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Direktbanken - Konkurrenten im Eigenen Haus? v

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Direktbanken - Konkurrenten im Eigenen Haus?

v. Professor Dr. Hans E. Büschgen

veröffentlicht in Wertpapier-Mitteilungen, 1996

Schon seit fast zehn Jahren diskutieren Wissenschaft und Praxis mehr oder weniger kontinuierlich über die Zukunft des Finanzdienstleistungsvertriebs. Die Einstiegspunkte in diese Diskussion liegen auf der Hand, denn das bisher meist vorzufindende weitverzweigte und funktional undifferenzierte stationäre Vertriebssystem in Gestalt des Zweigstellennetzes erfüllt offenbar nicht mehr die Erwartungen an einen zeitgemäßen Vertriebsweg. Die Ursachen dafür sind viel- fältiger Natur: Wer eine intensivere persönliche Betreuung seiner Kunden anstrebt, hat mit dem Problem der Überlastung des Vertriebspersonals mit Routinetätigkeiten zu kämpfen, und wer sich umgekehrt eine Reduzierung des Betreuungsaufwands zum Ziel setzt, stößt im Filialbereich auf überhöhte und zudem fast vollständig starre Kostenstrukturen.

Bis vor wenigen Jahren wurden Antworten auf die erkannte Problematik überwiegend in der Umstrukturierung des Zweigstellennetzes gesehen; als neuer Vertriebsweg wurde ausschließlich über institutseigenen oder auch -fremden Außendienst nachgedacht. Offenbar waren die zu erwartenden Probleme beim Aufbau eines eigenen oder der Nutzung eines bestehenden Außendienstes doch so groß, daß man sich auf zahlreiche Maßnahmen zum Umbau des herkömmlichen Filialvertriebs beschränkte — von der Definition unterschiedlich zu strukturierender Zweigstellentypen bis hin zur Umsetzung lange bekannter Erkenntnisse zur Marktsegmentierung und Zielgruppenbildung. Selbst das durchaus nicht neue

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Instrumentarium der Kundenportfolio-Analyse fand plötzlich großes Interesse in Bankpraxiskreisen.

Alle diese Überlegungen scheinen neuerdings obsolet zu werden durch das Zauberwort „direct banking“. Was ist gemeint? Offenbar war der „direkte“ Vertrieb bestimmter Leistungen durch die eigene Zweigstelle zum Kunden trotz aller Bemühungen nicht direkt genug, und viele Banken versuchen daher, ganz oder – häufiger – teilweise auf die Zweigstelle zu verzichten. Den Anfang dieser Entwick- lung kennzeichnete das „Telefon-Banking“, das dem Kunden überwiegend die Erteilung von Zahlungsverkehrsaufträgen ermöglicht, ohne daß dieser die – zudem mit wenig kundenfreundlichen Öffnungszeiten versehene – Filiale aufsuchen muß, und nicht zuletzt, ohne daß die Kapazität des teuren Zweigstellenpersonals durch ineffiziente Routineaktivitäten gebunden wird. Der Trend zum Ausbau der Selbstbedienungseinrichtungen zielt in die gleiche Richtung.

Es liegt nahe, die Idee des so verstandenen direkten Kontaktes zwischen Bank und Kunde auf alle diejenigen Leistungen der Bank auszuweiten, bei denen die Kosten des stationären, also filialgebundenen Kontakts nicht in einem vertretbaren Verhältnis zu den entsprechenden Erträgen stehen. Aber auch eine andere Strategie ist möglich: Die generell niedrigeren Kosten des direkten Vertriebs werden zwischen Bank und Kunde aufgeteilt, so daß der Wettbewerb zwischen den Banken nicht mehr überwiegend über herkömmliche Kriterien wie Standort und Qualität der persönlichen Betreuung, sondern über den Preis gesteuert wird. In der Tat deuten empirische Erkenntnisse darauf hin, daß die Preisempfindlichkeit weiter Kundenkreise zu- und damit ihre Bereitschaft abnimmt, für ein nicht erforderliches und zudem oftmals schlecht erreichbares Zweigstellennetz höhere Preise zu bewilligen, als für die Leistung isoliert betrachtet vertretbar wäre.

Der Zwang zur Abkehr von einer bei Banken bisher weithin üblichen Preis„politik“ ist somit einerseits Ursache und andererseits Ergebnis des Trends zum direct banking:

Theoretisch reicht bei vollkommenen Märkten ein einziger Anbieter aus, der nur eine einzige isolierte Leistung zum „richtigen“ Preis anbietet, um hinsichtlich dieser Leistung allen Mitbewerbern die Chance zur Mischkalkulation zu nehmen. In dieser Strategie erkennen insbesondere die „discount brokers“ ihr Marktpotential: Warum

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sollte auch der Kunde, der eine Beratung nicht in Anspruch nimmt, den Berater mitbezahlen, der anderen Kunden elementarste Erkenntnisse nahebringt?

