, welches Ausmaß dieser Wandel hat, welche Bereiche er erfaßt und von welchen Gruppen dieser Wandel getragen wird.1 In vielen Untersuchungen, die den Transformationsprozeß in Ostdeutschland unter der Frage­

stellung untersuchen, ob eine Angleichung an Westdeutschland stattfindet oder nicht, wird oftmals übersehen, daß sich auch in den alten Bundesländern ein sozialer Wandel vollzieht und die Vereinigung auch die Einstellung der Westdeutschen gegenüber dem politischen und ökonomischen System beeinflußt hat. Zentrale Fragestellung ist hier, ob die westdeutsche Bevölkerung eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation insgesamt, aber auch auf der Ebene der privaten Haushal­

te, wahrnimmt.

Diese Studie zielt darauf ab, ökonomische Entwicklungen, individuelle Adaptio­

nen an den Transformationsprozeß und die individuelle Bewertung der gegenwärtig ablaufenden Veränderungsprozesse zu untersuchen. Dabei kommt ein Instrumenta­

rium zur Anwendung, das speziell für Osteuropa entwickelt wurde, um die soziale und ökonomische Lage von Haushalten abzubilden. Der Ost-West-Vergleich der alten und neuen Bundesländer ist Teil einer international vergleichenden Studie, die in verschiedenen osteuropäischen Ländern unter Leitung von Richard Rose durch­

geführt wurde. Studien mit vergleichbaren Fragestellungen wurden in Polen, der Tschechischen und der Slowakischen Republik, Ungarn, Bulgarien, Rumänien, Slowenien, Kroatien, Rußland, Weißrußland, der Ukraine, den Baltischen Staaten und Österreich als westliches Vergleichsland durchgeführt (Rose 1991, 1992a, 1992b, 1992c, 1992d; Ammeter - Inquirer 1992; Rose, Härpfner 1992,1993; Boeva, Shironin 1992). Der hier vorgenommene Vergleich von Ost- und Westdeutschland ordnet sich somit in eine Reihe internationaler Vergleiche mit anderen osteuropäi­

schen Ländern ein und vermittelt vor diesem Hintergrund Einblick in den Stand der Transformation in den neuen Bundesländern und in die Einstellung der Bevölkerung gegenüber den sich vollziehenden ökonomischen, politischen und gesellschaftli­

chen Veränderungen. Darüber hinaus wurden Indikatoren aufgenommen, die sich auf die Spezifika der Lage in den Neuen Bundesländern beziehen, wie sie sich durch die Vereinigung ergeben haben. Die zentralen Indikatoren dieser Analysen werden mit der Situation in Westdeutschland verglichen. Diese Gegenüberstellung soll Aufschluß darüber geben, ob die Einführung des westdeutschen wohlfahrtsstaatli­

chen Systems zu einer Angleichung der Lebensverhältnisse in den alten und neuen Bundesländern geführt hat, und ob im Bereich der Einstellungen gegenüber Wirt-

1 Dies sind übergreifende Fragestellungen, wie sie beispielsweise mit unseren Daten der Wohlfahrtssurveys bearbeitet werden; vgl. dazu Landua u.a. 1993

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Seite 6 Wolfgang Seifert, Richard Rose, Wolfgang Zapf

schaft und Staat Gemeinsamkeiten feststellbar sind, oder ob tief liegende Differen­

zen weiterbestehen.

Zunächst wird die ökonomische Lage der Haushalte in Ost- und Westdeutschland untersucht werden. Daran anschließend wird das Konzeptder multiplen Wirtschafts­

systeme kurz erläutert, und dann der Frage nachgegangen, inwieweit dieses zentrale Merkmal sozialistischer Gesellschaften in Ostdeutschland im Vergleich zu West­

deutschland von Relevanz ist. Neben der Frage des Engagements in verschiedenen wirtschaftlichen Sektoren werden individuelle Anpassungsformen an die veränderte wirtschaftliche Situation untersucht.

Der thematische Schwerpunkt liegt jedoch auf der Untersuchung der Einstellung gegenüber dem ökonomischen und politischen System. Hier wird der Frage nachge­

gangen, wie Individuen in Ost- und Westdeutschland abhängig von ihrer persönli­

chen ökonomischen Lage zu unterschiedlichen Bewertungen des wirtschaftlichen Systems sowie der demokratischen Institutionen gelangen. Der Ost-West-Vergleich soll wiederum zeigen, inwiefern es sich um Transformationsprobleme oder um Wahrnehmungen spezifischer Gruppen wie etwa Arbeitsloser handelt.

Datenbasis

Die folgenden Angaben beruhen auf repräsentativen Untersuchungen, die vom Centre for the Study of the Public Policy (Richard Rose) und dem Wissenschaftszen­

trum Berlin für Sozialforschung (Wolfgang Zapf) gemeinsam geplant und in Auftrag gegeben wurden. Die Feldzeit lag im April und Mai 1993. In den neuen Bundeslän­

dern wurden 1117 Personen befragt. Eine Dokumentation der wichtigsten Fragen findet sich im Anhang. Die Feldarbeiten wurden von LEIF (Leipziger Institut für Empirische Forschung) durchgeführt. Eine verkürzte Version des Fragebogens wurde in den vom ZUMA (Zentrum für Umfragen, Methoden und Analysen, Mannheim) betreuten „Sozialwissenschaften-Bus“ eingeschaltet. Hier wurden 1966 Personen befragt. Grundgesamtheit ist jeweils die erwachsene deutsche Wohnbevölke­

rung. Die Durchführung dieser Studie wurde durch die Förderung der Hans-Böckler- Stiftung und der Anglo-German-Foundation ermöglicht.

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2 Die wirtschaftliche Situation der Haushalte in Ost- und Westdeutsch­

land und individuelle Anpassungs­

formen an wirtschaftliche Rahmen­

bedingungen

I

n diesem Kapitel erfolgtneben der Darstellung einiger Eckdaten des Arbeitsmark­

tes vor allem eine Untersuchung der wirtschaftlichen Situation der Haushalte in Ost- und Westdeutschland. Außerdem wird der Frage nachgegangen, wie Ostdeut­

sche auf die veränderten Arbeitsmarktbedingungen reagieren. Bereitschaft zur Mobilität, Mobilitätshindernisse und spezifische Anpassungsformen an die neue wirtschaftliche Situation werden hier untersucht. In diesem Kapitel erfolgt neben der Darstellung einiger Eckdaten des Arbeitsmarktes vor allem eine Untersuchung der wirtschaftlichen Situation der Haushalte in Ost- und Westdeutschland anhand der Indikatoren:

• Zufriedenheit mit der wirtschaftlichen Situation des Haushalts,

• Vergleich der jetzigen wirtschaftlichen Situation des Haushalts im Vergleich zu vor fünf Jahren,

• Erwartete wirtschaftliche Situation des Haushalts in fünf Jahren im Ver­

gleich zur gegenwärtigen,

• wann damit gerechnet wird, einen zufriedenstellenden Lebensstandard er­

reicht zu haben.

