Differenzieren von Funktionen zwischen Banachr¨ aumen
Ingmar Getzner
In dieser Seminararbeit wollen wir das Differenzieren auf Funktionen zwischen Banachr¨aume verallgemeinern. In unendlichdimensionalen R¨aumen gibt es keine Koordinaten, deshalb gibt es keine partielle Differnzierbarkeit. Jedoch lassen sich die Begriffe Richtungsablei- tung und totales Differntial auf Banachr¨aume verallgemeinern. Wir beginnen mit der Gateaux-Ableitung, welche eine Verallgemeinerung der Richtungsableitung darstellt. Lei- der ist die Gateaux-Ableitung nicht einheitlich in der Literatur definiert. Wir halten uns hier an folgende Definition, entnommen aus [Zei85]:
Definition 1 Seien X, Y Banachr¨aume, U ⊆ X offen, x0 ∈ U und f : U → Y, dann nennt man f Gateaux-differenzierbar an x0, falls ein Operator T(x0) ∈ B(X, Y), der Menge aller beschr¨ankten, linearen Abbildungen von X nach Y, existiert, sodass
limt→0
kf(x0+tv)−f(x0)−tT(x0)(v)kY
t = 0, ∀v ∈X :kvkX = 1, t∈R.
F¨ur T(x0)(v) schreibt man dGf(x0)(v) und nennt es dieGateaux-Ableitung an der Stelle
Definition 2 Seien X, Y Banachr¨aume, U ⊆ X offen, x0 ∈ U und f : U → Y, dann nennt man f Fr´echet-differenzierbar anx0, falls ein Operator T(x0)∈ B(X, Y) existiert, sodass
h→0lim
kf(x0+h)−f(x0)−T(x0)(h)kY
khkX = 0, h∈X.
F¨ur T(x0) schreibt mandf(x0) und nennt es die Fr´echet-Ableitung an der Stellex0. Satz 1 Seien X, Y Banachr¨aume, U ⊆ X offen, x0 ∈ U und f : U → Y, dann sind folgende Aussagen ¨aquivalent:
(i). f ist Fr´echet-differenzierbar an x0.
(ii). f ist Gateaux-differenzierbar an x0 und die Grenzwertbildung in Definition 1 ist gleichm¨aßig bzgl. der Einheitssph¨are in X, das heißt:
∀ >0 ∃δ >0 : |t|< ⇒ kf(x0+tv)−f(x0)−df(x0)(tv)kY
t < δ
wobei δ nicht von v mit kvk ≤1 abh¨angt.
Beweis. (ii)⇒(i) Da obiges δ nicht von v abh¨angt gilt:
∀ >0 ∃δ >0 : |t|< ⇒ sup
kvk=1
kf(x0+tv)−f(x0)−df(x0)(tv)kY
t ≤δ
Wir machen eine Polarzerlegung h = tv mit t := khk und v := khkh . Somit gibt es zu jedem >0 ein δ, sodass gilt:
kf(x0+h)−f(x0)−df(x0)(h)kY
khkX = kf(x0+tv)−f(x0)−df(x0)(tv)kY
t ≤
≤ sup
kvk=1
kf(x0+tv)−f(x0)−df(x0)(tv)kY
t ≤δ ∀h: khk=|t|< .
Daraus folgt:
h→0lim
kf(x0+h)−f(x0)−df(x0)(h)kY
khkX = 0
(i)⇒(ii) Setzt man h=tv in Definition 2, so gilt kf(x0+h)−f(x0)−df(x0)(h)kY
khkX < δ ∀h: khk< ⇒
⇒ sup
kvk=1
kf(x0+tv)−f(x0)−df(x0)(tv)kY
t ≤δ ∀t : |t|=khk< .
Satz 2 Seien X, Y Banachr¨aume, U ⊆ X offen, x ∈ U, h ∈ X fest und f : U → Y ist Gateaux-differenzierbar. Außerdem soll die Abbildung z → dGf(z)(h) stetig sein an jedem Punkt der Strecke S = {x+λh : 0 ≤ λ ≤ 1} und S ⊆ U. Dann gilt f¨ur jedes Λ∈ B(X, Y)
kf(x+h)−f(x)−Λ(h)kY ≤ sup
0≤t≤1
kdGf(x+th)−ΛkB(X,Y)khkX. Beweis. Sei φ(t) :=f(x+th). Nach Definition der Gateaux-Ableitung gilt
φ0(t) = lim
→0
φ(t+)−φ(t)
= lim
→0
f(x+ (t+)h)−f(x+th)
=dGf(x+th)(h).
Mit einer Folgerung des Hauptsatzes der Analysis (vgl. [Kri04]) gilt φ(1)−φ(0) =
Z 1
0
φ0(t) dt, f(x+h)−f(x) =
Z 1
0
dGf(x+th)(h) dt.