Das zentrale Problem sämtlicher Banken, die im direct banking aktiv werden, ist bei aller Euphorie – wie in Wissenschaft und Praxis allzu oft verkannt wird – das Nebeneinander von stationärem und Direktvertrieb. Dabei ist es zunächst unerheblich, ob eine Bank die offensive Zielsetzung der Erschließung neuer Märkte verfolgt oder die defensive Zielsetzung, die Kunden lieber im eigenen Konzern zu halten als an konzernfremde Direktbanken zu verlieren: In jedem Fall hat der Kunde – bisher – die Wahl, ob er sich von der Filiale betreuen lassen möchte und dafür entsprechende Preise bezahlt, oder ob er lieber zugunsten niedrigerer Preise auf bestimmte bisherige Leistungsbestandteile – etwa die Beratung – verzichtet. Diese anscheinend freie Wahl ist allerdings in der Realität nur eingeschränkt möglich:

Auch wenn einzelne Institute versuchen, ihre Direktbank mit qualifizierten Beratungskapazitäten zu versehen, so ist doch offensichtlich, daß direct banking nur für Kunden mit einerseits ausreichender ökonomischer und kommunikativer Qualifikation und andererseits mit Bedarf an durch standardisierbare Leistungen zu deckendem Finanzdienstleistungsbedarf sinnvoll sein kann. Der beinahe schon klassische „Hybrid-Kunde“, der nur bestimmte Leistungen bei der Direktbank als Zweitbank in Anspruch nimmt, verschärft zusätzlich das Problem des stationären Vertriebs: Jede Leistung, die nicht mehr über die Filialen erbracht wird, und jeder Kunde, dessen Deckungsbeitragspotential zur Direktbank abwandert, mag zwar bei der eigenen oder auch einer fremden Direktbank in zusätzlichen Erträgen resultieren, führt aber aufgrund struktureller Restriktionen bei der Anpassbarkeit von Filialkapazitäten regelmäßig nicht zu Einsparungspotentialen in entsprechender Höhe, so daß die Kostenstruktur des stationären Vertriebs sich weiter verschlech- tert.

Versucht man nun, die eingangs formulierte Frage zu beantworten, ob Direktbanken im eigenen Haus eher Konkurrenten darstellen oder vielmehr neue Märkte erschließen, so muß die Antwort differenziert ausfallen. Die Banken müssen sich offenbar vorwerfen lassen, entstandene Märkte bisher nur quasi beiläufig abgedeckt zu haben, nämlich den mobilen, ökonomisch gebildeten und preisempfindlichen

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Bankkunden — mit anderen Worten: den typischen Direktbankkunden. Insofern fallen im stationären Vertrieb jetzt die Märkte fort, die zuvor nur aufgrund von strukturellen (Wettbewerbs-) Defiziten im Finanzdienstleistungssektor bei ihm

„aufgelaufen“ waren; von einer echten Konkurrenz kann daher nur eingeschränkt gesprochen werden. Andererseits entstehen insofern echte Konkurrenzbezie- hungen, als einzelne Elemente des bisher erbrachten Leistungsbündels herausgelöst und von spezialisierten Instituten – erhofft – effizienter erbracht werden; dieser Wettbewerb findet offenkundig nicht nur innerhalb der gesamten Bankbranche statt, sondern gerade auch dann innerhalb einer einzelnen Bank oder Bankengruppe, wenn der Wechsel zur Direktbank-Tochter hinsichtlich dieser Leistung einfacher ist als der vollständige Wechsel zu einer fremden Bank.

Einer einzelnen Bank ist es aus den gezeigten Gründen offenbar auf längere Sicht nicht möglich, sich dem Trend zur Direktbank zu entziehen. Das beweist die Tatsache, daß auch zunächst zurückhaltende Institute und Institutsgruppen nunmehr umfangreiche Aktivitäten entfalten. Die Frage nach den strategischen Freiheitsgraden ist somit eher „akademischer“ Natur; wäre sie denn auch aus praktischer Sicht sinnvoll zu beantworten, so würde sich eine Erklärung anbieten, die aus naheliegenden Gründen niemals formuliert werden wird, selbst wenn man sie als gemeinsame, gleichsam unbewußte Überlegung aller Branchenelemente ansehen würde: Die globale Erklärung für den Trend zu rechtlich und wirtschaftlich vom Filialvertrieb unabhängigen Direktbanken kann nur sein, daß man sich Hoffnungen auf die Möglichkeit radikaler Einschnitte in das Filialnetz macht. Die Trennung von „nicht direktbanktauglichen“ und zugleich unrentablen Kunden wird gleichsam automatisch stattfinden: wenn nämlich sämtliche Kosten des Filialnetzes den noch nicht zur Direktbank abgewanderten Kunden verursachungsgerecht angelastet werden, und auf Dauer nur entsprechend ertragbringende Kunden bei der Filialbank verbleiben. Man kann die Prognose wagen, daß sich jetzt bestehende Konkurrenzlagen damit in absehbarer Zeit von selbst auflösen und daß sich aus dem Bankensystem mit einem der dichtesten Zweigstellennetze der Welt dafür allmählich eines mit funktionierendem Wettbewerb auch um den „normalen“ privaten Kunden entwickeln wird.

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