Zudem wird der Frage nachgegangen, wie Ostdeutsche auf die veränderten Arbeitsmarktbedingungen reagieren. Bereitschaft zur Mobilität, Mobilitätshinder­

nisse und spezifische Anpassungsformen an die neue wirtschaftliche Situation werden hier untersucht.

(9)

Seite 8 Wolfgang Seifert, Richard Rose, Wolfgang Zapf

2.1 Arbeitsmarkt und wirtschaftliche Situation der Haushalte

D

ie mit der Währungsunion und der Vereinigung einsetzenden strukturellen Veränderungen der Wirtschaft in Ostdeutschland führten zu sprunghaft anstei­

gender Arbeitslosigkeit. Im Sommer 1991 war jeder vierte Ostdeutsche zwischen 17 und 60 Jahren arbeitslos gemeldet oder in Kurzarbeit (Landua 1992). Auch drei Jahre nach der Vereinigung ist Arbeitslosigkeit noch immer eines der drängendsten sozialen Probleme in Ostdeutschland. Die Arbeitslosenquote beträgt nach den Daten unserer Untersuchung 21%. Darüber hinaus wissen bereits 7% sicher, daß sie innerhalb des nächsten Jahres ihren Arbeitsplatz verlieren werden. Außerdem waren 16% der zum Befragungszeitpunkt Erwerbstätigen in den vorangegangenen 12 Monaten bereits arbeitslos oder in Kurzarbeit mit null Stunden. 39% der Erwerbs­

bevölkerung waren entweder innerhalb der letzten 12 Monate arbeitslos, waren zum Befragungszeitpunkt arbeitslos oder wissen sicher, daß sie arbeitslos werden1.

Außerdem befürchten 26% der noch Erwerbstätigen ihren Arbeitsplatz zu verlieren.

Diese Zahlen dokumentieren den tiefgreifenden Umschichtungsprozeß auf dem ostdeutschen Arbeitsmarkt.

Der westdeutsche Arbeitsmarkt ist, wie der anderer westlicher Länder auch, durch stabil hohe Arbeitslosenquoten gekennzeichnet. Zum Zeitpunkt der Befra­

gung gaben 6% an, arbeitslos zu sein2. 12 Monate vor dem Befragungszeitpunkt waren 5% arbeitslos. 2% wissen sicher, daß sie innerhalb der nächsten 12 Monate arbeitslos werden. Die Befürchtung, ihren Arbeitsplatz zu verlieren, äußerten 9%.

Die Umstrukturierung der ostdeutschen Wirtschaft hatte zur Folge, daß sich die Erwerbstätigen auf neue Produktionsstrukturen umstellen mußten und in großen Teilen die vorher nicht gekannte Erfahrung von Arbeitslosigkeit machten. Neue Qualifikationen waren gefragt und altes Wissen war entwertet. Arbeitslosigkeit wurde zum Massenphänomen, gleichzeitig wurde aber auch das Netz der sozialen Sicherung von Westdeutschland nach Ostdeutschland ausgeweitet. Die neuen öko­

nomischen Rahmenbedingungen bergen Chancen und Risiken gleichermaßen. In der Bilanz verbesserte sich die wirtschaftliche Situation der Mehrzahl der ostdeut­

schen Haushalte, doch ein Teil der Haushalte nimmt auch Verschlechterungen wahr.

1 Personen, die mehrfach betroffen waren, wurden nur einmal gezählt.

2 Die hier ausgewiesene Zahl liegt etwas unterhalb des Wertes der amtlichen Statistik, da nur deutsche Staatsbürger erfaßt werden.

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Tabelle 1: Bewertung der eigenen wirtschaftlichen Situation in Ost- und Westdeutschland (in Prozent)

Zufrieden

mit der Die jetzige Situation Erwartete wirtschaftlichen des Haushalts ist im Ver- Situation des Haushalts

Situation des gleich zu vor 5 Jahren1 in 5 Jahren1 Haushalts besser schlechter besser schlechter Ost West Ost West Ost West Ost West Ost West

Insgesamt 70 81 61 33 18 22 56 29 10 20

Schulabschluß2

Abitur 74 82 61 43 17 17 60 47 12 8

Mittlere Reife 68 86 62 40 18 18 66 34 7 16

Hauptschule 70 80 61 27 18 25 42 21 12 25

Erwerbsstatus

Erwerbstätige 76 86 67 44 12 17 65 37 7 16

• Un-, angelernte Arbeiter 58 71 49 41 24 29 49 26 18 29

• Facharbeiter/Meister 73 84 63 42 9 17 70 35 8 19

• Einfache/mittlere

Angestellte 79 86 71 42 12 17 60 35 6 17

• Gehobene Angestellte 90 91 71 51 4 15 68 45 6 10

• Beamte * 91 * 37 * 13 * 32 * 16

• Selbständige 76 91 63 51 24 17 83 43 5 8

Nichterwerbstätige2 62 76 54 21 25 28 45 20 14 24

• Rentner 77 85 63 18 15 28 40 19 13 29

• Arbeitslose 38 29 37 15 41 63 51 31 13 36

Geschlecht

Männer 73 82 62 36 16 22 58 30 10 21

Frauen 68 81 60 30 19 24 54 27 10 19

Alter

18-29 Jahre 66 74 65 41 14 20 71 47 3 11

30-39 Jahre 73 79 63 41 18 25 69 41 6 19

40-49 Jahre 64 83 58 39 22 22 66 31 7 17

50-59 Jahre 69 88 58 29 19 19 38 17 19 23

60 Jahre und älter 75 85 51 16 16 25 40 9 13 28

* Fallzahlen unter N=30.

1 Der zu 100% fehlende Wert entspricht der Angabe „Die wirtschaftliche Situation ist gleich“ . 2 In Ostdeutschland entspricht Mittlere Reife dem Abschluß der 10. Klasse und der

Hauptschulabschluß dem Abschluß der 8. Klasse

3 Sonstige Nichterwerbstätige wie Schüler, Studenten und Hausfrauen sind hier enthalten.

Datenbasis: Westdeutschland N=1.966, Ostdeutschland N=1.117 Befragte.