Sei Λ∈ B(X, Y) dann gilt
kf(x+h)−f(x)−Λ(h)k =
Z 1
0
dGf(x+th)(h) dt−Λ(h)
=
=
Z 1
0
(dGf(x+th)−Λ)(h) dt
≤ Z 1
0
k(dGf(x+th)−Λ)(h)k dt≤
≤ Z 1
0
kdGf(x+th)−Λk khkdt ≤ sup
t∈[0,1]
kdGf(x+th)−Λk khk.
Satz 3 Seien X, Y Banachr¨aume, U ⊆ X offen, x ∈ U und f : U → Y Gateaux- differenzierbar auf U. Außerdem sei x → dGf(x) stetig auf U. Dann ist f Fr´echet- differenzierbar und es gilt dGf(x) =df(x).
Beweis. Da x→dGf(x) stetig ist, gibt es zu jedem >0 ein δ >0, sodass khk< δ ⇒ kdGf(x+h)−dGf(x)k< .
Da f¨ur khk< δ auchkthk< δ f¨ur alle t∈[0,1], gilt f¨ur khk< δ auch sup
0≤t≤1
kdGf(x+th)−dGf(x)k ≤. Mit Satz 2 gilt nun
h→0lim
kf(x+h)−f(x)−dGf(x)(h)k
khk ≤ lim
h→0 sup
0≤t≤1
kdGf(x+th)−dGf(x)k khk
khk = 0.
Ein einfaches Beispiel zeigt, dass aus Gateaux-Differenzierbarkeit im Allgemeinen nicht Fr´echet-Differenzierbarkeit folgt.
Beispiel. W¨ahlen Banachr¨aume X =R2, Y =R und
f(x, y) := xy3
x2+y4 f¨ur (x, y)∈R2. F¨ur beliebige Richtungen v = (a, b)∈R2 gilt
dGf(0,0)(v) = lim
t→0
f(x+tv)−f(t)
t = lim
t→0
tab3
a2+t2b4 = 0. (1) Bildet man jedoch den Grenzwert entlang x=t2 und y=t erh¨alt man
(x,y)→(0,0)lim
xy3 x2+y4
px2+y2 = t 2√
t4+t2 = 1 2.
Somit existiertdie Fr´echet-Ableitung an 0 nicht. Ausserdem kann man mit Satz 2 schlie- ßen, dass die Konvergenz in (1) nicht gleichm¨aßig ist.
Analog zur Differentialrechnung im Rn gelten auch beim Differenzieren von Funktionen zwischen Banachr¨aumen die Summenregel, Produktregel und Kettenregel (vgl. [Zei85]).
Definition 3 SeienX, Y, Z Banachr¨aumeO ⊆X×Y offen, (x0, y0)∈O undf :O →Z.
Sei g(x) := f(x, y0). Falls g eine Fr´echet- bzw. Gateaux-Ableitung besitzt, so definieren wir die partielle Ableitung von f in (x0, y0) bez¨uglich x durch dfx(x0, y0) = dg(x0).
Satz 4 Die Menge B(X, Y) aller beschr¨ankten, linearen Abbildungen, wobei X, Y Ba- nachr¨aume sind, ist versehen mit der Abbildungsnorm selbst ein Banachraum.
Beweis. vgl. [Kal10]
Definition 4 Seien X, Y Banachr¨aume, U ⊆ X offen, x0 ∈ U, f : U → Y und es gelte
• f :U →Y ist Fr´echet-differenzierbar auf einer Umgebung von x0.
• df :U → B(X, Y) ist Fr´echet-differenzierbar an x0.
dann nennt man f 2-mal differenzierbar und d2f(x0) die zweite Ableitung vonf anx0.
Man bemerke:
f : U ⊆X →Y
df : U ⊆X → B(X, Y) d2f : U ⊆X → B(X,B(X, Y))
...
Somit wird der Bildraum bei h¨oheren Ableitungen immer komplizierter.
Definition 5 Die Abbildung
M :X1×X2× · · · ×Xn→Y, Xi, Y Banachr¨aume,
ist n-linear und beschr¨ankt, fallsM linear in jedem Argument ist und es eine Konstante C ≥0 gibt, sodass gilt
kM(x1, x2, ..., xn)k ≤Ckx1k kx2k · · · kxnk ∀xi ∈Xi, i= 1, .., n.
Die kleinstm¨ogliche KonstanteC, f¨ur die obige Ungleichung stimmt, ist kMk= sup
kx1k=···=kxnk=1
kM(x1, . . . , xn)k.
Zur Vereinfachung identifizieren wir die Elemente von B(X,B(X, Y)) mit jenen aus B(2)(X, Y), dem Raum aller beschr¨ankten, bilinearen Abbildungen von X×X nach Y. F¨ur jedesT ∈ B(X,B(X, Y)) definieren wir φT(x, y) :=T(x)(y), (x, y)∈X×X. Die Abbildung
Ψ :
(B(X,B(X, Y))→ B(2)(X, Y)
T 7→ φT
ist ein isometrischer Isomorphismus, da kTk= sup
kxk=1
kT(x)k= sup
kxk=1
sup
kyk=1
kT(x)(y)k=
= sup
kxk=1,kyk=1
kT(x)(y)k= sup
kxk=1,kyk=1
kφT(x, y)k=kφTk
Sei φ ∈ B(2)(X, Y) gegeben. Die Abbildung Tx0 : y 7→ φ(x0, y) ist aus B(X, Y), da sie offensichtlich linear ist und
kTx0(y)k=kφ(x0, y)k ≤ kφk kx0k kyk.