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Seite 10 Wolfgang Seifert, Richard Rose, Wolfgang Zapf

Für Westdeutsche stellt sich die Frage, ob die Sparpolitik der letzten Jahre zu Verschlechterungen des Haushaltseinkommens geführt hat und ob die wirtschaft­

liche Situation des vereinten Deutschlands anders wahrgenommen wird als vorder Vereinigung. Da davon ausgegangen werden kann, daß die globale Bewertung des ökonomischen Systems in hohem Maße von der wirtschaftlichen Situation des eigenen Haushalts und den individuellen Ressourcen wie Bildung und Stellung im Beruf, aber auch vom Erwerbsstatus, Alter und Geschlecht abhängt, wird in Ost- und Westdeutschland jeweils nach diesen relevanten Gruppen unterschieden.

Alles in allem ist die Mehrzahl der Haushalte in Ost- wie auch in Westdeutsch­

land mit der wirtschaftlichen Situation ihres Haushalts „sehr“ oder „eher zufrie­

den“ (Tabelle 1). In Westdeutschland liegt der Anteil bei 81 %, in Ostdeutschland bei 70%. Unterhalb des Durchschnitts liegen in beiden Landesteilen die Nichter­

werbstätigen, insbesondere die Arbeitslosen. Dabei liegt der Anteil der ostdeut­

schen Arbeitslosen, die mit der wirtschaftlichen Situation ihres Haushalts zufrie­

den sind, noch über dem der westdeutschen Arbeitslosen. Ein niedrigeres Zufrie­

denheitsniveau zeigt sich vor allem bei un- und angelernten Arbeitern, aber auch bei Facharbeitern. Nach dem Geschlecht bestehen in Westdeutschland kaum Unterschiede; in Ostdeutschland dagegen sind die Männer etwas zufriedener.

Während die Zufriedenheit im Westen mit höherem Alter ansteigt und lediglich im Rentenalter wieder leicht zurückgeht, zeichnet sich in Ostdeutschland kein eindeu­

tiges Bild ab. Insgesamt kann von einer weitgehenden Zufriedenheit mit der wirtschaftlichen Situation großer Teile der Bevölkerung ausgegangen werden.

Ausgenommen sind Arbeitslose.

Deutliche Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland werden bei der Frage nach der derzeitigen wirtschaftlichen Situation des Haushalts im Vergleich zu der vor fünf Jahren sichtbar. 61 % der Ostdeutschen, aber nur 33% der Westdeut­

schen bewerten diese jetzt besser als vor fünf Jahren. Hier scheinen sich die Kosten der Einheit in Form von Solidarzuschlag, Steuererhöhungen und verhältnismäßig niedrigen Lohnabschlüssen auszuwirken. Besonders kraß sind die Unterschiede in Westdeutschland zwischen Erwerbstätigen und Nichterwerbstätigen. Während noch rund 44% der Erwerbstätigen Verbesserungen wahrnehmen, sind es nur 18%

der Rentner und 15% der Arbeitslosen. Ostdeutsche Rentner nahmen hingegen überdurchschnittlich oft Verbesserungen wahr, da sie durchschnittlich von einem sehr niedrigen Niveau ausgingen. Immerhin 37% der ostdeutschen Arbeitslosen bewerten die wirtschaftliche Situation ihres Haushalts jetzt günstiger als vor fünf Jahren. In Ostdeutschland kommen insbesondere Angestellte zu einer besseren

(12)

Bewertung ihrer gegenwärtigen Situation. Rund ein Viertel der Selbständigen schätzen ihre gegenwärtige wirtschaftliche Lage schlechter ein als vor fünf Jahren.

Offensichtlich ist für viele Selbständige der Start mit erheblichen Einschränkungen verbunden. Generell darf aber bei dem hier vorgenommenen Ost-West-Vergleich nicht vergessen werden, daß das Haushaltseinkommen in Westdeutschland nach wie vor deutlich höher ist als in Ostdeutschland.

Mit der Frage nach der wirtschaftlichen Situation des Haushalts in fünf Jahren im Vergleich zu jetzt, soll Aufschluß darüber erlangt werden, ob optimistische oder pessimistische Grundhaltungen überwiegen. Diese Fragestellung schließt aber auch individuelle Mobilitätserwartungen ein. 56% der Ostdeutschen, aber nur 29% der Westdeutschen gehen davon aus, daß die wirtschaftliche Situation ihres Haushalts in fünf Jahren besser sein wird als zum Befragungszeitpunkt.1 Verbesserungen erwarten vor allem Personen mit hohem Bildungsgrad und die Erwerbstätigen, in Ostdeutschland insbesondere Selbständige. Ostdeutsche Arbeitslose gehen zur Hälfte davon aus, daß sich die wirtschaftliche Situation ihres Haushalts verbessern wird, westdeutsche Arbeitslose nur knapp zu einem Drittel. Es kann angenommen werden, daß ostdeutsche Arbeitslose ihre Situation in weit stärkerem Maße als temporär begreifen als westdeutsche Arbeitslose, von denen sogar 36% davon ausgehen, daß die Situation in fünf Jahren schlechter sein wird. Hier reflektieren sich offensichtlich unterschiedliche individuelle Erfahrungen mit Arbeitslosigkeit in Ost- und Westdeutschland.

Insgesamt zeigt sich bei den Westdeutschen eine weitgehende Stabilität der wirtschaftlichen Verhältnisse auf individuell zufriedenstellendem Niveau. Dem Anteil derjenigen, die angeben, die wirtschaftliche Situation ihres Haushalts sei gegenwärtig besser als vor fünf Jahren, bzw. denjenigen, die auch zukünftig Verbesserungen erwarten, steht jeweils ein kleinerer Anteil gegenüber, der angibt, die Situation habe sich verschlechtert, bzw. zukünftig eine Verschlechterung erwar­

tet. Für das Gros der Bevölkerung bleiben die Verhältnisse jedoch stabil. Eine Ausnahme stellen die Arbeitslosen dar, bei denen pessimistische Einschätzungen überwiegen. Die ostdeutschen Haushalte hingegen gehen von einem niedrigen Einkommensniveau aus, nehmen überwiegend Verbesserungen der individuellen wirtschaftlichen Situation wahr und erwarten auch in naher Zukunft einen steigen­

den Lebensstandard.

Die unterschiedlichen materiellen Lebensbedingungen in Ost- und Westdeutsch­

land spiegeln sich besonders deutlich im individuell erreichten Lebensstandard

1 Diese Tendenz zeigt sich auch in den vergleichbaren Fragen des Wohlfahrtssurveys 1993. Dort wird u.a. allgemeiner nach der Entwicklung der gesamten Lebensverhält­

nisse in fünf Jahren - auch im Vergleich zu heute und vor fünf Jahren - gefragt; vgl.

dazu Landua u.a. 1993

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Seite 12 Wolfgang Seifert, Richard Rose, Wolfgang Zapf

Tabelle 2: Erreichung eines zufriedendenstellenden Lebensstandards nach sozio-demographischen Gruppen (in Prozent)1

Zufriedenstellender Lebens- bin bereits 1-5 Jahre standard wird erreicht... zufrieden

Ost West Ost West

6 und mehr Jahre Ost West

wird nie erreicht Ost West

Insgesamt 5 48 47

Schulabschluß2

Abitur 6 44 43

Mittlere Reife 6 48 54

Hauptschule 4 49 41

Erwerbstätige 5 43 53

• Un-, angelernte Arbeiter

• Facharbeiter/Meister

3 24 55

3 33 65

• Einf./mittlere Angestellte 5 39 48

• Gehobene Angestellte 6 53 47

• Beamte * 66

• Selbständige 10 62 56

Nichterwerbstätige3 6 53 38

• Rentner 7 69 35

• Arbeitslose 5 12 41

Geschlecht

Männer 6 46 49

Frauen 5 49 45

Alter

18-29 Jahre 7 19 58

30-39 Jahre 4 34 57

40-49 Jahre 4 56 48

50-59 Jahre 4 62 36

60 Jahre und älter 8 70 36

11 24 14 15 13

23 23 19 17 5

11 22 20 13 7

7 26 11 17 19

14 20 18 15 11

11 36 22 3 24

13 17 19 12 17

13 23 21 15 10

16 14 16 25 5

4 * 10 * 5

16 15 6 10 8

8 27 11 16 17

1 22 1 24 19

15 36 14 6 22

12 24 14 14 13

9 23 15 16 14

23 21 33 9 8

16 19 21 13 12

7 26 11 16 12

5 31 4 15 16

1 22 2 22 19

Wirtschaftliche Situation im Vergleich zu vor 5 Jahren

Besser 7 51 51

Gleich 5 54 42

Schlechter 1 29 39

15 18 18 19 7

7 27 12 14 13

11 40 15 4 24

* Fallzahlen unter N=30.

1 Zu 100% fehlender Wert entspricht der Antwortkategorie "weiß nicht"

2 In Ostdeutschland entspricht Mittlere Reife dem Abschluß der 10. Klasse und der Hauptschul­

abschluß dem Abschluß der 8. Klasse

3 Sonstige Nichterwerbstätige wie Schüler, Studenten und Hausfrauen sind hier enthalten.

Datenbasis: Westdeutschland N=1.966, Ostdeutschland N=1.117 Befragte.

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wider. Auf die Frage, wie lange es dauern wird, bis ein Lebensstandard erreicht ist, mit dem die Befragten zufrieden sind, antworteten nur 5% der Ostdeutschen, aber 48% der Westdeutschen, daß sie bereits zufrieden seien (Tabelle 2). Allerdings nimmt beinahe die Hälfte der Ostdeutschen an, innerhalb der nächsten fünf Jahre einen befriedigenden Lebensstandard zu erreichen. Ein weiteres Viertel glaubt, daß es noch sechs Jahre und länger dauern wird, und 15 % sind schließlich der Meinung, daß dies nie der Fall sein wird. Dies glauben aber auch 13% der Westdeutschen. In Westdeutschland variiert der Anteil deijenigen, die angeben, bereits zufrieden zu sein, stark nach der beruflichen Stellung. So gibt nur ein Viertel der un- und angelernten Arbeiter und ein Drittel der Facharbeiter an, bereits zufrieden zu sein, von den Beamten hingegen haben bereits zwei Drittel einen zufriedenstellenden Lebensstandard erreicht. Die ostdeutschen Erwerbstätigen unterscheiden sich vor allem danach, ob sie innerhalb eines Zeitraumes von fünf Jahren einen befriedigen­

den Lebensstandard erwarten oder nicht. Hier sind es vor allem Facharbeiter und un- und angelernte Arbeiter, die davon ausgehen, bald einen zufriedenstellenden Le­

bensstandard erreicht zu haben, gehobene Angestellte hingegen glauben zu einem Viertel, daß dies nie der Fall sein wird.

Rentner sind in Westdeutschland zu 69% mit dem erreichten Lebensstandard zufrieden, diejenigen, die noch nicht zufrieden sind, erwarten kaum mehr Verände­

rungen. In Ostdeutschland dagegen sind nur 7% der Rentner bereits zufrieden, 35%

glauben aber, innnerhalb der nächsten fünf Jahre einen zufriedenstellenden Lebens­

standard zu erreichen. Ein weiteres Viertel geht davon aus, daß dies nicht mehr der Fall sein wird. In Ost- wie in Westdeutschland sind nur wenige Arbeitslose mit dem bislang erreichten Lebensstandard bereits zufrieden. In Ostdeutschland erwarten aber 41 % der Arbeitslosen, daß sich dies innerhalb der nächsten fünf Jahre ändern wird. Bei westdeutschen Arbeitslosen liegt dieser Anteil nur bei 15%. Große Unterschiede sind auch zwischen den einzelnen Altersgruppen erkennbar. In West­

deutschland steigt der Anteil der bereits Zufriedenen von 19% bei den 18-29jährigen auf 70% bei den über 60jährigen. In Ostdeutschland hingegen ist die Erwartung, einen zufriedenstellenden Lebensstandard innerhalb der nächsten fünf Jahre zu erreichen, in der jüngsten Altersgruppe am höchsten und fällt dann ab. Insgesamt kann davon ausgegangen werden, daß Westdeutsche bereits in hohem Maße einen zufriedenstellenden Lebensstandard erreicht haben und die meisten Ostdeutschen

(15)

Seite 14 Wolfgang Seifert, Richard Rose, Wolfgang Zapf

davon ausgehen, daß dies innerhalb der nächsten fünf Jahre der Fall sein wird.

Offensichtlich ist die Mehrzahl der Ostdeutschen dabei, ihren Lebensstandard zu verbessern und erwartet innerhalb der nächsten Jahre einen befriedigenden Standard erreicht zu haben.