Daraus folgt kTx0k ≤ kφk kx0k. Weiters ist die Abbildung T : x 7→ φ(x,·) = Tx(·) aus B(X,B(X, Y)), da sie linear in xist und
Somit gilt φ(x, y) = T(x)(y) = φT(x, y), (x, y)∈X×X, also ist Ψ auch surjektiv.
Analog k¨onnen R¨aume stetiger, n-linearer Funktionen eingef¨uhrt werden.
Beispiel. Wir zeigen, dass in einem Hilbertraum H die Funktion f(x) := kxk2H ste- tig Fr´echet-differenzierbar ist. Zuerst zeigen wir die Gateaux-differnzierbarkeit:
limt→0
f(x+th)−f(x)
t = lim
t→0
kx+thk2H − kxk2H
t =
= lim
t→0
2t(x, h)H −t2khk2H
t = 2(x, h)H
2(x, h)H ist linear und beschr¨ankt in h. Deshalb istf Gateaux-differenzierbar.
Die Gateaux-Ableitung ist auch ein Kanditat f¨ur die Fr´echet-Ableitung. Es gilt:
|f(x+h)−f(x)−dGf(x)(h)|
khkH =
= kx+hk2H − kxk2H −2(x, h)H
khkH = khkH →0 f¨ur h→0
Somit ist f Fr´echet-differenzierbar. f ist sogar stetig Fr´echet-differenzierbar, da die Ab- bildung df : H → B(H,R) =H0 : x → 2(x,·)H linear und beschr¨ankt ist, denn aus der Cauchy-Schwarz-Ungleichung folgt
kdfkB(H,H0) = sup
kxk=1
sup
khk=1
|df(x)(h)|= sup
kxk=1
sup
khk=1
|2(x, h)H| ≤2
Beispiel. W¨ahlen X =Y =C[0,1] und f(x) = sin(x(.)). Sei x∈C[0,1] eine beliebige Stelle und h ∈ C[0,1] eine beliebige Richtung. F¨ur die Gauteaux-Ableitung berechnen wir zuerst f¨ur beliebiges t ∈[0,1]
τ→0lim
sin(x(t) +τ h(t))−sin(x(t))
τ = d
dτ
sin(x(t) +τ h(t))
τ=0
= cos(x(t))h(t)
was ein Kanditat f¨ur die Gateaux-Ableitung ist. Um die Konvergenz in C[0,1] zu zeigen seit ∈[0,1] beliebig aber fest. Mit dem Mittelwertsatz gilt f¨ur ein λ(t)∈[0,1]
sin(x(t) +τ h(t))−sin(x(t))
τ −cos(x(t))h(t)
=
=|cos(x(t) +λ(t)τ h(t))−cos(x(t))||h(t)| ≤L(t)λ(t)τ|h(t)|2.
Wobei L(t) die Lipschitzkonsante ist, welche als 1 gew¨ahlt werden kann. Da t ∈ [0,1]
beliebig war, folgt mit τ →0 die Konvergenz in (C[0,1],k.k∞) gegen 0.
h(·)7→cos(x(·))h(·) ist linear in h und beschr¨ankt, da sup
t∈[0,1]
|cos(x(t))h(t)| ≤ sup
t∈[0,1]
|cos(x(t))|khkC[0,1] ≤ khkC[0,1].
Somit folgt dGf(x)(h) = cos(x(·))h(·) Die Gateaux-Ableitung ist sogar die Fr´echet- Ableitung:
Zweimaliges Anwenden des Mittelwertsatzes liefert f¨ur ein λ(t) ∈ [0,1] und f¨ur jedes t∈[0,1]
|sin(x(t) +h(t))−sin(x(t))−cos(x(t))h(t)| ≤ |(cos(x(t) +λ(t)h(t))−cos(x(t)))h(t)|
≤ | −sin(x(t) +λ(t)h(t))λ(t)h(t)2| ≤ |h(t)|2, woraus
kf(x+h)−f(x)−dGf(x)(h)kC[0,1]
khkC[0,1] ≤ sup
t∈[0,1]
|h(t)|2
khkC[0,1] =khkC[0,1] →0 f¨ur khkC[0,1] →0 und somit die Fr´echet-differenzierbarkeit von f folgt.
Literatur
[Jos05] J¨urgen Jost. Postmodern Analysis, Springer, 2005.
[Zei85] Eberhard Zeidler. Nonlinear Functional Analysis and its Applications, Springer, 1985.
[Wer11] Dirk Werner. Funktionalanalysis, Springer, 2011.
[Kri04] Andreas Kriegl. Analysis 2, 2004.
[Kal10] Michael Kaltenbaeck. Analysis 2, 2010.