2.2 Individuelle Flexibiltät und Mobilitäts­

bereitschaft

I

n Zeiten des schnellen Wandels der Produktionsstruktur eines Landes wird den Beschäftigten ein hohes Maß an Flexibilität abverlangt. Räumliche Mobilität ist ebenso gefragt wie die Bereitschaft, sich auf neue Arbeitsbedingungen einzustellen.

Im folgenden wird untersucht, wie groß die Bereitschaft in Ost- und Westdeutsch­

land ist, bestimmte Aktivitäten zu ergreifen, die zur Verbesserung der persönlichen wirtschaftlichen Situation beitragen können.

Die Bereitschaft, den Arbeitsplatz zu wechseln, ist in Ostdeutschland größer als in Westdeutschland (Tabelle 3). Insbesondere un- und angelernte Arbeiter zeigen in Ostdeutschland eine hohe Bereitschaft, sich einen anderen Arbeitsplatz zu suchen.

Bei den Facharbeitern hingegen ist die Bereitschaft, den Arbeitsplatz zu wechseln, bei Westdeutschen höher. In einer anderen Stadt Arbeit zu suchen oder gar ins Ausland zu gehen, wird von Ost- und Westdeutschen gleichermaßen, kaum als Alternative angesehen. Hier sind sowohl bei den ost- als auch westdeutschen Beschäftigten Unterschiede nach dem Geschlecht zu erkennen. Bei Frauen liegt die Bereitschaft zu einem Ortswechsel deutlich niedriger als bei Männern.

(16)

Überstunden werden von mehr als der Hälfte der ostdeutschen Beschäftigten akzeptiert. Der entsprechende Anteil liegt in Westdeutschland deutlich niedriger.

Insbesondere ostdeutsche Facharbeiter sind in hohem Maße bereit, Überstunden zu leisten. Große Unterschiede sind wiederum nach dem Geschlecht zu erkennen. Die Bereitschaft von Frauen, Überstunden zu leisten, ist jeweils deutlich geringer.

Frauen sind offensichtlich in beiden Landesteilen wesentlich stärker mit Kinderbe­

treuung und Haushaltsführung belastet als Männer. Die Möglichkeit, einem Neben­

erwerb nachzugehen, stößt ebenfalls bei ostdeutschen Beschäftigten auf höhere Resonanz, insbesondere bei ostdeutschen un- und angelernten Arbeitern. Selbst die Möglichkeit, sich selbständig zu machen, wird von Ostdeutschen etwas öfter in Betracht gezogen als von Westdeutschen, wenngleich insgesamt nur für die wenig­

sten Realisierungschancen gegeben sind. Zur Umschulung oder zum Erlernen eines neuen Berufes sind wiederum deutlich mehr Ostdeutsche als Westdeutsche bereit.

Der Anteil der ostdeutschen Frauen liegt hier sogar über dem der Männer. Dies zeigt die starke Berufsorientierung ostdeutscher Frauen.

Insgesamt kann festgehalten werden, daß ostdeutsche Arbeitnehmer in allen Bereichen eine höhere Flexibilitätsbereitschaft zeigen als westdeutsche und sich somit auf die veränderten Rahmenbedingungen eingestellt haben. Wenn davon ausgegangen wird, daß westdeutsche Arbeitnehmer im allgemeinen den Anforde­

rungen eines modernen Industrie- und Dienstleistungsstandortes gerecht werden, so müßte dies in noch viel höherem Maße für Ostdeutschland gelten. Es ist allerdings deutlich zu erkennen, daß die Bereitschaft zu ortsgebundenen Aktivitäten größer ist als zu solchen, die mit einem Ortswechsel verbunden sind. Am höchsten ist die Bereitschaft zu Überstunden, also einer Aktivität, die keine Veränderung der vertrauten Umgebung mit sich bringt. Noch einmal deutlich wird die höhere Flexibilität der ostdeutschen Beschäftigten, wenn diejenigen betrachtet werden, die keinen der sechs Flexibilitätsindikatoren nennen. Dies ist nur bei 26% der ostdeut­

schen, aber bei 47% der westdeutschen Beschäftigten der Fall. Außerdem haben sich viele Ostdeutsche bereits flexibel gezeigt, indem sie eine Arbeit in Westdeutschland aufgenommen haben.

Grundhaltungen in bezug auf Flexibilität, aber auch auf die Erwerbsorientierung werden mit der Frage: „Was würden Sie tun, wenn sie durch einen unerwarteten Glücksfall plötzlich zu viel Geld kommen?“, erhoben. Hier zeigt sich eine ausge­

prägte Erwerbsorientierung der Ostdeutschen. Beinahe jeder dritte Westdeutsche, aber nur jeder zehnte Ostdeutsche würde aufhören zu arbeiten (Tabelle 4). 55% der Ostdeutschen würden einfach Weiterarbeiten wie bisher, im Gegensatz zu 29% der Westdeutschen. Bei ostdeutschen Frauen ist diese Haltung sogar noch weiter

(17)

Seite 16 Wolfgang Seifert, Richard Rose, Wolfgang Zapf

Tabelle 3: Arbeitsplatzflexibilität nach beruflicher Stellung und Geschlecht (in Prozent)

Arbeitsplatz wechseln

andere Stadt oder

Ausland

Überstunden machen

Neben­

erwerbs­

tätigkeit

Ost West Ost West Ost West Ost West

Insgesam t 19 16 10 9 55 41 20 15

• Un-, angelernte Arbeiter 36 20 13 7 52 41 32 19

• Facharbeiter/Meister 18 23 12 12 65 51 23 21

• Einfache/mittlere Angestellte 20 19 10 11 45 30 18 14

• Gehobene Angestellte 14 11 6 6 59 53 25 10

• Beamte * 2 4 * 30 20 14

Männer 18 17 12 10 62 47 23 18

Frauen 20 14 8 6 47 32 17 11

Mobilitätshemmnisse:

Eigene Firma gründen

Umschulung Zu alt für Neues

Keine Arbeit vor Ort

Ost West Ost West Ost West Ost West

Insgesamt1 11 9 18 10 28 24 38 19

• Un-, angelernte Arbeiter

• Facharbeiter/Meister

10 6 19 15 45 38 53 43

5 10 18 15 26 29 45 24

• Einfache/mittlere Angestellte 7 7 20 12 29 21 37 16

• Gehobene Angestellte 14 10 10 5 27 19 25 12

• Beamte * 3 * 3 40 24 30 18

Männer 16 11 17 11 26 26 34 20

Frauen 6 6 19 8 29 21 42 17

1 Voll- und Teilzeiterwerbstätige

Datenbasis: Westdeutschland N=1.966, Ostdeutschland N=1.117 Befragte.

(18)

Tabelle 4: Flexibilität und Arbeitsorientierung bei (hypothetisch) vorhandenen Ressourcen

Aufhören zu arbeiten

Weiterarbeiten wie bisher

Selbständig machen

Ost West Ost West Ost West

Insgesamt1 12 30 55 29 12 15

• Un-, angelernte Arbeiter 22 46 53 26 6 2

• Facharbeiter/Meister 14 29 50 25 13 24

• Einfache/mittlere Angestellte 10 32 55 20 13 17

• Gehobene Angestellte 10 25 51 34 18 21

• Beamte * 27 * 42 10 3

Männer 11 27 53 31 15 18

Frauen 13 34 57 25 10 11

1 Voll- und Teilzeiterwerbstätige: zu 100% fehlender Wert entfällt auf die Kategorien "eine bessere Arbeit suchen" und "weiß nicht“

Datenbasis: Westdeutschland N=1.966, Ostdeutschland N=1.117 Befragte.

verbreitet als bei ostdeutschen Männern. Dies spiegelt erneut die starke Erwerbsori­

entierung ostdeutscher Frauen wider, für die Arbeit offensichtlich nicht nur Subsi­

stenzsicherung ist, sondern ein Weg zur Selbsverwirklichung.

Auch unter der Annahme von vorhandenen Mitteln gilt, daß die Bereitschaft, sich selbständig zu machen, gering bleibt. Dies gilt für Ost- und Westdeutsche gleicher­

maßen. Von den un- und angelernten Arbeitern wären nur wenige bereit, das Risiko der Selbständigkeit zu tragen. Während westdeutsche Facharbeiter und Meister am häufigsten auf Selbständigkeit setzen würden, nähmen in Ostdeutschland die geho­

benen Angestellten noch am ehesten das Wagnis der Selbständigkeit auf sich.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, daß die Erwerbsorientierung ostdeut­

scher Arbeitnehmer im Vergleich zu westdeutschen deutlich höher ist, die Bereit­

schaft zur Eigeninitiative jedoch etwas geringer.

(19)

Seite 18 Wolfgang Seifert, Richard Rose, Wolfgang Zapf

Berufliche Flexibilität ist im allgemeinen bei jüngeren Arbeitnehmern eher vorhanden als bei älteren, die eine stärkere Bindung an den vertrauten Arbeitsplatz und Wohnort aufweisen, aber auch deutlich schlechtere Arbeitsmarktchancen haben als jüngere. Auch die Bedingungen auf dem Arbeitsmarkt können dem Wunsch nach Veränderung entgegenstehen. Im folgenden wird der Frage nachgegangen, inwie­

fern ein höheres Alter oder die Arbeitsmarktbedingungen als Flexibilitätsbarrieren wahrgenommen werden. Zu alt zu sein, um etwas Neues anfangen zu können, nannten etwas mehr ostdeutsche Beschäftigte als westdeutsche als Mobilitätshemm­

nis. Insbesondere un- und angelernte Arbeiter geben häufiger an, zu alt für einen Neuanfang zu sein. Diese Gruppe weist auch jeweils das höchste Durchschnittsalter auf.

Deutlich unterschiedlich werden die Arbeitsmarktchancen in Ost- und West­

deutschland wahrgenommen. Der Anteil derer, die angeben, daß es keinen Zweck hat, eine andere Arbeit zu suchen, weil es keine Arbeit gibt, liegt in Ostdeutschland doppelt so hoch wie in Westdeutschland. Wie auch in Westdeutschland nehmen un- und angelernte Arbeiter die Arbeitsmarktlage als besonders schlecht wahr. Bei ostdeutschen Facharbeitern und Meistern ist ebenfalls eine große Problemwahmeh- mung festzustellen. Auch für ostdeutsche Frauen stellt sich die Arbeitsmarktlage deutlich schlechter dar. Westdeutsche Frauen hingegen kommen seltener als west­

deutsche Männer zu der Einschätzung, daß es keinen Zweck hat Arbeit zu suchen, weil es keine Arbeit gibt.

Nur an die ostdeutschen Beschäftigten richtete sich die Frage, welche Gründe gegen einen Umzug nach Westdeutschland sprechen. Beinahe alle Befragten gaben an, daß sie ihre Freunde und Verwandten nicht verlassen wollen (Tabelle 5).

Ebenfalls von großer Relevanz sind die Schwierigkeiten, angemessenen Wohnraum zu finden1. Nicht die richtigen Qualifikationen zu besitzen und die Leute nicht zu mögen, nannten jeweils rund ein Viertel der Beschäftigten. Letzteres deuetet auf emotionale Barrieren hin, die immerhin bei einem Viertel der ostdeutschen Beschäf­

tigten gegenüber Westdeutschen bestehen. Daß die Arbeit in Westdeutschland zu hart sei, glaubt nur eine relativ kleine Minderheit. Insgesamt zeigt sich bei den genannten Problemen nur eine geringe Varianz nach beruflicher Stellung und Geschlecht. Die einzige Ausnahme bilden mangelnde Qualifikationen, die von un- und angelernten Arbeitern erwartungsgemäß und auch von Frauen deutlich öfter genannt wurden.

1 Von den Pendlern nannten hingegen nur 19% die Suche nach angemessenem Wohnraum als Problem.

(20)

Tabelle 5: Einstellungen der Ostdeutschen gegenüber möglicher Arbeit in Westdeutschland (in Prozent)’

Insge­ Un-/an- Fach­ Einf./ Geho­ Geschlecht samt gelernte arbeiter mittlere bene Männer Frauen

Arbeiter Meister Ange­ Ange­

stellte stellte

Gründe, die für Arbeit in Westdeutschland sprechen:

Keine Arbeitsmöglichkeit am Ort 78 64 79 80 78 77 79

Berufliche Weiterbildung 36 44 39 31 35 38 34

Bessere Bezahlung 91 89 93 92 85 91 90

Um Geld zu sparen 48 54 53 49 40 49 47

Um beruflich weiterzukommen 42 40 44 46 38 40 44

Gründe, die gegen Arbeit in Westdeutschland sprechen :

Wohnungssuche 80 65 84 79 83 81 79

Trennung von Familie/Freunden 93 85 92 94 95 92 94

Fehlende Qualifikationen 25 58 24 25 18 18 33

Abneigung gegen Westdeutsche 26 40 29 24 23 28 25

Arbeit dort ist zu hart 7 8 8 8 3 9 5

1 Voll- und Teilzeiterwerbstätige

Datenbasis: Westdeutschland N=1.966, Ostdeutschland N=1.117 Befragte.

Allgemein nach den Vorteilen des Arbeitens in Westdeutschland befragt, nann­

ten neun von zehn Befragten die bessere Bezahlung. Ebenfalls von hoher Relevanz ist die Schwierigkeit, vor Ort Arbeit zu finden. Für knapp die Hälfte der Befragten wäre es eine Option, durch Arbeit im Westen Geld zu sparen für eine spätere Existenzgründung in Ostdeutschland. Die Möglichkeit, beruflich weiterzukommen, und die Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten nannten dagegen nur 42% bzw.

36%. Größere Abweichungen nach beruflicher Stellung und Geschlecht sind nicht feststellbar.

(21)

Seite 2 0 Wolfgang Seifert, Richard Rose, Wolfgang Zapf

2.3 Spezifische Adaptionsformen

2.3.1 Multiple Wirtschaftssysteme

H

ier wird eine Typologie multipler Wirtschaftssysteme verwandt, wie sie von Rose (1991) für Untersuchungen in zahlreichen osteuropäischen Ländern entwickelt wurde. Kennzeichnend für zentralverwaltungswirtschaftliche Systeme sind eine geringe Marktorientierung und eine kontinuierliche Knappheit an Gütern des täglichen Bedarfs, aber insbesondere an höherwertigen Gütern. Diese knappen Ressourcen hatten zur Folge, daß für die Distribution begehrter Güter neben den offiziellen Zuteilungen Wege der legalen, halblegalen und illegalen Beschaffung bestanden. Dies galt keinesfalls nur für Luxusgüter. Das Fehlen bestimmter Produk­

te oder Dienstleistungen führte zu einem hohen Anteil an Eigenleistungen, etwa im Bereich des Hausbaus oderder Wohnungsrenovierung, bei Autoreparaturen oder im Eigenanbau von Obst und Gemüse. Diese Eigenleistungen wiederum waren Element gegenseitiger Hilfe, aber auch des Handels oder Tausches. So entstand ein Geflecht von Teilökonomien, die neben der offiziellen Planwirtschaft bestanden.

Die verschiedenen ökonomischen Aktivitäten können auf Haushaltsebene in sechs wirtschaftliche Aktivitätsbereiche, die typisch für sozialistische Gesellschaf­

ten sind, unterteilt werden (Rose 1991:23ff):

Offizielle Ökonomie, bezahlt, legal

• Arbeit und Konsum in der offiziellen Ökonomie: Dieser Bereich umfaßt die offizielle berufliche Tätigkeit innerhalb des planwirtschaftlichen Systems.

(22)

Sozialer Wirtschaftsbereich, unbezahlt, legal

Haushaltsproduktion und Konsumption selbst erzeugter Nahrungsmittel:

Dieser Bereich umfaßt den Anbau von Obst und Gemüse, Kleintierzucht etc. für den Eigenbedarf sowie eigen erbrachte Leistungen beim Haus­

bau, bei Instandsetzungsarbeiten in der Wohnung, Innenausbauten etc.

Dadurch kann ein Haushalt einen hohen Grad an Autarkie erzielen.

Sozialer Austausch zwischen Freunden und Verwandten: In einem ausge­

dehnten Netzwerk werden Gefälligkeiten und Hilfen ausgetauscht, bei der Beschaffung von knappen Gütern geholfen etc. Basis ist die wechsel­

seitige Solidarität, der Austausch erfolgt auf Gegenseitigkeit.

Schattenwirtschaft, bezahlt, illegal

• Arbeit und Konsum im Zweitberuf: Zweittätigkeiten sind in der Regel Teilzeitbeschäftigungen, die neben der offiziellen Tätigkeit ausgeübt werden. Die Bezahlung erfolgt in bar und wird nicht versteuert. Typische Bereiche sind das Handwerk. In jedem Fall werden diese Tätigkeiten pri­

vat ausgeübt, außerhalb der staatlichen Kontrolle.

• Bestechung: Bestechung, um an bestimmte Waren, Güter, Dienstleistun­

gen, Wohnungen oder Positionen zu gelangen. Diese Art der Aneignung beruht auf Macht. Die Nomenklatura, die die Macht besitzt, kann sich selbst alle gewünschten Güter aneignen und ihre Macht benutzen, dar­

über zu entscheiden, was andere Leute erhalten.

• Handel mit Devisen: Eine weitere Möglichkeit, an begehrte Waren zu ge­

langen, war der Besitz von ausländischen Zahlungsmitteln, für die ein re­

ger Schwarzmarkt bestand.

Die Übertragung dieses Konzeptes auf die neuen wie auch alten Bundesländer stößt in einigen Punkten auf Schwierigkeiten. Währungsschiebereien sind in einem „Hartwährungsland“ sicherlich kein Wirtschaftsfaktor. Im folgenden wird dieser Indikator deshalb nicht weiter betrachtet. Das Vorhandensein einer Schat­

tenwirtschaft dürfte zwar auch für die alten Bundesländer außer Frage stehen, doch ist die Bestimmung des Ausmaßes mittels Umfragen äußerst schwierig (vgl.

Merz, Wolff 1987). In südosteuropäischen Ländern wird aufgrund der gesell­

schaftlich weit verbreiteten Schatten Wirtschaft bereitwillig Auskunft darüber

(23)

Seite 2 2 Wolfgang Seifert, Richard Rose, Wolfgang Zapf

Tabelle 6: Aktivitäten in multiplen Wirtschaftssystemen (in Prozent)

Ostdeutschland West­

deutschland Insgesamt Pendler

Erste (offizielle) Ökonomie1 71 100 73

Haushaltsproduktion (Reparaturen) 47 63 28

Anbau von Nahrungsmitteln 47 52 33

Sozialer Austausch

- Geben 19 31 13

- Empfangen 14 17 12

Zweitberuf 8 16 9

Beziehungen

- Insgesamt 25 33 42

- Im Austausch gegen Bezahlung 6 8 16

1 Mindestens eine Person im Haushalt geht einer Erwerbstätigkeit nach.

Datenbasis: Westdeutschland N=1.966, Ostdeutschland N=1.117 Befragte.

gegeben. In der Bundesrepublik ist Schwarzarbeit oder gar Bestechung jedoch eindeutig negativ besetzt und die Antwortbereitschaft entsprechend niedrig. Es muß also davon ausgegangen werden, daß die Bedeutung dieses Bereiches im folgenden unterschätzt wird.

Es zeigt sich, daß ostdeutsche Haushalte in stärkerem Maße Nahrungsmittel selber anbauen als westdeutsche, Reparaturen öfter selber durchführen und auch regelmäßigen sozialen Austausch häufiger betreiben als Westdeutsche (Tabelle 6).

Einen Zweitberuf oder eine Nebenerwerbstätigkeit üben in Ostdeutschland 8% und in Westdeutschland sogar 9% der Bevölkerung aus. Ein überraschendes Resultat ergibt sich bei der Frage nach „Beziehungen“. Auf die Frage: „Es ist oft von Vorteil, wenn man Beziehungen hat, also Leute kennt, die etwas für einen tun können. Haben

(24)

Sie selbst oder ein anderes Haushaltsmitglied sich in den letzten ein bis zwei Jahren an jemanden gewandt, um etwas zu erledigen oder zu erhalten, das man auf dem normalen Weg nicht hätte bekommen können“, liegt die Zustimmung in West­

deutschland bei 42%, in Ostdeutschland aber nur bei 25%. Allerdings kann bei der Bejahung dieser Frage nicht unbedingt auf illegale Aktivitäten wie Bestechung oder ähnliches geschlossen werden, vielmehr beinhaltet sie auch den sozialen Austausch.

Die Mehrzahl der Befragten gab an, für diese Gefälligkeiten nichts bezahlt zu haben.

Bezahlte Gefälligkeiten nannten insgesamt 6% der Ost- und 16% der Westdeut­

schen.

Auffallend ist, daß Pendlerhaushalte in allen ökonomischen Bereichen in hohem Maße aktiv sind. Insgesamt kann davon ausgegangen werden, daß die „Second Economy“ weder in Westdeutschland noch in Ostdeutschland in entscheidendem Maße zur Subsistenzsicherung der Haushalte beiträgt. 86% der Ostdeutschen und 91% der Westdeutschen halten das Einkommen, das ihr Haushalt aus der „First Economy“ bezieht, für ausreichend.

2.3.2 „Pendeln“ in die alten Bundesländer

P

endeln von den neuen in die alten Bundesländer kann als spezifische Bewälti­

gungsstrategie des ökonomischen Transformationsprozesses angesehen wer­

den. Bei den Pendlern handelt es sich um eine hoch motivierte Gruppe, für die in der Mehrzahl Pendeln die Vorbereitung für den Umzug in den Westen ist (Schupp,

(25)

Seite 2 4 Wolfgang Seifert, Richard Rose, Wolfgang Zapf

Wagner 1992). Der Entschluß zu pendeln, kann jedoch viele Ursachen haben und muß nicht in jedem Fall zum Umzug in den Westen führen.

Pendler sind mittels Meinungsumfragen nur schwer zu erfassen, da sie einen Großteil ihrer Zeit an ihrem westdeutschen Arbeitsort verbringen. Hier wurde deshalb danach gefragt, ob eine Person innerhalb des befragten Haushalts seit der Vereinigung in Westdeutschland gearbeitet hat oder noch arbeitet. Mit dieser Fragestellung sollte ermittelt werden, in wievielen Haushalten pendeln zur Subsi­

stenzsicherung beiträgt und beitrug, wie lange bereits gependelt wird und welche Vorteile bzw. Nachteile sich für die Betroffenen aus dem Pendeln ergeben.

In 12% aller Haushalte, bzw. 14% der Haushalte, in der die befragte Person im erwerbsfähigen Alter war, pendelte oder pendelt mindestens ein Haushaltsmitglied nach Westdeutschland oder West-Berlin. Dabei überwiegt der Anteil derer, die länger als sechs Monate (60%) pendel(te)n. Bis zu einem Monat pendelten lediglich 10%, hierbei dürfte es sich vermutlich um Teilnehmer an Aus- oder Weiterbildungs­

kursen handeln. Um den Arbeitsplatz in Westdeutschland oder West-Berlin zu erreichen, pendeln 38% täglich und 39% an den Wochenenden. 23% wohnen überwiegend am Arbeitsort und fahren nur gelegentlich nach Hause.

Der am häufigsten genannte Grund für die Aufnahme einer Arbeit in West­

deutschland war der Mangel an Arbeitsmöglichkeiten vor Ort. 60% nannten man­

gelnde lokale Arbeitsmöglichkeiten. 39% sahen die Chance, durch Pendeln beruf­

lich weiterzukommen, und für 38% war die gute Bezahlung wichtig. Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten (24%) und Geld zu sparen, um später eine Existenz in Ostdeutschland zu gründen (13), waren weniger wichtig.

Das wichtigste Problem, das im Zusammenhang mit der Arbeit in Westdeutsch­

land auftritt, ist die Trennung von Familie und Freunden (52%). Schwierigkeiten, angemessenen Wohnraum zu finden, nennen 19%, daß sie mit den Leuten nicht zurechtkommen, geben 15% an. Zu harte Arbeitsanforderungen (9%) oder Fehlen entsprechender Qualifikationen (8%) stellt nur für eine Minderheit ein Problem dar, so daß gefolgert werden kann, daß die mit dem Pendeln verbundenen Probleme hauptsächlich im familialen Bereich liegen.

(26)

3 Einstellungen zum Ökonom und politischen System ur zialen Problemen

3.1 Einstellungen gegenüber der Markt

D

as marktwirtschaftliche System derBundesrepublikste1,' individuellen und kollektiven Versorgungsstrategien fü Individuell wird Leistung belohnt, eine materielle Mindestsic i.

wie die Absicherung besonderer Risiken wie Krankheit oder i bzw. durch eine Solidargemeinschaft gewährleistet. Gesellst' jedoch der Grad der Absicherung, der sich zwischen zwei Ex* - alleinigen individuellen Fürsorge und der Vollversorgung r anders ausgedrückt, individuelle versus kollektive Versorger genden wird die Frage, welche Einstellungen in Ost- und Wes' sehen, anhand von sechs Gegensatzpaaren erfragt, von denen individuelle und eine für kollektive Orientierungen steht.

Das erste Gegensatzpaar bezieht sich auf die Höhe des Einki

• Die Einkommen sollten allgemein mehr aneinander ang oder

die Höhe des Einkommens sollte von der persönlichen L

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